Der Höllenhund - Frederick Marryat - E-Book

Der Höllenhund E-Book

Frederick Marryat

0,0

Beschreibung

"An den Nocken des Kutters hingen die toten Körper von Vanslyperken und Snarleyyow. Ein solches Ende nahmen einer der größten Schurken und einer der schnödesten Köter, die je existiert haben. Sie waren fluchwürdig in ihrem Leben und wurden auch in ihrem Tode nicht getrennt. Den schriftlichen Nachrichten zufolge ... muss die doppelte Hinrichtung am dritten August des Jahres 1700 stattgefunden haben." Als großer Kenner der englischen Marine entführt der Autor den Leser in die raue Welt der Seefahrer vor der englischen Küste um die Jahrhundertwende 1700. Kapitän Vanslyperken hat es nicht leicht. Es ist schwer, mit seiner Mannschaft fertigzuwerden, insbesondere mit dem Koch Smallbones. Man kann ihn ja nicht jeden Tag kielholen lassen kann, obwohl er sich fortgesetzt Kämpfe mit dem Schiffshund Snarleyyow liefert. Dann ist noch die Witwe Vandersloosch, die an der Küste ein Lusthaus unterhält. Als Vanylyperken in politische Händel gerät, ist das Fass zum Überlaufen voll.-

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 537

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Frederick Marryat

Der Höllenhund

Saga

1. Kapitel

Im Monat Januar 1699 lief ein schwarzbemalter Einmaster mit einer Geschwindigkeit von ungefähr fünf Meilen in der Stunde längs der Küste von Beachy Head. Der Nordwind blies scharf und es war heller Tag. Die Sonne erhob sich über Wolken und Dünste, Licht, aber keine Wärme verbreitend. Das Schiff war mit Reif bedeckt, der Mann am Steuer war in eine dickwollene Jacke gehüllt und trug Fäustlinge, welche seine Hände so groß wie Füße erscheinen ließen. Seine Mopsnase zeigte eine tiefrot-blaue Farbe, die zum Teil in der Kälte, zum Teil in dem Mittel, welches der Mann gegen eine derartige Belästigung anzuwenden gewöhnt war, ihren Grund hatte. Seine grauen Haare flatterten im Wind und sein Gesicht war durch einen gewaltigen Tabakspflock verzerrt, der seine rechte Wange in die Höhe trieb. Diese Person war der Steuermann und Zweite Offizier des Schiffes, Obadiah Coble geheißen —, ein Name, welcher ihm vor ungefähr sechzig Jahren in der Taufe beigelegt worden war, das heißt, wenn er überhaupt die Taufe erhalten hatte. Er stand so regungslos am Steuer, daß man hätte glauben können, er sei da angefroren, wenn nicht seine Augen hin und wieder von dem Kompaß nach dem Buge des Schiffes gewandert wären. Zugleich bildete sein Atem eine Rauchwolke, ähnlich der, welche die Schnauze eines kochenden Teekessels von sich gibt.

Das Fahrzeug gehörte zu dem Dienste Seiner Majestät, König Wilhelms des Dritten, und war damit beschäftigt, Seiner Majestät Einkünfte gegen die Einführung von Modewaren und Lautensaiten zu schützen. Die Mannschaft befand sich beim Frühstück, den Steuermann und den kommandierenden Leutnant ausgenommen, der eben auf dem Halbdeck hin- und herging, wenn die schmale Bretterlage dieses Namens gewürdigt werden konnte. Er hieß Cornelius Vanslyperken, und war ein großer hagerer Mann mit sehr schmalen Schultern und einem sehr kleinen Kopfe. Sein Gesicht war mager und und hohlwangig, Nase und Kinn aber zeigten eine so große Vorliebe für einander, daß sie augenscheinlich die Kluft, welche ihr Zusammentreffen hinderte, höchlich beklagten. Die Nase hatte stets eine perlrunde Träne an ihrer Spitze hängen, als ob sie weinte. Mr. Vanslyperkens Anzug war unter einem Überrock verborgen, der eine bedeutende Länge hatte und fast bis auf den Boden hinunter zugeknöpft war. Der Überrock war zu jeder Seite mit einer Tasche versehen, in deren Tiefe die Hände des Eigentümers Platz fanden, wobei die Arme so dicht an dem Leibe anlagen, als wären sie weiter nichts als an eine Topsegelrahe genagelte Latten. Die einzige Abweichung von der Perpendikularität der Gestalt bestand in dem rechtwinkligen Vorspringen eines Sprachrohrs, das unter seinem Arme stak. Seine Beine hatten solche Dimensionen, daß er mit sechs Schritten den Bord des Schiffes erreichen konnte. Sechs weitere Schritte brachten ihn nach den Bugen und dann kehrte er wieder und wieder um. Es befand sich jedoch eine dritte Person von nicht geringerer Wichtigkeit auf dem Deck. Dies war einer der garstigsten und boshaftesten Köter, den die Welt je hervorgebracht hat — garstig von Farbe, denn sie bestand aus schmutzigem Gelb, ähnlich dem Anstrich, den Seiner Majestät Königsschiffe in den Arsenalen erhalten — garstig im Gesichte, weil er nur ein einziges Auge und einen so weit vorspringenden Unterkiefer hatte, daß die Merkmale einer Bullenbeißerkreuzung nicht zu verkennen waren — und häßlich an Gestalt, denn obgleich er stark gebaut und größer war als ein Hühnerhund, so humpelte er doch erbärmlich auf seinen auswärtsgebogenen Vorderbeinen einher. Ohren und Schwanz waren lang — wahrhaftig schade, denn je mehr sie gestutzt worden wären, desto besser würde er sich ausgenommen haben. Aber obschon seine Ohren nicht die Spuren des Messers trugen, waren sie doch durch unterschiedliche Gefechte mit den Hunden am Lande zu Bändern zerrissen, wozu wohl die boshafte Gemütsart des Tieres Anlaß gegeben hatte. Sein Schwanz hatte infolge einer Hautkrankheit die Haare verloren und erinnerte sehr an das ähnliche Anhängsel einer Ratte, wie denn auch viele Teile seines Körpers infolge des gleichen Übels nackt geworden waren. Kopf und Schwanz trug er gesenkt, das Tier hatte überhaupt ein schuftiges, bissiges Aussehen. Es folgte seinem Gebieter auf Schritt und Tritt, drehte sich genau in der gleichen Richtung, war ebenso von der Kälte angegriffen und schien in den nämlichen Zustand tiefer Betrachtung versenkt zu sein. Der Name dieses ungeschlachten Tieres entsprach ganz seinem Äußeren und seiner Gemütsart: es hieß Snarleyyow.

Endlich machte Herr Vanslyperken seinen verhaltenen Gefühlen Luft.

„So kann’s und darf’s nicht länger fortgehen“, murmelte der Leutnant, während er sechs Schritte vorwärts tat. Bei dem ersten Ton der Stimme seines Gebieters spitzte der Hund die Überreste der Ohren und beide wandten sich nun nach dem Hinterschiffe. „Sie hält mich nun schon sechs Jahre zum besten.“

Mit dem Schlusse dieses Satzes hatten Herr Vanslyperken und Snarleyyow das Heck erreicht — der Hund hob seinen Schwanz zur Hälfte.

Sie wandten um, worauf Vanslyperken für ein paar Augenblicke Halt machte und seine dünnen Lippen zusammenpreßte. Der Hund tat desgleichen.

„Bei allem, was blau ist, ich will Antwort haben!“ rief der Leutnant, indem er wieder sechs Schritte tat.

Dann machte er abermals Halt und Snarleyyow blickte zu dem Gesichte seines Gebieters auf. Aber es schien, als ob letzterer den Gang seiner Gedanken verändert hätte, denn die scharfe Luft erinnerte ihn, daß er noch nicht gefrühstückt hatte.

Der Leutnant lehnte sich über die Luke, nahm sein zerbeultes Sprachrohr unter dem Arm hervor, setzte es an seinen Mund, und das Deck hallte wider von dem Rufe: „Smallbones soll nach dem Vorschiff kommen!“

Der Hund legte seine Vorderfüße auf das Lukengeländer und gab den Befehlen seines Gebieters mit einem tieftönigen abgemessenen „Wau, wau, wau“ Nachdruck.

Smallbones schob sich bald wie ein Gespenst durch die Lukenöffnung heraus. Er war ein magerer, ungefähr zwanzig Jahre alter Mensch mit blassem Gesicht, hohen Backenknochen, großen Glotzaugen und schlichtem, sehr dünn gesätem Haare auf dem Kopfe. Er sah aus wie der älteste Sohn des Hungers, der eben erst seine Flegeljahre zurückgelegt hat. Die Hosen hatten sich so weit an seinen langen, schlotternden Beinen in die Höhe gezogen, daß die bloßen Füße bis in die Mitte der Waden dem kalten Winde ausgesetzt waren. Seine kurzen Jackenärmel boten hinter dem Handgelenk vier Zoll des knöchernen Armes frei den Blicken dar, das Haupt entbehrte der Kopfbedeckung. Seine Ohren waren sehr groß, von Kälte gerötet und sein Hals so ungeheuer lang und dünn, daß die darauf sitzende Kugel aus Mangel einer Unterstützung ohne Unterlaß zu wackeln schien. Als er auf dem Decke anlangte, führte er die eine Hand nach der Stirn und berührte statt des Hutes seine Haare, während er in der anderen einen halbgerösteten Bückling hielt.

„Ja, Sir“, sagte Smallbones, als er vor seinen Gebieter hintrat.

„Eile dich!“ begann der Leutnant.

