Der Groundhopper - T. K. Smith - E-Book

Der Groundhopper E-Book

T. K. Smith

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Beschreibung

Ein sonniger Strand in Tunesien wird zur Bühne eines grausamen Verbrechens, als die Nichte des Innenministers ermordet aufgefunden wird. Doch dies ist erst der Anfang eines tödlichen Katz- und Mausspiels, in das der leitende Ermittler Ali Ben Tahar bald hineingezogen wird. Als die italienische Polizistin Verena Mancini anruft und eine Verbindung zu einem Mord in Genua aufdeckt, wird Ali bald klar, dass sie es mit einem Serienmörder zu tun haben. Gemeinsam enthüllen die Beamten nach und nach ein düsteres Geheimnis, das tief in der Vergangenheit des Täters verwurzelt ist. In einem Spiel, bei dem die Regeln ständig neu geschrieben werden und die Grenzen zwischen Ermittlern und Opfern verschwimmen, müssen die Beamten alles riskieren, um die Wahrheit ans Licht zu bringen und den Täter zu stellen.

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Seitenzahl: 810

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Epilog
Danksagung

Impressum neobooks

Der Groundhopper

Tödliches Spiel

T. K. Smith

Das Buch:

Ein sonniger Strand in Tunesien wird zur Bühne eines grausamen Verbrechens, als die Nichte des Innenministers ermordet aufgefunden wird. Doch dies ist erst der Anfang eines tödlichen Katz- und Mausspiels, in das der leitende Ermittler Ali Ben Tahar bald hineingezogen wird.

Als die italienische Polizistin Verena Mancini anruft und eine Verbindung zu einem Mord in Genua aufdeckt, wird Ali langsam klar, dass sie es mit einem Serienmörder zu tun haben. Gemeinsam enthüllen die Beamten nach und nach ein Geheimnis, das tief in der Vergangenheit des Täters verwurzelt ist. In einem Spiel, bei dem die Regeln ständig neu geschrieben werden und die Grenzen zwischen Ermittlern und Opfern verschwimmen, müssen die Beamten alles riskieren, m die Wahrheit ans Licht zu bringen und den Täter zu stellen.

Der Autor:

T. K. Smith, geboren 1983 inmitten der rauchigen Kulisse des Ruhrgebiets in Witten, hat seine Wurzeln in einer Welt, in der Kohle, Fußball und endlose Geschichten miteinander verschmelzen. Schon in seiner Jugend waren die Fußballplätze der Welt sein zweites Zuhause. Als begeisterter Groundhopper erkundete er unermüdlich mehrere hundert Stadien in 12 verschiedenen Ländern.

Schon im Alter von 17 Jahren begann T. K. Smith seine Erlebnisse und Entdeckungen in Erfahrungsberichte zu gießen. Diese ersten Schreibversuche waren der Beginn einer Reise, die ihn nicht nur durch Europa, sondern auch in die Welt der Literatur führte.

Doch seine Abenteuerlust endete nicht bei Stadionbesuchen. Er absolvierte eine Ausbildung zum Lokführer und tauchte in die Welt der Eisenbahn ein, bevor er schließlich seine aktuelle Tätigkeit als Disponent für ein renommiertes Eisenbahnverkehrsunternehmen fand.

Abseits des ratternden Schienennetzes lebt T. K. Smith weiterhin in seiner geliebten Heimatstadt Witten, wo er mit seiner Frau und den Kindern die Abenteuer des Alltags erlebt. Neben seiner Liebe zum Fußball und der Eisenbahn hegt er ein besonderes Interesse für Geschichte und Mythologie, die seine schriftstellerische Arbeit inspirieren.

Der Groundhopper

Tödliches Spiel

von

T. K. Smith

1. Edition,

© All rights reserved.

c/o Dienstleistungsservice Nord

Nissenstraße 49

24148 Kiel

KDP

tksmith1416@gmail.

2002

Ian folgte Sophias Blick. Victoria hantierte mit der Videokamera, richtete sie aus. Sie sah fantastisch aus. Wie immer. Wunderschön. Ihre Rundungen stachen in der engen Jeans deutlich hervor. Er fühlte sich bei ihrem Anblick seltsam erregt. Er wandte den Blick ab, betrachtete Sophias hübsches Gesicht. Sie war mit ihren vierzehn Jahren nur ein Jahr jünger als Ian selbst. Vielleicht wirkte sie auch deshalb schüchtern und ängstlich. Angespannt. Wie es eigentlich immer war, seit Victoria sie das erste Mal um ihre ‚Hilfe‘ gebeten hatte. Drei Jahre war das her. Kurz, nachdem Victoria die Leitung übernommen hatte.

Victoria war nicht von hier. Ian glaubte, mal gehört zu haben, dass sie aus Essex stammt. Vielleicht war das auch nur ein Gerücht. Er tastete nach Sophias Hand. Sie blickte ihn scheu an. Ian lächelte. Sophia erwiderte es, bevor sie wieder zu Victoria rüber sah, die sich gerade zu ihnen umwandte. Sophia hasste, was sie taten. Was sie tun mussten. Das wusste Ian.

Er selbst verabscheute es zuweilen, wobei er sich mittlerweile damit arrangiert hatte. Aber für Sophia war es auch nach drei Jahren noch schwer zu ertragen. Sie erzählte es ihm, wenn sie im Keller miteinander redeten. Ians und Sophias Rückzugsort. Sophia weinte dann häufig. Ian spendete ihr Trost. Er liebte Sophia. Und ihr zuliebe versuchte er stets, besonders behutsam zu ihr zu sein. Was Victoria nicht immer gefiel. Manchmal wurde sie deswegen wütend und wies Ian und Sophia an, sich noch mehr reinzuhängen. Sie mussten dann mitspielen, obwohl es insbesondere Sophia zuwider war.

Doch sie wollten auch nicht ihren Status als Victorias Lieblinge einbüßen. Sein Blick glitt zu Victoria. Sie war so schön. Wie ein Engel. Er war sicher, dass es so war, obwohl er nie einen Engel gesehen hatte. Sie setzte ein Lächeln auf. Warm und freundlich. Ian liebte ihr Lächeln. Er liebte Victoria. Wie die Mutter, die er nie hatte. Vielleicht noch etwas mehr. Und wie eine Mutter muss Victoria manchmal streng sein. Mit ihnen schimpfen, oder sie bestrafen. Das war ihnen klar. Sie hatte schließlich die Verantwortung. Das ist eine große Bürde.

Nicht nur deshalb brauchte sie gelegentlich Hilfe. Ian würde alles für sie tun. Und Sophia ebenso. Victoria wusste das. Darum waren Sophia und er auch ihre Lieblinge, wie sie stets beteuerte. Ihr ein und alles. Ian glaubte ihr jedes Wort. Natürlich.

Wunderschöne Victoria, die uns mit Liebe überhäuft, ging es ihm durch den Kopf. Die uns heute mit ins Stadion nimmt. Beim Gedanken an das Spiel zogen sich seine Mundwinkel noch weiter nach oben.

»Ich liebe es, wenn du lächelst«, gluckste Victoria vergnügt, und bedachte ihn ihrerseits mit einem liebevollen Lächeln. »Es macht dich so hübsch.«

Sie trat auf ihn zu, strich mit der Hand durch seinen dunkelblonden Schopf. Victorias Haar legte sich auf sein Gesicht, als ihre vollen Lippen sich näherten. Es fühlte sich seidig und glatt an. Und es duftete betörend. Süßlich und doch frisch. Ian war verrückt nach ihrem Haar. Er neigte den Kopf etwas, in Erwartung ihres Kusses. Ihre Lippen fühlten sich herrlich weich auf seinen an. Sie schob langsam ihre Zunge in seinen Mund. Ian schmeckte die Süße des Weines, den sie beim Mittagessen getrunken hatte.

Er schloss die Augen. Sah das Glas vor sich, an dessen Rand sich der Abdruck ihrer bordeauxroten Lippen abzeichnete. Erinnerte sich an den Blick, den sie ihm beim Essen im Speisesaal zugeworfen hatte. Er erwiderte ihren Kuss, spürte die Erregung in sich aufsteigen. Heiß. Brodelnd. Ihre Hand wanderte zu seiner Hose, betastete die Ausbuchtung in seinem Schritt, massierte sie mit ihren feingliedrigen Händen, während ihre Zunge fordernder wurde, in seinem Mund tänzelte und mit Ians Zunge zu spielen begann.

Schließlich löste sie sich von ihm. Sofort glaubte er, die Kälte zu fühlen, die mit jedem Zentimeter, den sich ihr Gesicht von seinem entfernte, deutlicher zwischen sie trat. Sie lächelte.

»Mein Liebling«, hauchte sie, und strich ihm mit der Hand über die Wange. Wohliges Kribbeln breitete sich in Ians Magengrube aus. Victoria wandte sich dem Tisch zu, auf dem ihre Handtasche lag. Sophia griff erneut nach seiner Hand. Sie lächelte sanft. Er wusste, dass sie sich jetzt freute. Er sah es ihr an. Wie er brannte Sophia für Fußball. Das vereinte sie. Es verband sie in dieser Welt, die ihnen sonst so trist und verlassen erschien. Die Ausflüge mit Victoria durchbrachen den starren Alltag, der sonst ihr Leben bestimmte. Die Einsamkeit und die Langeweile, die an diesem abgelegenen Ort vorherrschten.

