Der Haijäger - Freder van Holk - E-Book

Der Haijäger E-Book

Freder van Holk

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Beschreibung

Das tropische Meer um Indonesien wird von dreieckigen Haifischrückenflossen durchschnitten. Hier lernen Steve Corell und sein getreuer Diener Wilson Wobbler, genannt »Wobb«, den Haijäger Samuel Bradford kennen: mehr als ein Original. Ein Abenteuer jagt das nächste, und die beiden Gefährten geraten rasch in einen Strudel von Intrigen und Hinterhältigkeiten, bei denen auch Rassismus – auf beiden Seiten – eine unrühmliche Rolle spielt.
Bradfords dunkelhäutiger Buchhalter Lionel Peppercorn verfällt einer verbotenen Liebe, doch das ist nicht das einzige Geheimnis, das er hütet … Steve und Wobb werden des Mordes beschuldigt und nehmen alsbald selbst die Ermittlungen auf.
Sammy Bradfords unauslöschlich scheinender Hass auf die Haie, die er gewerbsmäßig hetzt, ist der rote Faden, der sich durch die turbulenten Ereignisse zieht – am Ende erfahren Corell und Wobb, wie sich der Kreis auf unerwartete Weise schließt.

Abenteuerroman von altem Schrot und Korn, mit einem speziellen Humor! Eintauchen und genießen!

Die Taschenbuchausgabe dieses Romans umfasst 193 Seiten.

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Freder van Holk

 

 

Der Haijäger

 

 

 

 

Abenteuerroman

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

 

Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv 

Cover: © by Steve Mayer nach Motiven, 2022

Korrektorat: Antje Ippensen

 

Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang

 

Die Handlungen dieser Geschichten sind frei erfunden sowie die Namen der Protagonisten. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig und nicht gewollt.

 

Alle Rechte vorbehalten

 

 

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

Der Haijäger 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

8. Kapitel 

9. Kapitel 

10. Kapitel 

11. Kapitel 

12. Kapitel 

13. Kapitel 

14. Kapitel 

15. Kapitel 

16. Kapitel 

 

Das Buch

 

 

 

Das tropische Meer um Indonesien, von dreieckigen Haifischrückenflossen durchschnitten. Hier lernen Steve Corell und sein getreuer Diener Wilson Wobbler, genannt »Wobb«, den Haijäger Samuel Bradford kennen: mehr als ein Original.

Ein Abenteuer jagt das nächste, und die beiden Gefährten geraten rasch in einen Strudel von Intrigen und Hinterhältigkeiten, bei denen auch Rassismus – auf beiden Seiten – eine unrühmliche Rolle spielt.

Bradfords dunkelhäutiger Buchhalter Lionel Peppercorn verfällt einer verbotenen Liebe, doch das ist nicht das einzige Geheimnis, das er hütet … Steve und Wobb werden des Mordes beschuldigt und nehmen alsbald selbst die Ermittlungen auf.

Sammy Bradfords unauslöschlich scheinender Hass auf die Haie, die er gewerbsmäßig hetzt, ist der rote Faden, der sich durch die turbulenten Ereignisse zieht – am Ende erfahren Corell und Wobb, wie sich der Kreis auf unerwartete Weise schließt.

 

Abenteuerroman von altem Schrot und Korn, mit einem speziellen Humor! Eintauchen und genießen!

 

 

***

 

 

Der Haijäger

 

 

1. Kapitel

 

 

Seltsame Gegenden gibt es, merkwürdige Landschaften und verrückte Menschen, unbegreiflich für jeden, für den das Leben wie das Einmaleins aufgeht und für den die Erde nichts als eine Kugel mit säuberlich aufgemalten Längen- und Breitengraden ist. Wer sich selbst zum Maß aller Dinge wird und die Wunder nicht spürt, selbst wenn sie ihm auf die Hacken treten, wer vom Zaubergarten seiner Jugend nichts als einige gut getrocknete Erinnerungsblumen behielt, besitzt nicht den rechten Sinn für die Wildheit und Abenteuerlichkeit des Lebens.

