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Tränen verschleierten ihren Blick, als sie ihm den goldenen Apfel aus der Hand nahm. Der Schein des Feuers spiegelte sich in seiner glänzenden Oberfläche. »Bis bald«, flüsterte sie, bevor sie den Mund öffnete und in die Frucht biss. Das Stück blieb ihr im Hals stecken. Sie rang nach Atem, bevor sie die Augen schloss und ihr die Knie wegsackten. Rumpelstilzchen hatte gesagt, dass man Schneewittchen nur in ihren Träumen töten könne. Will betete, dass er recht behielt. Sie durfte nicht tot sein.
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Veröffentlichungsjahr: 2019
Maya Shepherd
Der goldene Apfel
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- gekürzte Vorschau -
Inhaltsverzeichnis
Titel
Was zuvor geschah
Das Lazarus-Bad
Der Junge ohne Herz
Der goldene Apfel
Ein Freund fürs Leben
Als der Mond vom Himmel fiel
Glimmende Kohle
Die letzte Nacht
Schlussworte der Autorin
Danksagung
Impressum tolino
Maya Shepherd
Die Grimm Chroniken 5
„Der goldene Apfel“
Copyright © 2018 Maya Shepherd
Coverdesign: Jaqueline Kropmanns
Lektorat: Sternensand Verlag /Martina König
Korrektorat: Jennifer Papendick
Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder teilweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
Facebook: www.facebook.de/MayaShepherdAutor
E-Mail: [email protected]
Für meine Vergessenen Sieben
1593
Mary und Dorian durchqueren zusammen mit Kapitän Blaubart und seiner Mannschaft die Sieben Weltmeere. Eines Nachts beginnen die Sirenen zu singen, um die Seemänner in den Tod zu locken. Diese wissen sich zu helfen, indem sie sich Wachs in die Ohren stecken. Dieser Trick funktioniert jedoch bei Dorian nicht, da sein vampirisches Gehör die Melodie dennoch hört. Deshalb bittet er Mary, ihn einzuschließen, damit er niemandem etwas tun kann.
Der Gesang hat auf Mary selbst keinen Einfluss, da sie eine Frau ist. Sie betritt das Deck, um die Sirenen zu bitten, mit dem Singen aufzuhören und sie weiter segeln zu lassen. Überraschenderweise wissen die Sirenen, wer Mary ist, und raten ihr, sich ihnen anzuschließen, indem sie ihre Seele an die Meerhexe verkauft. Nicht nur ihr selbst drohe ein schreckliches Schicksal, sondern der ganzen Menschheit. Um das zu verhindern, müsse Mary sich umbringen. Außerdem warnen die Sirenen sie vor Dorian, der den Grund kennen würde, warum sie beide nicht zusammen sein dürften, diesen aber vor ihr geheim halte.
Ehe Mary weitere Fragen stellen kann, gelingt es Dorian, aus seinem Gefängnis auszubrechen. Er hat jede Kontrolle über seinen Körper verloren und richtet unter Deck ein schreckliches Blutbad an. Als er über die Hälfte der Schiffsmannschaft getötet hat, will er auch auf Mary losgehen. Dieser gelingt es aber, zu ihm durchzudringen. Schockiert von dem, was er angerichtet hat, stürzt sich Dorian in die Fluten und lässt Mary allein zurück.
Die verbliebenen Seemänner geben Mary die Schuld an ihrem Unglück und beschuldigen sie der Hexerei. Sie wollen sie töten, doch Kapitän Blaubart behauptet, dass er sich selbst um ihre Bestrafung kümmern wolle, und führt sie in seine Kajüte.
Dort offenbart er Mary seine wahre Identität: Er ist der Teufel. Er droht Mary, sie und auch Dorian zu töten, wenn sie nicht ihre Seele an ihn verkauft. Im Gegenzug würde er ihnen ein Boot schenken, das niemals sinken kann, sodass sie weiter nach dem Turm der Erdenmutter suchen können. Da Mary keinen anderen Ausweg sieht, willigt sie ein.
