Der Irrtum oder Marlenes erster Auftrag - Patricia Dietrich - E-Book

Der Irrtum oder Marlenes erster Auftrag E-Book

Patricia Dietrich

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Beschreibung

Marlene sucht dringend einen neuen Job. Sie fand heraus, dass ihr Ehemann sie betrügt. Er fordert von ihr die Scheidung und verlangt Unterhalt. Sie ist in keinster Weise gewillt seinen Forderungen nachzukommen. Für Marlene bricht eine Welt zusammen. Zufällig wird in einer kleinen Detektei eine Stelle frei. Marlene greift zu und lernt die Geheimnisse der Detektivtätigkeit kennen. Eines Tages erhält die kleine Privatdetektei einen aufgeregten Anruf einer Millionärin. Die Dame bittet inständig um Hilfe. Sie würde sich in einer dramatischen Situation befinden. Eva, die Chefin der Detektei, nimmt den Auftrag an. Die anfänglichen Ermittlungen ergeben für die beiden Detektivinnen keinen Sinn. Mit einem Trick und einer Undercover Mission kommen sie der Wahrheit auf die Spur. Für eine neue Liebe kann Marlene weder Interesse noch Zeit aufbringen. Eine Zufallsbekanntschaft bringt eines Tages wieder Schwung in ihr Liebesleben. Wird sie sich vollends darauf einlassen, oder....?

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Seitenzahl: 361

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Widmung

Diesen Roman widme ich meinem Vater.

Danksagung

Von meiner Idee einen Roman zu schreiben, war ich entzückt. Die ersten Sätze zu schreiben, begriffen sich federleicht an und in genau demselben Gefühl hämmerte ich viele Wörter in die Tastatur meines Laptops ein. Bald waren 200 Seiten gefüllt. Dann wurde es schwierig. Die Geschichte bekam einen anderen Schwung und ich habe einen großen Umbau vorgenommen.

Großartige Hilfe erhielt ich durch meine Freundinnen Dagmar, Hella und Doris. Für die technische Umsetzung konnte ich meinen Freund Hendrik gewinnen. Ihnen allen gehört mein innigster Dank.

Die Unterstützung durch meinen lieben Peter war in jeglicher Hinsicht fantastisch.

Die Handlung und alle handelnden Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen wäre rein zufällig.

Über die Autorin

Patricia Dietrich wurde 1958 in Schönebeck (Elbe) geboren. Heute lebt sie in einem Dorf unweit ihrer Geburtsstadt.

Die Liebe zur Schreiberei begann schon in ihren Kindertagen. Erst nach der Beendigung ihres Berufslebens hat sie diese Liebe umgesetzt und schrieb ihren Debütroman.

Die Geschichte der Protagonistin Marlene wird weitererzählt. Der Fortsetzungsroman ist bereits in Arbeit.

Inhaltsverzeichnis

Neue Bekanntschaften

Der Betrug

Marlene als Hilfsdetektivin

Die Detektivarbeit beginnt

Eine erste Spur

Der merkwürdige Bericht

Die Observation

Ritchie

Die Probe aufs Exempel

Der Auftrag ist erfüllt

Verliebt

Die Nachfolgerin

Der neue Job

Die bittersüße Rache

Die Überraschung

Der Mann auf der Brücke

NEUE BEKANNTSCHAFTEN

Er steht direkt vor dem Büro, mein schwarzer Sportwagen mit schwarzer Innenausstattung. Ich schreite zu ihm hin, in meinem schwarzen, enganliegenden Kleid. Die Pailletten darauf geben dem Kleid die volle Eleganz. Es ist ein Kleid, welches jede Frau besitzen sollte. Mit der Fernbedienung in der Hand, öffne ich die Verriegelung der Autotür. Die schwarzen, langen, mit Seide gefütterten Handschuhe streife ich mir gekonnt über die Hände, greife zum Türgriff, öffne die Fahrertür und steige schwungvoll in meinen geliebten Sportwagen ein. Der super Sportsitz bietet mir absolute Bequemlichkeit und ich rase mit Bleifuß davon.