Nein, es ist nicht wahr, dass die romantischen und die schrecklichen Zeiten vorbei sind. Sie sind nur für den vorbei, der stumpf im Trott läuft, dessen größtes Risiko zwischen Kühlschrank, Fernseher und Waschmaschine eine herausgesprungene Sicherung ist, oder der wohl geborgen in seinen Kissen liegt und die Wärmflasche genießt. Schon vor der Haustür ist das Leben abenteuerlich und brutal wie eh und je. Noch immer werden Menschen erschossen, weil sie sich ein paar Meter über eine Grenze hinausgewagt haben, noch immer ducken sich Millionen Menschen vor dem kleinen Polizisten und leben als Sklaven, noch immer dürfen Millionen nur sehen und hören, was einigen Auserwählten gefällt, noch immer gibt es Diktaturen, noch immer werden Postschaffner oder Unteroffiziere zu Königen, noch immer heiraten Millionäre Dienstmädchen, noch immer gibt die Erde Schätze frei, und noch immer gibt es Luft genug, um auch die Käuze und Originale atmen zu lassen.

Seltsame Gegenden gibt es, und eine der seltsamsten ist jenes Stück Ozean zwischen Timor und Australien, jene Timorsee, über die die Taifune hinwegwirbeln, als wäre sie eigens für sie als Tummelplatz geschaffen worden, jene Timorsee, in der es von gefräßigen Haien wimmelt wie anderorts von Heringen.

Seltsame Menschen gibt es, und einer der seltsamsten war Sammy Bradford, der Haijäger.

 

 

 

2. Kapitel

 

 

Das Flugzeug glitt wie eine versilberte Riesenflunder über die weit verstreuten Inseln und Inselchen der Sermatagruppe hin, die wie farbige Spritzer auf dem bläulichen Spiegel des Ozeans lagen. Die beiden Düsen markierten mit weißen Kondensstreifen die äußerste Begrenzung des flachgedrückten, sehr breiten und niedrigen Rumpfes, auf dessen Mitte die gläserne Kanzel des Steuerraumes saß. Der Saughuber war der allerletzte Schrei der Flugzeugindustrie, auch noch eines kleinen Werkes, das bei entsprechender Bezahlung nicht vor einer Spezialanfertigung zurückschreckte – eine fliegende Untertasse mit Schubdüsen, deren Rumpf bei Start und Landung um die Kanzel rotieren konnte und mit Luftdüsen über sich ein Vakuum erzeugte, das senkrechten Start und senkrechte Landung ermöglichte.

»Inseln, nichts als Inseln«, sagte Wilson Wobbler, während er das abrollende Kartenbild mit dem langsam gleitenden Bild auf dem Bildschirm verglich. »Wenn das so weitergeht, fange ich an zu weinen.«

Er sah melancholisch aus, aber dazu gehörte bei ihm nicht viel. Er besaß eines dieser glatten Gesichter, sanft und ernst zugleich, wie man sie häufig bei Geistlichen findet, eines dieser Gesichter, auf dem sich jede Gemütswolke abzeichnet. So weit ließ es Wilson Wobbler freilich nicht kommen. Sein Gesicht verriet nur, was er verraten sollte. Normal erzählte es so viel wie das pausbäckige Gesicht einer Puppe. Deshalb gab es eine ganze Menge Leute, die ihn für einen gemeinen Kerl hielten. Das waren die Leute, die sich auf sein Gesicht verlassen hatten.

Steve Corell lächelte denn auch nur. Er saß im Pilotensessel, aber die Automaten brauchten ihn nicht, so dass er vor sich hinträumen konnte. Sein kühn geschnittenes, hartes Gesicht wurde dadurch nicht weicher, wohl aber seine Augen.

»Taschentuch, Wobb?«, fragte er.