2012
Während Will durch den Fluch des Schlafenden Todes in Schneewittchens Träumen gefangen ist, bewachen Maggy und Joe seinen Körper in Schloss Drachenburg. Rumpelstein behauptet, Maggy etwas Wichtiges zeigen zu wollen, und führt sie in eine magische Bibliothek. Dort entdeckt sie ein Buch, welches den Titel ›Die Grimm-Chroniken‹ trägt. Darin ist ihre Geschichte niedergeschrieben. Alles, was bisher geschehen ist, findet sie dort Wort für Wort wieder. Verängstigt flieht sie aus dem Raum und lässt das Buch zurück.
Am Abend erzählt sie ihrem Bruder von der Entdeckung. Als sie am nächsten Tag noch einmal einen Blick in die ›Grimm-Chroniken‹ werfen möchte, kann sie es jedoch nicht mehr finden. Rumpelstein hat sie reingelegt, denn er wusste, dass jeder Mensch dieses Buch nur einmal finden und lesen kann. Maggy hat somit ihre Chance vertan. Sie reagiert wütend und vorwurfsvoll, dabei erfährt sie, dass auch Rumpelstein nicht aus eigenen Motiven handelt. Jemand hat ihm seinen Namen gestohlen und erpresst ihn.
Zwischen Traum und Wirklichkeit, 1812
Will gelangt in seinem Traum in ein unterirdisches Badezimmer, in dem Königin Mary in Blut badet. Auf dem Fliesenboden liegt der nackte Leichnam einer jungen Frau, die ihr zum Opfer gefallen ist.
Es ist eine Erinnerung Margerys, die ebenfalls anwesend ist. Um Will dazu zu bringen, sich daran zu erinnern, wer er wirklich ist, verlässt sie ihr Versteck und stellt sich mutig ihrer Mutter entgegen, die sie töten möchte. Doch anders als in den vorherigen Träumen, kann die Königin dieses Mal auch Will sehen und greift ihn anstatt ihrer Tochter an. Dabei reißt sie ihm seine Kette mit dem Medaillon vom Hals. Er wird von einem geheimnisvollen Fremden gerettet, der durch ein Pusten in seine Pfeife den Raum in undurchsichtigen grünen Nebel hüllt.
Als dieser sich wieder lichtet, sind die Königin und Schneewittchen verschwunden. Der Fremde gibt sich als Wills Vater Ludwig zu erkennen. Er offenbart Will, dass sein richtiger Nachname nicht Zimmer, sondern Grimm lautet. Er ist einer der beiden Autoren, welche die Märchen verfasst haben.
Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach Margery, um diese vor ihrer Mutter zu retten. Ihre Spur führt sie in den Wald, wo die Jäger der Königin die Verfolgung aufnehmen. Sie trennen sich, um es ihnen schwerer zu machen.
Will erreicht die umgestürzte Kutsche der Königin. Dort findet er Schneewittchen, doch ihre Mutter ist verschwunden. Zusammen suchen sie nach Ludwig und finden ihn eingekreist von den königlichen Jägern, der wölfischen Leibgarde der Königin und Mary selbst. Schneewittchen gibt sich zu erkennen, um Will und seinen Vater zu schützen. Dieser besteht jedoch darauf, gegen die Königin zu kämpfen, in der Hoffnung, sie dabei zu besiegen.
In seinem Todeskampf entlockt Mary ihm die Wahrheit, dass er nicht Wills Vater, sondern sein älterer Bruder Jacob ist. Ludwig ist nur sein zweiter Vorname. Gerade als die Königin zum tödlichen Schlag ausholen will, wirft sich einer der Jäger vor Jacob und fängt so den Schwerthieb ab. Als seine Kapuze zurückfällt, blickt Will in sein eigenes Gesicht. Er war nicht nur ein Märchenerzähler, sondern auch ein Jäger der Königin.
Diese Erkenntnis beendet den Traum und holt ihn in die Realität zurück. Er erwacht in Schloss Drachenburg der heutigen Zeit, ebenso wie Schneewittchen. Rumpelstein ist ebenfalls anwesend und informiert sie darüber, dass die Königin Maggy und Joe gefangen hat. Sie wird ihnen etwas antun, wenn Will und Margery sich ihr nicht freiwillig ausliefern.
