Der hinkende Teufel - Alain René Lesage - E-Book

Der hinkende Teufel E-Book

Alain-René Lesage

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Beschreibung

Alain René Lesage wurde 1668 zu Sarseau geboren. Sarseau ist ein Dorf in der Nähe von Vannes, und in diese Stadt, zu den dortigen Jesuiten, wurde Lesage in die Schule geschickt. In Vannes erhielt er auch seine erste Anstellung, ein kleines Amt beim Steuerwesen. Dann zog er nach Paris – 1692 – und begann seine literarische Laufbahn mit Übersetzungen, z. B. der Liebesbriefe des griechischen Sophisten Aristänetus und der von Avellaneda verfassten misslungenen Fortsetzung des Don Quijote. Der "Hinkende Teufel" hatte einen selten gesehenen Erfolg; die erste 1713 zu Paris erschienene Auflage wurde im Augenblick vergriffen, und zwei junge Hofleute kamen um das letzte Exemplar im Laden des Buchhändlers mit dem Degen aneinander … so sehr riss man sich um ein Buch, in welchem namentlich der französische Hof so treffend gezeichnet war.

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Seitenzahl: 450

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Table of Contents

Title Page

Vorwort

1. Was der hinkende Teufel für ein Teufel ist. Wo und durch welchen Zufall Don Cleophas Leandro Perez Zambullo seine Bekanntschaft machte

2. Weiteres von der Befreiung des Asmodeus

3. An welchen Ort der hinkende Teufel den Studenten versetzte und von den ersten Gegenständen, die er ihn erblicken ließ

4. Liebesgeschichte des Grafen von Belflor und der Leonore von Cespedes

5. Fortsetzung und Schluss der Liebesgeschichte des Grafen von Belflor

6. Von neuen Dingen, die Don Cleophas sah, und von der Art, wie er an Donna Thomasa gerächt wurde

7. Von den Gefangenen

8. Asmodeus zeigt dem Don Cleophas mehrere Personen und berichtet ihm, was sie den Tag über getrieben haben

9. Von den eingesperrten Narren

10. Dessen Stoff unerschöpflich ist

11. Von der Feuersbrunst und dem, was Asmodeus bei dieser Gelegenheit aus Freundschaft für Don Cleophas tat

12. Von den Gräbern, den Schatten und dem Tode

13. Die Macht der Freundschaft

14. Von dem Streit eines Trauerspieldichters mit einem Lustspieldichter

15. Fortsetzung und Schluss der Macht der Freundschaft

16. Von Träumen

17. Worin man mehrere Originale, die nicht ohne Kopie sind, erblicken wird

18. Was der Teufel sonst noch dem Don Cleophas zeigte

19. Von Gefangenen

20. Von der letzten Geschichte, die Asmodeus erzählte; und wie er am Ende derselben plötzlich unterbrochen wurde, und auf welche für den Dämon unangenehme Weise Don Cleophas und er getrennt wurden

21. Von dem, was Don Cleophas tat, nachdem ihn der hinkende Teufel verlassen hatte, und der Art und Weise, wie der Verfasser dieses Werkes dasselbe zu beendigen für gut findet.

 

Der hinkende Teufel

 

 

 

Alain René Lesage

 

Übersetzer und Vorwort: Levin Schücking

 

 

 

Verlag Heliakon

 

 

Umschlaggestaltung: Verlag Heliakon

Titelbild: Andrea di Bonaiuto (Cappellone degli Spagnoli)

 

Vertrieb: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

 

©2023 Verlag Heliakon

www.verlag-heliakon.de

[email protected]

 

Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verfassers unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Über-setzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

 

Vorwort

 

 

Lesage steht inmitten des Übergangs aus dem dogmatischen siebzehnten in das skeptische achtzehnte Jahrhundert; er ist der Sohn einer Zeit, in welcher die große Emanzipation der Ideen, die flüssige Strömung der modernen Gedanken beginnt, aber auch erst beginnt. Der Charakter und die Entwicklung seiner Epoche prägt sich deshalb mehr in seiner Form als in seinem Inhalt aus. Während jene die Anmut und die von Humor angehauchte Eleganz zeigt, welche nur die Freiheit und Klarheit des Denkens verleihen, tritt uns der Inhalt seiner Werke mit einer Kritik des Lebens entgegen, die noch weit entfernt ist von der ätzenden Schärfe der skeptischen Autoren, welche ihm folgten, und, wie z. B. Voltaire, so viel in seiner Schule lernten.

Deshalb ist Lesage immer der Liebling ruhiger und milder Weltbeobachter gewesen. Er zeichnet die Schwächen der Menschennatur desto wahrer und treffender, je weniger er sich dabei erhitzt, je mehr er zu jener Schule kühler Darsteller gehört, die wohl den Mut haben, der Welt die Wahrheit zu sagen, aber nicht die Absicht, sie zu strafen, oder den Glauben, sie bessern zu können.

Alain René Lesage wurde 1668 zu Sarseau geboren. Sarseau ist ein Dorf in der Nähe von Vannes, und in diese Stadt, zu den dortigen Jesuiten, wurde Lesage in die Schule geschickt. In Vannes erhielt er auch seine erste Anstellung, ein kleines Amt beim Steuerwesen. Dann zog er nach Paris – 1692 – und begann seine literarische Laufbahn mit Übersetzungen, z. B. der Liebesbriefe des griechischen Sophisten Aristänetus und der von Avellaneda verfassten misslungenen Fortsetzung des Don Quijote.

Damit und mit zahlreichen Bühnenversuchen waren für den jungen Mann keine Lorbeeren zu pflücken, aber das Studium der spanischen Sprache und Literatur hatte ihm ein neues, noch wenig bekanntes Gebiet aufgeschlossen. Er entnahm daraus zunächst die Stoffe zu seinen dramatischen Arbeiten, zu Lustspielen, Operntexten, Possen und dann, in der Zeit gereiftester Kraft, das Werk, welches ihn berühmt machen sollte, eine freie, überall mit Bezügen auf französische Zustände und Personen seiner Zeit durchwirkte Bearbeitung des Romans: „El Diabolo Cojuelo“ von Velez de Guevara – den „Hinkenden Teufel“.

Der „Hinkende Teufel“ hatte einen selten gesehenen Erfolg; die erste 1713 zu Paris erschienene Auflage wurde im Augenblick vergriffen, und zwei junge Hofleute kamen um das letzte Exemplar im Laden des Buchhändlers mit dem Degen aneinander … so sehr riss man sich um ein Buch, in welchem namentlich der französische Hof so treffend gezeichnet war.

Aus einem armen untergeordneten und wahrscheinlich in sehr kärglichen Verhältnissen lebenden Literator war Alain René Lesage jetzt mit einem Male ein berühmter Schriftsteller geworden. Die Wirkung der Anerkennung, des Ruhms, des Glücks aber war bei ihm die, welche sie bei edel organisierten Naturen immer ist. Sie hob seine Kraft, sie gab seinem Genius Schwingen, und dem „Diable boiteux“ folgte die umfangreichere, eigene Schöpfung, der Roman „Die Abenteuer des Gil Blas von Santillana“, eines der meist gelesenen Bücher, welche je geschrieben worden sind, eines der glänzendsten Gebilde der Dichtung, die das achtzehnte Jahrhundert hervorbrachte. Es erschien zu Paris 1715.

Es ist Gegenstand lebhafter und heftiger Erörterungen gewesen, ob Lesage den Gil Blas spanischen Quellen entlehnt, oder ob das Buch sein völliges Eigen sei. Jenes haben vorzugsweise spanische Literatoren, dieses französische verfochten. In der Hitze des Streites behauptete sogar ein Madrider Gelehrter von großem Ansehen, der Ordensgeistliche Isla, das Werk Lesages sei aus einem ungedruckten spanischen Manuskript gestohlen, und als unwiderleglichen Beweis übersetzte er den Gil Blas in die Sprache Kastiliens zurück unter dem echt spanischen und stolzen Titel: „Die Abenteuer des Gil Blas von Santillana, aus dem Spanischen gestohlen von Lesage, ihrem natürlichen Vaterlande und ihrer ursprünglichen Sprache zurückgegeben durch einen eifrigen Spanier, der nicht duldet, dass man sein Volk verunglimpfe.“

Wo aber das ungedruckte Original aufbewahrt werde, das hat Vater Isla nie anzugeben für gut gefunden; und eben so wenig hat ein Andrer ein spanisches Originalwerk beizubringen gewusst, dem Lesage für seinen Stoff oder einzelne Episoden seines Werkes verpflichtet wäre. Desto mehr Gestalten hat er dem Leben und der Zeitgeschichte Spaniens entlehnt, wie z. B. die bewundernswürdigen Schilderungen des Herzogs von Lerma und des Grafen von Olivares beweisen.