»Es ist die Einsamkeit, Sir«, seufzte Wobb, ohne auf das Angebot einzugehen. »Ich stelle mir vor, wie diese Eingeborenen ihr ganzes Leben lang auf einer solchen Insel leben, nie von ihr herunterzukommen und eines Tages sterben, ohne mehr von der Welt gesehen zu haben.«

»Schrecklich!«, stimmte Steve Corell zu. »Ich kenne aber Leute, denen es noch schlechter geht. Sie verbringen jeden Tag ihres Lebens zwischen den gleichen vier Wänden und verlassen sie nur, um die Nacht zwischen anderen vier Wänden zu verbringen, die aber auch die gleichen bleiben. Sie lernen nicht einmal die Leute kennen, die in ihrem Hause wohnen, geschweige denn alle Bewohner ihrer Straße. Sie benutzen jeden Tag den gleichen Weg, jahrzehntelang, ohne auch nur einmal von ihm abzuweichen und sich in der Nachbarschaft umzusehen. Sie kommen nur mit den Angehörigen ihrer Familie, einigen Nachbarn und einigen Mitarbeitern zusammen. Der normale Stadtmensch, Wobb. Und auf dem Land hat man unter Umständen noch weniger Kontakte. Was meinen Sie dazu?«

»Sie bringen mich um meine schöne Gemütsbewegung, Sir«, murmelte Wobb. »Mir war eben danach zumute. Ich habe einmal gelesen, dass es das Schicksal des Menschen ist, einsam zu sein. Das hat mich ergriffen, obgleich ich bis dahin glaubte, das Schicksal des Menschen wäre es, verheiratet und zweisam zu sein. Einsamkeit ist manchmal eine Gottesgabe. Vermutlich ist der Mann dort unten besonders dicht an der Gabentüte. Ich begreife nicht, wie er es überhaupt fertigbringt, dort zu existieren. Er muss sogar sein freundliches Naturell behalten haben. Sehen Sie nur, wie er winkt. Wir sollten für solche Fälle ein Taschentuch an der Unterseite dieser fliegenden Flunder befestigen, das wir mit einem Stück Draht in Bewegung bringen können. Höflichkeit gilt noch immer als feinste Lebensart.«

»Ihnen wird schon noch einmal etwas auf den Kopf fallen«, knurrte Steve Corell und drückte sich vor, um den Bildschirm in die Blickrichtung zu bekommen. »Das sieht nach einem Schiffbrüchigen aus. Warum gehen Sie nicht hinunter?«

»Bin ich der Kommandant?«, wunderte sich Wobb. »Und was den Schiffbruch betrifft, Sir – so brüchig kann das Schiff nicht gewesen sein. Wenn ich auf einer einsamen Insel einen Mann sehe, der einen Strohhut trägt und mit der neuesten Tageszeitung winkt …«

»Festschnallen!«, befahl Steve Corell und schaltete die Automatik ab, worauf sich Wobb hastig sicherte. Er besaß einen unerschrockenen Charakter, aber mit diesem seltsamen Flugzeug konnte man umgehen, als ob sich die Visionen der Ufologen verwirklicht hätten. Und nach den Erfahrungen Wobbs ließ sich Steve Corell so leicht kein verrücktes Manöver entgehen, das ihm die Maschine erlaubte.

Der lange, dürre Mann kam misstrauisch heran, als das Flugzeug aufgesetzt hatte. Er stopfte sein schmutziges Hemd unter den Gürtel seiner langen, ausgebeulten Hose. Auf seinem gelben, ausgemergelten Gesicht standen Stoppeln, die gut eine Woche alt sein konnten. Er schien durchaus damit zu rechnen, dass ihm irgendwelche Marsbewohner entgegenhüpfen würden, und er atmete sichtlich auf, als er Steve Corell und Wobb herauskommen sah.

»Das nenne ich Glück!«, rief er den beiden entgegen. »Ich dachte schon, Sie hätten mich übersehen. Eine komische Flunder ist das, was Sie da fliegen. Neues Modell, he? Na ja, unsereins ist da nicht so auf dem Laufenden. Herzlich willkommen! Ich hatte mich schon auf eine Woche eingerichtet. Wenn diese Bande einmal richtig anfängt zu saufen, ist unter einer Woche gewöhnlich nichts zu machen. Aber jetzt werde ich ihnen einheizen. – Können Sie mich ein Stück mitnehmen?«

Steve Corell schüttelte ihm die knochige Hand.

