Der himmlische Weihnachtshund - Petra Schier - E-Book

Der himmlische Weihnachtshund E-Book

Petra Schier

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Beschreibung

Kurz vor Weihnachten findet Santa Claus einen alten Wunschzettel: Der neunjährige Michael wünscht sich sehnlichst einen Hund und dass seine Freundin Fiona nicht wegziehen muss. Dummerweise hat Sante Claus diese beiden Wünsche zwanzig Jahre lang nicht beachtet, deshalb beschließt er nachzusehen, was aus dem Jungen geworden ist. Michael ist inzwischen Juniorchef einer Futtermittelfabrik und steht kurz vor der Hochzeit. Glücklich scheint er jedoch nicht zu sein. Santa Claus schickt ihm einen kleinen Labrador-Welpen, der Michael helfen soll, sein wahres Glück zu finden. Tatsächlich führt der Hund ihn zu Fiona, doch damit richtet Santa Claus ungewollt ein komplettes Liebes-Chaos an.

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Table of Contents

Buchtitel

Impressum

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11.Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

Nachspiel – Erster Weihnachtsfeiertag

Über Petra Schier

Petra Schier

Der himmlische Weihnachtshund

Impressum

4. Auflage, August 2022

Copyright © 2012 by Petra Schier

Petra Schier, Lerchenweg 6, 53506 Heckenbach

Covergestaltung unter VErwendung von Adobe Stock:

© Svetlana Kolpakova

© Kadmy

ISBN 978-3-96711-041-8

 

Alle Rechte vorbehalten.

Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung ist nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin möglich.

 

Die Personen und Handlungen im vorliegenden Werk sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Erwähnungen von historischen bzw. realen Ereignissen, realen Personen oder Orten sind rein fiktional.

Prolog

»Hau-Ruck!« Der kräftige kleine Elf hob die eine Seite des schweren Aktenschranks an und lugte dann um dessen Ecke. »Hey, was ist denn, Elf-Fünf? Warum fasst du nicht mit an? Allein bekomme ich dieses schwere Ding nicht vom Fleck.«

»Schon gut, schon gut«, antwortete Elf-Fünf und griff nach der anderen Schrankseite. »Ich war noch nicht soweit. Jetzt können wir loslegen, Elf-Vier.«

»Na gut, auf mein Kommando …« Mit vereinten Kräften schleppten die beiden Elfen den Schrank aus dem Büro.

Santa Claus – auch als Weihnachtsmann bekannt – saß derweil an seinem Schreibtisch und sortierte die alten Akten und Papiere, die sich bis vor kurzem noch in dem Schrank gestapelt hatten. Nachdem die beiden Elfen mit ihrer schweren Last zur Tür hinaus waren, drehte er sich um und musterte die nun leere Wand. Sie musste dringend gestrichen werden, bevor die neuen Möbel aufgestellt wurden. Auch ein neuer Fußboden würde verlegt werden. Das alte Laminat war doch schon arg abgenutzt und sah nicht mehr schön aus. Santa ließ seinen Blick über das momentane Chaos in seinem Arbeitszimmer wandern. Nachdem er in den vergangenen Jahren seine technischen Geräte auf den neuesten Stand gebracht hatte, war seine Frau auf die Idee gekommen, das Arbeitszimmer wieder einmal zu renovieren. Nötig war es, das sah der Weihnachtsmann ein. Doch irgendwie hatten sich die Arbeiten immer wieder verzögert, und nun war es schon Ende November. Die heiße Phase der Vorweihnachtszeit würde in Kürze beginnen. Ausgerechnet jetzt hatten seine Elfen mit den Umbau- und Renovierungsarbeiten begonnen, also würde er sich in nächster Zeit mit dem Durcheinander arrangieren und trotzdem mit seiner alljährlichen Arbeit der Wunscherfüllung beginnen müssen.

Seufzend wollte Santa Claus sich wieder seinem Schreibtisch zuwenden, als sein Blick auf einen zerknitterten Briefumschlag fiel, der genau an der Stelle lag, an der eben noch der Schrank gestanden hatte.