Aber nun wurde seine Aufmerksamkeit durch Snarleyyow, welcher schnüffelnd seinen Kopf erhob, nach dem Bückling gerichtet, denn wir müssen bemerken, daß das Tier unter anderen üblen Eigenschaften für nichts als für Bücklinge oder für einen Wegpfosten eine Nase hatte. Herr Vanslyperken hielt daher mit seinem Befehle an sich, zog die Hand aus der Tasche seines Überrocks, wischte den Tropfen von seiner Nase und brüllte dann: „Wie kannst du dich unterstehen, mit einem Bückling in der Faust auf dem Deck eines königlichen Schiffes zu erscheinen?“

„Mit Erlaubnis, Sir“, versetzte Smallbones, „wenn ich ihn in der Schiffsküche gelassen hätte, so würde ich ihn bei meiner Zurückkunft nicht wieder gefunden haben.“

„Was geht das mich an, Mensch? Es ist gegen alle Regel und Ordnung des Dienstes. So höre denn, Bursche —“

„Oh Gott, Sir! seht mir’s diesmal nach“, versetzte Smallbones bittend.

Aber Snarleyyows Appetit war durch den Morgenspaziergang sehr geschärft worden, er steigerte sich mit dem Geruche des Herings, und so erhob sich denn der Hund auf die Hinterbeine, Smallbones den Bückling aus der Hand schnappend. Er schoß dann mit seiner Beute nach der Leelaufplanke und würde wohl bald den Hering ungekaut versorgt haben, wenn ihm nicht Smallbones nachgeschossen wäre und ihn eingeholt hätte, als er den Bückling eben niederlegte, um sein Mahl gemächlich zu beginnen. Es folgte nun ein Kampf, Smallbones erhielt einen Biß in das Bein, der ihn bewog, nach einer Handspake zu greifen und damit einen Schlag nach dem Kopfe des Tieres zu führen, der, wenn er gut gezielt worden wäre, wahrscheinlich allen weiteren Mausereien von seiner Seite ein Ende gemacht hätte. Die Handspake traf jedoch nur eine von seinen Vorderzehen, und Snarleyyow zog sich heulend nach der andern Seite der Back zurück, wo er, sobald er außer dem Bereiche seines Feindes war, trotzig zu bellen anfing.

Smallbones las den Hering auf, schob seine Hosen zurück, um den Biß zu untersuchen, und feuerte in den Worten: „Mögest du, wie ich, Hungers sterben, du Bestie!“ einen Fluch gegen den Hund ab. Dann wandte er sich, um nach dem Hinterschiff zu gehen, und traf nun wieder auf die schmächtige Gestalt des Herrn Vanslyperken, der, die Hände in den Taschen und das Sprachrohr unter dem Arm, mit grimmiger Miene dastand.

„Wie kannst du dich unterstehen, meinen Hund zu schlagen, du Schurke?“ rief der Leutnant, den die Wut fast erstickte.

„Er hat mir das Bein durch und durch gebissen, Sir“, versetzte Smallbones mit unruhigem Gesichte.

„Warum hast du so dünne Beine?“

„Weil ich nichts kriege, um sie voller zu machen.“

„Hast du da nicht einen Hering, du mit Bücklingen gemästeter Schurke? Hast du ihn nicht allen Regeln des Dienstes zuwider auf Seiner Majestät Deck gebracht, du gefräßiger Schuft? Aber warte nur, ich will dir dafür —“

„Es ist nicht mein Hering, Sir, sondern der Eurige — er gehört zu Eurem Frühstück und ist der einzige, den wir von dem halben Dutzend noch übrig haben.“

Diese letztere Bemerkung schien Herrn Vanslyperken einigermaßen zu beschwichtigen.

„Geh’ hinunter“, sagte er nach einer Pause, „und laß mich wissen, wenn mein Frühstück bereit ist.“

Smallbones gehorchte augenblicklich, froh, so leichten Kaufes entkommen zu sein.

„Snarleyyow!“ rief der Leutnant, nach dem Hunde hinsehend, der sich noch immer auf der anderen Seite der Back befand, „pfui, schäme dich, Snarleyyow! Komm’ her, Hund, komm’ augenblicklich her!“ —

Aber Snarleyyow, den der Verlust seines Frühstücks verdroß, war starrköpfig und wollte nicht kommen, sondern blieb stehen und sah seinem Herrn ins Gesicht, während dieser zu locken fortfuhr. Endlicht stieß er nach einer Pause der Unschlüssigkeit ein heulendes Gebell aus, schlenkerte nach der großen Luke hin und verschwand darin. Herr Vanslyperken dagegen kehrte nach dem Halbdeck zurück und schritt, wie zuvor, auf und ab.

2. Kapitel

Smallbones erschien bald wieder und meldete Herrn Vanslyperken, daß das Frühstück bereit sei, worauf der Leutnant nach der Kajüte hinunterging. Eine Minute nach seinem Verschwinden kam ein anderer Mann herauf, um den am Steuerrade abzulösen, welcher, sobald er die Speichen abgegeben hatte, sich nach der erprobtesten Weise zu wärmen begann, indem er die Arme um seinen Leib schlug.

„Der Leutnant ist diesen Morgen wieder nicht in der besten Laune“, sagte Obadiah nach einer Weile. „Ich habe ihn von dem Weibsbild in dem Lusthaus murmeln hören“, versetzte Jansen, ein holländischer Matrose von riesigem Umfange.

„Ja, der Name der Frau Vandersloosch führt sicher einen Sturm herbei. Ich will zu meinem Frühstück hinuntergehen. Drehe Nordost, Jansen, und halte scharfen Lugaus nach den Booten.“

„Gott verdamm — wie kann ich das Schiff steuern und zu gleicher Zeit nach den Booten sehen?“

„Das geht mich nichts an. Die Ordre lautet so, ich übergebe sie dir, wie ich sie erhalten habe. Du mußt eben sehen, wie du über die Unmöglichkeit wegkommst.“

Mit diesen Worten begab sich Obadiah Coble nach dem Raume hinunter.

Wir müssen ihm folgen und den Leser in die Kajüte des Leutnants Vanslyperken einführen, obschon diese nicht sehr prunkhaft mit Möbelwerk ausgestattet ist. Ein einziger kleiner Tisch, ein einziger Stuhl, eine Matratze in einem Standbette mit Vorhängen von Segeltuch, ein offener Wandschrank mit drei Tellern, einer Kaffeetasse, zwei Trinkgläsern und zwei Messern — mehr war nicht erforderlich, da Herr Vanslyperken nie Gesellschaft zu sich bat. Es war auch noch ein anderer Wandschrank vorhanden, der jedoch sorgfältig verschlossen gehalten wurde. Vor dem Leutnant stand ein weißes Waschbecken, ungefähr zur Hälfte mit heißem Burgoo — einer sehr gesunden Komposition aus gekochtem Hafermehl und Wasser — angefüllt. Dies war die Ration, welche die Schiffsküche für Herrn Vanslyperken und seinen Bedienten Smallbones lieferte. Der Leutnant rührte das Gemisch emsig durcheinander. Snarleyyow saß daneben und wartete auf seinen Anteil, während Smallbones in der Nähe stand und der Befehle harrte.

„Smallbones“, sagte der Leutnant, nachdem er das heiße Gericht versucht und gefunden hatte, daß er noch immer in Gefahr stand, den Mund zu verbrennen, „bring’ mir den Bückling.“

„Den Bückling?“ stotterte Smallbones.

„Ja, den Bückling“, entgegnete Herr Vanslyperken, indem er seine kleinen grauen Augen finster auf den Diener heftete.

„Er ist nicht mehr da, Sir“, entgegnete Smallbones ängstlich.

„Nicht mehr da? Wo ist er hingekommen?“

„Mit Erlaubnis, Sir, ich glaubte nicht, daß Ihr ihn anrühren würdet, nachdem ihn der Hund in seinem garstigen Maule gehabt hat; und so, Sir — mit Erlaubnis, Sir —“

„Nun, und was so?“ fragte Vanslyperken, seine dünnen Lippen zusammenpressend.

„Aß ich ihn selbst — halten zu Gnaden — o je — o je!“

„Das — das hast du getan — du gefräßige Vogelscheuche? Hast du das wirklich getan? Weißt du, daß du dich eines Diebstahls schuldig gemacht hast — und weißt du, welche Strafe darauf steht?“

„Oh, Sir, es war ein Irrtum — mein teurer Sir“, entgegnete Smallbones wimmernd.

„Gut. Vorerst will ich dir die Rippen mit der Katze zerhauen lassen.“

„Habt Barmherzigkeit, Sir — oh, Sir!“ rief der junge Mensch, während ihm die Tränen aus den Augen rannen.

„Und zwar mit der Diebskatze — drei Knoten in jedem Riemen.“

Smallbones erhob seine mageren Arme, rang seine Hände und flehte um Gnade.

„Und wenn du gepeitscht bist, sollst du gekielholt werden.“

„O Gott!“ kreischte Smallbones, auf seine Knie niederfallend. „Habt Erbarmen, habt Erbarmen!“

Aber da war kein Erbarmen zu finden. Sobald Snarleyyow den armen Burschen auf die Knie niederfallen sah, stürzte er auf ihn zu, warf ihn rücklings nieder, knurrte über ihm und sah gelegentlich nach seinem Gebieter auf.

„Komm’ her, Snarleyyow“, sagte Herr Vanslyperken, „komm’ her, mein Hund, und leg’ dich.“

Aber Snarleyyow hatte den Bückling noch nicht vergessen, er biß zuvor zur Rache Smallbones in das Bein, ehe er seinem Gebieter gehorchte.

„Steh’ auf, Mensch!“ rief der Leutnant.