Mein Zuhause befindet sich in einem kleinen Vorort von Hoysburg. Die tägliche Heimfahrt führt mich vorbei an einem Wäldchen, dann über eine lange Brücke, welche unseren riesigen See mit dem rechten und dem linken Ufer verbindet. Nach weiteren zwanzig Autominuten biege ich noch zweimal ab und erreiche mit einem guten Gefühl mein Zuhause. Ich steige mit genau demselben Schwung wieder aus und schließe meinen schwarzen Sportwagen ab.

Mit meiner schicken Tasche über dem linken Arm hängend schlage ich den Weg zur Haustür ein. Heute ist sie weit geöffnet. Das Licht im Treppenhaus funktioniert nicht. Noch mit den angezogenen Handschuhen, fingere ich in meiner Tasche nach dem Wohnungsschlüssel. Nachdem ich mehrere Gegenstände, wie Taschentuchpäckchen, Lippenstift und Parfümfläschchen abgetastet habe umfasse ich den Schlüssel. Mit dem linken Zeigefinger taste ich das Schlüsselloch ab und führe den Schlüssel hinein, schließe die Wohnungstür auf und trete ein. Ganz leise lasse ich die Tür ins Schloss fallen und schalte dann erst mit der rechten Hand das Licht ein.

Mein Blick richtet sich direkt auf die Mündung eines Gewehres. Ich erschrecke, schaue weiter am Gewehrlauf entlang und ende im Gesicht meines Ehemannes. Er richtet dieses Gewehr direkt auf mich. >>Was hat er sich denn heute wieder einfallen lassen? <<, blitzt es schlagartig in mir auf. Trotzdem er sehr ernst wirkt, bin ich nur kurz erschrocken. Ich lasse meine Handtasche polternd zu Boden fallen, reiße wie im Film beide Arme hoch und rufe:

„Ich ergebe mich!“, dabei funkele ich meinen Mann mit blitzenden Augen an.

„Philip! Wenn du tatsächlich abdrückst, bin ich tot!“

Bei diesem Gedanken muss ich beinahe lachen.

„Das ist auch meine Absicht“, kontert er, ohne eine Mine zu verziehen.“

Die Situation ist absurd. Ich stehe wie angewurzelt vor ihm und beobachte seinen Finger am Abzug. Dieser zuckt kurz und schon drückt er ab. Ich sehe die Kugel direkt auf mich zufliegen und dann wird es auch schon heiß und laut in meinem Kopf, als ob ich mitten in einem gerade erst gezündeten Feuerwerk sitze. Wundersam folgen meine Augen meinem wegfliegenden Gehirn hinterher. Ich sehe, wie es hinter mir an die Wand klatscht, kleben bleibt und erst einige Momente später sich der natürlichen Anziehungskraft nicht mehr widersetzen kann und von der Wand herunter auf den Boden fällt. Vom Anblick des vielen Blutes an der Wand, falle ich um. Ich kann den eiskalten Fußboden fühlen. Meine Augen öffne ich wieder und versuche mich aufzurichten. Mir fehlt die Kraft. >> Kriechen, ich muss kriechen, ich muss wegkriechen <<, rast irgendetwas in mir. Ich kann nicht mehr denken, mein Gehirn ist nicht mehr da! Im nächsten Moment bleibe ich endgültig am Boden liegen. Meine restlichen Sinne signalisieren meinen Tod.

Schweißgebadet wache ich auf. Der Schleier der Verschlafenheit lässt sich nur durch mehrfaches Reiben meiner Augen vertreiben. Ich realisiere, dass ich in meinem Schlafzimmer bin und ich mich in meinem eigenen Bett befinde, zum Glück. >> Mein Gott, habe ich einen Mist geträumt. << Mein Blick wandert zur Schlafzimmerdecke und der vom Vormieter installierte Spiegel bestätigt mir meine Position.