Neugierig hob Santa Claus ihn auf – er war an ihn adressiert. Stirnrunzelnd und mit einem unguten Gefühl öffnete er den Umschlag und zog ein gefaltetes Blatt Papier daraus hervor. Als er die krakelige Jungenhandschrift und einen Moment später das Datum des Briefes sah, wurden seine Augen kugelrund. Unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, starrte er auf den Brief, las die wenigen Zeilen wieder und wieder.

»Du lieber Himmel, so etwas. Das gibt es doch nicht! Wie konnte mir das bloß passieren?«, murmelte er vor sich hin.

»Santa, sollen wir jetzt die Kartons …«, begann Elf-Vier, als er erneut das Büro betrat. Er brach ab, sobald er die erschrockene Miene des Weihnachtsmanns sah. »Was ist denn los, Santa? Du siehst ja aus, als hättest du einen Geist gesehen!«

Santa Claus riss sich von dem Brief los. »Oh, Elf-Vier, es ist etwas Furchtbares passiert!« Aufgeregt deutete er auf den Brief. »Das hier ist der Wunschzettel eines kleinen

Jungen. Er muss irgendwie hinter oder unter den Schrank gerutscht sein, den du und Elf-Fünf gerade hinausgetragen habt.«

Elf-Vier legte den Kopf schräg. »Na, dann war es ja gut, dass wir den Schrank weggerückt haben, sonst hätte den Wunschzettel ja vielleicht nie jemand entdeckt. Nun kannst du den Wunsch ja ganz leicht erfüllen. Bis Weihnachten ist doch noch genug Zeit.«

»Nein, Elf-Vier, du verstehst nicht.« Santa wies erregt auf das Datum des Briefes. »Dieser Wunschzettel ist schon über zwanzig Jahre alt.«

»Oh.« Darauf wusste Elf-Vier nichts zu sagen.

Santa Claus fuhr sich besorgt durch seinen dichten, weißen Rauschebart. »Er muss die ganze Zeit unbemerkt hinter dem Schrank gelegen haben. Der Wunschzettel-Radar hat ihn auch nicht erfasst, weil der nur Wünsche erkennt, die höchstens zehn Jahre zurückliegen.« Besorgt blickte er den Elfen an. »Was mache ich denn jetzt?«

Elf-Vier trat näher an den Schreibtisch heran. »Ist der Wunsch denn so groß gewesen? Vielleicht ist es ja gar nicht so schlimm, dass er nicht erfüllt wurde.«

Der Weihnachtsmann reichte ihm wortlos den Brief, und Elf-Vier las vor:

 

Lieber Weihnachtsmann,

 

ich weiß, es ist der zwanzigste Dezember, und Du hast bestimmt ganz viel zu tun. Außerdem darf niemand erfahren, daß ich an Dich schreibe, weil dann alle glauben würden, ich wäre verrückt. Meine Freunde in der Schule und im Sportverein glauben nämlich nicht an Dich. Und meine Eltern auch nicht. Nur Fiona würde das verstehen. Fiona ist meine beste Freundin. Aber das weißt Du ja bestimmt, weil Du einfach alles weißt.

Gestern hat sie mir erzählt, daß sie im Februar mit ihren Eltern wegzieht. Ganz weit weg in eine große Stadt. Ich will das nicht, weil, wenn sie weg ist, habe ich hier gar niemanden mehr, der mich versteht und mit mir lacht und für mich da ist. Meine Eltern sind dauernd nur mit der Firma beschäftigt und haben fast nie Zeit für mich. Das Kindermädchen, Liselotte, ist ganz nett, aber sie geht nächstes Jahr auch weg. Mama meint, wenn ich erst mal zehn bin, brauche ich kein Kindermädchen mehr.

Lieber Weihnachtsmann, kannst Du nicht machen, daß Fionas Eltern es sich noch mal überlegen und nicht wegziehen? Was soll ich denn hier ohne sie machen? Ich will nicht immer nur allein sein. Okay, in meiner Klasse sind ein paar Jungen, mit denen ich mich gerne treffe und so, aber einen richtig guten Kumpel hab ich nicht. Und kannst du nicht auch machen, daß Papa und Mama endlich mal wieder ein bisschen mehr Zeit für mich haben? Immerzu arbeiten sie nur oder sind auf Geschäftsreise. Ich habe sie gefragt, ob ich nicht wenigstens einen Hund haben darf, aber Mama will den Dreck nicht im Haus haben, und außerdem sagt sie, daß Hunde so unpraktisch sind, wenn man in Urlaub fahren will.