Schneewittchen fühlt sich schuldig, weil Wills Freunde ihretwegen nun in Gefahr schweben. Sie möchte ihrer Mutter allein gegenübertreten und ihr geben, was sie verlangt: ihren Tod. Nur so kann sie andere vor sich schützen. Will lässt dies jedoch nicht zu. Jetzt, wo er wieder weiß, wer er war, erinnert er sich auch daran, was er einmal für die Prinzessin empfunden hat. Er drückt seine Gefühle in einem Kuss aus, bevor sie zusammen aufbrechen, um Maggy und Joe zu befreien.
Irgendwo in den Sieben Weltmeeren, Januar 1594
Das kleine Boot trieb träge über die ruhige See. Kaum dass es außer Sichtweite der Fahrender Tod war, fand Dorian den Weg zu mir zurück. Im ersten Moment war ich unglaublich erleichtert, ihn wiederzusehen, dann fragte ich mich jedoch, warum er nicht früher aufgetaucht war. Er hatte mich mit Blaubart und seiner Mannschaft allein gelassen, auch wenn er mir versichert hatte, immer in der Nähe zu bleiben. Er war nicht da gewesen, als ich ihn gebraucht hätte.
»Wo bist du gewesen?«, fuhr ich ihn an, kaum dass er Platz genommen hatte.
»Nicht weit«, entgegnete er mir, ohne sich weiter zu erklären.
Offenbar war er zu weit weg gewesen, denn sonst hätte ich meine Seele nicht an den Teufel verkaufen müssen. Zum ersten Mal empfand ich Wut auf ihn. Es lag nicht an dem, was ich mich gezwungen gesehen hatte, zu tun. Selbst wenn er da gewesen wäre, hätte er nichts daran ändern können. Vielmehr verletzte mich sein Schweigen. Er war mir gegenüber nicht ehrlich und behielt so viel für sich, als wäre ich seines Vertrauens nicht würdig.
»Wie bist du an das Boot gekommen?«, fragte er mich schließlich. Entweder bemerkte er meinen Zorn nicht oder er ignorierte ihn absichtlich.
»Die Mannschaft wollte mich nicht mehr auf ihrem Schiff haben«, sagte ich leichthin. »Blaubart brachte es nicht über sich, mich von Bord zu stoßen, und hat mir deshalb das Beiboot überlassen.« Es war erstaunlich, wie leicht mir diese Lüge über die Lippen ging. Ich konnte ihm dabei sogar in die fast schwarzen Augen sehen.
Ich erzählte ihm nichts von meiner verkauften Seele. Dies war nun mein Geheimnis. Es tat einerseits weh, etwas vor ihm zurückzuhalten, da es meiner Vorstellung von einer harmonischen Beziehung widersprach. Andererseits verlieh es mir auch ein Gefühl von Ebenbürtigkeit.
Er nickte nur und schien nicht einmal für einen Moment an meinen Worten zu zweifeln, dabei war Blaubart ihm sicher nicht als Mann der Gnade erschienen. Vielleicht schloss er es einfach aus, dass ich in der Lage sein könnte, ihn zu belügen.
Eine dichte Nebelbank hüllte uns ein. Zu Beginn waren wir noch euphorisch gewesen und hatten kräftig die Ruder geschwungen, in der Hoffnung, schon bald den rettenden Turm der Erdenmutter zu entdecken. Schwielen bedeckten meine Hände, die Arbeit nicht gewohnt waren. Selbst als der Nebel aufgezogen war, hatten wir noch nicht aufgegeben, sondern immer weiter gerudert. Wir hatten geglaubt, dass der Nebel sich mit der aufgehenden Sonne verziehen würde. Doch wir hatten seit sieben Tagen keinen Sonnenaufgang mehr erlebt. Nach dem dritten Tag hatten wir die Ruder sinken lassen.
Das Wetter war grau, düster und trist. Dicke Wolken bedeckten den Himmel. Ein Unterschied zwischen Tag und Nacht war kaum zu erkennen. Die Jahreswende war an uns vorübergegangen, ohne dass wir Notiz von ihr genommen hatten.