Der ganze Streit um die Echtheit des Gil Blas macht übrigens dem Verfasser die höchste Ehre. Es ist wohl noch nie vorgekommen, dass ein Gemälde fremder Sittenzustände einen solchen Charakter der Wahrheit erreichte, dass das fremde, das abgeschilderte Volk sich darauf steifte, ein heimisches Werk darin sehn zu wollen.

Auch ist so viel gewiss, dass die französische Literatur sehr Unrecht hätte, wenn sie alle und jede Verpflichtung gegen die spanische in Beziehung auf den Roman Lesages ableugnete. Schon Villemain hat dies bereitwillig anerkannt; er sagt in seinen geistreichen Vorlesungen über die französische Literatur des achtzehnten Jahrhunderts: „Unser Gil Blas ist nicht ein Plagiat, was auch der ehrwürdige Isla und neuerlich der gelehrte Llorente darüber behaupten; aber es unterliegt keinem Zweifel, dass Lesage jene heitere Laune voll Mutterwitz, jene Philosophie voll milden Ernstes und lustiger Bosheit, wie sie in Cervantes und Cuevedo glänzen und mehr oder weniger alle spanischen Moralisten und Erzähler auszeichnen, sich geschickt aus ihnen anzueignen gewusst habe. Mit dieser allgemeinen und freiesten Nachahmung aber verbindet Lesage den besten klassischen Geschmack; er ist, was die Form betrifft, der Schüler des Terenz und des Horaz.“

Noch ein dritter großer Erfolg bezeichnet das Autorleben Lesages. Es war die Aufnahme, welche sein Lustspiel „Turcaret“ fand, das eine Satire auf die Finanzpächter jener Zeit enthielt und, im Jahre 1718 zum ersten Male aufgeführt, mit dem ungemessensten Beifall gekrönt würde. Neben „Turcaret“ ist „Crispin rival de son maître“ als gelungenes Lustspiel zu nennen; was sonst von den Schriften Lesages noch hervorgehoben wird, der „Baccalaureus von Salamanca“, „die Abenteuer des Guzman von Alfarache,“ „Estevanilla,“ sind Bearbeitungen aus dem Spanischen, und zwar von Werken, welche die Bedingungen nicht in sich tragen, unter denen ein Werk der Fiktion, den Wandlungen des Zeitgeschmackes zum Trotz, seinen dauernden Werth behält.

Das äußere Leben Lesages verlief ohne große Ereignisse und scheint von stürmischen Leidenschaften nicht bewegt worden zu sein: er hatte zur Devise das Wort La Bruyères genommen: „Der Philosoph nutzt seine Geisteskräfte ab, die Laster und Lächerlichkeiten der Menschen zu erkennen“ (Le philosophe use ses esprits à démêler les vices et le ridicule des hommes). Seine letzten Jahre brachte er in Boulogne am Meer bei einem seiner Söhne zu, der dort eine geistliche Pfründe erlangt hatte. Sein zweiter Sohn war Komödiant geworden. Bis in sein hohes Alter hinein und trotz des Verlustes des Gehörsinnes behielt er seine Geistesklarheit und die heitere Laune bei, welche den Hauptreiz seiner Werte gebildet hatten. Er starb am 17. November 1747.

 

Levin Schücking

 

 

 

 

 

 

1. Was der hinkende Teufel für ein Teufel ist. Wo und durch welchen Zufall Don Cleophas Leandro Perez Zambullo seine Bekanntschaft machte

 

 

Eine Oktobernacht hüllte die berühmte Stadt Madrid in dichte Finsternis; schon hatte die Bevölkerung sich an den häuslichen Herd zurückgezogen und die Straßen den Verliebten freigelassen, die unter die Balkone ihrer Schönen von ihrem Glück oder ihren Schmerzen zu singen kamen; schon beunruhigte der Klang der Guitarren sorgliche Väter und erschreckte eifersüchtige Gatten; mit einem Wort, es war fast Mitternacht, als Don Cleophas Leandro Perez Zambullo, ein Student der hohen Schule von Alcala, zum Dachfenster eines Hauses hinaus floh, in das der ruchlose Sohn der Göttin von Cythere ihn gelockt hatte. Er suchte Ehre und Leben zu retten, indem er drei oder vier Raufbolden zu entwischen strebte, die ihm dicht auf den Fersen waren und ihn töten oder ihn zwingen wollten, eine Donna zu heiraten, bei der sie ihn eben überrascht hatten.

Wenn auch allein gegen sie, hatte er sich doch herzhaft zur Wehre gesetzt und nur die Flucht ergriffen, weil sie ihm im Kampfe seinen Degen entrissen hatten. Eine Zeit lang verfolgten sie ihn auf den Dächern, aber im Schutz der Dunkelheit entkam er ihnen. Er nahm nun seine Richtung auf ein Licht zu, welches er in der Ferne erblickte und das, so schwach es war, ihm als ein Leuchtturm auf seinem gefährlichen Wege diente. Nachdem er mehr als einmal Gefahr gelaufen, sich den Hals zu brechen, gelangte er an eine Dachkammer, aus der die Strahlen dieses Lichtes fielen, und er stieg durch das Fenster hinein, so froh wie ein Schiffer, der sein vom Schiffbruch bedrohtes Fahrzeug glücklich im Hafen sieht.

Zuerst blickte er nach allen Seiten um sich; er war erstaunt, niemanden in dieser Bodenstube zu finden, die ihm ziemlich wunderbar vorkam, und begann sie sehr genau zu betrachten. Von, der Decke hing eine kupferne Lampe nieder, Bücher und Papiere lagen wirr durcheinander auf dem Tische; hier waren ein Globus und Kompasse, dort Phiolen und mathematische Instrumente zu sehen – offenbar musste im unteren Stockwerk irgendein Astrologe hausen, der in diesem ungemütlichen Raum seine Beobachtungen machte.

Der Student dachte an die Gefahr, der sein guter Stern ihn hatte entkommen lassen, und überlegte sich, ob er bis zum Morgen hier verweilen oder einen andern Entschluss fassen solle – als er einen tiefen Seufzer neben sich ausstoßen hörte. Er glaubte im ersten Augenblick, dass es irgendeine Vorspiegelung seiner aufgeregten Sinne sei, eine Täuschung, wie sie die Nacht hervorruft; deshalb gab er sich bald, ohne weiter Gewicht darauf zu legen, wieder seinen Gedanken hin.

Da aber hörte er zum zweiten Mal seufzen und zweifelte nun nicht länger, dass er es mit etwas Wirklichem zu tun habe; und obwohl er niemand in der Kammer sah, rief er laut aus:

»Wer zum Teufel seufzt hier?«

»Ich, Herr Student«, antwortete im selben Augenblick eine höchst merkwürdige Stimme. »Ich stecke seit sechs Monaten in einer dieser zugestöpselten Phiolen. Es wohnt in diesem Haus ein gelehrter Astrologe, der ein Zauberer ist, und er ist es, der durch die Macht seiner Künste mich in diesem engen Gefängnis eingeschlossen hält.«

»Seid Ihr denn ein Geist?«, fragte Cleophas ziemlich betroffen über die Seltsamkeit dieses Abenteuers.

»Ich bin ein Dämon, antwortete die Stimme; und Ihr kommt just zur rechten Stunde, um mich aus der Sklaverei zu befreien. Ich gehe in der Untätigkeit zugrunde, denn ich bin der regsamste und emsigste Teufel der Hölle.«

Diese Worte setzten den Herrn Zambullo einigermaßen in Schrecken; aber da er ein verwegener Geselle war, so beruhigte, er sich und sagte dem Geist mit fester Stimme: »Erst, Herr Teufel, muss ich euch bitten, mir zu sagen, welchen Rang ihr unter euren Mitbrüdern einnehmt, ob ihr ein adliger oder bürgerlicher Teufel seid?«

»Ich bin ein Teufel von Wichtigkeit«, antwortete die Stimme, »und der, welcher von allen in dieser und in jener Welt den größten Ruf hat.

»Wärt ihr vielleicht«, entgegnete Don Cleophas, »der Dämon, den man Luzifer nennt?«

»Nein, versetzte der Geist, das ist der Teufel der Marktschreier und Windbeutel.«

»Seid Ihr Uriel?, fuhr der Student fort.«

»O Pfui, unterbrach ihn barsch die Stimme, das ist der Patron der Kaufleute, Schneider, Schlächter, Bäcker und der andern Spitzbuben aus dem Pöbel.«

»Ihr seid vielleicht Beelzebub?«, sagte Leandro.