Bitte, lieber Weihnachtsmann, ich weiß nicht, wen ich sonst fragen soll. Kannst Du mir helfen? Ich verzichte auch auf die ganzen Spielsachen, die Papa und Mama mir bestimmt wieder schenken wollen. Ich hab sowieso keine Lust darauf.

 

Hochachtungsvoll Michael Sahler, 9 Jahre

 

Elf-Vier grinste schief über den gestelzten Gruß, dann hob er den Kopf und blickte den Weihnachtsmann besorgt an. »Das klingt aber gar nicht gut.«

»Stimmt«, kam die Stimme von Santas Frau von der Tür her. Sie und Elf-Fünf waren inzwischen ebenfalls ins Büro gekommen und hatten alles mit angehört. »Das ist einer der traurigsten Wunschzettel, den ich seit langem gesehen habe.«

Santa Claus nickte. »Mir geht es genauso, mein Schatz. Ich habe ein furchtbar schlechtes Gewissen, weil ich dem Jungen damals nicht geholfen habe. Es ist mir unbegreiflich, wie der Wunschzettel hinter den Schrank geraten konnte.« Er nahm dem Elfen den Briefbogen wieder aus den Händen. »Was, wenn das Leben des Jungen deshalb trauriger verlaufen ist als nötig? Ich hätte doch bestimmt etwas für ihn tun können.« Aus einem spontanen Entschluss heraus schaltete der Weihnachtsmann seinen Computer an. »Aber das werde ich herausfinden.«

»Was hast du vor?«

Santa Claus sah sie vielsagend an. »Ich werde den Jungen ausfindig machen und schauen, was aus ihm geworden ist.«

1. Kapitel

»Du meine Güte, wie sieht es denn hier aus?«, fragte Anna-Maria Sahler, als sie das Haus ihres Sohnes betrat. Missbilligend blickte sie auf die Sofakissen, die über den Fußboden verstreut waren, und die diversen Kleidungsstücke, die überall herumlagen. Mit spitzen Fingern pflückte sie einen roten BH von der Rückenlehne eines der schwarzen Ledersessel, ließ ihn jedoch gleich wieder fallen.

Michael Sahler rieb sich mit beiden Händen über das noch unrasierte Gesicht. Er war gerade erst aufgestanden, als seine Mutter geklingelt hatte, und sehnte sich nach einer Dusche. Als er das Kleidungsstück erblickte, das bei ihr so besonderen Anstoß erregt hatte, runzelte er die Stirn. »Der gehört nicht mir.«

»Das hoffe ich doch«, antwortete sie spitz. Dann lächelte sie schmal. »Ich dachte, du bist fest mit Linda zusammen. Sie wäre bestimmt sehr böse mir dir, wenn du dich trotzdem noch mit einem deiner Flittchen …«

»Mama, lass das bitte«, knurrte Michael. »Und nenn sie nicht Flittchen. Eine Frau, auf die diese Bezeichnung passt, gehört ganz sicher nicht zu meinem Bekanntenkreis. Und nein, ich habe Linda auch nicht betrogen. Das Ding da«, er wies auf den BH, »und die anderen Kleider gehören Katrin und Leo. Ich habe die beiden gestern Abend von der Party mitgenommen, weil beide nicht mehr fahren konnten. Aber bis zu ihnen wollte ich sie auch nicht mehr bringen, also bot ich ihnen an, hier zu übernachten.«

»Ach. Und wo sind die beiden jetzt?«

Michael zuckte die Achseln. »Im Gästebad, schätze ich. Oder unten im Fitnessraum. Weit können sie nicht sein, denn nackt haben sie das Haus wohl nicht verlassen.«

»Aha.« Seine Mutter schien die Erklärung zu akzeptieren, auch wenn sie ihr offenbar nicht gefiel.

In diesem Moment traten zwei nur in Handtücher gehüllte Personen ein.