Smallbones erhob sich, aber zugleich stieg ihm auch die Galle. Seine Entrüstung gegen den Hund ließ ihn alles vergessen, was ihm angedroht war. Mit Tränen in den funkelnden Augen und vor Wut wimmernd warf er seine Arme umher und rief: „Nein, das halte ich nimmer aus — ich springe über Bord. Die Bestie hat mich schon vierzehnmal in dieser Woche gebissen. Lieber will ich mit einemmale sterben, als in dieser Weise zu Hundefleisch gemacht werden.“

„Halte augenblicklich dein Maul, du meuterischer Schuft, oder ich lasse dich in Eisen legen.“

„Es ist mir lieb, wenn Ihr’s tut — Eisen beißt nicht, wenn es einen auch festhält. Ich will davonlaufen — gleichviel, wenn ich auch gehangen werde. Es ist immerhin besser so, als wenn ich hier tot gehungert oder tot gebissen werde —“

„Stille, Bursch. Es ist nur die gute Kost, die dich so unverschämt macht.“

„Gott vergebe Euch!“ rief Smallbones überrascht. „Ich habe kein volles Mahl gehabt — —“

„Ein volles Mahl, du Schurke? Ein Kerl wie du wäre auch zu füllen — hohl von oben bis unten, wie ein Bambusrohr.“

„Und was ich kriege, muß ich teuer zahlen“, fuhr Smallbones mit Nachdruck fort. „Sogar der Hund da schießt auf mich los, wenn ich ein bißchen Zwieback nehme. Noch nie habe ich einen Bissen gekriegt, ohne zugleich einen Biß zu erhalten — das ist meine ganze Ration.“

„Ein Beweis von seiner Treue, auch ein Beispiel für dich, du Wicht“, entgegnete der Leutnant, indem er seinem Hunde zärtlich den Kopf tätschelte.

„Schon gut. Ich wollte nur, Ihr jagtet mich fort — oder ließet mich hängen — ich wollte mir nichts daraus machen. Ihr habt einen so guten Appetit, der Hund frißt auch aus Leibeskräften, daß für mich nichts übrig bleibt.“

„Du unverschämter Kerl, denk’ an die Diebskatze.“

„Es ist sehr hart“, fuhr Smallbones, ohne auf die Drohung zu achten, fort, „daß die Bestie da meine Ration frißt, und noch obendrein mich zur Hälfte fressen darf.“

„Du vergißt das Kielholen, du Vogelscheuche.“

„Dann wünsche ich nur, daß ich nie wieder heraufkommen möge.“

„Verlaß die Kajüte.“

Smallbones gehorchte diesem Befehle.

„Snarleyyow“, sagte der Leutnant, „du bist hungrig, mein armes Tier.“ Snarleyyow legte eine Vorderpfote auf das Knie seines Gebieters. „Sollst bald dein Frühstück erhalten“, fuhr Herr Vanslyperken fort, indem er zwischenhinein von dem Burgoo aß. „Aber, Snarleyyow, du bist diesen Morgen nicht ordentlich gewesen — solltest eigentlich kein Frühstück erhalten.“ Snarleyyow knurrte. „Wir sind erst vier Jahre miteinander bekannt, und in wie viele Klemmen hast du mich schon gebracht, Snarleyyow!“ Snarleyyow legte seine Pfoten auf das Knie seines Herrn. „Ah, ich sehe, es tut dir leid, mein armer Hund, deshalb sollst du auch einiges Frühstück erhalten.“

Herr Vanslyperken setzte nun das Burgoobecken auf den Boden, und der Hund fiel gierig darüber her.

„Ei, mein Hund, nicht so hurtig; du mußt auch etwas für Smallbones übrig lassen, denn er wird’s brauchen können, ehe die Strafe an ihm vollzogen wird. So, es ist genug jetzt.“

Der Leutnant wollte nun das Becken mit dem kleinen Suppenreste wegnehmen, Snarleyyow aber knurrte und würde wohl nach seinem Herrn geschnappt haben, wenn ihn dieser nicht mit der Mundöffnung des Sprachrohrs zurückgeschoben und einen Teil des Gerichts erobert hätte, um es für den Gebrauch des armen Smallbones auf den Tisch zu setzen.

„So, mein Hund, wir wollen jetzt auf das Deck gehen.“

Herr Vanslyperken verließ, von Snarleyyow begleitet, die Kajüte. Sobald aber sein Gebieter sich auf der Mitte der Treppe befand, kehrte der Hund wieder um, sprang auf den Stuhl, von dem Stuhl auf den Tisch, und verfügte dann über den Rest des dem armen Smallbones zugedachten Frühstücks. Als er damit fertig war, folgte er seinem Herrn.

3. Kapitel

Wir müssen nun den armen Smallbones, der in dem Vorderpiek des Schiffes sein hartes Schicksal beklagt, und Herrn Vanslyperken, der mit seinem Hund auf dem Halbdeck spazieren geht, verlassen, um den Leser mit den Zeiten, in welche unsere Erzählung fällt, wie auch mit Herrn Vanslyperkens Geschichte besser bekannt zu machen.

In unserem ersten Kapitel ist als Datum das Jahr 1699 angeführt, und wenn der Leser die Geschichte zu Rate zieht, so wird er finden, daß Wilhelm von Nassau seit ein paar Jahren den englischen Thron inne hat, ferner, daß vor kurzem zwischen England und Frankreich Friede geschlossen worden ist. Der König verbrachte seine Zeit teilweise in Holland unter seinen Landsleuten, und die englischen und holländischen Flotten, welche noch vor ein paar Jahren mit so viel Hartnäckigkeit und Mut gegeneinander gestritten, hatten in letzter Zeit ihre Kanonen gemeinschaftlich gegen die Franzosen gerichtet. Wie alle Festlandfürsten, die auf den englischen Thron berufen wurden, erwies auch Wilhelm seinen Landsleuten viel Gunst, und England wurde von holländischen Favoriten, Höflingen und Patriziern überschwemmt. Er wollte sich nicht einmal von seinen holländischen Garden trennen und stand deshalb mit dem englischen Parlament in Unterhandlung. Da der Krieg vorüber war, lag fast die ganze englische und holländische Flotte abgetakelt in den Häfen, nur eine kleine Anzahl von Schiffen war in Tätigkeit, um den Schleichhandel zu hemmen, der dem englischen Manufaktursystem großen Abbruch tat. Der Kutter, von dem wir erzählen, war gleichfalls diesem Dienste geweiht und hieß die ‚Jungfrau‘, obgleich er in England gebaut war und zu der englischen Flotte gehörte. Man kann sich leicht denken, daß während jener Zeit die holländischen Interessen das Übergewicht behaupteten, wie denn auch alle holländischen Seeleute, die bei ihrer eigenen Marine nicht verwendet werden konnten, auf den englischen Schiffen Anstellung fanden. Herr Vanslyperken war von holländischer Abkunft, aber zu einer Zeit in England geboren, als es sich der Prinz von Oranien noch lange nicht träumen ließ, auf den englischen Thron berufen zu werden. Er war ein naher Verwandter von König Wilhelms Amme — eine Verbindung, die selbst noch in unseren Tagen bedeutende Vorteile bieten würde. Vor der Revolution hatte er sich in einem Kampfe zwischen den Holländern und den Engländern als feig erwiesen und war deshalb auf den Sims geschoben worden, denn trotz seiner langen Dienstzeit hatte er, ehe man ihn zum Leutnant eines Zweideckers ernannte, doch nur kleine Fahrzeuge befehligt, weshalb sein Mangel an der nötigen Befähigung früher nie entdeckt worden war. Der Einfluß, welcher in seinem Interesse auf den holländischen König geübt wurde, reichte zu, um ihm das Kommando eines kleinen Schiffes zu verschaffen. In damaliger Zeit war der Dienst ganz anders als heutzutage, denn die Kommandeure waren zugleich Zahlmeister und konnten sich ein schönes Stück Geld ersparen, indem sie die Matrosen darum betrogen. Außerdem wurde die Mannszucht in einer Weise gehandhabt, daß die modernen Philanthropen darüber gestaunt haben würden, denn ein Untergeordneter durfte sich nicht beschweren — man konnte ungestraft die Tyrannei und Unterdrückung sogar bis zum Menschenmorde ausdehnen. Man durfte die schändlichsten Grausamkeiten üben, wenn die Befehlshaber der Schiffe nur in anderen Punkten ihre Pflicht taten, und außer der nötigen Geschicklichkeit auch entsprechenden Mut zeigten. Leutnant Vanslyperkens Charakter läßt sich als ein Inbegriff dreier Laster, des Geizes, der Feigheit und der Grausamkeit bezeichnen. Im äußersten Grade filzig, hatte er während seines langjährigen Kommandos viel Geld erspart, indem er sowohl die Mannschaft als die Regierung bestahl. Er war jetzt fünfundfünfzig Jahre alt. Seit der Ernennung auf die ‚Jungfrau‘ hatte er hin und wieder König Wilhelms Depeschen an die Generalstaaten überbringen müssen, und während dieser wiederholten Besuche im Haag die Bekanntschaft der Witwe Vandersloosch gemacht, die ein Lusthaus hielt, wo die Matrosen zu trinken und zu tanzen pflegten. Sobald er entdeckt hatte, daß die beleibte Wirtin auch reich war, setzte er es sich in den Kopf, ihr den Hof zu machen, in der Hoffnung, mit ihrer Hand auch ihr Geld zu erhalten, obschon die Witwe nicht entfernt daran dachte, seine Bewerbungen anzunehmen, zugleich aber auch klug genug war, ihn nicht entschieden zurückzuweisen, weil sie die Kundschaft seines Kutters zu verlieren fürchtete, Sie bewillkommte ihn daher, sooft er anlangte, sehr freundlich und machte ihm Hoffnungen, ohne sich auf etwas weiteres einzulassen.