»Schaut mal, ihr zwei Hübschen, was ich hier habe«, sagte Victoria lächelnd, während ihre Hand aus der Tasche hervorkam. Sophias Augen begannen zu leuchten, als sie die Eintrittskarten zwischen Victorias Fingern sah. Die Karten verschwanden wieder in der Handtasche.

»Freut ihr euch? Natürlich tut ihr das. Ich freue mich auch. Aber ihr wisst ja, bevor es losgeht, müsst ihr mir zeigen, wie sehr ihr es wollt. Das werdet ihr, nicht wahr? Ihr seid doch meine beiden Lieblinge. Meine zwei Auserwählten. Ich weiß, dass ihr eure Sache gut macht. Das tut ihr immer. Ich verlasse mich auf euch.«

Victoria öffnete ihre Jeans, schob sie sich beinahe aufreizend langsam über die Hüften. Sie gab den Blick auf ihre olivfarbene Haut frei, immer mehr, Zentimeter für Zentimeter. Ian glaubte, vor Aufregung zu platzen. Er stellte sich vor, wie er mit seinen Händen über ihre weiche Haut fuhr. Die Hose glitt zu Boden. Victoria trat aus den Hosenbeinen, ließ die Jeans auf dem Fußboden liegen. Mit beiden Händen zog sie ihr enges Top aus und warf es achtlos hin. Sie öffnete den Verschluss ihres schwarzen Spitzen-BHs. Ian betrachtete die Halbkugeln, die darunter hervorblitzten. Fest und wohlgeformt. Der BH glitt zu Boden.

Victoria setzte ein Lächeln auf, während sie wieder auf Sophia und ihn zutrat. Sie strich Sophia durch das braune Haar, drückte ihr einen Kuss auf die Lippen. Sophia erwiderte ihn deutlich zaghafter, als Ian es getan hatte. Beinahe verschämt. Es war offensichtlich. Sie wollte es nicht. Verabscheute es.

Allein die Aussicht auf den gemeinsamen Ausflug ließ sie vergessen, was Victoria dafür von ihnen verlangte.

»Und danach«, hauchte sie, als ihre Lippen sich von ihren lösten und ein weiteres einnehmendes Lächeln bildeten, »werden wir zum Spiel gehen und uns richtig amüsieren.«

2022

Sie ist es. So schön. Unglaublich schön. Wenn ihr sie sehen könntet. Ich beobachte sie seit zwei Tagen. Ich bin überzeugt, dass sie es ist. Ja, sie ist diesmal etwas jung. 17, wie ich ihrem Instagramprofil entnehmen konnte. Wirklich blutjung. Ein Küken. Aber ich kann es nicht ändern. Ihr versteht es vielleicht nicht, doch für mich ist es sowas wie Liebe auf den ersten Blick. Wenn von Anfang an einfach alles passt, bin ich sozusagen schockverliebt. Und wenn das passiert, weiß ich: Sie ist es.

Und dann sind die Vorherigen vergessen, mehr oder weniger. Und auf ihr Alter kann ich auch keine Rücksicht nehmen. Natürlich ist Italien noch immer lebhaft in meiner Erinnerung verankert. Wenn ich an Genova zurückdenke ... ich weiß nicht, ob jeder erfasst, wie es für mich ist. Wahrscheinlich nicht. Darum versuche ich einmal, zu beschreiben, wie ich mich fühle, wenn es mich wieder erwischt hat. Wenn ich schockverliebt bin und mein Werk vollenden muss. Wie es in mir aussieht, wenn es vollendet ist.

Sicher kennt ihr das Gefühl, wenn eine drückende Schwere in der Luft liegt, die sich immer stärker auf euch legt, gleich der schweißtreibenden Schwüle eines Hitzesommers, die sich auf eure Haut legt. Die euch das T-Shirt mit jeder Minute noch etwas mehr am schweißnassen Körper kleben lässt. Es ist so ein Gefühl, ein präsentes, physisches Befinden, dem man nicht einmal durch eine kalte Dusche beikommen kann. Nein. Denn die Luft, liebe Freunde, die bleibt erdrückend, und so dauert es auch nach einer vielleicht erfrischenden Brause nicht lang, bis die diesige Schwere sich erneut wie ein unsichtbarer Schleier auf eure Haut legt. So fühle ich mich, wenn ich diese wunderschönen Frauen sehe. Ich kann es nicht ignorieren. Ich kann dem Drang nicht widerstehen. Genau so, wie man das eklige Gefühl nicht einfach durch eine Dusche von seiner Haut bekommt.

Abhilfe. Abhilfe wird nur ein Sommergewitter bringen, das den Druck, den Dreck und den Staub aus den Straßen und Gassen spült. Ihn mit sich nimmt wie die Hitze und den diesigen Schleier, der sich einem wie ein bedrohlicher, dicker Mantel auf die Haut gelegt hat. Was bleibt, ist angenehme Frische. Kühle. Der Geruch von Gras, der mit einem Mal überall in der Luft zu liegen scheint. Dieser unnachahmlich süße Duft, der einem suggeriert, gerade neu geboren worden zu sein.

Und dieses Gefühl verspüre ich, wenn ich mein Werk vollendet habe. Es treibt mich an. Wenn ich an das Spiel in Italien zurückdenke, dann überkommt mich noch einmal genau jenes Sentiment, das ich nach einem reinigenden Gewitter spüre. Wenn ich an das Spiel denke. Wenn ich an sie denke. Ihr nach Zitrusfrüchten duftendes Haar, welches meine Sammlung nun ebenso ziert wie die Eintrittskarte zum Stadion und diesem spektakulären Match.

Ich hatte gedacht, dass es schwer sein würde, nach so kurzer Zeit bereits wieder eine wie sie zu finden. Dass ich mir selbst mit diesem Trip eine Herausforderung auferlegt habe, der ich nicht gewachsen bin. Aber ich stelle fest: Die Welt, meine Freunde, die Welt ist voll von hübschen Mädchen, von schönen, anmutigen Frauen, die letztlich nur darauf warten, entdeckt zu werden, gepflückt zu werden wie reife Früchte an einem üppig gedeihenden Obstbaum. Es gibt sie an jedem Ort der Welt. Und auch, wenn du gestern erst eine hattest, von der du dachtest, dass keine wie sie wäre, so findest du schon heute die Nächste, die dich verzaubert. Die dich in ihren Bann und deine Blicke auf sich zieht.

Ich meine, in Italien hatte ich gerade mal einen Tag Zeit für alles. Und es hat geklappt. Dabei gebe ich zu, es war schwerer als gedacht. Ich habe mir damit selbst eine Herausforderung auferlegt, die kaum zu meistern war. Doch es ist geglückt. Ihr seht, eine gute Vorbereitung ist das Wichtigste. Und wenn es an Zeit mangelt, dann bereitet man sich eben anders vor. Instagram und Facebook, ich sage euch, wahre Wunderwerke. Es ist schon unglaublich, wie viel die Leute bereit sind, von sich zu teilen. So habe auch ich profitiert.

Und nun ist es wieder so weit. Keine Sekunde zu früh, denn das Spiel findet in wenigen Tagen statt. Bis dahin werde ich ihre Gewohnheiten studieren. Ihren Tagesablauf. Ihr Umfeld. Ich kann ohnehin nicht anders. Ich muss sie einfach ansehen, bin nicht einmal in der Lage, meinen Blick von ihr abzuwenden, um einen Schluck von diesem köstlichen Kaffee zu trinken.

Trotz der Entfernung zwischen uns stelle ich mir vor, wie meine Hände über ihre glatte Haut gleiten. Ich betrachte fasziniert ihr braunes, welliges Haar, welches im sanften Wind weht, der kaum mehr ist als eine gelegentliche Brise. Natürlich bin ich zu weit weg, um ihr Aroma zu erahnen, doch ich bin mir sicher, dass es eine Mischung aus salziger Meeresluft und irgendwelchen süßen Blüten verströmt. Vielleicht Jasmin. Eine explosive Duftmischung gegensätzlicher Aromen. Während ich mit meinem Kaffeebecher auf einem Stein sitze und diese Zeilen schreibe, spüre ich dieses wohlige Kribbeln in mir aufsteigen. Bemerke, wie meine Nackenhaare sich ganz leicht aufrichten.

Mein Blick ruht auf ihren weichen Füßen, die mit dem heißen Sand spielen, eintauchen und wieder hervorkommen. Ich stelle mir vor, wie die Sandkörner zwischen ihren Zehen hindurchrieseln. Mein Blick folgt ihren wunderschönen langen Beinen, die sie gerade gekonnt übereinanderschlägt, sodass das etwas zu weite, helle Shirt, das sie trägt, an den entscheidenden Stellen leicht spannt. Ich erwische mich bei der Vorstellung, wie meine Hand sanft an ihren nackten Schenkeln nach oben gleitet. Immer weiter, bis sie die Rundung ihres Pos ertastet. Der Gedanke bringt mich um den Verstand. Zu gerne würde ich jetzt einen Blick unter dieses Shirt werfen, sehen, was sie darunter verbirgt. Doch ich weiß, dass ich mich in Geduld üben muss. Es ist noch nicht der Zeitpunkt. Das Spiel ist am Sonntag. Ich werde sie einfach weiter im Auge behalten. Sie studieren. Gibt es eine Zeit, in der sie ausgeht? Sich mit Freunden trifft? Sind da Momente, in denen sie nicht von ihrer Familie, ihren Eltern und den zwei Brüdern umgeben ist?