»Oh, guten Morgen, Frau Sahler«, sagte die junge Frau leicht verlegen und hastete sogleich umher, um ihre Kleider einzusammeln. »Entschuldigen Sie bitte unseren Aufzug. Wir haben gerade …«

»Geduscht«, ergänzte ihr männlicher Begleiter mit einem schiefen Grinsen. »Micha, ich habe gerade ein Taxi bestellt. Wir machen uns also gleich wieder vom Acker. Danke, dass du uns gestern eingesammelt hast. Ich war offenbar zu nichts mehr fähig.«

»Das kann man wohl sagen«, antwortete Michael mit einem vielsagenden Lächeln. »Anstatt eines Taxis hättet ihr beinahe den Notarzt gerufen. Da dachte ich, es wäre besser, euch hierher zu bringen, ehe ihr noch irgendein Unheil anrichtet.«

»Danke, Micha«, sagte nun auch Katrin. »Entschuldigt mich bitte, ich muss mich anziehen.« Schon war sie wieder zur Tür hinaus. Leo folgte ihr auf dem Fuße.

Anna-Maria schüttelte den Kopf. »Muss ja ein rauschendes Fest gewesen sein.« Ehe er etwas darauf erwidern konnte, fuhr sie fort: »Ich bin eigentlich nur gekommen, um dich daran zu erinnern, dass wir heute Abend mit Lindas Eltern essen. Dein Vater hat einen Tisch im Sternbach reservieren lassen – für acht Uhr.«

»Ja, Mama, ich weiß.« Ordnend fuhr sich Michael durch seine schwarzen Haare. »Ich werde pünktlich da sein.«

»Das hoffe ich«, antwortete seine Mutter. »Du weißt, wie viel Wert wir auf ein gutes Verhältnis zu ihnen legen. Wenn du und Linda erst einmal … nun ja …« Sie lächelte. »Wenn es mit euch ernst wird, will ich sicher sein, dass unsere beiden Familien sich gut verstehen.«

»Hm.« Michael nickte unbestimmt.

»Linda ist eine sehr charmante junge Dame«, sagte seine Mutter mit Nachdruck. »Und eine sehr fähige Mitarbeiterin in unserer Firma. Seit sie in der Produktabteilung arbeitet, konnten wir unsere Futtermittellinien in vielerlei Hinsicht optimieren.«

»Das weiß ich, Mama.«

»Sie hat dich sehr gern, Junge.«

»Ja.« Er unterdrückte ein Seufzen. »Ich mag sie auch.«

»Dann zögere nicht, dir den Fisch zu angeln, bevor ihn dir jemand vor der Nase wegschnappt.« Zum ersten Mal lächelte Anna-Maria offen. »Ihr seid so ein schönes Paar!«

»Mhm. Würdest du mich jetzt bitte allein lassen, damit ich mich anziehen kann.« Er wies auf seine Boxershorts, denn mehr trug er gerade nicht am Körper.

»Aber natürlich, Junge.« Deutlich gnädiger als bei ihrem Eintreten verließ seine Mutter das Haus wieder.

Michael warf einen Blick nach draußen. Es hatte gefroren, wie der Raureif auf den Büschen im Garten bewies, aber die Sonne schien. Vielleicht sollte er vor dem Frühstück eine Runde joggen. Zunächst musste er jedoch seine Übernachtungsgäste sicher in ihr Taxi verfrachten.

 

***

 

»Sieht doch gar nicht so übel aus«, befand Elf-Vier, der sich neugierig hinter Santa Claus gestellt hatte und auf den Computerbildschirm blickte. »Auch wenn du ihm seine Wünsche damals nicht erfüllt hast, scheint er es doch ziemlich gut getroffen zu haben. Schau dir nur mal das schöne große Haus an. Freunde hat er offensichtlich auch, sogar bald eine Verlobte, wenn ich das richtig mitbekommen habe. Also alles im Lot.«

»Ich weiß nicht«, widersprach Elfe-Sieben, die Assistentin des Weihnachtsmannes, mit deutlichem Zweifel in der Stimme. »Findest du, der Mann sieht glücklich aus?«

Santa Claus strich sich wieder einmal durch den Bart. »Du hast recht, die Sache will mir nicht gefallen. Der erste Eindruck von einem Menschen ist nicht immer der Richtige. Ich glaube, ich stelle lieber noch weitere Nachforschungen an.« Er betätigte die Gegensprechanlage. »Elfe-Acht? Schau bitte, wo sich Elf-Zwei herumtreibt und kommt so schnell wie möglich zu mir. Ich habe einen Auftrag für euch.«

 

***

 