Wann und wie Herr Vanslyperken seinen Liebling Snarleyyow aufgelesen hatte, war nicht zu entdecken, es muß daher ein Geheimnis bleiben. Die Matrosen sagten, der Hund sei auf eine übernatürliche Weise auf dem Kutter erschienen, die meisten von ihnen betrachteten ihn mit ebensoviel Scheu als Groll. Soviel ist übrigens gewiß, daß sich der Kutter vor einiger Zeit empört hatte, und daß sich die meuterische Mannschaft nachts mit Gewalt Zutritt in die Kajüte des Leutnants zu verschaffen suchte. Es ist daher nicht unvernünftig, wenn man annimmt, daß Vanslyperken fühlte, ein guter Wachthund dürfe eine sehr nützliche Zugabe zu seinem Haushalt sein, und deshalb sich einen derartigen Gesellschafter zugelegt hatte. Alle Liebe, die er je irgend einem lebenden Wesen erzeigte, war auf dieses Tier konzentriert, und nach dem Gelde war Snarleyyow der erste Besitzer von dem Herzen seines Gebieters.

Herr Vanslyperken ging wohl eine Viertelstunde, ohne zu sprechen, auf dem Halbdecke hin und her. Die Matrosen hatten ihr Frühstück beendigt und trieben sich müßig herum. Der Leutnant dagegen dachte, wie er Frau Vandersloosch überreden könne, auf seine Wünsche einzugehen, und wie er es angreifen solle, um die Züchtigung des armen Smallbones mit der Größe seines Verbrechens in Einklang zu bringen. Während er diese zwei wichtigen Gegenstände mit sich beriet, wurde er in seinen Träumereien durch einen Ausluger unterbrochen, welcher die Nähe der beiden Boote anmeldete, die abends ausgeschickt worden waren.

„Wie weit weg?“ fragte Herr Vanslyperken.

„Ungefähr zwei Meilen.“

„Rudernd oder segelnd?“

„Rudernd, Sir, wir steuern gerade auf sie zu.“

Herr Vanslyperken war jedoch in keiner angenehmen Stimmung, weshalb er Befehl erteilte, den Kutter beizulegen.

„Ich dächte, die Leute hätten die ganze Nacht durch genug gerudert“, bemerkte Jansen, der eben am Steuerruder abgelöst worden war, gegen Obadiah Coble, welcher neben ihm in der Back stand.

„Bin auch der Meinung, aber es wird eine Brise geben, verlaß dich darauf. Doch gleichviel, der Teufel wird dennoch in guter Zeit sein Eigentum kriegen.“

„Gott verdamm’s“, entgegnete Jansen.

Die Boote waren bald an Bord, obschon ihre Matrosen von dem Augenblicke an, als der Kutter beigelegt hatte, jeden Ruderschlag mit einem nautischen Fluche über das Haupt ihres Befehlshabers begleiteten. Der Steuermann und Erste Offizier, der die Boote befehligt hatte, kam über die Laufplanke und begab sich zu Vanslyperken hinauf. Er war ein gedrungener, stämmiger Mann, ungefähr fünf Fuß vier Zoll hoch, und sah in seinen dichten Kleidern einem Bären ähnlich. Sein Name war Richard Kurz, er entsprach ihm auch in jedem Betracht, denn er war kurz von Natur, kurz in seiner Redeweise und kurz angebunden in seinen Entschlüssen und Handlungen.

Als Kurz vor dem Leutnant erschien, hielt er es nicht für nötig, sich mit dem gewöhnlichen „komme an Bord, Sir“, zu melden, denn es war ja augenscheinlich, daß er an Bord war. Er sagte daher nichts. Überhaupt befliß er sich in seiner Sprache so sehr der Kürze, daß er, wenn er seinen Vorgesetzten anredete, nicht einmal von dem Wörtchen Sir Gebrauch machte, woran, wie man sich denken kann, Herr Vanslyperken großen Anstoß nahm. Wie dem übrigens sein mochte, Herr Vanslyperken fürchtete sich vor Kurz, während Kurz nicht die mindeste Furcht vor seinem Leutnant hatte.

„Nun, was habt Ihr ausgerichtet, Kurz?“

„Nichts.“

„Habt Ihr etwas von dem Boote gesehen?“

„Nein.“

„Oder sonst eine Auskunft erhalten?“

„Nein.“

„Was habt Ihr die ganze Nacht über getan?“

„Gerudert.“

„Seid Ihr ans Land gegangen, um Kundschaft einzuziehen?“

„Ja.“

„Und habt nichts in Erfahrung gebracht?“

„Nein.“

Damit zog Kurz den Bund seines zweiten Hosenpaares in die Höhe, wandte sich um und ging nach dem Raum hinunter, während Snarleyyow seinen Fersen nachschnüffelte. Der Mann gab ihm einen Stoß mit dem Absatze seines schweren Stiefels, so daß der Hund bellend und kläffend zurückflog, worüber Herr Vanslyperken in große Wut geriet. Da er es jedoch nicht wagte, diesen Schimpf an seinem Ersten Offizier zu ahnden, erinnerte er sich an Smallbones und ließ augenblicklich den Korporal Vanspitter nach dem Decke berufen.

4. Kapitel

Schon in dieser Periode der englischen Geschichte war es üblich, einige Soldaten an Bord der Kriegsschiffe zu setzen, und auch die ‚Jungfrau‘ war mit einem Korporal und sechs Gemeinen versehen, die sämtlich zu der holländischen Marine gehörten. Für einen so unbeliebten Mann wie Herrn Vanslyperken war diese kleine Macht ein bedeutender Schutz, und sowohl Korporal Vanspitter als seine Mannschaft erfreuten sich der besten Behandlung. Der Korporal war sein Zahlmeister und Lieferant — ein Posten, bei dem er sich ziemlich gut befand, denn Vanspitter konnte ebensogut betrügen wie sein Befehlshaber. Außerdem brauchte ihn Herr Vanslyperken als dienstwilligen Vollstrecker seiner tyrannischen Maßregeln, denn Korporal Vanspitter hatte auch keine Spur von Gefühl, im Gegenteil ging er mit Lust an die Vollziehung der diktierten Strafen. Hätte ihm Vanslyperken Auftrag erteilt, einem zum Schiff gehörigen Matrosen das Gehirn aus dem Kopfe zu schlagen, so würde er unverweilt den Befehl vollzogen haben, ohne nur einen Muskel seines fetten, roten Gesichtes zu verziehen. Der Korporal war ein ungeheuer großer Mann und so korpulent, daß er nahezu zwanzig Steine wog. Nur Jansen konnte hierin mit ihm wetteifern, denn er war ebenso groß und kräftig als der Korporal, obschon er ihm nicht ganz an Schwere gleichkam.

Ungefähr fünf Minuten nach dem Befehle schob sich Korporal Vanspitters riesige Gestalt langsam durch die Luke herauf, die kaum weit genug schien, um seine breiten Schultern durchzulassen. Er hatte eine flache Fouragiermütze auf seinem Büffelkopfe und trug blaue Pantalons, die um die Fußknöchel dicht anschlossen, dann aber sich aufwärts rasch erweiterten, bis sie an den Hüften eine Ausdehnung gewannen, welche zwischen dem Erhabenen und Lächerlichen die Mitte hielt. Der obere Teil seines Leibes war in eine blaue Jacke mit bleiernen Knöpfen gehüllt, auf welchen der steigende Löwe mit einem kleinen abgeschabten Schwanze gestempelt war. Sobald er das Deck erreicht hatte, ging er auf Vanslyperken zu, die Hinterseite seiner rechten Hand an die Stirne führend.

„Korporal Vanspitter, rüstet Eure Katze zur Züchtigung her, und wenn Ihr damit fertig seid, so bringt Smallbones herauf.“

Ohne ein Wort zu sprechen, setzte Korporal Vanspitter den linken Fuß hinter die Ferse des rechten, drehte durch dieses Manöver seinen Leib und marschierte dann in derselben Richtung ab. Bald nachher erschien er wieder mit den Züchtigungsinstrumenten, legte sie auf eine der Leekanonen und entfernte sich abermals, um sein Opfer aufzusuchen. Nach einer kurzen Weile hörte man unten ein Ringen, das jedoch bald vorüberging, und aufs neue zeigte sich der Korporal, den schmächtigen, langen Leib des armen Smallbones unter seinem Arme tragend. Er hatte den Unglücklichen in der Gegend des Magens umfaßt, so daß dessen Kopf und Fersen senkrecht hinunterhingen und bei jeder Bewegung des Korporals zusammenschlugen.

Sobald Vanspitter bei der Kanone angelangt war, legte er seine Last, die sich weder rührte noch sprach, nieder. Smallbones schien sich in das Geschick, das seiner harrte, ergeben zu haben, leistete auch keinen Widerstand, als er von einem der Seesoldaten entkleidet und über die Kanone gezogen wurde. Die auf dem Deck befindlichen Matrosen sagten nichts, warfen sich aber ausdrucksvolle Blicke zu. Das Peitschen eines jungen Menschen, wie Smallbones war, gehörte zu den gewöhnlichen Ereignissen und konnte daher keine Überraschung erregen, auch wäre es gefährlich gewesen, Abscheu gegen ein derartiges Verfahren an den Tag zu legen. Smallbones’ Rücken war nun entblößt und bot einen kläglichen Anblick. Die Schulterblätter standen so hervor, daß man die Hand hätte darunter legen können, und jeder Wirbelknochen ließ sich deutlich durch die Haut des armen Skelettes unterscheiden. Die Züchtigung begann. Der arme Mensch erhielt seine drei Dutzend ohne Murren, wobei der Ton der Geißel nur durch das Bellen des Hundes unterbrochen wurde, der sich auf das Opfer losgestürzt haben würde, wenn er nicht von einem der Seesoldaten festgehalten worden wäre. Während die Strafe vorgenommen wurde, ging Herr Vanslyperken nach gewohnter Weise auf dem Decke hin und her. Der Korporal ließ nun Smallbones frei und drehte seine Katze zusammen. Aber jetzt fuhr Snarleyyow, den der Seesoldat nicht mehr bewachte, auf den Jungen los und versetzte ihm einen schweren Biß. Smallbones, der leblos dagelegen und sich, nachdem der Seesoldat ihm das Hemd übergeworfen, nicht von den Knien erhoben hatte, wurde durch diesen neuen Angriff geweckt und schien mit einem Male Leben und Tatkraft zu gewinnen. Er sprang auf, stieß einen wilden Schrei aus und warf sich zum Erstaunen aller Anwesenden auf den zurückweichenden Hund, den er mit seinen Armen packte, um ihn mit dessen eigenen Waffen anzugreifen, indem er ihm mit wütender Entschlossenheit seine Zähne ins Fell schlug. Jedermann wich bei diesem ungewöhnlichen Kampfe zurück, aber niemand legte sich ins Mittel.