Das Schlafzimmerfenster ist weit geöffnet. Von draußen dringt Vogelgezwitscher an mein Ohr. Kein Straßenlärm, heute ist Sonntag. >> Marlene, es ist alles in Ordnung <<, rede ich mir ein. Das Vogelgezwitscher klingt etwas anders als sonst. Der Traum ist wieder präsent, aber ich stelle zufrieden fest, dass es so schön ist, ihn, Philip, losgeworden zu sein. Dieser Gedanke versetzt mich in ein Glücksgefühl und ich bin nun richtig wach. Am Bettrand lasse ich die Beine baumeln und strecke mich genüsslich. Dann stehe ich auf. Mein erster Gang führt mich ans Fenster und ich schaue hinaus auf den Parkplatz. Siehe da, mein Auto steht dort sehr ordentlich abgestellt. Aus dem schwarzen Sportwagen ist ein schwarzer Kleinwagen mit schwarzer Innenausstattung geworden. Schade, ein Teil des Traumes hätte ruhig Wirklichkeit bleiben können. Mir fällt auf, wie perfekt er eingeparkt ist. Genau zwischen den weißen Linien der Parkplatzbegrenzungen und sogar rückwärts. >> Wie bin ich in der letzten Nacht nach Hause gekommen? <<, bruchstückhaft bis gar nicht erinnere ich mich an den gestrigen Abend. Auf keinen Fall bin ich selbst gefahren! Ich hoffe, so war es auch! Das Auto muss jemand anderes so fabelhaft eingeparkt haben. Es steht so perfekt auf seinem Platz, dass es doch möglich ist, leicht in das Auto einzusteigen. Nicht wie so oft, dass das Nachbarauto zu dicht an meinem heran geparkt wurde und ich die Tür nicht weit genug öffnen kann, um bequem einsteigen zu können. In diesen Fällen hilft nur, Bauch einziehen, Luft anhalten und sich mit seitlichen Schiebebewegungen durch die schmale Öffnung zu schieben. Zum Schluss der Blick zum anderen Auto. Pu, geschafft, kein Kratzer zu sehen.

Meine Begeisterung über das gut eingeparkte Auto hält noch an, als sich ein Unwohlsein in meiner Magengegend anmeldet. Deshalb drehe ich mich nur langsam um und dabei muss ich mich am Fensterbrett abstützen. Mein Blick endet an der gegenüberliegenden Zimmerwand. Dort steht mein Kleiderschrank. Seit genau vier Jahren klemmt die linke Tür. Diese Seite des Schrankes benutze ich sowieso nicht mehr so oft, denn dort hängt nur Kleidung aus längst vergangenen Tagen. Mir wird schlecht! >> Ich muss schnellsten ins Bad <<, schießt es mir in den Kopf. Doch ich schaffe es nur noch bis zum Kleiderschrank, hefte meine Hände hinter mir an die rechte Schranktür und rutsche ganz, ganz langsam zu Boden. >> Das bin nicht ich. Nein, das ist ein Irrtum. << Der ovale, schlank an der Wand lehnende Spiegel zeigt mir ganz deutlich meine jetzige Situation und ruft eine Erinnerung in mir wach. Ein Irrtum, stimmt ich bin ein Irrtum. Das Grummeln in meinem Magen nimmt zu und ich muss vom Boden aufstehen.

Jetzt hilft nur noch ein Pfefferminztee. Der Geruch dieses Tees lässt mich auch ohne Magendrücken jedes Mal grün im Gesicht anlaufen. Doch bei solchen Gelegenheiten wie dieser, hilft er immer, dieser Tee. Wer denn sonst? Es ist doch niemand anderes hier. Alle Kraft zusammennehmend, schaffe ich es knapp zur Küche zu gehen und den verhassten Tee zu kochen. Dann hieve ich mich mit letzter Kraft auf meinen Küchenstuhl. Den Teebeutel in meiner aus Rom mitgebrachten Tasse, welche natürlich mit verschiedenen Motiven aus Rom versehen ist, schwenke ich nachdenklich hin und her. >>Nein, du musst dich zusammenreißen <<, rede ich mir ein und lege im nächsten Moment meinen Kopf auf den Tisch. Der Geruch des Tees steigt in meine Nase. Den Teebeutel nehme ich aus der Tasse heraus und überwinde ich mich, ein paar Schlucke zu trinken. Er schmeckt eklig. Ich muss mich schütteln.