»Selbstverständlich. Wir überlassen keinen Schiffbrüchigen seinem Schicksal. – Steve Corell.«

»Louis Mertola. Freut mich, Sie kennenzulernen.«

»Meinerseits«, versicherte Wobb und ließ sich ebenfalls die Hand schütteln. »Heiß hier.«

»Wieso?«, wunderte sich Mertola, obgleich sogar das Himmelblau unter der weißglühenden Sonne blass geworden war und das Meer es aufgegeben hatte, Kühlung zu fächeln. »Aha, Sie sind das Klima nicht gewöhnt, was? Das beste Klima der Erde.«

»Vielleicht liegt es an Ihrem Strohhut?«, murmelte Wobb und starrte gefesselt auf das zerfetzte, ausgelaugte Rad aus buntem Stroh, das Mertola auf dem Kopf trug. Er musste es glatt von einer Karnevalssitzung mitgebracht haben.

»Ihr Schiff ist untergegangen?«, erkundigte sich Steve Corell.

»Wieso?«, wunderte sich Mertola abermals und winkte dann belustigt ab. »Nee, nicht was Sie denken. Ich bin kein Schiffbrüchiger. Die verrückte Bande hat mich hier aufs Trockene gesetzt, um inzwischen in aller Ruhe meinen Schnaps alle machen zu können. Ha, jetzt werde ich aber wie der Leibhaftige zwischen den Kerlen auftauchen und ihnen meine Meinung ins Ohr flüstern. Zum zweiten Mal bringen sie mich nicht fort. Das liegt ihnen nicht. Hoffentlich macht Ihnen der kleine Umweg nach Akola nichts aus? Setzen Sie es nur dem Haijäger auf die Rechnung. Er wird den Teufel aus der Hölle herausfluchen, aber bezahlen wird er. Insofern brauchen Sie keine Angst zu haben.«

Steve Corell lächelte.

»Ich bin nicht ganz so ängstlich, wie ich aussehe, aber es wäre trotzdem nett, wenn Sie sich ein bisschen allgemeinverständlicher ausdrücken würden. Sie setzen uns Neuigkeiten vor, für die uns die Zusammenhänge fehlen. Aber zunächst – wie steht es mit Hunger und Durst?«

Louis Mertola wehrte mit einer schlichten Geste ab.

»Sehe ich so aus, als ob ich Sie mit aller Gewalt arm essen müsste? Gegen einen Schluck Whisky hätte ich allerdings nichts einzuwenden. Irgendetwas braucht der Mensch schließlich, um seinen Ärger hinunterzuspülen.«

Steve Corell blickte zu Wobb hin. Wobb hob die Schultern.

»Kein Whisky, Sir. Vielleicht Orangensaft?«

»Der Teufel hole Ihren Orangensaft!«, murrte Mertola. »So durstig bin ich nun auch wieder nicht. Amerikaner, die nicht einmal einen Whisky bei sich haben! Mit Amerika scheint es wirklich nicht mehr weit her zu sein. Erst schmeißt ihr euer Geld an fremde Leute weg, damit sie euch dann in den Hintern treten, und jetzt …«

»Sie sind Spanier?«, fing Steve Corell ab.