Das Ringen dauerte lange, aber Smallbones entwickelte eine so wilde Energie, daß er sich mit der Hartnäckigkeit eines Bullenbeißers festbiß, die Lippen und Ohren des Tieres zerriß und sein Gesicht in den Hals des Hundes verbarg, mit seinen Zähnen dessen Luftröhre bearbeitend. Der Hund konnte nicht entweichen, denn Smallbones hielt ihn mit der Gewalt eines Schraubstockes fest. Endlich schien die Bestie einen Vorteil zu gewinnen, denn als sie miteinander überkugelten, faßte sie den Jungen an der Seite des Halses. Smallbones erholte sich jedoch wieder und kriegte Snarleyyows Fuß zwischen seine Zähne, so daß der Hund den Kopf in die Höhe warf und um Beistand heulte. Herr Vanslyperken kam ihm zu Hilfe und versetzte Smallbones mit dem Sprachrohr einen schweren Schlag, welcher diesen dermaßen betäubte, daß er das Tier losließ.

Kurz, der eben auf das Deck gekommen war, bemerkte dies, und da der Hund einen neuen Angriff machen wollte, begrüßte er denselben mit einem Fußtritt, so daß er die ungefähr drei Schritte entfernte Luke hinunterflog.

„Wie könnt Ihr Euch unterstehen, meinem Hunde einen Tritt zu geben, Herr Kurz?“ rief Vanslyperken.

Kurz ließ sich zu keiner Antwort herab, sondern ging zu Smallbones, dem er den Kopf aufrichtete. Der Junge kam wieder zu Bewußtsein. Er war am Hals und im Gesicht schrecklich zerbissen — ein wahrhaft kläglicher Anblick, wenn man die Wunden, welche ihm die Katze versetzt hatte, noch mit in Rechnung nahm.

Der Steuermann forderte einige Matrosen auf, Smallbones nach dem Raume hinunterzubringen, und fand bereitwilligen Gehorsam. Man wusch den armen Menschen mit Salzwasser, und der Schmerz der Wunden brachte ihn wieder zur Besinnung. Dann wurde er in seine Hängematte gelegt.

Während Kurz seine Anweisungen gab, sahen sich Vanslyperken und der Korporal abwechselnd an, ohne sich jedoch eine Einmengung zu erlauben. Sobald die Matrosen Smallbones in den Raum hinuntergebracht hatten, führte Vanspitter die Hand nach seiner Fouragiermütze, nahm seine Katze unter den Arm und ging gleichfalls hinab. Vanslyperken war noch wütender als zuvor. Er steckte die Hände tiefer als je in seine Taschen, ging, das durch den Schlag völlig zerbeulte Sprachrohr unter dem Arme, auf und ab und murmelte alle zwei Minuten: „Beim Himmel, der Schuft soll gekielholt werden! Ich will ihn lehren, meinen Hund zu beißen.“

Snarleyyow erschien nicht wieder auf dem Deck, denn er hatte eine Züchtigung erhalten, wie er sie nicht erwartete. Er beleckte sich die Wunden, denen er beikommen konnte, und hütete in einer Art unruhigen Schlummers die Kajüte, alle Minuten mit Knurren auffahrend, als fechte er im Schlafe den Kampf abermals durch.

5. Kapitel

Eine Beratung wurde in der Back von Seiner Majestät Kutter, der ‚Jungfrau‘, am Abende nach Smallbones’ Züchtigung abgehalten. Die Mehrzahl der Mannschaft wohnte derselben bei — nämlich alle, den Korporal Vanspitter und seine sechs Seesoldaten ausgenommen. Die Hauptperson war nicht eben der beredteste Sprecher, da sie durch keinen geringeren Mann als durch Richard Kurz repräsentiert wurde. Seine Beistände waren Obadiah Coble, Jack Jansen und eine andere Person, welche wir als den Hochbootsmann oder Hochbootsmannsmaaten des Kutters einführen müssen, denn obgleich er den ersteren Titel trug, erhielt er doch nur den Sold der letztgenannten Bedienstung. Dieser Mann hieß eigentlich James Salisbury, wurde aber stets als Jemmy Entenbein angeredet. Er war eine sehr auffallende Erscheinung, mit einem männlich schönen Gesichte, starkem Backenbart und einem Zopf, welcher sich bis auf Fußweite dem Decke näherte. Brust und Schultern waren breit; der ganze Mann bis zu der Stelle, wo sich die Beine anschließen, schön, gut gebaut und wohl proportioniert. Aber dann, welcher Abstand! Infolge irgend eines Zufalles waren seine Beine von seinem dritten Lebensjahre an nicht mehr in die Länge gewachsen. Hinsichtlich ihrer Derbheit standen sie wohl im Einklang mit dem übrigen Körper, aber sie maßen nicht mehr als achtzehn Zoll von der Hüfte bis zur Ferse, so daß er als eine wahrhaft lächerliche Figur umherwatschelte. Dieses Gebrechen der unteren Teile tat jedoch der Kraft des Mannes keinen Eintrag, denn es gab nur wenige auf dem Schiff, welche sich in einen Kampf mit dem Hochbootsmann einzulassen wagten. Die erwähnte eigentümliche Bauart hatte ihm die Benennung Jemmy Entenbein zugezogen. Jemmy war ein verständiger, heiterer Bursche und ein guter Seemann, der keinen Scherz, welchen man sich über seine Figur erlaubte, übel nahm, sondern sogar mitzuscherzen pflegte. Er war der Lustigmacher des Schiffes und spielte, wenn seine Kameraden tanzen wollten, die Geige, auf welcher er es fast zur Virtuosität gebracht hatte; außerdem begleitete er das Instrument mit seiner Stimme, wenn die lustigen Kumpane des Tanzens müde waren. Wir müssen noch bemerken, daß Jemmy verheiratet war und sich aus dem anderen Geschlechte eines der größten Exemplare zur Gattin ausersehen hatte. Von ihrer Schönheit ließ sich freilich nicht viel sagen, aber Jemmy hatte hierauf nicht gesehen, wenn ihm nicht etwa ihr Gesicht in so großer Höhe anders erschien, als denjenigen, welche sich mit ihm auf gleichem Niveau befanden.

Nun traf es sich, daß von Jemmys Standpunkt aus die unharmonischen Züge seines Weibes in völlige Harmonie traten und sie für ihren Gatten zum Muster der Vollkommenheit wurde, ohne hinreichenden Zauber zu besitzen, um andere zu veranlassen, sie ihrem ehelichen Gemahl abzuspannen. Außerdem muß man nicht vergessen, daß es Jemmy nur an Höhe gebrach, er hatte daher das, was ihm selbst fehlte, wenn auch nicht für die eigene Person, so doch für die seines Weibes gewonnen. Letztere war ihm mit leidenschaftlicher Liebe zugetan, dabei auch sehr eifersüchtig, worüber man sich nicht wundern darf, denn sie erklärte, daß es nie einen solchen hübschen Mann gegeben habe wie ihn.

Jemmy Entenbein hatte seine Fiedel in der Hand, die er abwärts in der Weise eines Violons hielt, weil er sein Instrument nie anders spielte. Gelegentlich fingerte er an den Saiten und zerrte daran, wie an einer Guitarre, damit der Ton nach dem Hinterschiff dringe und Herr Vanslyperken auf den Glauben komme, sie hätten sich zu Scherz und Lustbarkeit versammelt.

„Eins ist gewiß“, bemerkte Coble, „daß sein Hund kein Offizier ist.“

„Nein“, versetzte Dick Kurz.

„Er steht nicht in den Schiffsbüchern. Ich kann daher nicht einsehen, wie man da von Meuterei sprechen kann.“

„Nein“, entgegnete Kurz.

„Mein Gott, er ist kein Hund — er ist der Teufel“, bemerkte Jansen.

„Wer weiß, wie er in den Kutter gekommen ist?“

„Es ist eine seltsame Historie darüber im Umlauf“, meinte einer der Matrosen.

„Tum, tum, tum di tum“, ließ sich Jemmy Entenbeins Fiedel vernehmen, als ob sie gleichfalls ihre Stimme bei der Beratung abzugeben habe.

„Wenn es so fortgeht, hat der arme Junge den Tod davon. Der Leutnant wird nicht ruhen, bis er der armen Kreatur die Seele aus dem Leib gehetzt hat. Schaut nur, wie er in seiner Hängematte liegt.“

„Ich habe nie einen Christenmenschen in einem solchen Zustand gesehen“, sagte einer der Matrosen.

„Wenn der Hund nicht draufgeht, so ist’s um den armen Bones geschehen“, ließ sich Coble vernehmen, „ich sehe deshalb nicht ein, warum man nicht einem menschlichen Individuum den Vorzug geben sollte, obgleich der Hund dem Leutnant gehört. Wohlan denn, was sagt ihr zu der Sache, meine Jungen?“

„Tum tum, tum tum, tum di tum di tum“, versetzte die Fiedel.