Nein, ich kann dieses Mädchen nicht ignorieren. Es geht nicht, auch wenn sie so jung ist. Ich muss sie einfach haben. Ihr Lachen lässt sie noch viel mehr strahlen. Ich stelle mir vor, wie meine Hände sich um ihren Hals legen. Wie ich langsam immer weiter zudrücke. Wie ihr Lächeln erstarrt und schließlich einem Ausdruck von Panik Platz macht. Ich sehe, wie ihre haselnussbraunen Augen – keine Ahnung, ob sie wirklich haselnussbraun sind, aber das werde ich bald erfahren – sich weiten, während meine Hände den Druck immer mehr erhöhen. Wie sie versucht, meine Handgelenke zu packen, sich aus meinem Griff zu winden.

Und dann ... setzt das Sommergewitter ein. Entladen sich die Blitze wie in wilder Ekstase, reißt der Regen alles mit sich, spült das Leben aus ihren Adern wie den Dreck aus den Straßen und hinterlässt dieses wonnige Empfinden in mir. Das Gefühl von Reinigung, von Neuanfang, das mich wie nach einem Schauer wieder und wieder aufs Neue beglückt. Bald ... bald gehört sie endlich mir. Nur noch wenige Tage...

1

Das Telefon schrillte. Ali Ben Tahar drehte sich im Bett um, griff mit der Hand nach seinem Handy und wischte mit geschlossenen Augen über den Bildschirm. Er stellte sich ohnehin meist mehrere Wecker. In spätestens einer halben Stunde würde er aufstehen. Dann würde immer noch genug Zeit sein, um sich eine kurze Dusche und einen Kaffee zu genehmigen. Er hasste es, früh aufzustehen. Ali war ein Nachtmensch. Die Temperaturen waren nicht nur deutlich angenehmer, auch die Arbeit selbst war in der Nacht um einiges entspannter. Besonders, weil der Kommandant dann in der Regel nicht dort war.

Doch seit Ali vor einigen Monaten zum Capitaine befördert wurde, gab es für ihn fast nur Tagesdienste. Leider. Wenigstens stand heute etwas Abwechslung auf dem Plan. Heute würde es für Ali und seine Kollegen nach Sousse gehen. Étoile Sportif würde am frühen Abend US Monastir zu einem Pokalspiel empfangen. Ein Derby, bei dem immer eine Menge los war. Alis Kollegen wurden häufig zu den Begegnungen der beiden Mannschaften beordert, um die Kollegen vor Ort zu unterstützen. Zu dumm, dass Sonntag war. Wer hatte schon Lust auf Sonntagsarbeit? Schlimmer als früh aufstehen zu müssen war es, dies an einem Sonntag tun zu müssen.

Erneut klingelte das Telefon. Ali, der sich gerade wieder auf die andere Seite gedreht hatte, seufzte missgelaunt. Selbst, wenn er versehentlich die Snooze-Funktion aktiviert hatte, lagen zwischen den beiden Weckrufen keine zehn Minuten. Er richtete sich genervt auf und griff erneut nach dem Handy auf dem Nachttisch. Er starrte kurz irritiert die Telefonnummer auf dem Display an, während er realisierte, dass es nicht sein Wecker war, der ihn aus dem Schlaf gerissen hatte, sondern ein Anruf. Es war die Nummer seines Chefs, Rached Slimen. Ali zog eine Augenbraue hoch und ging ran. »Ben Tahar.«

»Das weiß ich doch«, schnauzte Slimen ihn ohne ein Wort des Grußes an. »Guten Morgen, Commandant«, flötete Ali ins Telefon, um diesen an seine Manieren zu erinnern.

»Verdammt, Ali, dafür ist jetzt keine Zeit«, keifte Slimen. »Ich brauche dich so schnell wie möglich, hörst du? Höchste Priorität.« Erneut zog Ali eine Augenbraue nach oben. Wenn Rached Slimen so redete, musste es etwas Wichtiges sein. Vielleicht hatte er irgendeine Besprechung versäumt. Oder er hatte bereits verschlafen.

»Wie viel Uhr ist es?«, fragte er vorsichtig und beantwortete sich die Frage im nächsten Moment durch einen Blick auf das Handy Display selbst. Kurz vor halb fünf. An einem Sonntag. Verpennt hatte er immerhin nicht. Vielleicht ein Verkehrsunfall.

»Keine Zeit jetzt dafür, Ali. Ich weiß, du hast noch keinen Dienst, aber ich brauche dich am Strand von Mahdia. Rue Corniche, gegenüber vom CaféTulip. Ich nehme an, du weißt, wo das ist. Ich hol dich dort ab.«

»Ja, natürlich. Ich komme sofort«, gab Ali gepresst zurück, der die Dringlichkeit in der Stimme seines Vorgesetzten als Warnzeichen deutete, keine Zeit zu verschwenden. »Ich kann in 20 Minuten dort sein.«

»Ich gebe dir zehn. Beeil dich, keine Umwege. Dein Kaffee muss warten, hörst du?«

»Verstanden. Bis gleich«, beeilte Ali sich, zu sagen, legte auf und schwang sich aus dem Bett. Er fluchte, als er sich den Fuß am Bettpfosten stieß und hüpfte meckernd auf einem Bein, wobei er nach seiner Hose griff, die neben dem Bett auf einem Stuhl lag.

Keine Dusche, kein Kaffee, dachte er missgelaunt, während er sich die Hose anzog. Er nahm das T-Shirt vom Stuhl, roch kurz daran und rümpfte die Nase. Ali warf das Shirt mit einem gekonnten Wurf in den Wäschekorb in der Ecke des Raumes und stapfte zum Schrank, um sich ein sauberes Hemd heraus zu suchen. Schlichtes Leinen in Himmelblau, für seine Zwecke ausreichend. Seine Uniform lag in seinem Schrank auf der Wache und da würde er sicher nicht vorbeifahren. Zum Glück konnte er sich diese kleine Unordentlichkeit mittlerweile erlauben.

Ali machte sich nichts vor. Er hatte zweifellos von der Revolution vor rund elf Jahren profitiert. Damals war er gerade erst mit der Polizeiausbildung fertig gewesen. Zu unschuldig und von zu niedrigem Rang. Noch unbeschrieben. Genau das, was man nach dem Sturz des damaligen Präsidenten gesucht hatte.

Nahezu alle Beamten, die damals in höheren Rängen oder anderen Einheiten waren, waren nach der Machtübernahme durch den Übergangspräsidenten degradiert worden. Wäre es nach Ali gegangen, wären sie allesamt gefeuert worden. Denn besonders die Kollegen der Brigade Anti Terrorisme – kurz BAT – waren in der Bevölkerung gefürchtet gewesen. Sie nahmen willkürlich Menschen wegen Terrorverdachts fest, folterten sie, sperrten sie ein und überließen sie sich selbst. Ganze Familien wurden auseinandergerissen, egal, ob schuldig oder nicht. Die Beamten, auch wenn sie nur als ausführender Arm des Präsidenten galten, waren nicht zimperlich gewesen.

Für Ali waren einige von ihnen schlicht Verbrecher. Er hasste Ungerechtigkeit. Ein Grund, weshalb er damals zur Polizei wollte. Um zu zeigen, dass es auch mit Anstand ging. Mit Menschlichkeit. Und nicht nur, indem man Angst und Schrecken unter der einfachen Bevölkerung verbreitet oder seine Hand aufhält. Und für ihre Verbrechen hätten die damaligen Polizisten oder Spezialkräfte Alis Meinung nach vor Gericht gestellt und verurteilt werden müssen.

Doch der neue Präsident hatte in einem Dilemma gesteckt. Man hatte aus den Fehlern des Irak lernen wollen, der nach Saddam Husseins Sturz sämtliche Polizisten entlassen hatte. Was zur Folge hatte, dass viele neue und unausgebildete Kräfte hatten formiert werden müssen. Wohingegen die geschassten Beamten, die gut an der Waffe ausgebildet waren, sich aus Frust wegen ihrer Freistellung terroristischen Gruppierungen angeschlossen hatten, die den neu gebildeten Staat dann bekämpften. Tunesien hatte diesen Fehler nicht machen wollen.

Man musste Kompromisse eingehen. Die Beamten hatten Befehle befolgt. Sie aus diesem Grund zu entlassen, war der Regierung falsch erschienen. Zumal sie ausgebildet waren und Erfahrung hatten. Dennoch hatte man sie nicht in ihren hohen Ämtern belassen können, als wäre nie etwas geschehen. Also hatte man sie degradiert. Hatte die Kommandeure zu einfachen Streifenpolizisten gemacht, die nachts den Verkehr regulierten. Es war zumindest ein Weg, sie im Dienst zu halten, anstatt den Frust bei ihnen durch eine Entlassung noch zu steigern.

Jüngere Polizisten und Anwärter wie Ali hatten von diesen Maßnahmen profitiert. Sie waren schneller aufgestiegen und hatten bessere Möglichkeiten, sich einen guten Ruf in der Truppe zu verdienen. Zudem war ihr Gehalt nach der Revolution angepasst worden. Nicht, dass es heute wirklich zum Leben reichte, doch immerhin war es ein Anfang gewesen, der das Vertrauen in die damals junge Demokratie etwas gefestigt hatte.