Den vor mir auf dem Küchentisch liegenden Flyer schaue ich mir genauer an und aha, wie bei einem Gewitter mit Wolkenbruch, schlägt es in meinem Gehirn ein. Ich kann mich plötzlich an den gestrigen Abend erinnern. Ja, so war es. Alles fing harmlos an, aber irgendwie ist der Abend dann ausgeufert.

Mit meinem Auto holte ich meine Freundin Eva ab und wir fuhren zu dieser neuen Diskothek, in welche man nur mit einer Erlaubnis durch den Türsteher eingelassen wird. Gestern hat sich die Tür für mich, wie von Geisterhand geöffnet. Ich war dieses Mal perfekt gekleidet. Ach ja, Eva erklärte mir, es heißt nicht Diskothek, sondern Club. Stimmt, habe ich doch gewusst.

*****

Rückblickend hatten wir es vor einigen Wochen schon einmal versucht, in diesem Club einen Abend zu verbringen. Mein Talent, peinliche Gelegenheiten nicht auszulassen, ist großartig. Wir reihten uns am Einlass zu den anderen wartenden, tanzfreudigen Menschen in die lange Schlange ein. In der Zeit bis zum Erreichen der Tür, beobachtete ich die Menschen um mich herum. Meine Vorfreude auf diesen Abend mit Eva war riesig und ich grinste vor mich hin. Die anderen Gäste in ihrer schicken, hippen Kleidung imponierten mir. Das schrittweise Vorrücken vollzog sich recht zügig. Der Türsteher, in seinem ärmellosen Shirt und den vielen Tätowierungen an den Armen, nickte nur jeder Person zu. Alle verstanden sofort die Bedeutung dieses Nickens, denn ihr Einlass war genehmigt. Je weiter wir vorrückten, desto mehr bekam ich den Eindruck, dass der Türsteher an Größe gewann. So einen riesigen Menschen hatte ich zuvor noch nie gesehen. Ich bin dran. Meinen Kopf ins Genick werfend, schaute ich zu ihm hoch in ein riesig dickes Gesicht. Seine winzig schmalen sich zu Schlitzen verengten Augen stachen mit einem furchteinflößenden Blick zu mir herunter. Der unförmige Kopf deutete nicht, wie bei allen Gästen vor mir, in Richtung Club Tür. Stattdessen erhielt ich ein Nickzeichen nach links, in Richtung Straße. Ich stand wie festgewurzelt vor ihm, schaute immer noch mit großen Augen zu ihm hoch und bemerkte erst durch ein Ziehen an meiner Jacke, dass irgendetwas nicht stimmte. Eva zog mich weg. Sie sagte nur ein kurzes Komm und deutete auch mit einem Nicken ihres Kopfes in Richtung Straße. Der wollte mich nicht hineinlassen. Ohne jegliche Begründung bekam ich eine saftige Abfuhr.

Diese riesige Enttäuschung stand mir wie bei einem kleinen Kind, welches den versprochenen Lutscher nicht bekam, ins Gesicht geschrieben. Ich war frustriert und Eva auch.

„Warum hat der mich nicht hineingelassen, Eva? “

„Lass uns zu dir fahren und den Abend in deiner Küche verbringen,“ antwortete Eva leicht gereizt.

Evas Satz hallte während der Autofahrt in meinem Kopf noch nach und ich konnte eindeutig Enttäuschung heraushören. Eva war lieb, aber mir machte sie nichts vor. Ich hakte nach und erhielt natürlich eine Antwort, die ich nicht hören wollte. Es lag an meinem Outfit. Die pinkfarbene Jacke und die Hose passten nicht so recht dort hin. Dieser Hosenanzug war mein ganzer Chic. Eva meinte nur kurz:

„Ja, diese Mode war einmal. Marlene, wie viele Menschen hast du in der letzten Zeit mit so einem oder so ähnlichem Outfit gesehen? “

Ich formte meinen Mund zuerst spitz und presste dann meine Lippen fest aufeinander.

„Diesen Hosenanzug könntest du demnächst mal aussortieren. Nun schau nicht so, es ist doch kein Weltuntergang.“

In meinem, ohne Zweifel, knallroten Gesicht konnte Eva meine Scham ablesen. Wir fuhren wortlos weiter zu mir nach Hause.