„Wir wollen die Bestie ohne Umstände aufhängen.“

„Nein“, versetzte Kurz.

Jansen sah Kurz an, zog sein Messer heraus und machte damit eine Bewegung, als ob er dem Hunde über die Kehle führe.

„Nein“, sagte Kurz.

„Wir wollen ihn bei Nacht über Bord werfen“, meinte einer der Matrosen.

„Aber wie kriegen wir das Untier aus der Kajüte heraus?“ entgegnete Coble. „Wenn wir dies im Sinne haben, so muß es bei Tage geschehen.“

Kurz nickte mit dem Kopfe.

„Ich will ihn bei der ersten Gelegenheit vom Stapel lassen“, bemerkte Jemmy Entenbein und fügte dann mit gedämpfter Stimme bei: „nur möchte ich zuerst wissen, ob er wirklich ein Hund ist, oder nicht.“

„Ein Hund ist ein Hund“, versetzte Jansen.

„Ja“, entgegnete einer von den Matrosen, „wir alle wissen, daß ein Hund ein Hund ist. Aber es fragt sich nun, ist dieser Hund ein Hund?“

Es trat eine Pause ein, welche Jemmy Entenbein mit Tasten auf seinen Fiedelsaiten ausfüllte.

Es stellte sich heraus, daß, obgleich alle Matrosen den Hund über Bord zu sehen wünschten, doch keiner die Tat auf sich nehmen wollte, nicht etwa aus Furcht vor Entdeckung, sondern weil viel Aberglauben unter ihnen herrschte. Sie waren der Meinung, es bringe Unglück, wenn man einen Hund oder überhaupt ein Tier über Bord werfe. Dazu kam noch, daß viele überzeugt waren, die Bestie sei ein Kobold aus der Hölle, den der Teufel Vanslyperken geliehen habe, und wenn man ihm ein Leides tue oder ihn umzubringen versuche, so hätten unausbleiblich die Täter, wenn nicht noch obendrein das Schiff und die ganze Mannschaft, die schrecklichsten Folgen zu gewärtigen. Sogar Kurz, Coble und Jansen konnten, trotz ihrer sonstigen Kühnheit und ihres Mitgefühls mit den Leiden des armen Smallbones, ihre eigenen Bedenken nicht überwinden, und mochten bei reiferer Überlegung nichts mit der Sache zu schaffen haben.

Obschon man sich viel von dem Gerüchte erzählt hatte, so konnte doch kein Mann an Bord aus eigener Wahrnehmung die Tatsachen bezeugen, welche mit dem ersten Erscheinen des Tieres zusammenhingen, denn die Mannschaft, welche damals den Kutter bedient hatte, war inzwischen abgelohnt worden.

„He, Bill Spurey“, sagte Coble, „du weißt mehr von der Sache, als irgend einer. Spinn’ uns daher das Garn und dann werden wir imstande sein, die Sache nüchterner zu besprechen.“

„Gut“, versetzte Spurey, „ihr sollt die Geschichte, soweit mein Gedächtnis reicht, Wort für Wort hören, wie ich sie vernommen habe. Ihr wißt, ich war nicht in dem Fahrzeug, als das Ding an Bord kam, aber Joe Geary war’s. Gut, es war eines Nachts, als wir über einem steifen Glase in der neuen Schenke dort zechten — dem Orangebogen, wie sie’s nennen, an dem Point von Portsmouth — und da wünschte ich etwas von meinem neuen Leutnant zu hören, um zu wissen, mit was für einer Art von Kunden ich zu tun haben sollte. Nachdem ich alles über ihn gehört, hatte ich wohl ein halbdutzendmal im Sinn, wieder abzuschieben, aber ich besann mich eines bessern. Ihr wißt, man darf nicht sonderlich heikel sein in Friedenszeiten, wenn alle großen Schiffe im Schlamm von Southampton und Cinque Port modern. Gut denn, ich kann mich noch recht gut an alles erinnern, was er mir sagte. Es war eine wilde Nacht mit einem garstigen Südwester und die Wellen warfen sich im Hafen zu Schaum auf, so daß sie von dem Winde durch die Straßen gefegt wurden und einander nachjagten, als spielten sie wie die Buben das Fangen. Es war ungefähr zwei Glockenzüge in der Mittelwache, und nach unserem fünften Glase erzählte Joe Geary folgendes:

Es war in einer dunkeln Winternacht, wir lagen just auf der Höhe von Texel. Wir hatten das Sturmtuch auf und fochten mit den Elementen um jeden Zoll Grund — das Schiff wurde von den Wellen so gepeitscht, daß der Lotmann an das Takelwerk gebunden werden mußte, damit er nicht weggewaschen werde. Da kam mit einemmale ein Windstoß, laut genug, um für die letzte Trompete gelten zu können, und die Wellen tobten heiserer als je. Der Schiffsmast ging dahin, obgleich er kaum mehr Segel trug, als ein Schnupftuch groß ist, das Fahrzeug rollte und stieß in den tiefen Trögen, wie ein armer Sünder in der Verzweiflung stirbt. Und dann war’s ein Wrack, mit nichts, um uns zu helfen, als Gott dem Allmächtigen. Alle Matrosen riefen Gott an und hatten auch alle Ursache dazu.

Nun geht aber die Rede, daß der Leutnant nicht wie ein Christ und Mensch nach dem gerufen habe, der ihn und die bedrohlichen Wasser schuf, obgleich der Tod damals in seiner ganzen Herrlichkeit prangte und die schäumenden Wogenkämme wie Federn über einem Leichenwagen aussahen. Dagegen weinte er wie ein Kind und fluchte dazu fürchterlich, ohne Unterlaß von seinem Gelde, von seinem lieben Gelde sprechend und sich keinen Strohhalm um seine noch kostbarere Seele kümmernd.

Und der Kutter wurde hinuntergetragen, jede Welle riß ihn mit furchtbarer Gewalt näher und näher dem Untergang„ als der Mann am Lot ausrief: Mark Drei, der Herr sei unsern Seelen gnädig! Die Mannschaft hörte dies und rief: Herr, rette uns, oder wir gehen zu Grunde. Aber dennoch dachten sie, daß ihr Stündlein gekommen sei. Einige weinten oder beteten, während sie sich an die Bollwerke des keiner Leitung gehorchenden Schiffes anklammerten, indes andere stumm dem Tode entgegensahen. Aber der Leutnant — er tat alles, er weinte und betete, fluchte und war stumm, wurde aber zuletzt ganz wütend, und als die Matrosen wieder riefen: Herr, hilf uns, Herr, rette uns! brüllte er hinaus: Will denn kein Teufel uns helfen, denn — —. Kaum waren diese Worte aus seinem Munde, als ein Blitzstrahl niederfuhr, der augenscheinlich das Schiff traf, aber ihm ebensowenig, als der darauf folgende Donnerschlag, Schaden tat. Eine blaue Flammenkugel setzte sich auf die Ritterköpfe und kam dann hüpfend und tanzend nach dem Hackebord, wo er allein stand, denn die Matrosen hatten ihn wegen seiner Gotteslästerungen verlassen. Einige sagen, man habe ihn wie in einer Unterhaltung sprechen hören, aber niemand weiß, was vorging. Wie dem sein mag, er kam plötzlich so mannhaft als nur möglich nach dem Vorderschiffe, und die Kreatur folgte ihm, den Kopf und den Schwanz ebenso gesenkt tragend, wie sie’s jetzt tut.

Und der Hund guckte auf, bellte tief, und sobald er gebellt hatte, schien der Wind einzuschlafen. Er bellte wieder, worauf Windstille eintrat. Bei seinem dritten Bellen legten sich die Wogen — er tätschelte den Hund auf den Kopf, und das Tier bellte dann ein paar Minuten ganz laut. Aber man denke sich nun unser Erstaunen und Entsetzen, denn statt in einer schweren Bö ohne Hoffnung auf Kabelslänge von den Texelsandbänken zu sein, sahen wir jetzt, mit klarem Himmel und glattem Wasser, die Forelandlichter nur zwei Meilen von unserem Kiele.“

Der Matrose endigte seine Legende — es trat nun für eine Weile Schweigen ein, welches zuerst durch Jansen mit den gedämpften Worten unterbrochen wurde: „Dann ist der Hund kein Hund.“

„Nein“, versetzte Coble, „er ist ein böser Geist, den der Teufel seinem in der Not befindlichen Jünger heraufgeschickt hat.“

„Ja“, sagte Kurz.

„Gut“, entgegnete Jemmy Entenbein, der für eine Weile aufgehört hatte, die Saiten seiner Fidel zu berühren, „aber ist es dann nicht die Aufgabe eines jeden guten Christen, das Vieh umzubringen?“

„Es ist kein sterbliches Tier, Jemmy.“

„Richtig. Das habe ich vergessen.“

„Der Hund ist ein Kind des Teufels“, bemerkte Jansen.

„Ja, und auch nach ihm getauft“, fuhr Coble fort. „Wer hat je gehört, daß irgend ein Christenvieh einen solchen höllischen Namen gehabt hätte?“

„Aber, was ist da anzufangen?“

„Je nun“, entgegnete Jemmy Entenbein, „mag’s nun ein Satanskobold sein oder nicht, jedenfalls hat ihn Smallbones heute mit seinen eigenen Waffen bekämpft.“

„Und ihn noch obendrein überwunden“, sagte Coble.

„Ja“, erklärte Kurz.