»Wollt Ihr spotten?, antwortete der Geist, »das ist der Teufel der Düngen und Stallmeister.

»Das wundert mich«, sagte Zambullo; »ich glaubte, Beelzebub sei eine der vornehmsten Persönlichkeiten in eurer Gesellschaft.«

»Eine der untersten«, entgegnete der Teufel; »Ihr macht Euch verkehrte Vorstellungen von unsrer Hölle.«

»So müsst ihr wohl«, fuhr Don Cleophas fort, »Leviathan, Belphegor oder Astaroth sein!«

»Oh, was diese drei betrifft«, sagte die Stimme, »so sind sie allerdings Teufel vom ersten Rang; sie sind Hofteufel, sie kommen in die Beratungen der Fürsten, sie blasen den Ministern ein, sie bilden Verschwörungen, schüren Empörungen in den Staaten an und entzünden die Fackeln des Krieges. Das sind keine Duckmäuser wie die, welche ihr zuerst nanntet.

»Ach, seid so gut und sagt mir«, versetzte der Student, »was sind die Obliegenheiten Flagels?«

»Der ist die Seele der Chikane und der Geist der Rechtsgelehrten«, entgegnete der Dämon. »Er macht den Gerichtsvollziehern und Notaren die Protokolle. Er ist der Einbläser der Anwälte, reitet die Anwälte und sitzt den Richtern im Nacken.«

»Was mich angeht, ich habe andere Beschäftigungen; ich stifte lächerliche Heiraten; ich bringe Graubärte mit Backfischen zusammen, Herrn mit ihren Mägden; Mädchen ohne Ausstattung mit zärtlichen Liebhabern, die kein Vermögen haben. Ich bin es, der in die Welt den Luxus, die Ausschweifungen, die Glücksspiele und die Alchemie eingeführt hat. Ich bin der Erfinder der Karussells, des Tanzes, der Musik, der Theater und aller neuen französischen Moden: mit einem Wort, ich bin Asmodeus, zubenannt der hinkende Teufel.«

»Wie«, rief Don Cleophas aus, »wärt ihr der berufene Asmodeus, dessen so rühmlich im Agrippa und im Schlüssel Salomonis erwähnt wird? Ihr habt mir dann aber wahrhaftig nicht alles, womit ihr euch ergötzt, aufgezählt, das Beste habt ihr verschwiegen. Ich weiß, dass ihr euch zuweilen damit unterhaltet, den unglücklichen Liebenden beizustehen; zum Beweis erinnere ich euch daran, dass im vorigen Jahre einer meiner Freunde in Alcala, ein Bachelor, mit eurer Hilfe die Gunst der Frau eines Universitätslehrers gewann.«

»Das ist wahr«, sagte der Geist; »ich bewahrte mir das für den Schluss auf. Ich bin der Teufel der Wollust oder, um es sittsamer auszudrücken, der Gott Cupido; denn die Poeten haben mir diesen hübschen Namen gegeben und schildern mich mit sehr vorteilhaften Farben. Sie sagen, ich hätte vergoldete Schwingen, eine Binde um die Augen, einen Bogen in der Hand, einen Köcher voll Pfeile auf dem Rücken und dazu eine hinreißende Schönheit. Ihr werdet selbst sehen, was daran wahr ist, wenn ihr mich in Freiheit setzen wollt!«

»Señor Asmodeus«, entgegnete Leandro Perez, »ich stehe schon lange, wie Ihr wisst, vollständig in euren Diensten; der beste Beweis ist die Gefahr, der ich soeben entronnen bin. Ich bin sehr erfreut, die Gelegenheit zu finden, euch zu verpflichten; aber das Gefäß, in welchem ihr eingeschlossen seid, ist ohne Zweifel ein verzaubertes Gefäß; ich würde umsonst versuchen, es zu öffnen oder zu zerbrechen und deshalb ist mir nicht recht klar, auf welche Weise ich euch aus dem Gefängnis werde befreien können. Ich habe nicht viel Übung in dieser Art von Befreiungen; und unter uns, wenn ihr, der ihr ein so durchtriebener Teufel seid, euch nicht aus der Sache zu ziehen wisst, wie könnte ich armseliger Sterblicher damit zustande kommen?«

»Die Menschen haben diese Macht«, antwortete der Dämon. »Die Phiole, in welche ich eingesperrt bin, ist nichts als eine einfache, leicht zu zerbrechende Glasflasche. Ihr braucht sie nur zu nehmen und sie auf die Erde zu werfen – und sofort werdet ihr mich in menschlicher Gestalt dastehen sehen.«

»Auf diese Art«, sagte der Student, »ist die Sache leichter als ich dachte. Erklärt mir, in welcher Phiole ihr steckt; ich sehe eine ziemlich große Anzahl von ähnlichen und kann sie nicht unterscheiden.«

»Es ist die vierte in der Reihe vom Fenster her, versetzte der Geist. Obwohl der Abdruck eines magischen Siegels auf dem Stöpsel ist, wird die Flasche nichtsdestoweniger zerbrechen.

»Das reicht hin«, fiel Don Cleophas ein. »Ich bin bereit, euren Wunsch zu erfüllen; nur ein kleines Bedenken hält mich noch zurück; ich fürchte, wenn ich euch den verlangten Dienst erwiesen habe, werde ich für den Schaden zu Buche stehen müssen.«

»Es wird euch nicht das geringste Unheil zustoßen«, erwiderte der Teufel; »im Gegenteil, ihr werdet mit meiner Dankbarkeit zufrieden sein. Ich werde euch über alles belehren, was ihr zu wissen verlangt; ich werde euch alles, was in der Welt vorgeht, enthüllen; ich werde die Schwächen der Menschen vor euch aufdecken; ich werde euer Schutzgeist sein; und, erleuchteter als der Genius des Sokrates, werde ich euch noch weiser machen als dieser große Philosoph war. Mit einem Wort, ich ergebe mich euch mit meinen guten und schlimmen Eigenschaften, von denen die einen euch nicht weniger nützlich sein werden als die andern.«

»Das sind schöne Versprechungen«, entgegnete der Student; »aber ihr Herrn Teufel steht ein wenig in dem Ruf, nicht sehr gewissenhaft im Halten dessen zu sein, was ihr uns versprecht.«

»Diese Beschuldigung ist nicht ohne Grund«, erwiderte Asmodeus. »Die meisten von meinen Mitbrüdern machen sich kein Gewissen daraus, euch ihr Wort zu brechen. Aber was mich angeht, so bin ich, abgesehen davon, dass ich den Dienst, den ich von euch erwarte, nicht teuer genug bezahlen kann, der Sklave meiner Schwüre; und ich schwöre euch bei allem, was sie unverbrüchlich machen kann, dass ich euch nicht täuschen werde. Zählt auf die Versicherung, die ich euch gebe, und, was euch sehr angenehm sein wird, ich bin bereit, euch noch in dieser Nacht an Donna Thomasa zu rächen, der treulosen Dame, welche vier Raufbolde bei sich verborgen hatte, um euch zu überraschen und euch zur Heirat zu zwingen.

Der junge Zambullo wurde von diesem letzten Versprechen ganz besonders entzückt. Um die Erfüllung desselben zu beschleunigen, eilte er, die Phiole, worin der Geist war, zu ergreifen und ohne sich weiter um das, was daraus entstehen könne, zu kümmern, ließ er sie heftig fallen. Sie zerbrach in tausend Stücke und überschwemmte den Boden mit einer schwarzen Flüssigkeit, die nach und nach verdampfte und sich in einen Rauch verwandelte, der, sich plötzlich zerstreuend, den überraschten Studenten die Gestalt eines Mannes in einem Mantel, von der Höhe von ungefähr drittehalb Fuß und auf zwei Krücken gestützt, erblicken ließ. Das kleine hinkende Ungeheuer hatte Bockfüße, ein langes Gesicht mit spitzem Kinn, schwarzgelbem Teint und sehr platt gedrückter Nase; seine Augen schienen sehr klein, aber sie glühten wie zwei brennende Kohlen; sein weit aufgespaltener Mund hatte Lippen, die gar nicht zu beschreiben waren, und darüber einen roten, in zwei Haken auffrisierten Schnurrbart.