Mittlerweile waren diese Effekte verpufft. Alles war in den letzten Jahren teurer geworden und ein Ende war nicht in Sicht. Viele Menschen konnten sich Fleisch nur noch einmal im Monat leisten. Selbst Obst und Gemüse waren unerschwinglich. Das Leben war schwieriger geworden, was den Unmut in der Bevölkerung steigerte. So sehr, dass nicht wenige sich nach ihrem alten Despoten zurücksehnten.

Ali setzte sich auf die Bettkante, um seine Socken anzuziehen, und schnappte sich gleich darauf seine Schlüssel und die Schuhe. Er öffnete leise die Tür, spähte kurz in den Flur. Alles ruhig. Seine Eltern schliefen im Raum schräg gegenüber, sein Bruder links neben seinem eigenen. Obwohl sein Vater meist früh aufstand, um das Gebet zu verrichten, war es still. Er tappte ins Badezimmer, um sich mit beiden Händen Wasser ins Gesicht zu werfen und den Schlaf aus seinen Augen zu reiben. Mit den feuchten Händen fuhr er sich durch das struwwelige schwarze Haar, das er anschließend etwas glatt kämmte.

Ali betrachtete sein Gesicht im Spiegel. Seine olivfarbene Haut glänzte fahl im Licht der Badezimmerlampe. Eigentlich war er mit sich und seinem Körper im Reinen. Er hatte vielleicht keinen Sixpack wie einige seiner jüngeren Kollegen, war aber dennoch recht schlank und sportlich. Dabei profitierte er zweifellos auch von seiner Körpergröße, auf die sich sein Gewicht ganz gut verteilen konnte. Ali befühlte die Stoppeln an seinem Kinn. Unter normalen Umständen rasierte er sich meist glatt, doch heute würde er es einfach so lassen. Zwar nicht optimal, aber vorzeigbar, befand Ali. Er schlich aus dem Raum durch den Flur und zur Haustür. Er schob den Riegel zurück und zog die Tür auf. Dann schlüpfte er nach draußen auf die hell gekachelte Terrasse. Er sog einmal kurz die morgendliche Luft ein, ehe er um das Haus herum zum Hof schritt, auf dem sie nachts die Autos abstellten. Ali öffnete das Tor und setzte den alten Peugeot raus, bevor er das Tor wieder sorgsam verschloss.

Er fuhr auf die Hauptstraße, die nach Mahdia führte und gab ordentlich Gas. Slimen hatte ihm zehn Minuten Zeit gegeben, um beim Tulip zu sein. Die hatte er allein schon dafür gebraucht, um zum Auto zu gelangen. Sein Chef wusste, dass zehn Minuten niemals zu halten waren. Es würde wohl nicht so tragisch sein, wenn er am Ende etwas länger brauchte. Dennoch gab er dem Impuls, sich irgendwo einen Kaffee zu holen, nicht nach. Er musste sein Glück auch nicht herausfordern.

Der Bahnübergang kam in Sicht und Ali bremste den Wagen deutlich herunter. Zum einen, weil er sich angewöhnt hatte, an Überwegen stets auf herannahende Züge zu achten. Als Polizist hatte er genug Verkehrstote gesehen und einige davon waren von Zügen an Bahnübergängen erfasst worden. Zum anderen war der Überweg sehr uneben, sodass es für die Gesundheit seines Peugeots ohnehin besser war, nur langsam hinüber zu fahren. Glücklicherweise war die Straße um diese Zeit leer, sodass er rasch vorankam, und so erreichte er schon nach wenigen Minuten den Kreisverkehr, in dessen Mitte der imposante Schwertfisch thronte.

Für Ali stellte er unverkennbar den Beginn der Strandpromenade, der Rue Corniche dar. Er bog links ab und folgte der Straße, die parallel zum hellen Sandstrand verlief. Die Sonne würde bald aufgehen, wie Ali unschwer am Horizont erkennen konnte. Er warf einen kurzen Blick nach rechts über die Mauer, hinter der sich das türkisfarbene Meer erstreckte. Das CaféTulip erschien schließlich auf der linken Straßenseite an einer Ecke direkt gegenüber des Strandes. Es reihte sich dabei in eine Reihe von verschiedenen Cafés, kleinen Superettes, Imbissbuden und Eisläden ein, welche im Sommer bis in die Nacht hinein besucht wurden.

Auf der rechten Seite erschien eine Reihe von Parkplätzen. Ali fand problemlos eine Lücke. Es war kurz vor fünf an einem Sonntagmorgen im August. Die Lichter in den meisten Gebäuden waren aus, die Corniche lag beinahe still da.

Ein paar Menschen schlenderten noch über den Gehweg, doch die Imbissbuden und die Cafés hatten ihre Tore längst verschlossen. Ali stieg aus dem Wagen und sah sich in alle Richtungen um. Er hatte keine Ahnung, was sein Chef hier von ihm wollte. Er sah nirgendwo Anzeichen eines Autounfalls oder etwas Ähnlichem, was in dieser Gegend sonst nicht ungewöhnlich war. Ali folgte der Straße entlang der Mauer, bis er den Durchlass zum Strand erreichte. Er stieg die drei Stufen hinab und betrat den hellen Sand.

Kommandant Slimen war keine 50 Meter von ihm entfernt und bellte irgendwelche Befehle in sein Handy. Er erblickte Ali und winkte ihn hektisch heran. Ali nickte seinem Vorgesetzten kurz zu und setzte sich in Bewegung.

»Guten Morgen, Chef«, sagte er, nachdem Slimen sein Telefongespräch beendet hatte und seinen Blick auf Ali richtete. »Der Morgen ist alles andere als gut«, knurrte Slimen und betrachtete Ali argwöhnisch von oben bis unten. »Du hast lange gebraucht. Und wo ist deine Uniform?«

»Tut mir leid«, erwiderte Ali und zuckte entschuldigend die Schultern. Er verkniff es sich, den Kommandanten auf dessen Aussehen anzusprechen. Die silberfarbenen Haare seines Chefs standen gleichwohl in verschiedene Richtungen ab, und das, obwohl Slimen sie eigentlich kurz trug. Pflegeleicht. Er wirkte auf Ali meist wie ein Armeeoffizier. Alles an seinem Platz, alles adrett, Kadett. So war Kommandant Slimen. Heute sah er eher wie ein silberner Igel aus. Selbst den Schlaf hatte Slimen sich nicht komplett aus den Augen gewaschen. »Sie wissen doch, dass ich von mir zuhause schon zehn Minuten Fahrzeit habe. Ich musste mich ja noch anziehen. Wäre ich wegen der Uniform zur Wache gefahren, wäre es wesentlich später geworden.«

»Ja, ja, schon gut«, winkte Slimen genervt ab. »Los, komm mit.« Slimen stapfte ohne eine Erklärung los, und Ali folgte seinem Chef durch den Sand. Er zog eine Augenbraue hoch. Wollte der Alte hier ein Gespräch mit ihm führen, oder was?

»Gibt es einen Grund, warum wir uns hier treffen?«, fragte er behutsam, und erntete einen grimmigen Blick seines Vorgesetzten.

»Das kann man wohl sagen. Du wirst es gleich sehen«, sagte er und richtete sich wieder nach vorne. Er wies mit einem ausgestreckten Arm in nordöstliche Richtung. »Es ist nicht mehr weit. Da hinten.«

Ali folgte dem Fingerzeig und entdeckte knapp 100 Meter entfernt eine kleine Menschentraube. Alis Herz machte einen kurzen Satz. Er ahnte, was er in der Mitte der rund sieben, acht Gestalten vorfinden würde. Was sonst würde seinem Chef die Laune so sehr verhageln? Er hatte bereits einige Leichen gesehen, doch bisher meist Verkehrstote oder natürliche Todesfälle. Dass hier kein einfaches Herzversagen vorlag, war ihm längst klar, als sie sich der Menschentraube näherten, die sich um den Leichnam herum aufgebaut hatte. Auch einen Verkehrstoten legte man wohl eher selten am Strand ab.

Scheiße, dachte Ali, als sie sich dem Auflauf weiter annäherten. Nur einmal war Ali bei einer Mordermittlung dabei gewesen. Doch hatte er damals nur beobachten dürfen, ohne direkt an der Ermittlung selbst beteiligt gewesen zu sein. Ali spulte in Gedanken einige Themen aus seiner Ausbildung ab, doch so richtig fiel ihm nichts ein. Sein Kopf schien mit einem Mal wie leergefegt. Ein kalter Schauer lief ihm eisig den Rücken hinab. Ali spürte, wie seine Nackenhaare sich aufrichteten.

Scheiße, dachte er erneut, so ziemlich der einzige klare Gedanke, der sich in seinen Verstand vorschob. Sein Blick glitt über die Szenerie, weg von dem Leichnam, der sich in der Mitte der Beamten andeutete. Vielleicht würde sich sein Denkvermögen wieder einstellen, wenn er nicht auf die nackten, hellen Füße des Mädchens blickte, das dort inmitten seiner Kollegen im Sand lag. Einer der Beamten machte Fotos. Einige suchten den Boden nach irgendwelchen Hinweisen ab, ein paar Streifenpolizisten gafften nur fassungslos auf das Bild vor ihnen, während wieder andere sich an der Straße und drum herum postiert hatten, um Schaulustige fernzuhalten.

»Hayya, zur Seite«, keifte Slimen und die Kollegen machten ihnen Platz, sodass Ali einen besseren Blick auf das Mädchen werfen konnte. Er schloss die Augen.

Verdammt, sie ist so jung, ging es ihm durch den Kopf, als er einen flüchtigen Blick auf den Körper und das Gesicht warf.