„Nun ist meine Meinung, daß sich Smallbones nicht vor ihm fürchtet“, fuhr Jemmy Entenbein fort, „mag er jetzt ein Teufel sein oder nicht, er wird ihn töten, wenn er kann.“

„Er ist die geeignete Person, es zu tun“, versetzte Coble, „um so mehr, da man sagen kann, er sei sein natürlicher Feind.“

„Ja, mein Gott, der Junge ist der Mann dazu“, sagte Jansen.

„Wir wollen ihm den Vorschlag machen, sobald er aus seiner Hängematte kommt“, entgegnete Jemmy Entenbein.

Man kam einmütig zu dem Beschlusse, daß Smallbones das Tier umbringen müsse, wenn es überhaupt getötet werden könne.

Die einzige Partei, welche darüber nicht um ihre Meinung befragt wurde, war Smallbones selbst, welcher in seiner Hängematte schlief. Die Beratung wurde alsbald geschlossen, und alle begaben sich nach dem Schiffsraume hinunter.

6. Kapitel

Ungeachtet aller Vorsichtsmaßregeln, welche die Gesellschaft in der Back getroffen, war diese Beratung von keiner geringeren Person, als von dem riesigen Korporale Vanspitter belauscht worden, denn dieser hatte sich gedacht, daß etwas im Vorderschiffe vorgehe, weshalb er unter dem Bollwerk weiter gekrochen war, um sich auf dem Fockstagsegel auszustrecken, das zwischen zwei Kanonen lag. Er hatte hierzu den Augenblick gewählt, als die Matrosen eben mit gespannter Aufmerksamkeit auf Bill Spureys Legende von dem ersten Erscheinen des Hundes an Bord lauschten, und da es ihm so weit gelungen war, unbemerkt näher zu kommen, warf er einen Teil des Segels über seinen wohlgemästeten Körper und blieb während des übrigen Gesprächs unentdeckt. Er hörte die Leute hinuntersteigen und verhielt sich noch immer ruhig, bis er glaubte, daß die Back völlig leer sei.

In der Zwischenzeit brütete Herr Vanslyperken, der ohne seinen treuen Begleiter auf dem Hinterdecke auf und ab ging — denn Snarleyyow lag zusammengekauert auf dem Bette seines Gebieters — in tiefen Gedanken, wie er die zwei mächtigsten Leidenschaften unserer Natur, seine Liebe und seinen Haß, befriedigen könne, das eine Mal an die schöne und wohlbeleibte Frau Vandersloosch samt ihren Gulden denkend, das andere Mal sich den verhungerten Smallbones und die Annehmlichkeiten des Kielholens ins Gedächtnis rufend. Die lange Unterhaltung in der Back war dem Falkenauge des Leutnants nicht entgangen. Als die Matrosen sich hinunter begaben, ging er nach dem Vorschiff, um zu sehen, ob er nicht einen Nachzügler aufgreife, welcher, der Unterstützung seiner Kameraden beraubt, durch Furcht veranlaßt werden konnte, ihm den Gegenstand der Verhandlung mitzuteilen. In demselben Augenblicke, in welchem Herr Vanslyperken auf dem Vorderschiff erschien, hatte Vanspitter das Segeltuch abgestreift und war im Begriff, sich von seinem Lager zu erheben. Er erkannte den Leutnant nicht sogleich, weshalb er sich wieder niederließ und das Tuch über sich zog. Herr Vanslyperken bemerkte dieses Manöver und glaubte nun steif und fest, einen der Verschwörer ertappt zu haben. Herr Vanslyperken ging nach der Stelle hin, wo der Korporal so still, aber nicht ganz so klein, wie ein Mäuschen lag. Da legte nun Herr Vanslyperken sein Sprachrohr beiseite, blickte umher, las seine Handspake auf, erhob sie und ließ sie mit der ganzen Kraft seines Armes niederfallen, so daß der Kopf des Vanspitter wie eine ungeheure Kesselpauke erdröhnte.

„Donner und Flammen!“ brüllte der Korporal unter dem Segeltuch hervor, denn er meinte, einer der Matrosen habe sein Lauschen entdeckt und unter dem Vorwande, als kenne er ihn nicht, von der Bedeckung Vorteil gezogen, um sein Mütchen zu kühlen. „Donner und Flammen!“ brüllte er, noch immer in das Segeltuch gehüllt, aus dem er sich loszuwinden bemüht war.

Aber der Leutnant erkannte die Stimme nicht, und ehe sich sein Opfer der Umhüllung entledigen konnte, war die Handspake wieder auf dessen Kopf niedergefallen. Als sich endlich der Korporal wie ein Büffel aus seinem Schlammlager, von dem letzten Schlage fast geblendet, erhob, stürzte er auf den Leutnant zu und schleuderte seinen Befehlshaber köpflings die Vorderluke hinunter.

Vanslyperken lag, von der Gewalt des Sturzes beträubt, regungslos an der Treppe, während der Korporal sich um und um drehte, wie ein Stier, der sich nach Angreifern umsieht. Er hatte jedoch das Vorderkastell ganz allein für sich, und als er sich allmählich abkühlte, sah er dicht neben sich das Sprachrohr seines Vorgesetzten liegen.

„Tausend Teufel“, murmelte Korporal Vanspitter, „es muß der Leutnant gewesen sein. Gott verdamm’s, das ist Galgenarbeit!“

Sobald er seinen Irrtum eingesehen hatte, wurde er so kalt wie eine Gurke. Er zitterte und bebte in seinem Fette.

„Aber vielleicht hat er mich nicht erkannt“, dachte er. „Nein, gewiß nicht, denn mich würde er zuverlässig nie gehandspakt haben.“

Korporal Vanspitter begab sich sodann die Luke hinunter, wo er sich davon überzeugte, daß sein Kommandeur besinnungslos dalag.

„Das ist gut“, dachte er und begab sich nach dem Hinterschiffe, wo er seine Laterne anzündete und den Kunstgriff gebrauchte, daß er an die Kajütentüre klopfte. Da er keine andere Antwort als ein Knurren von seiten Snarleyyows erhielt, ging er hinein, stieg dann nach dem Halbdecke hinauf, sah sich um und fragte den Mann am Steuer, wo Herr Vanslyperken sei. Der Befragte antwortete, er sei vor einigen Minuten nach dem Vorderschiffe gegangen, weshalb der Korporal seine Schritte dahin lenkte. Natürlich fand er ihn nicht. Er kehrte zurück, um dem Manne am Steuer zu sagen, der Leutnant sei weder in der Kajüte noch in der Back — er könne daher nicht begreifen, wo er sein möge. Dann stieg er zu Dick Kurz, dem nächsten Offizier im Kommando, hinunter und rief ihn an.

„Nun?“ fragte Kurz.

„Ich kann Herrn Vanslyperken nirgends finden“, versetzte der Korporal.

„Sucht ihn“, versetzte Dick, sich in seiner Hängematte umdrehend.

„Mein Gott, ich habe in der Back, auf dem Halbdeck und in der Kajüte nachgesehen, er ist nirgends.“

„Über Bord“, entgegnete Dick.

„Ich kam zu Euch, Sir, um Weisung einzuholen“, sagte der Korporal.

„Heraus also“, erwiderte Dick, indem er im Hemde auf das Deck sprang.

Während Kurz sich ankleidete, bot der Korporal seine Seesoldaten auf, und der dadurch veranlaßte Lärm wie auch das Gespräch, welches von den noch nicht Schlafenden gehört worden war, bedeutete der Kuttermannschaft bald, daß dem Kommandeur ein Unfall zugestoßen sein müsse. Sogar Smallbones hatte man ins Ohr geflüstert, Herr Vanslyperken sei über Bord gefallen, und er lächelte im Dunkeln trotz des Schmerzes seiner Wunden, indem er vor sich hinmurmelte, Snarleyyow solle seinem Gebieter bald folgen. Mittlerweile hatte sich Kurz auf dem Hinterdecke eingefunden. Korporal Vanspitter aber, der recht wohl wußte, wo nachzusehen war, hatte zum großen Ärger der Mannschaft Herrn Vanslyperkens Körper aufgefunden. Die Seesoldaten brachten ihn nach der Kajüte und wollten ihn auf sein Bett legen, wurden aber von dem gefühllosen Snarleyyow aufs entschiedenste daran gehindert.

Kurz kam herunter und untersuchte seinen vorgesetzten Offizier.

„Ist er tot?“ fragte der Korporal in größter Unruhe.

„Nein“, versetzte Kurz.

„Aber was ist denn mit ihm?“ fragte der Korporal.

„Betäubung“, antwortete Kurz.

„Mein Gott! Wie mag sich dies zugetragen haben?“

„Heruntergestürzt“, entgegnete Kurz.

„Aber was sollen wir mit ihm anfangen, Sir?“ erwiderte der Korporal.

„Ins Bett“, sagte Kurz, sich umwendend und nach seiner Hängematte gehend.

„Mein Gott, man kann ihn ja wegen des Hundes nicht ins Bett bringen“, rief der Korporal.

„Legen wir ihn nur hinein“, sagte einer der Seesoldaten. „Der Hund wird seinen Herrn nicht beißen.“

Die Seesoldaten erhoben daher den immer noch besinnungslosen Vanslyperken und warfen ihn geradewegs auf den knurrenden Hund, welcher sich, sobald er die Last abgewälzt hatte, dadurch für diese Unbill rächte, daß er seine Zähne mehr als einmal in die Backen seines Gebieters schlug, dann von dem Bette heruntersprang und sich knurrend unter dem Tisch versteckte.

„Ha, du bist mir ein sauberer Hund!“ rief einer der Seesoldaten, Snarleyyow nachsehend.

An Bord eines so kleinen Schiffes befand sich in der Regel kein Wundarzt. Herrn Vanslyperken war zwar eine kleine Menge von Arzneien, Salben und dergleichen vorgeschrieben, aber er pflegte sie stets an einen Apotheker zu verkaufen, sobald er sie von der betreffenden Behörde gefaßt hatte. Die Zähne des Hundes hatten übrigens ihre Wirkung getan, Herr Vanslyperken öffnete seine Augen mit dem matten Ausrufe „Snarleyyow“.