Dieser anmutige Cupido hatte eine Art Turban von rotem Krepp mit einem Busch von Hahnen- und Pfauenfedern daran um den Kopf gewickelt. Um den Hals trug er einen breiten Kragen von gelber Leinwand, auf welchem verschiedene Muster von Halsbändern und Ohrgehängen gezeichnet waren. Er war gekleidet in einen kurzen Rock von weißer Seide, in der Mitte gegürtet mit einem breiten Band von weißem Pergament, das ganz mit Zauberzeichen bemalt war. Auf dem Rock sah man mehrere, für die Büste sehr vorteilhaft auswattierte Schnürleiber, Schärpen, bunte Schürzen und neue Frisuren abgemalt, die einen noch abenteuerlicher als die anderen.

Dies alles aber war nichts im Vergleich zu seinem Mantel, dessen Grundstoff auch aus weißer Seide bestand. Darauf war eine Unzahl von Gestalten mit chinesischer Tusche gemalt, mit so großer Freiheit der Erfindung und solcher Derbheit der Auffassung, dass man wohl sah, dass der Teufel dabei den Pinsel geführt. Auf der einen Seite sah man eine in ihre Mantille gehüllte Spanierin, die mit einem jungen Fremden auf der Promenade kokettierte; auf der anderen eine Französin, die sich vor einem Spiegel ein neues Mienenspiel einstudierte, um seine Wirkung an einem jungen Abbé zu erproben, der am Türvorhang ihres Zimmers erschien, geschminkt und mit Schönpflästerchen geziert. Hier sah man italienische Kavaliere unter den Balkonen ihrer Schönen singen und Guitarre spielen; dort umgaben deutsche Wüstlinge, trunkener und tabakbesudelter als französische Pflastertreter, eine mit den Spuren ihres Zechgelages überschwemmte Tafel. Man erblickte an einer Stelle einen aus dem Bad steigenden Türken, umgeben von allen Frauen seines Serails, die sich beeiferten, ihm Dienste zu leisten; an einer anderen einen Engländer, der seiner Dame mit großer Galanterie eine Pfeife und Bier überreichte.

Man sah auch vortrefflich dargestellte Spieler; die einen füllten in großer Freude ihre Hüte mit Gold- und Silberstücken; die anderen, die nur noch auf ihr Ehrenwort spielten, schleuderten dem Himmel gotteslästerliche Blicke zu und zerrissen ihre Karten in heller Verzweiflung. Kurz, man sah auf diesem Mantel so viel merkwürdige Dinge, wie auf dem bewundernswürdigen Schilde, den auf die Bitten der Thetis Vulkan anfertigte; aber zwischen den beiden Arbeiten dieser zwei hinkenden Geister war der Unterschied, dass die Gestalten auf dem Schild durchaus keinen Bezug auf die Heldentaten des Achilles hatten, während die auf dem Mantel im Gegenteil ebenso viele lebenswahre Abbildungen von allem dem waren, was auf Betreiben des Asmodeus in der Welt geschieht. –

 

 

 

 

 

2. Weiteres von der Befreiung des Asmodeus

 

 

Der Dämon sah, dass sein Anblick den Studenten nicht zu seinen Gunsten einnahm und sagte lächelnd:

»Hier, Señor Don Cleophas Leandro Perez Zambullo, seht ihr den reizenden Liebesgott, den souveränen Beherrscher der Herzen vor euch. Wie scheint euch mein Aussehen und meine Schönheit? Sind die Dichter nicht ausgezeichnete Schilderer?«

»Offen gestanden«, antwortete Don Cleophas, »sie schmeicheln ein wenig. Ich darf voraussetzen, dass ihr nicht in dieser Gestalt Psychen erschient!«

»Das in der Tat nicht«, fiel der Teufel ein; »ich nahm die eines kleinen französischen Marquis an, um sie plötzlich in mich verliebt zu machen. Wenn das Laster keine angenehme Hülle annähme, würde es nicht anlocken. Ich schlüpfe nach Belieben in jede Gestalt und ich hätte mich euren Augen in einer schöneren und idealeren Form darstellen können; aber da ich mich euch ganz ergeben habe und euch nichts zu verhüllen beabsichtige, so habe ich gewollt, dass ihr mich in der Gestalt sähet, welche mit der Meinung, die man von mir und meinen Beschäftigungen hat, in Einklang steht.

»Ich bin nicht überrascht«, sagte Leandro, »dass ihr ein wenig hässlich seid … verzeiht mir den Ausdruck; der Verkehr, den wir zusammenhaben werden, fordert Offenheit. Aber eure Züge stimmen sehr wenig zu der Vorstellung, welche ich mir von euch machte; und ich bitte euch, erklärt mir, weshalb ihr denn hinkt?

»Das stammt«, antwortete der Teufel, »von einem Streit her, den ich einst in Frankreich mit Pillardoc, dem Teufel des Eigennutzes, hatte. Es handelte sich darum, wer von uns beiden einen jungen, aus der Provinz Maine nach Paris gekommenen und da sein Glück suchenden Menschen besitzen sollte. Da es ein ausgezeichnetes Subjekt, ein Bursche von großen Talenten war, so gerieten wir in heftigen Zank seinetwegen. Wir schlugen uns in der mittleren Luftregion. Pillardoc war der stärkere und warf mich auf die Erde nieder in derselben Weise, wie einst Jupiter nach der Poeten Behauptung den Vulkan zur Erde niederschleuderte.

Die Ähnlichkeit dieser Geschichten war die Ursache, dass meine Genossen mich den hinkenden Teufel nannten. Sie gaben mir diesen Beinamen, um mich zu verhöhnen, und seitdem ist er mir geblieben. Übrigens bin ich trotz dieses Fehlers flink genug auf den Beinen. Ihr werdet schon Zeuge meiner Behändigkeit werden.

Aber, fuhr er fort, beenden wir dieses Geplauder. Machen wir, dass wir aus dieser Bude fortkommen; der Zauberer wird bald heraufgestiegen kommen, um an der Unsterblichkeit einer schönen Sylphide zu arbeiten, die ihn jede Nacht hier besucht. Wenn er uns überraschte, würde er, ohne viel Umstände zu machen, mich wieder in die Flasche stecken, und wäre imstande, euch ebenso unterzubringen. Werfen wir vorher die Trümmer der zerbrochenen Phiole durchs Fenster, damit der Hexenmeister meine Befreiung nicht gewahr werde.«

»Wenn er sie nach unserer Entfernung bemerkte«, sagte Zambullo, »was würde dann die Folge sein?«

»Was die Folge sein würde?«, antwortete der Hinkende, »man sieht wohl, dass Ihr das Buch vom Höllenzwang nicht gelesen! Wenn ich mich auch bis zu den Enden der Welt oder der Region, welche die Salamander in Flammen bewohnen, flüchtete, um mich zu verbergen; wenn ich niederstiege zu den Gnomen oder in die tiefsten Abgründe des Meeres, so würde ich da vor seiner Rache nicht geschützt sein. Er würde Beschwörungen anstellen, so stark, dass die ganze Hölle davon erbebte. Ich möchte ihm noch so hartnäckig widerstreben, ich müsste vor ihm erscheinen, um die Strafe über mich ergehen zu lassen, die er mir auferlegen würde.

»Wenn das ist«, nahm der Student das Wort, »dann, fürchte ich, wird unsere Verbindung nicht von langer Dauer sein. Dieser fürchterliche Schwarzkünstler wird eure Flucht bald entdecken.«

»Das kann ich nicht wissen, versetzte der Geist, weil uns unbekannt ist, was sich ereignen wird.«

»Wie«, rief Leandro Perez aus, »die Dämonen blicken nicht in die Zukunft?«

»Nein, entgegnete der Teufel; diejenigen, welche sich in dieser Beziehung auf uns verlassen, sind große Narren. Darum auch bringen die Wahrsager und Wahrsagerinnen so viel Dummheiten vor und lassen so viele von den vornehmen Damen begehen, die von ihnen Aufschluss über zukünftige Ereignisse verlangen. Ich weiß also nicht, ob der Zauberer meine Entfernung bald bemerken wird; aber ich hoffe, dass er es nicht tun wird. Es sind mehrere solcher Phiolen wie die, worin ich eingesperrt war, da; es wird ihm nicht auffallen, dass diese fehlt. Zudem kann ich Euch sagen, dass ich in seinem Laboratorium bin wie ein Rechtsbuch in der Bibliothek eines Wucherers; er denkt nicht an mich; und wenn er an mich dächte – er erweist mir nie die Ehre, sich mit mir zu unterhalten; er ist der stolzeste Hexenmeister, den ich kenne. Seit der Zeit, dass er mich eingeschlossen hielt, hat er sich nicht ein einziges Mal herabgelassen, das Wort an mich zu richten.«

»Welch ein Mann!«, sagte Don Cleophas. »Was habt ihr denn getan, euch seinen Hass zuzuziehen?«

»Ich habe einen von seinen Plänen durchkreuzt«, antwortete Asmodeus. »Es war eine Stelle in einer gewissen Akademie erledigt; er verlangte sie für einen seiner Freunde; ich wollte sie einem Anderen erteilen lassen; der Zauberer machte einen Talisman, zusammengesetzt aus den mächtigsten Charakteren der Kabbala; ich dagegen brachte meinen Mann in den Dienst eines großen Ministers, dessen Name den Sieg davon trug über den Talisman.