»Also wenn du mich fragst …« Linda stellte sich auf die Zehenspitzen und gab Michael einen sanften Kuss auf die Lippen. »Dann liegen meine Eltern dir zu Füßen.« Sie lächelte schelmisch. »Eine gute Idee von dir, Paps mal wieder auf sein Hobby anzusprechen. Er liebt Angeln. Ich habe zwar keine Ahnung, wie man so was Langweiliges auch nur fünf Minuten aushalten kann, aber damit hattest du ihn sprichwörtlich sofort am Haken.«

Michael lachte. »Das Thema war jedenfalls interessanter als der übliche Small Talk. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich vom Angeln keinen blassen Schimmer habe.«

Sie standen vor Lindas Wohnungstür. Während sie aufschloss, blickte sie zu ihm auf. »Möchtest du noch mit hereinkommen? Wir könnten es uns so richtig gemütlich machen.« Ihren Worten folgte ein vielsagender Blick.

Michael lächelte ihr zu. »Ich würde wirklich gerne, Linda, aber ich muss noch mal kurz in der Firma vorbei und ein paar Unterlagen abholen, die ich morgen auf dem Meeting in Brüssel benötige.«

»Ach, wie schade.« Linda senkte enttäuscht den Kopf. »Das Meeting hatte ich völlig vergessen. Wann bist du denn wieder zurück?«

»Schon morgen Abend«, antwortete er und gab ihr einen raschen Kuss. »Ich rufe dich an. Wenn es nicht zu spät wird, holen wir den gemütlichen Abend morgen nach.«

»Okay, schön. Dann bis morgen.« Linda trat in ihre Wohnung, während Michael sich abwandte und, ohne sich noch einmal umzublicken, die Stufen ins Erdgeschoss hinabstieg.

Er gab es ungern zu, aber der Abend hatte ihn zu Tode gelangweilt. Er mochte Linda und bemühte sich wirklich, ihr und ihrer Familie entgegenzukommen. Selbstverständlich wusste er um die Hoffnung seiner Eltern, dass für ihn und Linda in absehbarer Zeit die Hochzeitsglocken läuten würden. Doch etwas hielt ihn zurück. Er redete sich ein, dass er noch zu sehr an seinem ungebundenen Single-Dasein hing und die häufigen Partys und vielen unbedeutenden Frauenbekanntschaften nicht gegen das wesentlich ruhigere und monogame Leben eines braven Ehemannes einzutauschen bereit war. Das ergab Sinn und war wesentlich einfacher, als sich einzugestehen, dass er Linda nicht liebte und wenig scharf darauf war, eine Zweckehe zugunsten der Firma einzugehen, wie seine Eltern sie ihm vorlebten.

Entschlossen richtete er seine Gedanken auf das morgige Meeting in Brüssel mit einigen neuen Vertriebspartnern. Gleich zwei neue Produktlinien galt es vorzustellen. Eine für Meerschweinchen und eine andere für Pferde. Es war zwar nicht das erste Mal, dass ihm diese Aufgabe zukam, doch bisher war sein Vater als Seniorchef immer ebenfalls anwesend gewesen. Morgen würde er – Michael – allein vor den Geschäftspartnern stehen.

Er hatte es mit seinen einunddreißig Jahren in der Firma Sahler Futtermittel schon zum Juniorchef gebracht. Nicht nur, weil sein Vater ihn selbstverständlich auf diese Position vorbereitet hatte, sondern weil er selbst ehrgeizig genug war, all den Anforderungen, die die Leitung einer so großen Firma an ihn stellte, gerecht zu werden. Nach seinem Studium hatte er in sämtlichen Abteilungen gearbeitet, um Forschung und Entwicklung, Produktion, Vertrieb und Marketing kennenzulernen. Dabei war ihm weder etwas geschenkt noch in den Schoß geworfen worden, wie manch ein Außenstehender gerne vermutete.

Georg Sahler, Michaels Vater, hielt nichts davon, jemanden ohne Fleiß und ohne das Vergießen von ordentlich viel Schweiß ans Ziel gelangen zu lassen. Er hatte die Firma aus einem kleinen Futtermittelladen nebst Hundekuchenbäckerei zu einer Zeit aufgebaut, als andere über solche Geschäftsmodelle noch nicht einen Gedanken verschwendet hatten. Heute war Sahler Futtermittel eine der führenden Produzenten von Tiernahrung aus kontrolliert angebauten Bio-Rohstoffen.