»Portugiese«, ließ sich Mertola bereitwillig ablenken. »Ich hoffe es wenigstens. Meine Mutter war nie dafür, ein richtiges Familienstammbuch zu führen. Sie hat aber nie widersprochen, wenn ich einen gewissen Mertola für meinen Vater hielt. Also wird es wohl stimmen, obgleich Mütter manchmal reichlich nachsichtig sind. Im Übrigen bin ich Händler, falls Sie das interessiert. Bei mir können Sie alles haben, was ein Mensch oder ein Eingeborener in diesem gesegneten Landstrich braucht, vorausgesetzt, dass mir die Bande in ihrem Rausch nicht das ganze Lager ins Meer geworfen hat. In diesem Falle müssten Sie sich einige Wochen gedulden.«

»Gern«, versprach Steve Corell belustigt. »Sie wohnen auf einer dieser Inseln?«

»Auf Akola. Sie gehört zur Sermatagruppe, obgleich ich persönlich nicht einsehen kann, warum sie nicht auch zur Lettigruppe gehören sollte. Ich möchte wissen, wie es diese Leute damals herausgefunden haben, welche Inseln zusammengehören. So einfach ist das nämlich gar nicht. Aber wahrscheinlich haben sie einfach einen Zirkel genommen und damit einen Kreis geschlagen.«

»Ich werde mich danach erkundigen. Wie sind Sie denn eigentlich hierhergekommen?«

Louis Mertola zog seine ausgebleichten Augenbrauen hoch.

»Habe ich Ihnen das nicht schon gesagt? Die Kerle haben mich hergebracht, weil sie mich los sein wollten. Irgendeiner hatte den verrückten Einfall, und die ganze johlende Bande konnte nichts Besseres finden, als …«

»Welche Bande?«

»Nun, die Besatzung der Lucia natürlich, diese Burschen, die für den Haijäger fahren. Ich habe schon immer gesagt, dass der Abschaum der Menschheit harmlos ist gegen das, was sich der Haijäger aus den Hafenspelunken herauskratzt, aber …

»Wer ist der Haijäger?«

Mertola schob verblüfft das Strohdach auf seinem Kopfe ein Stück zurück.

»Wer der Haijäger ist? Wissen Sie das nicht? Teufel nochmal, dann kommen Sie vielleicht doch von der Venus herunter? Ich hätte es jedenfalls nicht für möglich gehalten, dass irgendein Mensch in dieser Gegend den Haijäger nicht kennt. Na ja, schon gut, Sie sind eben nicht von hier. Das erklärt natürlich alles. Also der Haijäger, das ist der Obergangster der ganzen Gesellschaft. Vor dem kneift sogar der Teufel seinen Schwanz ein. Seine anständigen Seiten hat er freilich auch. Er bezahlt nämlich alles, was seine Leute anstellen. Also insofern kann man ihm wirklich nichts nachsagen. Er staucht sie zusammen, dass ihnen die Zähne klappern, aber er bezahlt anstandslos. Närrischer Knabe!«

»Er ist der Kapitän der Lucia, wenn ich Sie richtig verstehe?«

Mertola schüttelte nachdrücklich den Kopf.

»Der Kapitän? Wo denken Sie hin? Wenn er der Kapitän der Lucia wäre, würden die Kerle fromme Lieder singen und Bibelsprüche hersagen. Nee, so ist das nicht. Ich weiß nicht, wo er im Augenblick steckt, aber irgendwo auf der Timorsee bestimmt. Wenn er mit der Lucia gekommen wäre, brauchte ich nicht hier zu stehen, sondern könnte drüben auf Akola etwas Gesundes trinken.«

»Orangensaft!«, sagte Wobb sanft vor sich hin.

»Whisky«, korrigierte Mertola. »Oder Rum, mein Süßer.«

»Nennen Sie ihn nicht Süßer, mein Freund«, bat Steve Corell. »Es erinnert ihn an eine Frau, die ihn heiraten möchte. Die Lucia gehört also einem Mann, den Sie den Haijäger nennen. Das Schiff ist bei Ihrer Insel gelandet, hat Sie überfallen und hier ausgesetzt?«

Louis Mertola hob wieder die Brauen und schabte sich hinter dem Ohr.

»Hm, so ungefähr, aber so richtig verstehen Sie die Sache trotzdem noch nicht. Von einem Überfall kann eigentlich keine Rede sein. Sehen Sie, das spielte sich so ab: Die Kerle kamen an den Strand, schüttelten mir die Hand und kauften sich einen Schluck gegen die Hitze und einen zur Begrüßung. Sie müssen wissen, dass wir genau genommen alte Freunde sind. Vielleicht sollten Sie auch noch wissen, dass mein Schnaps gar nicht so schlecht ist, wie man sich erzählt. Auf jeden Fall merkt man es kaum, wenn man lange nichts getrunken hat.