Nachdem er so geredet, raffte der Dämon alle Stücke der zerbrochenen Phiole zusammen und warf sie durchs Fenster.

»Señor Zambullo«, sagte er dann zu dem Studenten, »machen wir uns jetzt so bald wie möglich aus dem Staub; nehmt den Zipfel meines Mantels und fürchtet nichts.«

So gefährlich dieser Vorschlag dem Don Cleophas auch erschien, so zog er doch vor, ihn anzunehmen, als der Rache des Zauberers ausgesetzt zu bleiben; er klammerte sich so gut er konnte an den Teufel an, der ihn im Augenblick hinwegführte.

 

 

 

 

 

3. An welchen Ort der hinkende Teufel den Studenten versetzte und von den ersten Gegenständen, die er ihn erblicken ließ

 

 

Asmodeus hatte nicht ohne Grund seine Behändigkeit gerühmt. Er durchschnitt die Luft wie ein von kräftiger Sehne geschleuderter Pfeil und dann ließ er sich nieder auf dem Turm von San Salvador. Sobald er Fuß gefasst, sagte er seinem Begleiter: »Nun, Señor Leandro, wenn man von einem hart stoßenden Wagen sagt, das sei ein Teufelswagen, drückt man sich dann nicht außerordentlich falsch aus?«

»Das habe ich soeben erfahren«, antwortete Zambullo höflich. »Ich kann versichern, dass euer Gefährt bequemer als eine Sänfte ist und dabei so schnell, dass man nicht Zeit hat, sich auf dem Weg zu langweilen.«

»Ihr wisst nicht«, fuhr der Dämon fort, »weshalb ich Euch hierher bringe; ich beabsichtige, euch alles zu zeigen, was in Madrid vorgeht; und da ich bei diesem Viertel hier beginnen will, so konnte ich keinen Ort wählen, der zur Ausführung meiner Absicht geeigneter wäre. Ich werde durch meine teuflische Kraft die Dächer von den Häusern fortnehmen und trotz der Finsternis der Nacht wird das Innere vor euren Blicken offen daliegen.« Bei diesen Worten streckte er einfach nur den rechten Arm aus, und im Augenblick verschwanden alle Dächer. Nun sah der Student, wie an hellem Mittag, das Innere der Häuser, ganz so, sagt Luis Velez de Guevara, wie man das Innere einer Pastete sieht, von der man die obere Kruste genommen hat.

Der Anblick war zu neu für ihn, um nicht seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch zu nehmen. Er ließ seine Blicke nach allen Seiten schweifen, und die bunte Mannigfaltigkeit der Gegenstände, die ihn umgaben, beschäftigte lange Zeit seine Neugier.

»Señor Don Cleophas«, sagte der Teufel zu ihm, »dieser Wirrwarr von Dingen, den Ihr mit Vergnügen betrachtet, ist in der Tat sehr unterhaltend anzusehen; aber dies ist nur ein unersprießlicher Zeitvertreib. Es ist nötig, dass ich euch denselben nützlich mache; und um euch eine vollkommene Kenntnis des menschlichen Lebens zu geben, will ich euch das Tun und Treiben aller der Menschen, die ihr seht, erklären. Ich will euch die Beweggründe ihrer Handlungen enthüllen und bis zu ihren geheimsten Gedanken euch offen legen.

Wo sollen wir beginnen? Fassen wir zuerst in jenem Hause dort rechts diesen Alten ins Auge, der Gold und Silber zählt. Es ist ein Geizhals aus dem Bürgerstande. Seine Kutsche, die er für fast nichts aus dem Nachlass eines Hofmanns erhalten hat, wird von zwei jämmerlichen Maultieren gezogen, welche er in seinem Stall nach dem Gesetz der zwölf Tafeln füttert, das heißt, er gibt jedem täglich ein Pfund Gerste; er behandelt sie wie die Römer ihre Sklaven behandelten. Vor zwei Jahren ist er aus Indien zurückgekommen, beladen mit einer Menge Gold- und Silberbarren, die er in klingende Münze hat verwandeln lassen. Bewundert diesen alten Narren; mit welcher Glückseligkeit weiden sich seine Augen an seinen Reichtümern! Er kann sich gar nicht sattsehen! Aber gebt zu gleicher Zeit Acht auf das, was in einem kleinen Saal desselben Hauses vorgeht. Bemerkt ihr zwei junge Bursche und eine alte Frau darin?«

»Ja«, antwortete Cleophas, »es sind wahrscheinlich seine Kinder!«

»Nein«, entgegnete der Teufel; »es sind seine Neffen, die ihn beerben werden und die in ihrer Ungeduld, seines Nachlasses habhaft zu werden, heimlich eine Wahrsagerin haben kommen lassen, um von ihr zu erfahren, wann er sterben werde! Ich erblicke in dem benachbarten Haus zwei Schauspiele, die ergötzlich genug sind. Das eine bildet eine alte Kokette, die sich zu Bett legt, nachdem sie ihr Haar, ihre Brauen und ihre Zähne auf dem Nachttisch gelassen; das andere ein sechzigjähriger Galan, der heimkommt, nachdem er den Verliebten gemacht. Er hat sein Auge und seinen falschen Schnurrbart samt der Perrücke, die den kahlen Schädel deckte, schon abgelegt und wartet, dass sein Diener ihm seinen hölzernen Arm und sein Bein abnehme; mit dem Rest will er zu Bette gehn.«

»Wenn meine Augen mich nicht trügen«, sagte Zambullo, »so sehe ich in diesem Haus ein hochgewachsenes junges Mädchen, das zum Malen ist. Welch ein reizendes Gesicht!«

»O«, sagte der Hinkende, »diese junge Schönheit, die euch so auffällt, ist die ältere Schwester des Galans, der sich zu Bett begeben will. Man kann sagen, dass sie das Gegenstück zu der alten Kokette sei, die mit ihr in einem Haus wohnt. Die Taille, die ihr an ihr bewundert, ist eine Maschine, die den Scharfsinn eines Mechanikers erschöpft hat. Ihre Brüste und ihre Hüften sind künstlich und es ist nicht lange her, dass sie in der Kirche während der Predigt ihre Aufpolsterungen fallen ließ. Trotz allem dem weiß sie sich das Ansehen einer Minderjährigen zu geben und zwei junge Kavaliere wetteifern um ihre Gunst. Sie sind sich darüber schon in die Haare geraten. Die Wahnsinnigen! Sie kommen mir vor wie zwei Hunde, die sich um einen Knochen zanken.

Jetzt aber lacht mit mir über das Konzert, das man ziemlich nahe dabei in einem Bürgerhaus zum Ende eines Familienmahls aufführt. Man singt Cantaten. Ein alter Rechtsgelehrter hat sie in Musik gesetzt und die Worte sind von einem Alguacil (Gerichtsdiener), der den Angenehmen spielt, einem Gecken, der zu seinem Vergnügen und zur Marter anderer Leute Verse macht. Eine Sackpfeife und ein Spinett bilden das Orchester. Ein Mensch wie eine Hopfenstange mit heller Stimme macht den Tenor, und ein junges Mädchen, das eine sehr dumpfe Stimme hat, vertritt den Bass.«

»Welche komische Szene!«, rief Don Cleophas lachend; »wenn man geflissentlich ein Konzert als Posse aufführen wollte, würde man kein so gutes zustande bringen.