»Spaziergänger haben sie gefunden«, hörte er Slimen vorbringen. »Ein Touristenpärchen aus Deutschland. Sie stehen dort drüben.«

Slimen deutete mit einem Finger in die Richtung und Ali folgte seinem Blick. Auch aus der Entfernung konnte Ali sehen, dass die Frau sichtlich geschockt war. Sie verschränkte gedankenversunken ihre Arme vor der Brust, als friere sie, was angesichts der gut 19 Grad, die es selbst jetzt in der Frühe bereits hatte, eher unwahrscheinlich anmutete. Ihr Freund, oder Ehemann, hatte seinen Arm um sie gelegt und zog sie an sich.

Ein junger Polizist stand bei ihnen und redete beruhigend auf die beiden ein. Zwischendurch, wenn einer von ihnen etwas sagte, nickte er kurz, hob seinen schwarzen Notizblock und kritzelte irgendwas hinein. Die Blicke des Paares waren nach unten gerichtet, als hofften sie, den Anblick des Leichnams vergessen zu können, indem sie den Sand anstarrten und die einzelnen Körner zählten.

»Mimoun befragt sie, aber ich möchte, dass du noch mal mit ihnen sprichst, hörst du? Du verstehst zumindest ein bisschen Deutsch.« Ali nickte. Mimouns Vater stammte aus Marokko, aus Rabat, wenn Ali sich recht erinnerte.

»In Ordnung, Chef«, sagte er matt, auch weil er spürte, wie seine Anspannung immer mehr anschwoll. Er musste jetzt einen kühlen Kopf bewahren.

Er sprach tatsächlich einige Fetzen Deutsch. Bevor er Polizist wurde, hatte er als Kellner in ein paar größeren Hotels gearbeitet. Dort schnappte man eine Menge auf. Außerdem hatte Ali es mit einem Grundkurs versucht. Englisch und Deutsch. Man muss sich mit den Touristen verständigen können, und das ging am besten über die Sprache. Es baut eine Bindung zu den Leuten auf, wenn man sich ihrer Sprache bedient, mit ihnen interagiert und scherzt. Und gute Beziehungen – wenn sie auch nur für wenige Tage anhalten müssen - sorgen für ordentliches Trinkgeld. Und auf dieses war man als Saisonkraft in einem Hotel mehr als angewiesen.

Zudem hatte Ali im Zuge seiner Tätigkeit als Ausbilder vor einigen Jahren das große Glück gehabt, Teil eines Austauschprogramms mit der bayrischen Polizei gewesen zu sein. Auch hier hatte er seine Grundkenntnisse der deutschen Sprache etwas vertiefen können. Ob es reichen würde für eine Zeugenbefragung in einer Mordermittlung, wagte Ali zu bezweifeln. Aber es würde immer noch besser sein als das, was Mimoun sich gerade mit Händen und Füßen zusammengestikulierte. In dieser Zeit war er auch zum ersten Mal mit Mord konfrontiert worden und hatte in Dachau einer Mordermittlung beiwohnen dürfen.

Er riss sich vom Anblick der beiden Zeugen los und fokussierte seinen Blick auf den Leichnam vor ihm. Das Austauschprogramm. Sie hatten damals eine Menge über die bayrische Polizeiausbildung gelernt und Ali hatte das Wissen gierig aufgesogen. Die Ausbildung in Tunesien war von der Deutschen in einigen wesentlichen Zügen verschieden – genau genommen lagen Galaxien dazwischen – und Ali hatte für sich eine ganze Menge mitgenommen. Und wenn er sich jetzt auch nicht mehr an die einfachsten Grundlagen seiner eigenen Ausbildung entsann, so erinnerte er sich zumindest noch gut an das Austauschprogramm.

An das und an den Gerichtsmediziner Herbert Neumann, der trotz der bedrückenden Schwere seiner Arbeit stets ein Lächeln und eine fröhliche Melodie auf den Lippen getragen hatte. Herbert war ein sehr offener und herzlicher Mensch gewesen. Er hatte Alis Fragen mit größtem Vergnügen beantwortet. Die anderen Kollegen im Programm waren zwar auch freundlich gewesen und hatten ihnen alles erklärt. Doch Ali hatte ihnen angemerkt, dass es eher daran lag, dass sie wussten, dass Ali und seine Mitauszubildenden nach ein paar Wochen wieder abreisen würden. Man merkt einfach, wenn man nicht erwünscht, sondern nur geduldet ist. Bei Herbert Neumann war er hingegen mehr als gern gesehen gewesen. Zumal der Rechtsmediziner bereits einige Urlaube in Tunesien verbracht hatte und dabei, wie er betont hatte, stets zufrieden gewesen war. Wahrscheinlich hatte Ali deshalb mindestens genauso viel Zeit mit dem Arzt verbracht wie bei den anderen Einheiten. Selbst in der Freizeit hatte er den alten Mediziner besucht und ihn mit Fragen gelöchert.

Ali hockte sich hin, betrachtete versunken das Gesicht des Mädchens. »Sie ist hübsch«, murmelte er beiläufig, während er die Abdrücke auf ihrem Hals begutachtete. »Erwürgt«, stellte er nüchtern fest.

»So weit waren wir auch schon«, hörte er Rached Slimens genervte Stimme neben sich. Ali schloss erneut die Augen und atmete einmal tief durch. Am liebsten hätte er seinem Chef gesagt, er solle die Klappe halten und ihn seine scheiß Arbeit machen lassen. Aber er hielt sich zurück, zählte stumm bis drei und öffnete die Augen wieder, um den Leichnam zu untersuchen. Seine Hand fuhr zu den Haaren des Mädchens. Es war etwas heller als kastanienbraun, etwa schulterlang und leicht gewellt. Ali beugte sich weiter herunter. Es roch nach Orangenblüten. Schon seltsam, dass ihm ausgerechnet das auffiel. Ali schüttelte den Gedanken ab und fuhr mit der Hand vorsichtig über ihr Haar.

»Jemand hat ihr eine Strähne abgeschnitten«, sagte er und betrachtete das Haar zwischen seinen Fingern. Es war nicht sehr auffällig, aber dennoch deutlich. Immerhin fehlten an der Stelle gut fünf Zentimeter. Ali bezweifelte, dass es sich dabei um einen Friseurunfall handelte. Das Mädchen war bildhübsch, und sie war jung. Fünfzehn oder sechzehn. In diesem Alter achtete man auf sein Äußeres. Ausgeschlossen, dass sie sich so nach draußen gewagt hätte.

»Was sagst du da?«, fragte Slimen und trat näher heran, um Alis Entdeckung zu betrachten. »Vielleicht ist das beim Friseur passiert«, riet der Kommandant und Ali verdrehte die Augen.

La police, elle dort. Die Polizei schläft. Und wenn sie nicht schlief, so verschloss sie zumindest gelegentlich ihre Augen vor dem Offensichtlichen.

Er wollte etwas sagen, doch Slimen wies einen der umstehenden Polizeibeamten an, den Umstand mit der fehlenden Strähne zu notieren und die Haare des Opfers zu fotografieren, was Ali wieder milder stimmte. Die Lippen des Mädchens waren blau, ihre Augen hatten die Kollegen geschlossen. Oder der Täter. Sie trug ein T-Shirt – Minnie Mouse lächelte Ali von dort fröhlich an. Wieder wollte sich ihm der Magen umdrehen, als er daran dachte, wie jung das Opfer sein musste. Ihr ganzes Leben noch vor sich. Wer würde ihren Eltern erklären, dass ihre Tochter nie mehr heimkehren würde?

Das Shirt war ihr deutlich zu groß, konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass ihre Brüste sehr ausgeprägt darunter aufblitzten.

Sie trägt keine Hose, stellte Ali fest, was eher ungewöhnlich war. Zumindest trugen die meisten Mädchen, die sich eher westlich kleideten, sowas wie Shorts oder gar Hot Pants aus Jeansstoff. Zumindest, wenn sie abends ausgingen. Vielleicht verdeckte das Shirt sie.

»Hat sie noch etwas darunter an?«, fragte Ali und blickte seinen Chef von unten an. Slimen schüttelte den Kopf. »Sie trug nicht mal ein Höschen«, murmelte er verlegen. »Ihr T-Shirt war hochgezogen und gab unterhalb ihres Bauchs alles frei. Die Kollegen haben das Shirt nach unten gezogen, um zumindest ihre Würde zu bewahren.«

Ali nickte verstehend. »Aber sie haben Fotos gemacht? Also, bevor ... Sie wissen schon.«

»Selbstverständlich«, nörgelte Slimen. »Wir sind hier vielleicht nicht so fortschrittlich wie die Polizei in Deutschland, aber wir sind auch keine Bauern, Ali.«

»Tut mir leid«, gab Ali zurück. Er betrachtete erneut den Körper des Mädchens. Das fliederfarbene Shirt reichte bis knapp oberhalb ihrer Knie. Ihre hellen, schlanken Beine waren ausgestreckt. Die Arme jedoch waren schräg vom Körper weggestreckt. Als hätte sie einen Schneeengel im Sand formen wollen und wäre mitten in ihrer Bewegung einfach erstarrt.

Ali verzichtete darauf, das T-Shirt des Mädchens hochzuziehen und den Blick auf ihre entblößten Genitalien freizulegen. Das hatte die Kleine sicher nicht verdient. Ali würde mit den Fotos vorliebnehmen, welche die Kollegen gemacht hatten. Zudem würde der Gerichtsmediziner das Opfer später genauer untersuchen.