Am Küchentisch richteten wir uns gemütlich ein. Ich entkorkte eine Flasche Wein und wir stießen auf einen nichtstattgefunden Clubabend an. Nach den zweiten Glas Wein konnte ich dann schon wieder lachen und wir machten uns über den skurrilen Türsteher lustig. Nach dem dritten Glas Wein planten wir unseren nächsten Versuch, diesen Club zu entern.

Eva versprach mir eine Beratung in puncto Outfit.

*****

Gestern war es also wieder so weit.

Die Schlange der Wartenden war nicht so lang wie damals. Ich betete zu Gott, mir einen anderen Türsteher hinzustellen. Gott hatte mich erhört. Der Einlass verlief wie ein Länderspiel. Der heutige riesige Türsteher hatte nichts an mir auszusetzen. Mit Evas Hilfe trug ich ein megastarkes Outfit. Mein Kleid ähnelte dem Kleid in meinem Traum. Dazu trug ich High Heels und eine schicke Tasche. Die Statur des gestrigen Türstehers war fast identisch mit dem Türsteher von damals, aber dieser hier hatte einen viel sympathischeren Gesichtsausdruck. Kurz, fast wie nebenbei, sah er zu mir herunter und ein lockeres Nicken seines Kopfes deutete in Richtung Eingang. Wir waren drin. Unmittelbar nach dem wir ein paar Meter weiter diese heiligen Hallen betreten hatten, rutschte mir schon ein „Wow“ heraus. Was ist das denn? So etwas habe ich noch nie gesehen. So eine Wahnsinns-Diskothek. Und wie die alle angezogen sind, ach herrje. Ich kam mir, trotz meines schicken Kleides, nicht passend gekleidet vor. Ich schaute zu Eva und flüsterte ihr ins Ohr, dass ich zu alt für das hier wäre. Eva meinte, dass es ganz und gar nicht so sei und ich diese großartige Atmosphäre erst einmal genießen sollte. Schnell fügte sie noch an, dass sie ja dann auch zu alt wäre. Die laute Musik, die Einrichtung im Stil der 60-ziger und die musikgesteuerte Partybeleuchtung wirkten auf mich gewaltig und umwerfend zugleich.

Wir suchten uns einen Platz direkt an der Bar und bestellten uns jeder einen Cocktail mit dem wohlklingenden Namen Mojito. << Erst einmal einen Überblick verschaffen <<, dachte ich mir. Wir stießen mit unserem ausgezeichneten Getränk an und sahen uns um. Es vergingen keine fünf Minuten, die wir auf diesen geilen Barhockern verbrachten, als ein sehr gut aussehender Mensch männlichen Wesens, direkt auf mich zusteuerte. Ich dachte nur noch >> Mein Gott sieht der gut aus. << Eilends richtete ich mich kerzengerade auf, senkte meine Schultern und schaute ihn mit meinem schönsten Lächeln an, umsonst. Er bog direkt vor mir ab, beugte sich zu Eva und gab ihr ein Bussi. Ba, da waren sie wieder, meine inneren Zweifel. Obwohl mir Eva schon öfter beteuerte, dass ich die nicht haben muss. Ich sei eine attraktive Frau, aber genau in solchen Situationen befällt mich eine diese Skepsis.

>> Na gut <<, dachte ich nur noch und sah, wie beide sich umarmten. Danach stellte Eva mich ihm, diesem gottähnlichen Menschen vor und sofort im Anschluss gingen sie tanzen. Sie kennen sich, begreife ich einige Sekunden später und ich blieb mit meinem Mojito allein zurück.

Der Barkeeper schaute zu mir herüber und in seinem Blick sah ich so etwas bedauernswertes. >> Der wird doch kein Mitleid mit mir haben? << Ich zog aus großer Verlegenheit einen riesigen Schluck vom Mojito durch den pappigen Strohhalm und stellte fest, dass Gott und Eva von den vielen Menschen auf der Tanzfläche geradezu verschluckt wurden. Ich konnte sie nicht mehr sehen. Derweil fühlte ich mich allein. Der Barkeeper hatte zum Glück zu tun. >> Eva hätte ruhig noch ein bisschen länger bei mir bleiben können<<, schmollte ich vor mich hin. Ich trank den Mojito aus und bestellte mir einen zweiten. >> Wenn man nicht mehr Diskothek sagt, sagt man auch nicht mehr Mugge zur Musik. Oder war damit nur handgemachte Musik gemeint? <<, das wollte ich Eva unbedingt später fragen. Die Tanzfläche war mit jungen Leuten rappelvoll, welche die Arme immer wieder hochrissen und nur so vor purer Lebenslust herumsprangen. Die sich im Farbenspiel drehenden Diskokugeln, die Musik, kurz die gesamte Atmosphäre war geil.