Wir mussten einsehen, dass, selbst wenn der Turm sich in unserer Nähe befand, wir ihn durch die Nebelwand nicht würden sehen können. Wir waren wie in einer Blase gefangen, die uns vor der Welt verschloss. Es gab nur noch Dorian und mich. So verlockend ich die Vorstellung zuvor gefunden hatte, umso mehr quälte sie mich nun. Unsere Gespräche, die ohnehin nie sehr ausführlich gewesen waren, verstummten. Wir hatten einander nichts mehr zu sagen, denn alles, was uns auf der Zunge lag, hätte die Situation nicht besser gemacht.
Ich musste immer wieder daran denken, dass er mich auf der Fahrender Tod einfach meinem Schicksal überlassen hatte. Er war nicht in der Nähe geblieben, wie er es versprochen hatte. Das perfekte Bild, das ich bis dahin von ihm gehabt hatte, begann zu bröckeln.
Schon häufig hatten wir geglaubt, durch den Nebel am Horizont die Umrisse von Schiffen zu erkennen. Wir hatten unsere letzten Kraftreserven mobilisiert und versucht, sie zu erreichen, aber ganz gleich, wie kräftig wir ruderten, sie kamen einfach nicht näher. Deshalb waren wir dazu übergegangen, sie zu ignorieren. Sie waren nicht mehr als Halluzinationen, die dazu führen würden, dass wir den Verstand verloren.
Dorian verschwand oft stundenlang im Meer. Er tauchte hinab in das kalte Wasser und jagte Fische. Er trank ihr Blut, um bei Kräften zu bleiben, und brachte mir ihre Körper. Ich würgte den glitschigen Fisch herunter und wusste, dass ich nie wieder einen Bissen Fisch würde essen können, wenn wir es jemals schaffen sollten, dieser Hölle zu entkommen. Jedoch sah es nicht danach aus, als ob unsere Irrfahrt bald ein Ende finden würde.
Die Sirenen waren uns nicht mehr begegnet. Sie hatten ihr Interesse an mir verloren, jetzt, wo ich keine Seele mehr hatte, die ich der Meerhexe zum Tausch hätte anbieten können.
Zweifel schlugen ihre Wurzeln in mein Herz. Wenn Dorian mir stumm gegenübersaß und meinen Blick mied, fragte ich mich, ob unsere Liebe so groß war, wie ich geglaubt hatte. Sie hatte uns vom ersten Tag an nichts als Schmerzen bereitet.
Mein Leben ohne ihn wäre einsam und unerfüllt gewesen. Jeder Tag wäre wie der andere gewesen. Tage wären zu Jahren geworden. Es wäre ein sicheres Leben gewesen. Mehr nicht.
Als ich mit ihm geflohen war, hatte ich von einer Zukunft geträumt, in der wir glücklich sein könnten. Unser Lachen sollte die Tage füllen. Mir war klar gewesen, dass wir dafür einen Preis würden zahlen müssen, aber ich hatte nicht damit gerechnet, wie hoch er sein würde. Ich hatte meine Seele an den Teufel verkauft.
Wofür? Für ein Dahinvegetieren auf dem Ozean und das Verspeisen von eiskaltem Fisch? Das war kein Leben, sondern eine Bestrafung.
Ich blickte zu Dorian, der sein Gesicht in seinen Händen vergraben hatte. Er fühlte sich schuldig, weil es ihm nicht gelang, uns aus diesem Nebel hinauszumanövrieren. Ich sehnte mich danach, dass er mich in die Arme nahm und mir ins Ohr hauchte, dass alles gut werden würde. Aber er tat es nicht. Er hielt sich von mir fern. Bereute er bereits, mich je getroffen zu haben?
»Dorian«, sprach ich ihn leise an. Meine Stimme war eingerostet und ich erkannte ihren Klang kaum wieder. Wir sprachen oft viele Stunden nicht miteinander, manchmal sogar einen ganzen Tag nicht. »Wir könnten noch einmal versuchen, zu rudern«, schlug ich ihm vor, um etwas zu tun zu haben. Wenn meine Hände und Arme von der Anstrengung schmerzten, könnte ich mir weniger den Kopf darüber zerbrechen, wie aussichtlos unsere Situation war.