»Werft die Augen auf dies prächtige Hotel«, fuhr der Dämon fort; »Ihr seht darin einen Herrn, der sich in einem glänzenden Apartment zu Bett gelegt hat. Neben ihm steht ein Kistchen, das mit Billets-Doux (Liebesbrief) gefüllt ist. Er liest sie, um sich auf eine wollüstige Art einzuschläfern, denn sie sind von einer Dame, welche er anbetet und die ihn so großen Aufwand machen lässt, dass er bald gezwungen sein wird, sich um eine Vizekönigstelle zu bewerben.«

Wenn in diesem Hotel alles zur Ruhe und still ist, so lässt man es dagegen in dem Nachbarhause zur Linken an Bewegung nicht fehlen. Unterscheidet ihr darin eine Gestalt in einem Bett von rotem Damast? Es ist eine vornehme Dame, Donna Fabula, die soeben nach der Hebamme geschickt hat und im Begriff ist, dem alten Don Torribio, ihrem Gemahl, den ihr neben ihr seht, einen Erben zu schenken. Seid ihr nicht entzückt über die Gutmütigkeit dieses Gatten? Das Schreien seiner teuren Hälfte zerschneidet ihm die Seele; er ist in Schmerz aufgelöst, er leidet eben so viel wie sie. Mit welcher Sorge und welchem Eifer müht er sich, ihr beizustehn!«

»In der Tat«, sagte Leandro, »der Mann ist in gewaltiger Aufregung, aber ich erblicke einen anderen in demselben Haus, der in tiefem Schlummer zu liegen scheint, sehr unbekümmert um den Ausgang der Geschichte!«

»Und doch müsste ihn die Sache interessieren«, nahm der Hinkende wieder das Wort, »denn es ist ein Lakai, der an den Schmerzen seiner Gebieterin allein die Schuld trägt. Blickt ein wenig weiter hinaus«, fuhr er fort, »und seht in einem niederen Saal den Heuchler, der sich mit Wagenschmiere einsalbt, um zu einer Versammlung von Zauberern zu eilen, welche diese Nacht zwischen San Sebastian und Fuentarabia gehalten wird. Ich würde euch auf der Stelle hintragen, um euch einen angenehmen Zeitvertreib zu gewähren, wenn ich nicht fürchtete, von dem Teufel erkannt zu werden, der bei dieser Feierlichkeit den Bock macht.« –

»Seid ihr denn keine guten Freunde, ihr Beide, dieser Teufel und ihr?«

»Wahrhaftig nicht«, entgegnete Asmodeus; »es ist derselbe Pillardoc, von dem ich euch erzählt habe. Der Schuft würde mich verraten, er würde nicht unterlassen, den Zauberer von meiner Flucht zu unterrichten.«

»Habt ihr vielleicht noch einen Zank mit diesem Pillardoc gehabt?«

»Ihr habt es gesagt, erwiderte der Dämon; vor zwei Jahren bekamen wir aufs neue Händel wegen einer jungen Pariser Pflanze, eines Bürschleins, das sich einen Wirkungskreis suchte. Wir gedachten beide die Hand darauf zu legen; er beabsichtigte, einen Kontorist daraus zu machen, ich einen Menschen, der bei Weibern sein Glück sucht; unsere Kameraden machten einen schlechten Mönch daraus, um dem Streit ein Ende zu setzen. Und dann versöhnte man uns; wir umarmten uns – und seit dieser Zeit sind wir Todfeinde!«

»So lassen wir diese schöne Versammlung«, sagte Don Cleophas; »ich begehre durchaus nicht, ihr beizuwohnen; fahren wir lieber fort, das, was sich unserem Blick darbietet, zu betrachten. Was bedeuten die Feuerfunken, die aus jenem Keller hervorsprühen?«

»Es ist eine der verrücktesten Beschäftigungen der Menschen«, antwortete der Teufel. »Der Mann, der in diesem Keller neben dem glühenden Ofen steht, ist ein Goldkoch; das Feuer verzehrt nach und nach sein reiches Erbe, und er wird doch nie finden, was er sucht. Unter uns, der Stein der Weisen ist nichts als ein verlockendes Hirngespinst, das ich selbst ausgedacht habe, um den menschlichen Geist, der die ihm einmal vorgeschriebenen Schranken überschreiten will, zu verhöhnen. Der Goldkoch hat zum Nachbar einen guten Apotheker, der sich noch nicht zur Ruhe gelegt hat. Ihr seht, wie er mit seinem alten Weib und seinem Lehrling in seiner Bude arbeitet. Wisst ihr, was sie machen? Der Mann setzt eine Nachkommenschaft erweckende Pille für einen alten Anwalt, der morgen heiraten will, zusammen. Der Lehrling bereitet eine abführende Kräutertee, und die Frau stößt in einem Mörser Drogen, die das Gegenteil bewirken.

»Ich erblicke in dem Haus, welches dem des Apothekers gegenüberliegt«, sagte Zambullo, »einen Mann, der sich erhebt und sich hastig ankleidet.«

»Pest«, antwortete der Geist, »das ist ein Arzt, den man wegen eines höchst wichtigen Falles beruft. Man hat nach ihm geschickt, um eines Prälaten willen, der seit einer Stunde, dass er zu Bett liegt, zwei oder drei Mal gehustet hat. Werft eure Blicke darüber hinaus, nach rechts, und sucht in einer Dachkammer einen Mann zu entdecken, der im Hemd, beim düsteren Licht einer Lampe, auf und ab schreitet.«

»Ich sehe ihn«, rief der Student »– so gut, dass ich das Inventar der Möbeln, die in diesem armseligen Gelass sind, machen könnte – es ist nichts da, als ein schlechtes Bett, ein Sessel und ein Tisch, und die Wände scheinen mir ganz mit Schwarz beschmiert.«

»Der Mann, der in solcher Höhe wohnt, ist ein Poet«, antwortete Asmodeus, »und was euch schwarz vorkommt, sind tragische Verse seiner Fabrik, womit er seine Kammer tapeziert hat, da er aus Mangel an Papier gezwungen ist, seine Gedichte auf die Wände zu schreiben.

»Nach dem Sturm und der Aufregung, in der er auf- und abläuft«, sagte Don Cleophas, »schließe ich, dass er ein wichtiges Werk komponiert.«

»Ihr habt mit dieser Vermutung nicht Unrecht«, antwortete der Hinkende; »er legte gestern die letzte Hand an eine Tragödie, betitelt: „Die Sündflut.“ Man wird ihm nicht vorwerfen können, dass er dabei die Einheit des Orts nicht beachtet habe, denn die ganze Handlung geht in der Arche Noah vor. Ich versichere euch, dass es ein ausgezeichnetes Stück ist; alle Tiere sprechen darin wie Professoren. Er hat die Absicht, es einem großen Herrn zu widmen; seit sechs Stunden arbeitet er an der Widmungszuschrift; in diesem Augenblick ist er bei der letzten Phrase angekommen; man kann sagen, dass es ein Meisterwerk ist, diese Widmung; aller moralischen und politischen Tugenden Preis, alle Lobeserhebungen, welche man einem durch seine und seiner Ahnen Taten berühmten Manne erteilen kann, sind darin verschwendet; niemals hat ein Autor kühner Weihrauch gespendet.«

»Wem beabsichtigt er denn, ein so großes Lob darzubringen?«, nahm der Student wieder das Wort.

»Das weiß er noch nicht«, erwiderte der Teufel; »für den Namen hat er die Stelle offen gelassen. Er sucht irgendeinen reichen Herrn, der freigebiger ist, als diejenigen, denen er schon andere Bücher gewidmet hat; aber die Leute, welche Widmungsepisteln bezahlen, sind heutzutage selten; es ist ein Fehler, den die großen Herren sich abgewöhnt haben, und dadurch haben sie einen großen Dienst dem Publikum geleistet, das mit jämmerlichen Geistesprodukten überschüttet wurde; denn die meisten Bücher wurden früher um dessentwillen gemacht, was die Widmung einbrachte. Bei Gelegenheit der Widmungsepisteln«, fügte der Dämon hinzu, »muss ich euch übrigens einen seltsamen Zug mitteilen. Eine Dame vom Hof, welche die Widmung eines Werkes verstattet hatte, wollte die Zuschrift vor dem Druck lesen, und da sie fand, dass sie nicht genug und so wie sie es verlangte, darin gelobt war, so gab sie sich die Mühe, selber eine nach ihrem Geschmack zu schreiben und sie dem Verfasser zu schicken, damit er sie seinem Buch vorsetze.«

»Es scheint mir«, rief Leandro aus, »ich sehe Diebe, die über einen Balkon in ein Haus einsteigen.«

»Ihr täuscht Euch nicht«, erwiederte Asmodeus, »es sind Nachtdiebe. Sie brechen bei einem Bankier ein; halten wir sie im Auge und sehen, was sie machen. Sie durchsuchen das Comptoir, sie stöbern überall umher; aber der Bankier ist ihnen zuvorgekommen; er ist gestern mit allem, was er an Baren in seinen Kisten hatte, nach Holland abgereist.«