»Können Sie mir helfen, sie umzudrehen?«, fragte er einen der umstehenden Beamten, der sofort herankam und Ali dabei half, das Mädchen zur Seite zu drehen. »Reicht schon, danke. Halten Sie sie bitte kurz so fest«, sagte Ali, der das Unbehagen seines Kollegen geradezu körperlich spüren konnte. »Sie wurde vermutlich nach ihrem Tod noch einmal bewegt«, sagte Ali und deutete mit der Hand auf einen rund zehn Zentimeter großen Bluterguss am Unterschenkel des Leichnams. Slimen warf einen kurzen Blick darauf und wies den Schreiber an, eine Notiz zu machen. »Und machen Sie Fotos davon.«

Er wandte sich wieder Ali zu. »Denkst du, das könnte vor ihrem Tod entstanden sein?«

»Das Blut sinkt nach dem Tod meist gleichmäßig ab, bevor es gerinnt. Ich will es nicht komplett ausschließen, aber ich tendiere eher dazu, dass es post mortem geschah. Sie liegt ... nicht natürlich, wenn man das überhaupt so sagen kann. Ich habe den Verdacht, dass sie nach ihrem Tod so positioniert wurde. Vielleicht kann der Arzt mehr sagen, wenn er den Leichnam untersucht hat.«

Er suchte mit den Augen das nähere Umfeld ab, ohne so recht zu wissen, wonach er Ausschau halten sollte. Es war ein verdammter Strand, was erwartet man da? Müll, Zigarettenstummel, Muscheln, Sand. Hier konnte alles wichtig sein oder seit Wochen da liegen.

»Sammelt alles im Umkreis von ... keine Ahnung, zehn Metern ein. Jede Zigarettenkippe, die ihr findet, jeden Papierfetzen. Ich weiß nicht, ob überhaupt etwas Brauchbares darunter ist, aber ich will, dass alles gesichert wird. Tut die Sachen in Asservatenbeutel. Ihr habt doch hoffentlich Beutel dabei?«

Das betretene Schweigen der anderen Beamten und die verschämten Blicke, die sie einander zuwarfen, sprachen Bände. Ali wusste, dass sie nichts dafür konnten. Er selbst hatte nur einmal mit einem Mord zu tun gehabt. Was sollte er von den anderen erwarten?

»Schon gut«, murmelte er. »Sucht irgendwas Brauchbares, wo ihr die Sachen reinpacken könnt, und wenn es irgendwelche Müllbeutel sind.« Die Kollegen nickten eifrig und machten sich auf den Weg, sichtbar froh, dem Anblick der Toten für den Augenblick entkommen zu sein.

Ali betrachtete die nackten Füße des Mädchens, an denen Sand haftete. Die Zehen waren lackiert – French Manicure oder in diesem Fall eher Pedicure. In den Zehenzwischenräumen befand sich ebenfalls Sand. Er war noch leicht feucht und klumpig. Ali blickte auf das gerade mal 30 Meter entfernte Meer, das ruhig da lag. Er seufzte.

»Sie scheint bereits vor ihrem Tod am Strand gewesen zu sein. Vielleicht ist sie mit den Füßen im Wasser gewesen. Deshalb klebt noch Sand an ihren Füßen. Bis zu dem Zeitpunkt scheint alles einer gewissen Freiwilligkeit gefolgt zu sein.«

»Freiwilligkeit? Was denkst du? Dass sie einen Freund hatte, der womöglich mehr wollte?«, fragte Slimen, der eine Augenbraue hochzog und Ali unverwandt musterte. Ali zuckte mit den Achseln.

»Sicher bin ich nicht, aber ich vermute es. Sie war scheinbar freiwillig am Strand. Es sieht so aus, als sei sie am Wasser entlangspaziert. Vielleicht - wahrscheinlich sogar – mit einem Jungen. Sie trägt keine Kleidung, in der die Mädchen normalerweise ausgehen und in die Cafés ziehen. Das Shirt ist ihr viel zu weit, es reicht ihr fast bis zu den Knien und ist locker zwei Nummern zu groß für sie. Das passt einfach nicht zu einem Teenager, der sich mit Freundinnen draußen trifft. Vielleicht war sie mit einem Jungen unterwegs. Denkbar, dass sie ein Eis gegessen haben, ein wenig am Strand spazieren gegangen sind. Wäre sie bereits tot gewesen und hergebracht worden, würde man Schleifspuren sehen. Es sei denn, sie wurde getragen, doch dann würde weniger Sand an ihren Füßen haften. Sie kamen also hier hoch. Ihr Begleiter wurde womöglich aufdringlich und wollte mehr von ihr als nur einen romantischen Spaziergang im Mondlicht. Sie hat ihn abgewiesen und aus verletztem Stolz oder Ehrgefühl ... vielleicht wurde er auch wütend, wer weiß? Er hat sie überwältigt und sie erwürgt. Wurde sie ... also, äh...«

»Du meinst, ob er sich an ihr vergangen haben könnte? Das halte ich für wahrscheinlich, angesichts der Tatsache, dass sie untenrum nackt ist. Genaueres muss der Mediziner feststellen. Aber möglich wäre es. Alles, was du sagst, scheint plausibel.«

»Hmmm«, machte Ali und blickte sich erneut in sämtliche Richtungen um. Die Zahl der Schaulustigen war gestiegen, die meisten standen oberhalb des Strandes an der Mauer und hofften, von dort einen Blick auf die Szene zu erhaschen. Gott sei Dank schafften es die Kollegen an der Straße, den Großteil der Menschen zurückzuhalten und zum Weitergehen zu bewegen. Nur vereinzelt versuchten ein paar Jungen und Mädchen, an den Polizisten vorbei zu lugen. »Plausibel schon ... bis auf eine Sache«, resümierte Ali, nachdem er seine Gedanken einige Sekunden lang neu sortiert hatte.

»Was meinst du?«, wollte Slimen wissen, der seinerseits seinen Blick Richtung Straße schweifen ließ.

»Die Haare«, gab Ali kurz angebunden zurück. »Warum sollte er ihr eine Haarsträhne abschneiden? Und womit? Ein Messer hätte viel ungleichmäßigere Schnitte verursacht. Sehen Sie.« Ali beugte sich erneut herab und umfasste das Haar des Mädchens mit einer Hand. »Die Schnitte sind sehr gleichmäßig. Das passt nicht zu einem Messer, sondern mehr zu einer Schere. Warum sollte ein Junge, der mit seiner Freundin am Strand spazieren gehen will, eine Schere mitnehmen?«

Rached Slimen betrachtete kurz die Haare, die Ali zwischen seinen Fingern hielt und zuckte mit den Schultern. »Womöglich irrst du dich ja und es war tatsächlich ein Messer. Eine Schere passt überhaupt nicht in deine Schlussfolgerung. Und wir können einen Unfall beim Friseur auch nicht ausschließen. Die Haare würde ich eher als Nebensache behandeln. Konzentrieren wir uns auf deine Theorie mit dem Freund. Das scheint mir am vielversprechendsten zu sein.«

Ali nickte nur. Es war bemerkenswert genug, dass der Kommandant der Sache mit der fehlenden Haarsträhne überhaupt Aufmerksamkeit – wenn nicht gar Bedeutung – beigemessen hatte, obwohl er sie offensichtlich für irrelevant hielt. Er hatte sie zumindest fotografieren und den Umstand notieren lassen. Ali würde jetzt nicht mit ihm diskutieren, denn das Haar war das einzige, was in seine ansonsten plausible Erklärung nicht hineinpasste. Er kam aus der Hocke hoch, klopfte sich Sand von der Hose und den Händen und warf einen Blick auf seine Uhr. Viertel vor sechs. Es wurde Zeit, den Leichnam fortbringen zu lassen. Es waren schon zu viele Leute da. Mit jeder verstreichenden Minute würden es mehr werden.

Ali sah auf. Die Meile mit den Cafés lag etwa 200 Meter hinter ihnen. Auf der anderen Straßenseite blickte er an der Fassade eines Wohnkomplexes hoch, in dem Appartements zum Verkauf standen. Einige waren bewohnt, wie sich unschwer an den zum Trocknen auf dem Balkon hängenden Kleidern erkennen ließ. Unten befanden sich ein Kiosk und eine Pizzabäckerei, wenn Ali sich richtig erinnerte.

»Wir sollten die Bewohner befragen, ob sie etwas gesehen oder gehört haben. Man kann die Stelle, wo sie liegt, zwar von der Straße nicht einsehen, aber irgendwas muss jemand mitbekommen haben. Und am besten lassen wir die Leiche umgehend abtransportieren, bevor die ganze Stadt auf den Beinen ist.«

Slimen nickte. »Ich werde das sofort veranlassen. In der Zwischenzeit versuche ich, rauszubekommen, wer das Mädchen war. Jemand muss ihre Angehörigen verständigen.«

»In Ordnung. Ich werde inzwischen mit dem Touristenpärchen sprechen.«

2

Die Befragung des deutschen Paars hatte erwartungsgemäß nicht viel ergeben. Die beiden verbrachten ihren ersten gemeinsamen Urlaub in Tunesien, waren am Abend an der Promenade unterwegs gewesen und hatten in einem Salon de Thé etwas getrunken sowie eine Wasserpfeife geraucht. Gegen zwei Uhr hatte der Laden dicht gemacht und sie hatten noch einen Strandspaziergang machen wollen, bevor sie zum Hotel zurückkehren wollten. Die Frau hatte dann an der Mauer die Umrisse des Mädchens liegen sehen.