In diesem Licht glitzerte mein Kleid prachtvoll und seine Farbe wechselte von dunkel auf hell. Irre, einfach irre. Von meinem Barhocker aus versuchte ich, Eva zu entdecken, aber es war mir immer noch nicht möglich. Das Gewimmel auf der Tanzfläche gab mir keine Chance. Die großartig geschminkten Gesichter der jungen Mädchen und auch einiger Frauen, fast in meinem Alter, leuchteten vor Glück.

Tatsächlich bin ich seit Jahren mit meinem Lippenstift und der Wimpernspirale zufrieden, aber dann war es auch genug damit. Aber was man hier zu sehen bekam, war traumhaft. Mit der Zunge fuhr ich über meine Lippen, schaute, ohne den Kopf zu bewegen, nur mit den Augen nach rechts und links. >> Die könnte ich mal nachziehen, << kurzentschlossen hüpfte ich vom Barhocker herunter und schlug den Weg in Richtung Toilette ein. Im Waschraum betrachtete ich mein Gesicht im Spiegel. >> Gar nicht so übel, Marlene <<, stellte ich überzeugt fest und fuhr mit dem Zeigefinger sanft über meine Wangen. Falten waren noch fast keine zu finden. Ich malte meine Lippen mit einem kräftigen Rot nach, schüttelte meine Haare auf, streckte mich und verließ zufrieden den Waschraum.

Auf dem Weg zurück zur Bar, drängte ich mich an die eng im Gang stehenden Partymenschen vorbei. Mein Platz war besetzt, wie auch alle anderen Plätze an der Bar. Unsere Cocktails hatte der nette Barkeeper abgeräumt. >> Mist <<, dachte ich und versuchte Blickkontakt zu ihm aufzunehmen. Mit meinem rechten Arm winkte ich ihm zu, aber er übersah mich glatt. >> Das nennt man in der zweiten Reihe stehen <<, flammte es in mir auf. Er sah immer noch nicht zu mir herüber. Daraufhin stellte ich mich auf meine Zehenspitzen und versuchte noch mehr seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Meine unmöglichen Verrenkungen fielen dem Typen, welcher auf meinem Platz saß, auf.

Freundlich lächelnd, drehte er sich zu mir um und fragte, ob er mir vielleicht helfen könne. Er war kein gottähnlicher Typ, eher normal. >> Was ist normal? In etwa so, wie der auf meinem Platz <<, ging mir durch den Kopf. Jedenfalls war er nett und ich bat ihn, den Barkeeper für mich heranzurufen. Der Typ hob seinen linken Arm und schon reagierte der Barkeeper auf ihn. Er kam mit einer schwarzen Fliege auf weißem Hemd und einer schwarzen Hose bekleidete zu ihm. Daraufhin rutschte der Typ auf meinem Platz ein wenig zur Seite, so dass ich mich zwischen ihn und seinem Nachbarn zwängen konnte. Entschieden rief ich dem Barkeeper meine Bestellung zu. Dieses Mal sah er mich nicht so mitleidig an, gut so.