»Verfolgen wir«, sagte Zambullo, »einen anderen Räuber, der auf einer seidenen Strickleiter zu einem Balkon emporsteigt!«

»Der da ist nicht, was Ihr voraussetzt«, antwortete der Hinkende; »es ist ein Marquis, der auf diesem Weg in das Zimmer einer Jungfrau zu kommen versucht, die aufhören will, es zu sein. Er hat ihr sehr leichthin geschworen, dass er sie heiraten werde und sie hat sich natürlich auf seine Eide hin ergeben, denn im Liebeshandel sind die Marquis Geschäftsleute, die einen großen Kredit am Platz haben.«

»Ich bin neugierig«, fuhr der Student fort, »zu erfahren, was ein Mensch macht, den ich in der Nachtmütze und im Schlafrock sehe. Er ist sehr fleißig am Schreiben und neben sich hat er eine kleine schwarze Figur, die ihm beim Schreiben die Hand führt.«

»Der Mann, der schreibt«, antwortete der Teufel, »ist ein Gerichtsschreiber, der, um sich einen sehr erkenntlichen Vormünder zu verpflichten, ein zugunsten eines Minderjährigen ergangenes Urteil verändert; und die kleine schwarze Gestalt, die ihm die Hand führt, ist Griffael, der Teufel der Gerichtsschreiber.«

»Dieser Griffael«, erwiderte Don Cleophas, »bekleidet also die Stelle nur provisorisch; da Flagel der böse Geist der Gerichtsleute ist, so müssen auch die Gerichtsschreiber, scheint mir, zu seinem Sprengel gehören.«

»Nein«, entgegnete Asmodeus, »die Gerichtsschreiber sind für würdig gehalten worden, ihren besonderen Teufel zu haben, und ich schwöre Euch, dass er überflüssig zu tun hat. Beachtet in einem Bürgerhaus neben dem des Gerichtsschreibers eine junge Dame, die den ersten Stock bewohnt. Es ist eine Witwe, und der Mann, den ihr bei ihr seht, ist ihr Oheim, der im zweiten Stock wohnt. Bewundert die keusche Verschämtheit dieser Witwe … sie will ihr Nachthemd nicht in Gegenwart ihres Oheims anlegen, sie geht dazu in ein Kabinett, um es sich von einem Liebhaber anlegen zu lassen, den sie dort versteckt hält. Bei dem Gerichtsschreiber wohnt ein ihm verwandter dicker hinkender Junggeselle, der nicht seines Gleichen als Spaßmacher hat. Der von Cicero wegen seiner Schlagwörter und seines feinen Witzes so gepriesene Voluminös war kein so witziger Kopf. Man nennt ihn in ganz Madrid den Bachelor par excellence, und alle Leute vom Hof oder in der Stadt, welche Diners geben, angeln nach Señor Donoso um die Wette. Er hat ein ganz besonderes Talent, die Gäste zu ergötzen; er macht das Entzücken einer Tafelrunde aus; auch speist er täglich in irgendeinem guten Hause, aus dem er nicht vor zwei Uhr nach Mitternacht heimzukehren pflegt. Er isst heute bei dem Marquis von Alcazinas, zu dem er jedoch nur durch den Zufall geraten.«

»Wie so, durch den Zufall?«, unterbrach Leandro.

»Ich will mich deutlicher erklären, entgegnete der Teufel. Heute, gegen die Mittagsstunde, hielten fünf oder sechs Kutschen vor der Tür des Bachelor, die ihn zu verschiedenen großen Herrn abholen sollten. Er hat ihre Lakaien in seine Wohnung heraufkommen lassen und hat ihnen, indem er ein Spiel Karten nahm, gesagt: Meine Freunde, da ich eure Herrschaften nicht alle zugleich befriedigen kann, und da ich einen nicht vor dem anderen begünstigen will, so sollen diese Karten darüber entscheiden. Ich werde speisen gehen zum Treffkönig! …«

»Welche Absicht mag auf der anderen Seite der Straße jener Kavalier haben«, fiel Don Cleophas ein, »der auf der Schwelle eines Tores sitzt? Harrt er, bis eine Zofe kommt, um ihn ins Haus einzuführen?«

»Nein, nein«, versetzte Asmodeus, »es ist ein junger Kastilianer, der den vollkommenen Liebhaber vorstellen will; er will aus lauter Galanterie nach dem Beispiel der Liebhaber der Vorzeit die Nacht an der Tür seiner Geliebten zubringen. Von Zeit zu Zeit klimpert er auf einer Guitarre und singt Romanzen eigner Fabrik dazu; seine Donna aber, die in dem zweiten Stockwerk zu Bett liegt, hört ihm zu und weint über die Abwesenheit seines Nebenbuhlers.

Kommen wir zu diesem neuen Gebäude da, das zwei gesonderte Wohnungen enthält; die eine hat der Eigentümer inne, jener alte Kavalier, der bald in seinem Gemache auf- und abgeht, und sich bald in einen Lehnstuhl fallen lässt.«

»Er muss«, sagte Zambullo, »in seinem Kopf irgendeinen großen Plan herumwälzen. Wer ist dieser Mann? Wenn man sich an den Reichtum hält, der in seinen Wohnräumen glänzt, so muss es ein Grande erster Klasse sein.«

»Und doch ist er nur ein Buchhalter«, antwortete der Teufel. »Er ist in einträglichen Ämtern ergraut und besitzt ein Vermögen von vier Millionen. Da er nicht ohne Unruhe wegen der Mittel ist, mit denen er es zusammengescharrt hat, und den Augenblick vor sich sieht, wo er in der andern Welt seine Rechnung ablegen muss, so ist er fromm geworden; er gedenkt ein Kloster zu bauen; er schmeichelt sich mit der Hoffnung, nach solch einem guten Werke werde er sein Gewissen beruhigt fühlen. Die Erlaubnis, ein Kloster zu stiften, hat er bereits erhalten; aber er will keine andern Mönche darin aufnehmen als solche, die zugleich sittenrein, nüchtern und von der äußersten Demut sind, – und ist in großer Verlegenheit, sie zu finden!

Die zweite Wohnung beherbergt eine schöne Dame, die sich eben in Milch gebadet und dann zu Bett gelegt hat. Dieses üppige Geschöpf ist Witwe eines Ritters von San Jago, der ihr als Vermögen nichts weiter denn einen stattlichen Namen hinterlassen hat; glücklicherweise hat sie zu Freunden zwei Mitglieder des hohen Raths von Kastilien, auf deren gemeinschaftliche Kosten der Aufwand ihres Hauses bestritten wird.

»Hört doch, hört«, rief der Student, »ich vernehme Schreie und Jammerrufe, die durch die Nachtluft schallen; hat sich denn irgendein Unglück ereignet?«

»Ich will euch sagen, was es ist«, antwortete der Geist; »zwei junge Kavaliere spielten zusammen Karten in jener Spelunke, worin ihr so viele Lampen und entzündete Kerzen seht. Sie haben sich dabei über einen Stich erhitzt, haben die Degen zur Hand genommen und sich alle Beide tödlich verwundet; der ältere ist verheiratet und der jüngere einziger Sohn; sie sind im Begriff, den Geist aufzugeben. Die Frau des einen und der Vater des anderen sind, von dem Unglück unterrichtet, eben herbeigekommen; sie erfüllen mit ihren Wehrufen die ganze Nachbarschaft. Unglückseliges Kind ruft der Vater aus, wie oft habe ich dich ermahnt, das Spiel aufzugeben; wie oft habe ich dir vorausgesagt, dass es dir das Leben kosten würde! Ich bin nicht schuld daran, dass du so elendiglich umkommst! Die Frau ihrerseits gibt sich der Verzweiflung hin. Obwohl ihr Mann im Spiel alles, was sie ihm zugebracht, verloren hat, obwohl er alle Schmucksachen, die sie besaß und sogar ihre Kleider verkauft hat, ist sie untröstlich über ihren Verlust; sie flucht den Karten, die Schuld daran sind, sie flucht dem, der sie erfunden, sie flucht der Spielhölle und allen, die sie bewohnen.«

»Ich bedaure herzlich die Menschen, welche von der Spielwut besessen sind«, sagte Don Cleophas; »sie geraten oft in furchtbare Gemütsstimmungen. Dank dem Himmel, ich habe nichts von diesem Laster an mir.«

»Ihr habt ein anderes, das nicht besser ist«, entgegnete der Dämon. »Ist es nach eurem Dafürhalten gescheuter, Kurtisanen zu lieben? Und seid ihr nicht noch heute Abend Gefahr gelaufen, von Raufbolden getötet zu werden? Ich bewundere die Herrn Menschen – ihre eigenen Fehler scheinen ihnen Kleinigkeiten, während sie die anderer mit dem Vergrößerungsglas ansehen.