Zuerst hatten sie gedacht, sie schlafe, doch als sie näher herangegangen waren, war deutlich geworden, dass sie untenrum nackt war. Als ihnen bewusst wurde, dass das Mädchen nicht mehr lebte, hatten sie die Polizei verständigt, die gegen Viertel vor vier in Form zweier völlig überforderter Streifenpolizisten eingetroffen war. So weit, so plausibel.

Etwas Brauchbares, das auf einen möglichen Täter hindeutete, hatten die beiden nicht beitragen können, aber das war ohnehin nicht zu erwarten gewesen. Ali hatte sich auf dem Rückweg zur Polizeiwache gleich zwei Capucin besorgt, die er zusammen in einen Becher geschüttet hatte. Er hatte den kräftigen Kaffee – im Grunde war ein Capucin ein Espresso mit heißer Milch - jetzt wirklich bitternötig.

Die Befragung der Anwohner des Wohnblocks gegenüber - La Croisière – würde er später ebenfalls vornehmen. Er hatte zwar grundsätzlich Vertrauen in seine Kollegen, doch da Slimen ihn offensichtlich mit den Ermittlungen betrauen wollte, würde Ali die Sache lieber in seine eigene Hand nehmen. Es war auch für ihn die erste Mordermittlung, die er leitete. Er war selbst nicht vor Fehlern gefeit. Dennoch glaubte er, dass er vielleicht etwas mehr herausbekam, wenn er sich an der Befragung zumindest aktiv beteiligte, anstatt sich nur auf Notizen der Kollegen zu berufen.

Der Gebäudekomplex beinhaltete geschätzt um die 50 Wohneinheiten. Mindestens. Selbst, wenn nur zwei Drittel davon bewohnt waren, würde es einige Zeit in Anspruch nehmen. Allein würde er das nicht bewerkstelligen können. Nicht, ohne den ganzen Tag dafür zu brauchen.

Er betrat die Wache, nickte dem Kollegen am Empfang kurz zu und wünschte ihm einen guten Morgen, bevor er sich an Slimens Büro vorbeimogelte, der wieder irgendwas ins Telefon brüllte. Dabei war sein Chef meist recht umgänglich. Zumindest, wenn sie nicht gerade eine Leiche am Strand entdeckten. Dass Slimen heute scheinbar grundsätzlich einen deutlich aggressiveren Tonfall anschlug als sonst, zeigte in Alis Augen nur, wie angespannt sein Vorgesetzter angesichts des Leichenfundes war.

Ali trat durch seine Bürotür, die er hinter sich offenließ und setzte sich an seinen Schreibtisch. Er schaltete den Rechner ein, der wahrscheinlich eine endlos lange Zeit zum Hochfahren brauchen würde. Daher stand Ali wieder auf und trat in den Türrahmen. »Khaled, Said«, rief er zwei seiner Kollegen zu sich, die sich gerade über eine Karte beugten. Die beiden blickten auf und folgten Ali ins Büro, der sich auf seinen Stuhl setzte, einen Blick auf den Bildschirm warf und seufzend feststellte, dass der Rechner immer noch hochfuhr.

Khaled hatte schwarzes lockiges Haar, welches vorne jedoch bereits stark ausdünnte, weil er sich dauernd mit den Händen durch sein gewelltes Haar fuhr. Dabei riss er in großer Regelmäßigkeit einzelne Haare aus, die zuvor kleine Knötchen gebildet hatten. Manchmal fanden sie Haare im Besprechungsraum oder neben der Kaffeemaschine. Sie hatten Khaled schon gesagt, dass er sich das abgewöhnen sollte, wenn er sein wallendes Haupthaar, wie er es selbst gerne beschrieb, noch länger behalten wollte.

Said war deutlich älter als Khaled, genauer gesagt stand Said nur zwei Jahre vor dem verdienten Ruhestand. Er war einer der Kollegen, die man damals degradiert hatte. Doch im Gegensatz zu einigen anderen hatte dies bei Said wenig Unmut heraufbeschworen, im Gegenteil. Said, der im Gegensatz zu Khaled eine Halbglatze hatte und der eine etwas zu kleine runde Brille auf der Nase trug, schien froh zu sein. Darüber, dass nun nicht mehr so ein ungeheurer Druck auf ihm lastete und er auf seine alten Tage hauptsächlich noch den Verkehr regeln durfte.

»Capitaine?«, sagte der Ältere und zog die Tür hinter sich zu.

»Ich möchte, dass ihr mit mir zur Corniche fahrt. Direkt gegenüber des Strandes, wo das tote Mädchen entdeckt wurde, ist ein großer Apartment-Komplex. La Croisière. Ich will die Bewohner befragen. Irgendjemand hat vielleicht etwas bemerkt, selbst wenn die Stelle, an der die Leiche lag, nicht direkt einsehbar ist. Außerdem möchte ich, dass jemand mit Fotos von der Toten die Cafés an der Corniche abklappert. Wir glauben, dass sie mit einem Jungen dort gewesen sein könnte. Vielleicht kann sich jemand an sie erinnern.«

»Alle Cafés?«, wollte Khaled wissen, der bereits einen Block gezückt und erste Notizen gemacht hatte.

»Nur die im Umkreis von 1000 Metern. Wir müssen wohl nicht die ganze Corniche abfahren. Das Mädchen war offensichtlich zu Fuß unterwegs. Niemand läuft mehrere Kilometer, wenn sich in der Nähe fünf Cafés befinden. Ich würde sagen Tulip, das Sunrise, Firefly und noch das Cinnamon. Außerdem das Minuit. Vielleicht waren sie dort Eis essen.«

»In Ordnung, Capitaine. Sollen Said und ich die Cafés übernehmen?« Ali nickte, während er sich endlich nach über einer Minute Wartezeit an seinem Rechner einloggte. »Das wäre gut. Ich denke zwei Mann reichen für die Cafés. Für La Croisière brauche ich einige mehr. Mimoun soll zehn Mann dafür zusammenstellen. Der Komplex hat über 50 Wohneinheiten. Ich will nicht zu viel Zeit verlieren. Mimoun soll sie bis acht Uhr zusammentrommeln. Wir fahren dann nach der Teambesprechung los.«

»Ist gut, Capitaine«, erklärte Said und die beiden machten auf dem Absatz kehrt und verließen das Büro wieder, um sich auf die Suche nach Mimoun zu machen. Ali machte sich daran, einen ersten Vorbericht in seinen Computer zu tippen, um seine Gedanken noch einmal Revue passieren zu lassen. Er nippte gelegentlich an seinem Capucin, während seine Finger über die klackernde Tastatur huschten. Ali verschränkte kurz die Hände vor dem Gesicht und legte nachdenklich die beiden Zeigefinger auf seine Lippen, wobei er die Augen schloss und sich das Bild des Mädchens noch einmal ins Gedächtnis rief.

Das Haar. Das fehlende Haar passte in seine Theorie des zurückgewiesenen Freundes so gar nicht rein. Warum sollte der Typ sie umbringen und eine Strähne ihres Haares mitnehmen? Das ergab null Sinn. Sein Verstand versuchte fieberhaft, eine plausible Erklärung für die fehlende Strähne zu finden. Etwas, das auch nur im entferntesten Sinn ergab. Was würde ein jugendliches Mädchen vielleicht dazu bewegen, sich selbst eine Haarsträhne abzuschneiden?

Ali öffnete die Augen, sein Gesicht hellte sich auf, als er an seine Cousine Maryam dachte. Maryam war etwas jünger als Ali und sein Bruder Fida, und wenn seine Verwandte zu Besuch da war, dann war es meist nur eine Frage der Zeit gewesen, bis Maryam heulend zu ihrer Mutter lief. Es war nichts Wildes, wie Ali fand. Die üblichen Kleine-Jungen-Streiche, die man seiner Schwester oder in ihrem Fall Cousine gelegentlich spielte. Wenn man sie nicht in einem plötzlichen Anflug von Geschwisterliebe vor allen äußeren Umständen zu beschützen versuchte.

Eines dieser Ärgernisse war Kaugummi gewesen. Ali erinnerte sich zu gut an das Gekreische seiner Cousine, die mit sämtlichen Mitteln versuchte, den Kaugummi aus ihren Haaren zu entfernen. Meist ohne Erfolg. Seine Tante hatte die einzige funktionierende Radikalkur vollziehen müssen. Sie hatte Maryam die Haare an der Stelle abgetrennt, an der der Kaugummi sich wie ein Geschwür festgesetzt hatte. Er glaubte noch immer, die erstickten Tränen seiner kleinen Cousine in seinen Ohren zu hören, wenn er daran zurückdachte. Mittlerweile verstanden sie sich natürlich außerordentlich gut mit ihr.

Ali grinste, während er seine Gedanken weiter kreisen ließ. Kaugummi mochte vielleicht weit hergeholt sein, aber es könnte ein Ansatz sein, der erklärte, wer die Strähne abgeschnitten hatte und warum. Kein Mädchen wollte mit verklebten Kaugummihaaren in die Schule gehen. Wenn sie tatsächlich etwas im Haar gehabt hatte – es musste ja nicht mal Kaugummi sein – war es logisch, dass sie sich den betroffenen Teil ihrer Haare selbst abgeschnitten oder hatte abschneiden lassen. Insofern wäre sie bereits mit abgetrennter Strähne am Strand gewesen. Da alles andere zu Alis Theorie passte, erschien diese Möglichkeit ihm zumindest als Ansatz einer Erklärung.