Michaels Vater wusste also, was es hieß, gewissermaßen aus dem Nichts ein Geschäft aufzubauen, und von seinem Sohn erwartete er, dass er dieses Gedankengut und Erbe durch eigene harte Arbeit würdigte.

Deshalb fuhr Michael nun, obwohl es schon nach zehn Uhr war, noch einmal in die Firma, um die Unterlagen, die seine Sekretärin für ihn vorbereitet hatte, noch heute abzuholen. Sein Zug nach Brüssel würde am folgenden Morgen schon um 5:30 Uhr abfahren, und ein paar Stunden Schlaf waren wohl sehr angebracht, um das Meeting erfolgreich zu bewältigen.

2. Kapitel

»Soso, das ist also alles, was ihr herausgefunden habt.« Santa Claus schaltete die kurze Videosequenz ab, die Elfe-Acht und Elf-Zwei für ihn zusammengestellt hatten. Er klappte den Hefter mit Fotos zu, die Michael Sahler bei seinen Tätigkeiten der vergangenen Woche zeigte.

»Auf den ersten Blick ist er ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann mit vielen Freunden und Bekannten. Wenn es nach seinen Eltern geht, wird er bald eine Frau heiraten, die in der Firma arbeitet. Eine gewisse Linda Kreuzbacher«, fasste Elfe-Acht die gesammelten Erkenntnisse noch einmal zusammen.

»Auf den ersten Blick, aha.« Santa Claus nickte. »Und auf den zweiten Blick?«

»Da scheint uns seine Welt ziemlich oberflächlich zu sein. Viele nette Bekanntschaften, wechselnde Frauengeschichten, häufige Partys«, zählte Elf-Zwei auf. »Irgendwie will diese Lebensweise nicht mit dem zusammenpassen, was der Wunschzettel des neunjährigen Michael ausdrückt. Er hat sich seine beste Freundin zurückgewünscht, mehr Zuwendung durch seine Eltern, solche Dinge.«

»Also ein armer reicher Junge?«, hakte der Weihnachtsmann mit gerunzelter Stirn nach. »Haltet ihr ihn für unglücklich?«

»Nein.« Elfe-Acht schüttelte entschieden den Kopf. »Aber er hat sich mit einem Leben abgefunden und arrangiert, das nicht ganz zu seinen Neigungen passt. Das muss aber nicht heißen, dass es ihm deshalb schlechtgeht. Immerhin ist er wohlhabend. Materiell hat er alles, was das Herz begehrt.«

Nachdenklich blätterte Santa Claus noch einmal durch die Fotos. »Auf mich wirkt er einsam.«

Elf-Zwei und Elfe-Acht sahen einander bedeutungsvoll an. »Bist du sicher, dass dich nicht einfach nur ein schlechtes Gewissen plagt, weil du seinen Wunschzettel verschusselt hast?«, wagte Elf-Zwei zu fragen. »Ich weiß nicht, ob es so gut ist, sich in das Leben eines erwachsenen Mannes einzumischen. Immerhin ist er erfolgreich und gutsituiert. Er steht mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Was soll es jetzt noch bringen, alte Wunden aufzureißen?«

»Das habe ich ja gar nicht vor«, erklärte der Weihnachtsmann. »Aber mein Gefühl täuscht mich selten. Etwas an Michael Sahler strahlt eine innere Unzufriedenheit aus. Versteht ihr, was ich meine?«

Die beiden Elfen nickten zögernd.

In diesem Moment kam Elfe-Sieben ins Büro geeilt und wäre beinahe über einen der Kartons gestolpert, die überall im Raum verteilt standen. »Huch!«, rief sie erschrocken. Fast wäre ihr der Computerausdruck, den sie mitgebracht hatte, aus der Hand gefallen. »Santa Claus, ich habe hier etwas entdeckt. Du wolltest doch, dass ich dir zu diesem Michael einen detaillierten Lebenslauf zusammenstelle. Schau mal, was ich dabei herausgefunden habe!« Sie reichte ihm den Ausdruck.