Ich muss fortfahren, sprach er weiter, euch traurige Bilder zu zeigen. Sehet in einem Haus, zwei Schritt von dem Spielhaus, den dicken Mann, der auf einem Bett ausgestreckt liegt; es ist ein unglücklicher Kanonikus, den eben der Schlag getroffen hat. Sein Neffe und seine Großnichte denken nicht daran, ihm zu Hilfe zu kommen, sie lassen ihn sterben und bemächtigen sich seiner besten Habe, die sie zu Hehlern bringen werden – nachher werden sie Zeit und Muße haben, zu weinen und zu klagen.

Bemerkt Ihr nahe dabei das Begräbnis von zwei Männern? Es sind zwei Brüder, die an derselben Krankheit litten; aber sie behandelten sich auf verschiedene Weise; der eine setzte blindes Vertrauen auf seinen Arzt, der andere wollte die Natur wirken lassen; gestorben sind sie alle Beide, der eine, weil er die Mixturen seines Doktors einnahm, der andere, weil er nichts einnahm.«

»Das ist sehr beunruhigend«, sagte Leandro. »Was soll denn nun ein armer Kranker machen?«

»Das weiß ich euch nicht zu sagen«, versetzte der Teufel; »ich weiß wohl, dass es gute Mittel gibt, aber nicht, ob auch gute Ärzte! Suchen wir ein anderes Schauspiel auf«, fuhr er dann fort; »ich habe euch ergötzlichere zu zeigen. Hört ihr in der Straße die Katzenmusik? Eine Frau von sechzig Jahren hat heute Morgen einen Kavalier von siebzehn geheiratet. Alle Spottvögel im ganzen Viertel haben sich zusammengerottet, um ihre Hochzeit mit einem lauten Konzert von Kesseln, Ofenstücken und Becken zu feiern.«

»Ihr habt mir gesagt«, unterbrach ihn der Student, »dass ihr es wärt, der die lächerlichen Ehen machte; doch habt ihr an dieser da keinen Teil.«

»In der Tat nicht«, antwortete der Hinkende; »ich konnte nichts damit zu schaffen haben, denn ich war nicht frei; aber wenn ich es gewesen wäre, so hätte ich mich doch nicht hineingemischt. Diese Frau ist fromm; sie hat sich nur wieder verheiratet, um ohne Reue Genüsse haben zu können, wie sie sie liebt. Ich befördere solche Verbindungen nicht; mir liegt viel mehr daran, die Gewissen in Unruhe zu bringen, als sie zu beruhigen.

»Trotz des Lärms dieser tollen Serenade«, sagte Zambullo, »dringt, scheint mir, ein anderer an mein Ohr.«

»Der, den Ihr ungeachtet der Katzenmusik vernehmt, antwortete der Hinkende, dringt aus einer Schenke, wo ein dicker flämischer Hauptmann, ein französischer Sänger und ein Offizier der deutschen Garde ein Trio singen. Sie sind bei Tisch seit acht Uhr diesen Morgen, und jeder bildet sich ein, die Ehre seiner Nation hänge davon ab, dass er die beiden anderen betrunken mache. Lenkt eure Blicke auf jenes einsame Haus gegenüber dem des Kanonikus; Ihr werdet drei berühmte Galizierinnen in einer Schwelgerei mit drei Herren vom Hof sehen.«

»Ach, wie reizend ich sie finde«, rief Don Cleophas; »ich wundere mich nicht, wenn die vornehmen Herrn hinter ihnen drein sind. Wie sie zärtlich gegen ihre Anbeter sind! Sie müssen gewaltig in sie verliebt sein.«

»Wie grün seid Ihr!« erwiderte der Geist. »Ihr kennt diese Art Damen schlecht! Ihr Herz ist noch geschminkter als ihr Gesicht. Welche Liebkosungen sie auch aufwenden, sie haben nicht das geringste Gefühl von Neigung für diese Herrn; sie schmeicheln dem einen, um seine Protektion zu haben und den anderen Beiden, um ihnen Rentenzusicherungen abzuschwindeln. So sind alle diese Koketten! Die Männer mögen sich ihretwegen lustig ruinieren, sie gewinnen sich darum von ihrer Neigung nicht das Mindeste; im Gegenteil, jeder, der zahlt, wird wie ein Ehemann behandelt; das ist ein Gesetz, welches ich für solche Liebeshändel festgestellt und eingeführt habe. Aber lassen wir diese großen Herren in Genüssen schwelgen, die sie so teuer bezahlen müssen, während ihre Diener, die in der Straße auf sie warten, sich mit der süßen Hoffnung, dieselben umsonst zu haben, trösten.«

»Ich bitte Euch«, unterbrach Leandro Perez, »erklärt mir ein anderes Bild, welches mir ins Auge fällt. Alle Welt ist noch auf den Füßen in jenem großen Hause dort links. Woher kommt es, dass die einen aus vollem Hals lachen, und dass die anderen tanzen? Man feiert sicherlich irgendein Fest?«

»Es ist eine Hochzeit«, sagte der Hinkende; »alle Domestiken sind im Jubel; und vor drei Tagen noch herrschte in diesem selben Hotel die tiefste Niedergeschlagenheit. Es ist eine Geschichte, die ich Lust bekomme, euch zu erzählen; sie ist allerdings ein wenig lang, aber ich hoffe, sie wird euch nicht langweilen.

Zugleich begann er folgenderweise:

 

 

 

 

 

4. Liebesgeschichte des Grafen von Belflor und der Leonore von Cespedes

 

 

Der Graf von Belflor, einer der größten Herrn vom Hof, war sterblich in die junge Leonore von Cespedes verliebt. Er hatte nicht die Absicht, sie zu heiraten; die Tochter eines einfachen Edelmanns schien ihm keine hinreichend glänzende Partie zu sein; aber er wollte sie zu seiner Geliebten machen.

In diesem Verlangen folgte er ihr überall hin und verlor keine Gelegenheit, um ihr seine Liebe durch seine Blicke auszudrücken; aber er konnte weder mit ihr reden noch ihr schreiben, weil sie fortwährend von einer strengen und wachsamen Duegna, genannt Dame Marcella, beaufsichtigt war. Er war darüber in Verzweiflung, und weil dies Hindernis sein Verlangen desto glühender machte, dachte er unaufhörlich an die Mittel, den Argus, der seine Io bewachte, zu hintergehen.

Ihrerseits hatte Leonore, der die Aufmerksamkeit des Grafen für sie nicht entgangen war, nicht anders können als seine Neigung erwidern und allmählich bemächtigte sich ihres Herzens eine Leidenschaft, die immer feuriger wurde. Und doch schürte ich diese nicht durch meine gewöhnlichen Mittel der Versuchung, weil der Zauberer, der mich damals gefangen hielt, mir alle meine Streiche verboten hatte; der natürliche Lauf der Dinge genügte eben. Die Natur ist nicht weniger erfolgreich als ich; der ganze Unterschied zwischen uns besteht darin, dass sie die Herzen allmählich verdirbt, statt dass ich dieselben mit einem Mal verführe.

So standen die Dinge, als eines Morgens Leonore und ihre ewige Gouvernante beim Gang in die Messe einer alten Frau begegneten, welche einen der größten Rosenkränze, den die Heuchelei je fabriziert hat, in der Hand trug. Sie trat mit sanfter und lächelnder Miene zu den Damen und sagte, sich an die Duegna wendend: »Möge der Himmel euch erhalten; sein heiliger Frieden sei mit euch; erlaubet mir, euch zu fragen, ob ihr nicht die Dame Marcella seid, die keusche Witwe des verstorbenen Herrn Martino Rosetta?« Die Gouvernante bejahte. »Dann treffe ich euch sehr glücklicherweise«, fuhr das Weib fort, »um euch mitzuteilen, dass ich in meiner Wohnung einen alten Verwandten, der danach verlangt, euch zu sprechen, beherberge. Er ist vor wenig Tagen aus Flandern angekommen; er hat sehr, sehr gut euren Gatten gekannt und er hat euch Dinge von der allergrößten Wichtigkeit mitzuteilen. Er würde zu euch gegangen sein, sie euch zu sagen, wenn er nicht krank geworden wäre; der arme Mensch liegt in den letzten Zügen. Ich wohne wenige Schritte von hier; habt nur die Güte, wenn es euch gefällig ist, mir zu folgen.«