Nun, so fing es an. Diese verdammten Witzbolde kauften sich bald einen dritten und einen vierten Schluck gegen die Hitze, und dann kriegten sie eben Geschmack an der Ware. Das ist das Gute an meinem Schnaps. Wenn Sie ein paar Schluck davon getrunken haben, schmeckt Ihnen sogar Petroleum wie feinster Rum. Die Kerle wurden jedenfalls mächtig vergnügt und sangen Lieder, dass sogar die Haie schleunigst mit schamroten Köpfen untertauchten. Ich selbst habe zwar ein christliches Gemüt, aber natürlich war ich mit von der Partie, denn schließlich muss man ja seinen Gästen Bescheid tun.

Also, soweit war alles in Ordnung. Aber dann geriet so ein Schnüffler an meinen privaten Vorrat. Das ging zu weit. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, wenn ich den Mund gehalten hätte, aber schließlich will man ja auch ein Wort mitreden, wenn man monatelang keinen vernünftigen Menschen um sich herum gesehen hat. Kurz und gut, es gab Krach. Und was für Krach! Schließlich kamen sie auf den Einfall, mich aus dem Weg zu schaffen, weil sie sich nicht länger stören lassen wollten. Ich rede ja selten und dann auch noch wenig, aber wenn ich rede, dann halte ich mich auch dran, bevor mir ein anderer dazwischenkommt, verstehen Sie. Also, jedenfalls machten sie wieder Dampf unter ihren lausigen Kahn und brachten mich hierher. Das war gestern. Wie ich die Burschen kenne, liegen sie heute voll bis oben heran in meinem Hause herum. Meinetwegen! Mir ging es bloß darum, dass sie mich nicht vergessen. Manchmal passiert das nämlich auch. Dann sitze ich hier und schlage mich mit Kokosnüssen durch den Rest meines Lebens. Pfui Spinne!«

»Sie müssen aber viel Alkohol auf Ihrer Insel haben, wenn sich eine ganze Schiffsbesatzung davon betrinken kann?«

Mertola grinste.

»Was dachten Sie? Das ist nicht die Einzige, die vorbeikommt, wenn sie Durst hat. Irgendwo muss jeder einmal Station machen. Und die Burschen verdienen viel zu gut, um nicht gelegentlich einmal auszubrechen und Unfug zu machen.«

»Die Lucia ist ein Handelsschiff?«

Mertola pendelte mit dem Kopf hin und her. »Ich weiß nicht – Sie haben da Bezeichnungen, die passen und auch wieder nicht passen. Ein Handelsschiff ist es schon, aber auch wieder keins, weil es ja bloß für den Haijäger fährt. Ein Haifängerschiff – das wäre so ungefähr das Richtige. Nicht groß, aber fest wie Eisen und durch keinen Taifun totzukriegen. Und durch die Haie erst recht nicht.«

»Die Besatzung fängt Haie?«

»Genau das, Haie, dieses dreimal verfluchte Raubzeug, das sich massenhaft in der Timorsee herumtreibt. Haben Sie schon einmal gesehen, wie das gemacht wird? Nicht? Na, da haben Sie aber glatt für umsonst gelebt. Mächtig einfach, die Haie umzulegen. Wasserbomben genügen, nicht? Aber dann die Haie herausholen und auseinandernehmen! Junge, Junge! Lieber zehn Jahre Walfang als ein Jahr Haifang! Die gemeinste Arbeit, die es gibt. Kein Wunder, dass die Kerle, die sich dem Haijäger verschreiben, wilder sind als alle anderen auf der Welt. Und härter! Und wissen Sie, was das Verrückteste an einem Haijäger ist? Er wird erst wild, wenn er ein paar Haie hinter sich hat. Ich kenne manchen, der nichts als Marmelade in sich hatte, aber nach ein paar Wochen Haifang wild und verrückt und hart war wie nur irgendeiner. Die Haie sind’s, verstehen Sie. Es ist wie ein Zweikampf, der mit Bestien ausgetragen werden muss. Sie tun alle so, als ob es um das Geld wäre, aber es geht gar nicht ums Geld. Es geht um den Hass, den sie aufeinander haben – die Haie und die Haijäger.«