Neugierig las der Weihnachtsmann die Informationen durch. »Aha«, brummelte er in seinen Bart. »Wusste ich es doch!«

»Was ist es denn?«, wollten die beiden Kundschafter-Elfen neugierig wissen.

Santa Claus hob den Blick von dem Papier. »Wie es scheint, hat Michael Sahler vor etwa zehn Jahren einen Detektiv beauftragt, seine Jugendfreundin Fiona ausfindig zu machen.«

»Hat er sie gefunden?«, wollte Elfe-Acht wissen.

»Ja«, antwortete Elfe-Sieben an Stelle des Weihnachtsmannes.

»Dann hat er seine alte Freundin ja schließlich doch wieder zurückbekommen!«, folgerte Elf-Zwei zufrieden.

»Siehst du, Santa, deine Sorgen waren ganz unbegründet. Ob mit oder ohne Fiona – sein Leben ist verlaufen, wie es sollte.«

»Nicht ganz«, warf Elfe-Sieben ein. »Michael hat zwar ihren Aufenthaltsort herausgefunden, aber seitdem niemals auch nur den kleinsten Versuch gemacht, mit ihr Kontakt aufzunehmen.«

»Oh.« Elfe-Acht machte große Augen. »Warum wohl nicht? Wenn er sie nach all den Jahren nicht vergessen und vielleicht so sehr vermisst hat, dass er sogar einen Detektiv beauftragt hat, sie zu finden, hätte ich erwartet, dass er auf schnellstem Wege zu ihr fährt.« Die Elfe hob die Schultern. »Oder sie zumindest mal anruft.«

»Das sollte man meinen, nicht wahr?«, stimmte Elfe-Sieben zu. »Aus irgendeinem Grund hat er es nicht getan. Aber es kommt noch besser!« Sie machte eine bedeutungsvolle Pause.

Elf-Zwei verdrehte ungeduldig die Augen. »Nun mach es doch nicht so spannend!«

Die kleine Assistentin des Weihnachtsmannes grinste schelmisch. »Fiona Maier ist seit ungefähr drei Monaten wieder zurückgekehrt. Sie lebt wieder in derselben Stadt wie Michael – als Tierärztin.«

»Wow!«, rief Elfe-Acht. »Und ich wette, er weiß nichts davon.«

»So ist es«, bestätigte Elfe-Sieben.

Santa Claus erhob sich und ging grübelnd zwischen den Kisten und Kartons auf und ab. »Da ist was im Busch. Ich wusste es!« Abrupt blieb er stehen und drehte sich zu seinen Elfen um. »Wir müssen herausfinden, was da vorgeht. Und dann helfen wir den beiden, jawohl!« Auf seinen Lippen erschien ein schalkhaftes Lächeln. »Und ich glaube, ich weiß auch schon wie.«

 

***

 

Brr, ist das kalt hier! Und ungemütlich. Und es riecht unangenehm. Irgendwie scheint alle Welt zu glauben, dass Hunde nicht so leicht frieren, weil wir doch ein Fell haben, das uns wärmt. Aber hallo – ich bin ein Labrador! Mein Fell ist so kurz, dass es einer langen Nacht in einer Mülltonne bei Frost nicht so wirklich standhält. Und ich verwahre mich auch entschieden dagegen, dass Hunde im Allgemeinen stinkende Abfälle lieben. Also bitte – ich sitze seit Stunden auf einem Beutel mit faulendem Gemüse und Fischgräten! Das ist ekelhaft. Solches Zeug kann man ja nicht mal mehr fressen. Dagegen war das Futter im Tierheim die reinste Delikatesse. Obwohl es nur billiges Dosenfutter gab, von dem man schon mal Durchfall bekommen kann.

Anfangs fand ich den Vorschlag, den die beiden Weihnachtselfen mir gemacht haben, ja noch ganz witzig und spannend. Sie würden mir zur Flucht aus dem überfüllten Tierheim verhelfen und mir ein schönes Zuhause vermitteln, wenn ich ihnen im Gegenfall einen kleinen Gefallen tue. So weit, so gut. Der Deal sah aber nicht vor, dass ich die ganze Nacht in einer stinkenden Mülltonne verbringen muss und mir dabei die Pfoten abfrieren. Oder vielmehr sind die beiden Elfen erst damit rausgerückt, als wir schon aus dem Tierheim raus waren.