Er hob den Kopf und blinzelte mir kraftlos entgegen. »Was soll das bringen? Das Schicksal entscheidet darüber, wann oder …« Er stockte. Er hatte ob sagen wollen. »… wann wir den Turm finden.« Ob wir den Turm finden.
»Wir könnten unser Schicksal selbst in die Hand nehmen«, entgegnete ich und versuchte, etwas von dem Feuer in seinen Augen zu entfachen, das ich früher darin hatte lodern sehen.
Meine Worte schienen ihn zu verwundern, aber er sagte nichts dazu.
Sein Schweigen machte mich wütend und ich begann, Dinge anzusprechen, die ich besser hätte ruhen lassen. »Die Sirenen haben mir gesagt, dass es einen Grund gebe, warum wir nicht zusammen sein sollten. Kennst du diesen Grund?« Meine Stimme war schneidend.
Ich wusste, dass er diese Art von Fragen verabscheute, und gerade deshalb stellte ich sie nun. Er hatte versprochen, mir die Wahrheit zu sagen, wenn die Zeit dafür gekommen war. Was, wenn sie nie kam? Was, wenn wir hier auf den Sieben Weltmeeren starben? Ich wollte wenigstens wissen, warum ich starb.
Daran, wie er zusammenzuckte, erkannte ich, dass ich einen wunden Punkt bei ihm getroffen hatte. Er schüttelte dennoch den Kopf. Lügner.
»Verrat ihn mir«, forderte ich ihn heraus.
Meine Worte waren wie Hiebe. Es lag nichts Sanftes mehr in ihnen. Ich wollte ihn verletzen, so wie er mich mit seinem Schweigen strafte.
Er hob den Blick und seine Augen baten um Verzeihung. Er litt unter dem Geheimnis, das er entschlossen hatte, für sich zu bewahren. »Mary«, setzte er schwach an, doch plötzlich weiteten sich seine Augen. Etwas hinter mir hatte seine Aufmerksamkeit erweckt.
Ich fuhr herum und entdeckte ein großes Segelschiff – nicht weit von uns. Aber dennoch zu weit, um es zu erreichen. Es war nicht real.
»Das ist nur eine weitere Halluzination«, entgegnete ich.
Versuchte er, sich davor zu drücken, mir endlich die Wahrheit zu sagen? Ich war es leid, mich von ihm vertrösten zu lassen. Die Zeit des uneingeschränkten Vertrauens war vorüber. Ich hatte keine Kraft mehr, um blind zu vertrauen.
»Nein, dieses nicht«, sagte er bestimmt. »Ich kenne dieses Schiff. Es gehört meinem Vater!«
Er glitt geschmeidig von dem einen Ende des Bootes an meine Seite. Obwohl wir sieben Tage allein auf dem Meer verbracht hatten, war es das erste Mal, dass er mir so nah kam. Hinter mir ging er in die Hocke. Sein Gesicht war nur Zentimeter von meinem entfernt.
»Siehst du die Galionsfigur?«, fragte er mich, wobei sein Atem meine Wange streifte.
Ich folgte seinem ausgestreckten Arm und kniff die Augen zusammen, um etwas erkennen zu können. Das Schiff war immerhin noch weit weg und ich besaß nicht die übernatürlichen Kräfte eines Vampirs. Dennoch erkannte ich, was er meinte.
»Es ist ein Drache«, entfuhr es mir schockiert.
Dorian nickte. »Er hat uns gefunden.«
Obwohl uns die Gefahr nun näher war als in den ganzen vergangenen Tagen, wirkte Dorian plötzlich wieder stark. Er hatte ein Ziel vor Augen, gegen das er ankämpfen konnte.
Seine Stärke erreichte mich leider nicht. Ich hatte Angst. »Wird er uns töten?«
»Vielleicht«, gab er zu. »Vielleicht aber auch nicht. Er will in jedem Fall verhindern, dass wir zusammen sind.«
Seine Worte erinnerten mich an meine Frage. Doch sie erschien mir in diesem Augenblick, wo Dracula uns so nah war, bedeutungslos. Das Segelschiff hatte jedoch noch nicht Kurs auf uns genommen, denn es trieb ruhig im Wasser.
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