»Immerhin – der Fang muss sich lohnen.«

»Natürlich lohnt er sich. Der Haijäger wäre sonst schon lange pleite. Früher war mit Haien nicht viel anzufangen, aber jetzt zieht man die Haut ab und macht Schuhe, Handtaschen und solches Zeug daraus. Und die Zähne lassen sich auch verwerten. Es lohnt sich schon, verlassen Sie sich drauf.«

»Brieftaschen!«, warf Wobb hin.

»Hä? Ach so? Ja, Brieftaschen auch.«

»Gut und teuer«, nickte Wobb melancholisch. »Mir hat mal jemand eine geschenkt. Hinterher stellte es sich heraus, dass es gepresstes Papier war. Diese Haie sind eben Gauner. Woher soll man wissen, dass sie neuerdings Häute aus gepresstem Papier tragen?«

Louis Mertola musterte ihn irritiert.

»Hm, wenn Sie die Hitze hier nicht gewöhnt sind.«

»Der Haijäger scheint immerhin nachsichtig zu sein«, griff Steve Corell ein. »Wenn er es duldet, dass seine Leute trinken und herumtoben, anstatt zu fangen …«

»Oh, dem Haijäger kann das egal sein. Das Schiff fährt im Akkord. Der abgelieferte Fang wird bezahlt und unter die Mannschaft verteilt. Solange die Burschen den Mindestsatz bringen, ist alles gut. Und wenn sie mehr bringen, ist der Haijäger ihr bester Freund. Nur eins kann er nicht vertragen, nämlich wenn nicht die Männer die Haie schnappen, sondern die Haie die Männer. Dann spielt er verrückt. Und außerdem zieht er den Leuten den doppelten Anteil für einen Mann ab.«

»Aber sonst bezahlt er, was sie trinken?«

»Natürlich bezahlt er – aber er zieht es auch vom Fangerlös ab. Oder halten Sie ihn für einen Wohltäter?«

Steve Corell lachte.

»Das nicht, aber er scheint wenigstens originell zu sein. Und nun kommen Sie, wir wollen Sie zu Ihrer Insel bringen. Steigen Sie ein.«

»Besten Dank. Übrigens – fliegen Sie gleich weiter, sobald Sie mich drüben abgesetzt haben. Vielleicht sind die Kerle doch noch nicht ganz voll. Sie vertragen es schlecht, wenn sich Fremde in ihre Angelegenheiten einmischen. Meinetwegen sollen Sie keine Scherereien haben.«

»Keine Sorge, wir helfen uns schon. Einen Kapitän, der sie im Zaum hält, hat die Schiffsbesatzung wohl nicht zufällig?«

Mertola grinste.

»Hat sie, hat sie. Aber Joker Davis säuft genauso gern wie seine Leute. Er ist der Verrückteste von allen, wenn er Land unter seinen Füßen hat. Auf dem Schiff ist er anders. An Land lässt er sich notfalls in den Bauch treten, falls einer den Mut dazu hat, aber an Bord schießt er jeden über den Haufen, der auch nur mit einer Wimper gegen ihn zuckt. Die Burschen wissen das und richten sich danach. Und wie ich sie kenne, bilden sie sich sogar noch etwas auf ihren Kapitän ein. Bestes Mittelalter, Mister! Mit so einer Bande könnte man stilecht auf Kaperfahrt gehen, ohne, die letzten vier Jahrhunderte zu vermissen.«

Wenig später glitt das Flugzeug wie ein aufsteigender Bumerang in die Luft hinein. Der Flug dauerte nicht lange. Akola lag bereits dicht unter dem Horizont. Die Insel war auch nicht groß, aber immerhin wesentlich größer als die andere Insel. Sie stieg sogar zu einem bewaldeten Hügelland auf. Hier und dort hoben sich größere Feldgebiete und Palmenbestände heraus, zwischen ihnen Hütten von Eingeborenen.