Oh, hätte der Hund auch nur einen Funken von Gefühl gehabt, wie bittere Vorwürfe würde ihm sein Gewissen über die Undankbarkeit gegen einen so gütigen Gebieter gemacht haben! Aber er zeigte keinerlei Reue.

Korporal Vanspitter zitterte ein wenig, als der Befehlshaber seine Augen auf ihn heftete, und verdoppelte seine Aufmerksamkeit.

„Mein Gott, Mynheer Vanslyperken, wie ist denn dies zugegangen?“ rief der Korporal pathetisch.

Der Leutnant befahl nun, daß alle, mit Ausnahme des Korporal Vanspitter, die Kajüte verlassen sollten, und teilte seinem Freunde mit, er sei, als er nach dem Vorderschiff gegangen, von einem der Matrosen durch die Luke hinuntergestoßen worden. Soviel er der Größe nach zu unterscheiden vermocht habe, müsse es Jansen gewesen sein. Korporal Vanspitter war hoch erfreut, seinen Befehlshaber auf der falschen Witterung zu finden, und bekräftigte durch seine Ansicht die des Leutnants, worauf eine lange Besprechung über Meuterei, Unzufriedenheit und die dagegen einzuschlagenden Maßregeln abgehalten wurde. Vanslyperken berührte die Zusammenrottung der Matrosen während der ersten Wache, und der Korporal war hocherfreut, sich die Gunst seines Leutnants dadurch zu gewinnen, daß er die Einzelheiten des Gehörten mitteilte und zugleich beifügte, daß er sich zum Zwecke des Lauschens verborgen habe.

„Und wo habt Ihr Euch verborgen?“ fragte Vanslyperken mit einem spähenden Blicke, denn es fiel ihm ein, daß es für einen so ungeheuer großen Mann kaum einen anderen Lauschwinkel geben konnte als das Segel.

Der Korporal zerstreute jedoch sehr gewandt die Bedenken seines Vorgesetzten, indem er angab, er sei auf der unteren Stufe der Fockleiter gestanden und habe den Kopf in gleicher Höhe mit den Lukenkämmen gehalten. Dies stellte das Vertrauen zwischen beiden wieder her.

7. Kapitel

Es waren drei Wochen einer teilweisen Windstille entschwunden, während welcher Zeit sich Herr Vanslyperken von seinen Wunden erholte und darüber nachdachte, wie er sich Smallbones vom Halse schaffen wolle. Der letztere genas gleichfalls von seinen Bissen und erwog bei sich, wie er mit Snarleyyow fertig werden könne. Der arme Junge hatte sein Amt wieder angetreten, der Leutnant, der über Unheil brütete, behandelte ihn sehr freundlich. Auch Snarleyyow, der seine Niederlage auf dem Halbdeck nicht vergessen hatte, unterließ es, seine Angriffe zu erneuern, selbst wenn Smallbones sich zu einem Stück Zwieback verhalf.

Die ‚Jungfrau‘ ankerte in den Dünen, Herr Vanslyperken erhielt Depeschen für Den Haag und eilte damit nach Amsterdam, wo er seine Beglaubigungsschreiben abgab und auf die Danksagungsbriefe von Seiner Majestät Vettern wartete.

Aber welch’ ein Getümmel und welch’ ein Gewühl gibt es nicht jetzt an Bord der ‚Jungfrau‘! Smallbones hier, Smallbones da — Vanspitter stampft wie ein Elefant umher, und sogar Snarleyyow spaziert ungewöhnlich oft durch die Luke auf und ab. Was mag es geben? Ach, Herr Vanslyperken geht ans Land, um der Witwe Vandersloosch seine Hochachtung zu bezeugen und seine Bewerbungen fortzusetzen. Sein Boot liegt bemannt neben dem Kutter, und er zeigt sich jetzt auf dem Hauptdecke.

Ist es möglich, daß dies Herr Vanslyperken sein kann? Himmel, wie schmuck er aussieht! Eine Uniform tut bei gewissen Leuten wahrhaftig Wunder! Er hat ein Paar weiter blauer Pantalons an und Stiefel darüber, die bis über die Knie heraufgehen, er trägt eine lange Scharlachweste mit großen Goldblumen, und seine blaue Uniform mit roten Aufschlägen gibt ihm eine gar gebieterische Außenseite. An dem breiten schwarzen Bandelier hängt sein Stutzsäbel, dessen Scheide mit Silber beschlagen, das Heft aber mit Elfenbein und Gold ausgelegt ist, während sein kleiner Kopf sich würdevoll unter einem dreieckigen, goldbordierten Hute ausnimmt, dessen vordere Spitze parallel mit seiner scharfen Nase geht. Zuverlässig muß die Witwe vor dem Scharlach, dem Blau und dem Golde ihre Farben streichen. Aber obgleich sich der Sage nach Frauenzimmer wie Makrelen durch derartige Köder fangen lassen, so halten doch Witwen nicht sonderlich viel auf einen Mann, der so dünn ist, wie ein Hering, sondern sind eher dafür bekannt, daß sie einen substanziellen Urstoff vorziehen und sich nicht bereden lassen, den Schatten für das Wesen zu nehmen.

Herr Vanslyperken war demungeachtet recht wohl mit sich zufrieden, was wenigstens etwas war, obgleich nicht genug für die gegenwärtige Gelegenheit. Er stolzierte selbstgefällig auf dem Deck hin und her, erteilte seine Schlußbefehle an Dick Kurz, der wie gewöhnlich kurze Antwort gab, besprach sich mit Korporal Vanspitter, der mit gewohntem militärischen Anstand die Wünsche seines Kommandeurs entgegennahm, und gab zum Schlusse Smallbones die nötigen Weisungen, welcher sie mit aller Demut anhörte.

Der Leutnant war eben im Begriff, in das Boot zu treten, als ihm ein Bedenken aufstieg und er verlegen Halt machte. Es handelte sich um einen nicht unwichtigen Punkt — ob nämlich Snarleyyow ihn begleiten sollte oder nicht. Eine schwierige Frage, die allerdings einige Überlegung forderte. Ließ er ihn an Bord, so wurde der Hund wahrscheinlich vor seiner Rückkehr über Bord geworfen — das heißt, wenn er Smallbones gleichfalls auf dem Schiffe ließ, denn Herr Vanslyperken wußte, daß es ausgemacht war, Smallbones solle das Tier töten. Es war daher nicht rätlich, den Hund an Bord zu lassen, wenn er ihn aber mit ans Land nahm, so drohte seiner eigenen Person große Gefahr, denn die Witwe Vandersloosch konnte den Hund nicht leiden. Kein Wunder, denn er hatte sich in ihrem Besuchszimmer schlimm aufgeführt, und die Frau war eine sehr reinliche Person, welche keine Freude daran hatte, wenn Hunde ihre Beine mit denen ihrer polierten Mahagonimöbel verglichen. Wenn Herrn Vanslyperkens Werbung nach dem alten Sprichwort: „Liebst du mich, so liebe auch meinen Hund“ zur Entscheidung kommen mußte, so hatte er zuverlässig nur eine schlechte Aussicht, denn die Witwe verabscheute den Köter und hatte es sich verbeten, daß er je in ihr Haus gebracht werde. Er konnte daher das Tier nicht mit ans Ufer nehmen — „aber so wird’s gehen“, dachte Vanslyperken, „ich nehme Smallbones mit. Ich habe einigen Zwieback zu verkaufen, er soll mich dahin begleiten und warten, bis ich wieder zurückkomme.“ Smallbones erhielt deshalb Befehl, seinen Hut aufzusetzen und mit zwei Halbsäcken Zwieback ins Boot zu kommen, um sie nach dem Hause der Witwe hinaufzutragen, denn sie erlaubte Vanslyperken nicht nur, ihr den Hof zu machen, sondern verkehrte auch in kleinen Geschäftssachen mit ihm, und war nie so hold und so gnädig, als wenn sie einen Handel schloß. Herr Vanslyperken wartete daher auf Smallbones, welcher bald bereit war, denn sein bester Anzug bestand nur in der Zugabe eines Schuhpaares für seine gewöhnlich nackten Füße und einem Hute für seinen sonst baren Kopf. Herr Vanslyperken, Smallbones und die Zwiebacksäcke waren bereits im Boot, als Snarleyyow seine Absicht andeutete, sich der Partie anzuschließen. Er wurde jedoch zurückgewiesen, und das Boot ruderte ohne ihn ab.

Sobald sich Herr Vanslyperken entfernt hatte, dachte Dick Kurz, der jetzt das Kommando hatte, er könne sich wohl auch selbst Urlaub geben und gleichfalls ans Land gehen. Er zog daher seine beste Kleidung an, ließ das andere Boot bemannen, übertrug das Kommando an den nächsten Offizier, Obadiah Coble, und nahm Jansen, Jemmy Entenbein und vier oder fünf andere mit sich, um einen Kreuzzug zu machen. Inzwischen war Snarleyyow zu dem Entschlusse gekommen, gleichfalls an Land zu gehen, und Kurz mochte ihm nichts in den Weg legen, denn er wußte, Smallbones werde, wenn er mit ihm zusammentreffe, sein bestes tun, um die Bestie in einen der Kanäle, die so bequem in jeder Straße hinliefen, zu werfen. Der Köter erhielt daher Erlaubnis, mit ins Boot zu kommen, und wurde mit der übrigen Gesellschaft ans Land gesetzt, die sich, wie gewöhnlich, nach dem Lusthaus der Witwe Vandersloosch begab.

8. Kapitel