Deutlich besser, als dass der Mörder in einem Anfall von Wehmut oder keine Ahnung was eine Schere geholt und der Getöteten noch schnell eine Haarsträhne entfernt hatte, bevor er rasch vom Tatort flüchtete. Das war so absurd, wahrscheinlich würde ihm nicht mal ein Kind glauben, dass jemand in einer so belebten Gegend wie der Corniche einen Mord im Affekt begeht und sich dann überlegt: Hmm, ich hätte gerne ein paar Haare.

Dass er den Tatort verlässt, eine Schere holt und einige Minuten später wieder zurückkehrt, um dem Opfer eine Strähne abzuschneiden. An einem Ort, an dem jede Sekunde jemand vorbeikommen kann. Wenn du es geschafft hast, bei einem Mord an dieser Stelle unbeobachtet geblieben zu sein, was Alis Meinung nach bereits ein Kunstwerk darstellt, dann kommst du nicht zurück, um dem Opfer eine Haarsträhne zu entfernen. Du siehst zu, dass du Land gewinnst und am besten auch weiterhin ungesehen bleibst.

Ali tippte seine Überlegungen in die Datei, die sich langsam, Zeile um Zeile füllte. Er überlegte erneut. Etwas Weiteres würde ihm ansonsten wohl eher nicht mehr einfallen, zumindest nichts, was ihm neue oder andere Erkenntnisse als die bislang gewonnenen einbrachte. Er trank seinen Kaffee und schrieb den Rest seiner Gedanken auf, bevor er einen Blick auf die Uhr warf und feststellte, dass die Mannschaftsbesprechung in gut zehn Minuten losgehen würde. Zeit, sich vorher zu erleichtern und eine zu rauchen. Ali rauchte ausschließlich auf der Arbeit oder mit seinen Arbeitskollegen. Und selbst da wurden es nie so viele Zigaretten, dass man sagen könnte, er wäre Raucher. Manchmal kamen in der ganzen Schicht nur drei Stück zusammen.

Die Zigarettenpause war für ihn nichts weiter als eine kurze Gelegenheit, mit den Kollegen zu reden und sich von der Arbeit etwas abzulenken. Und heute würde Ablenkung bitternötig sein.

Vielleicht schaffte er es auch noch, sich im Café gegenüber der Wache einen weiteren Capucin zu besorgen. Er speicherte seinen Bericht, benannte die Datei und schob die Tastatur schließlich von sich, bevor er sich erhob und eilig das Büro verließ.

3

Er kam nur eine Minute zu spät rein, doch das reichte, um Rached Slimens grimmigen Blick auf sich zu ziehen. Ihm war klar, dass die Laune des Kommandanten im Keller war. Dennoch hatte er gehofft, die Tür zum Besprechungsraum noch offen vorzufinden, sodass er rasch durchhuschen konnte. Doch es hatte nicht sein sollen.

»Tut mir leid«, murmelte er zerknirscht und warf Slimen einen entschuldigenden Blick zu, der sich eines Kommentars jedoch gänzlich enthielt. Was gut oder auch schlecht sein konnte. Ali zog die Tür hinter sich zu und setzte sich an einen freien Platz an einem der U-förmig angeordneten Tische. Es waren längst nicht alle da, die heute Dienst hatten. Einige waren bereits auf Streife oder standen an irgendeinem Kreisverkehr, um Autos - vornehmlich Mietwagen – zu kontrollieren.

»Fangen wir an«, sagte Slimen ohne weitere Umschweife. »Für alle, die heute Morgen nicht vor Ort waren. Wir haben es mit einem Mord zu tun. Die Leiche wurde in die Gerichtsmedizin gebracht. Der Tatort – oder zumindest der Ort, an dem die Tote gefunden wurde – liegt in einer sehr belebten Gegend, direkt am Strand an der Corniche.«

Ein erstes Raunen ging durch die Reihen der Kollegen, die bisher nur die unbestätigten Gerüchte innerhalb der Wache aufgeschnappt hatten. Slimen machte mit beiden Armen eine beruhigende Geste, versuchte so, das Gemurmel der anderen zu ersticken.

»Leute«, sagte er, als die Bewegung allein nicht den gewünschten Zweck erfüllte. »Laut erster Einschätzung wurde das Opfer erwürgt. Wir gehen hierbei grundsätzlich erstmal von einer Beziehungstat aus. Der Täter muss nah genug an das Mädchen rangekommen sein, was dafür spricht, dass Täter und Opfer einander kannten. Es gibt – stand jetzt – keine Zeugen, was sehr ungewöhnlich ist. Ihr kennt ja die Corniche. Dort ungesehen zu bleiben ist schwer, auch wenn es vier Uhr nachts sein mag. Deshalb wird unser Hauptaugenmerk zunächst darauf liegen, mögliche Zeugen zu suchen. Der Apartmentkomplex la Croisière liegt direkt gegenüber dem Fundort der Leiche«, sagte Slimen und projizierte eine der Fotografien vom Tatort an eine weiße Wand hinter sich.

»Das Opfer lag genau unterhalb der Mauer. Die Stelle ist praktisch nicht von der anderen Seite einsehbar. Doch aus den oberen Apartments des Gebäudes könnte man dennoch etwas gesehen haben. Die Befragung der Bewohner sollte daher weit oben auf unserer Agenda stehen. Ali wird dafür ein Team zusammenstellen und im Anschluss an die Besprechung die Corniche ansteuern. Er leitet im Übrigen auch die Ermittlungen.« Einer der Kollegen hob die Hand. Slimen blickte auf. »Hamza?«

»Gibt es weitere Einzelheiten? Ist der Fundort wirklich der Tatort? Oder wurde die Leiche dort vielleicht nur abgelegt?«

»Gute Frage, danke Hamza. Nach ersten Erkenntnissen gehen wir aktuell noch stark davon aus, dass der Fundort der Tatort ist. Es gibt ein paar Anhaltspunkte, die dafürsprechen und die Ali euch im Nachgang sicher mitteilen wird. Wir können aber nichts ganz ausschließen. Es gilt, das Ergebnis der gerichtsmedizinischen Untersuchung abzuwarten. Wenn wir den Todeszeitpunkt eingrenzen können, können wir bessere Schlussfolgerungen darüber anstellen.«

»Wissen wir schon etwas über die Identität des Mädchens?«, wollte Mimoun wissen, der im Gegensatz zu Hamza nicht erst die Hand gehoben hatte, bevor er seine Frage stellte. Slimen ignorierte diese Unhöflichkeit geflissentlich. Entweder war es ihm gar nicht aufgefallen oder die Anspannung war zu groß, um sich jetzt an Kleinigkeiten abzuarbeiten. Ali tendierte zu Letzterem.

»Wir sind aktuell dran. Ich kümmere mich persönlich darum, herauszufinden, wer sie war und darum, ihre Angehörigen zu informieren. Momentan können wir noch nichts sagen. Wir warten den Vormittag ab, ob irgendwelche Anfragen reinkommen. Es ist Sonntag. Jemandem wird auffallen, wenn ein Familienmitglied die ganze Nacht nicht zuhause aufgetaucht ist. Besonders, wenn es sich um ein so junges Mädchen handelt. Wir sind zuversichtlich, dass wir im Laufe des Vormittags wissen, wer sie ist.

Alis Truppe wird außerdem die Cafés rund um die Corniche abklappern und fragen, ob jemand das Mädchen gesehen hat, sie kennt oder sogar weiß, mit wem sie in der Nacht zusammen war. Stand jetzt spricht wie gesagt alles für eine Beziehungstat. Wir denken, dass sie mit einem Freund unterwegs war. Dass sie einen Spaziergang am Strand unternommen haben und der Junge vielleicht aufdringlich geworden ist. Das Mädchen war untenrum nicht bekleidet. Das deutet darauf hin, dass der Täter sich an ihr vergangen haben könnte. Wir denken, dass sie ihren Freund zurückgewiesen hat und dieser sauer wurde. Dass er sie vergewaltigt haben könnte und sie anschließend erwürgt hat, als er merkte, was er getan hat. Das alles ist im Moment nur Spekulation, doch aktuell ist es auch die wahrscheinlichste Variante. Sonst noch jemand Fragen?«

Slimen schaute sich in der Runde um, registrierte zufrieden, dass sich niemand meldete, und nickte kurz.

»In Ordnung, das wäre es dann erstmal, danke. Dann an die Arbeit. Ali und sein Team fahren zur Corniche, die Übrigen gehen auf Streife, zeigt etwas Präsenz, auch wenn Sonntag ist.«

4

Ali war froh, dass er im Gegensatz zu seinen Kollegen keine Uniform trug. Weniger, weil viele Menschen Angst vor der Polizei hatten und deshalb nur ungern mit Beamten sprachen, sondern vielmehr, da es so heiß war. Es war erst elf Uhr, doch der Schweiß lief ihm bereits über das ganze Gesicht. Sein blaues Leinenhemd klebte an seinem Körper und seine Schweißflecken bildeten ein dunkles Muster. Alles in allem fühlte er sich eklig und ungepflegt, auch, weil er heute früh nicht hatte duschen können. Doch seine Kollegen in Uniform mussten ungleich mehr in ihren Sachen schwitzen, was ihm ein Stück weit für sie leidtat.