Das Flugzeug landete unweit eines verwitterten Flachbaus, der zweihundert Meter oberhalb des Strandes lag. Mertola kletterte heraus und wollte sich verabschieden, aber Steve Corell folgte ihm.

»Ich möchte mir die Männer doch einmal ansehen. Sind das die Boote der Lucia dort am Strand?«

Mertola nickte.

»Das sind sie. Hübsch zum Austrocknen hingesetzt, nicht? Und das dort draußen ist die Lucia. Idyll, nicht?«

»Ohne Besatzung?«

»Nun, das nun auch wieder nicht. Zwei oder drei Mann sind schon draußen. So leichtsinnig ist Joker Davis nicht. Also kommen Sie. Ich bin neugierig, was die Kerle alles angestellt haben.«

Sie sprangen hinunter. Wobb schloss sich auch an.

Das Haus nannte sich Bungalow, hätte aber eher Baracke heißen müssen. Hinter ihm zogen sich noch einige niedrige, zum Teil offene Schuppen rum. Der ganze Komplex lag wenigstens stückweise im Schatten schlanker Palmen, deren Wedel sich empfindsam in der leichten Brise bewegten.

An einer der Palmen saß ein Mann. Sein Oberkörper war zusammengesunken. Sein Mund stand offen. Er schnarchte. Um ihn herum schwebte fast greifbar eine Wolke von Fusel.

Die dickere Wolke von Schnaps und Rauch kam vom Hause her. Am Fuße der Wände glitzerten die Scherben zerbrochener Flaschen. Mertola regte sich leise, aber in wilden Worten über sie auf. In den offenen Schuppen lagen Männer mit derben Gesichtern herum. Man sah ihnen an, dass sie nicht gerade von der Müdigkeit umgelegt worden waren.

Aus dem Haus drangen gedämpfte Geräusche. Irgendwer fluchte, einige Stimmen stritten miteinander, dann stimmte ein Betrunkener holpernd ein lang gedehntes melancholisches Lied an.

Mertola stieg über einige zerbrochene Kisten hinweg und stieß die Tür auf. Der Blick auf einen fast nackten Raum wurde frei. In einer Ecke lehnten die Reste eines zerbrochenen Tisches neben zerbrochenen Schemeln, an der Wand fiel ein nasser Fleck auf, am Boden bildeten leere Konservendosen, Flaschen und zerbrochener Hausrat ein wüstes Durcheinander.

Auf dem festgetretenen Boden hockten vier Männer. Zwei stemmten sich mit dem Rücken gegeneinander und hielten sich so gegenseitig, einer starrte tiefsinnig in eine leere Konservendose hinein, und einer rührte mit einem Bambusrohr in einer verbeulten Blechschüssel, in der eine gelbliche, trübe Brühe schwamm. Dabei sang er ein steinerweichendes Lied von einem Seemann, den seine Liebste betrogen hatte.

Der Sänger war ein riesiger Kerl mit breiten Schultern und muskulösem Rücken, und der Einzige, der noch genug von seiner Umwelt aufnahm, um den Eintritt der Männer zu bemerken. Sein wildes Gesicht, dessen abenteuerliche, männliche Härte nicht einmal in der Verschwommenheit des Trunkes untergegangen war, veränderte sich und wurde auf eine eigenartige Weise wachsam. Er brach sein Lied ab, riss die Augen auf, kniff sie gleich wieder zusammen und drückte sich taumelnd hoch. Er rülpste und grölte dann mit schleifender Stimme, aber hinter dem trunkenen Grölen stand deutlich eine lauernde Wachsamkeit.

---ENDE DER LESEPROBE---