Im selben Moment wurde der Platz neben dem normalen Typen frei und prompt bot dieser mir ihn an. Mein Gesicht zeigte ein Lächeln, denn der normale Typ war mir nicht unsympathisch. Es kam, wie es kommen musste, wir unterhielten uns. Er war nicht nur normal, er war auch nett und lustig. Meinen Cocktail schlürfte ich während unserer Unterhaltung nebenbei aus und bestellte mir noch einen weiteren. Dieser normale Typ brachte mich sogar zum Lachen. Ich glaube, er hieß Holger, nicht der Cocktail, sondern der normale Typ. Von Eva war immer noch weit und breit nichts zu sehen. Wir beide plauderten über vieles und als ob es ihm unheimlich auf der Zunge brannte, erzählte er mir von seinem neuen Auto, einem schwarzen Sportwagen. Erst gestern hat er diese Wahnsinnsanschaffung getätigt und er würde gern mit mir darauf anstoßen. >> Wow, der Typ ist nett und auch noch so cool. Mein zehn Jahre alter schwarzer Kleinwagen muss aber noch durchhalten <<, diese Überlegung wurde durch das Zurückkehren von Eva unterbrochen. Sie hatte Gott im Schlepptau. >> Wegen der „Mugge“ wollte ich sie fragen <<, fiel mir spontan ein, doch ich stieß noch rasch mit Holger an und...und???

Oh, ich weiß ich nicht mehr weiter, denn ich fühle mich, wie vom Himmel ausgespuckt in meine Küche zurückkatapultiert und sitze immer noch auf meinem Küchenstuhl. Es fröstelt mich. Der Geruch des verhassten Pfefferminztees veranlasst mich noch ein paar weitere Schlucke zu trinken. Die Frage, wie ich denn nun nach Hause gekommen bin, kann ich mir immer noch nicht beantworten.

Ich strenge mich an, aber ich habe leider keine Erinnerung mehr. Mein Kopf brummt. >> Meine Güte, so laut kann mein Kopf nicht brummen. Kommt das Brummen von draußen? <<, langsam drehe ich meinen Kopf zum Küchenfenster, schaue hinaus und freue mich wieder über mein perfekt eingeparktes Auto. Es steht nach wie vor exakt und wunderbar auf seinem Platz. Heute, am Sonntag, verläuft alles sehr ruhig da draußen. Dann muss dieses brummende Geräusch irgendwo anders herkommen. >> Vielleicht ist es doch in meinem Kopf? Die Cocktails schmeckten mir gestern zu gut. Oh ja, eine schöne heiß-kalte Dusche wird mich wieder fit machen. Großartige Idee! << Um langsam vom Küchenstuhl hochstehen zu können, stütze ich mich am Küchentisch mit beiden Händen ab. Dann schlage ich den Weg in Richtung Bad ein. Im Flur, auf Höhe der geschlossenen Wohnzimmertür höre ich das gleiche Brummen von eben. Leicht zweifelnd lege ich mein Ohr an die Tür und horche. Es brummt. Ich entscheide nachzuschauen. Das Öffnen dieser Tür ist nur mit beiden Händen gleichzeitig möglich. Sie klemmt auch, wie meine Schranktür.

Also, zuerst die Klinke mit einem Ruck herunterdrücken und dabei gleichzeitig die Tür leicht anheben. Mit dieser Praktik bin ich im Laufe der Zeit versiert. Noch die Klinke in der Hand und bei halb geöffneter Tür halte ich inne und kann nicht glauben, was ich sehe. Das kann nicht sein. Mit den Fingern reibe ich meine Augen. Es hilft alles nicht. Ich sehe der Tatsache ins Gesicht. Was da so brummt oder besser gesagt, wer da so schnarcht und auf meiner Couch liegt ist Gott. Dieser gottähnliche Typ aus dem Club, Evas Freund. >> Was macht der in meiner Wohnung und dann noch auf meiner Couch? Nein, quatsch, ich halluzinieren. <<

Daraufhin schließe ich die Wohnzimmertür und gehe zurück in die Küche. >> Warum gehe ich in die Küche? << Hier stehe ich unentschlossen und entscheide mich für einen zweiten Versuch ins Bad zu gelangen.

>>Oh, geht es mir dreckig. << In meinem langen Flur muss ich halt machen und mich an die Wand lehnen. Mir wird schlecht. >> Hoffentlich schaffe ich es noch bis zum Klo <<, sind gerade meine Gedanken, aber dann ist es auch schon zu spät. Ich kotze in den Flur. Nein, ich kann nicht mehr. Oh, ist mir schlecht. Ich sehe mein Erbrochenes liegen und ekle mich. Igitt, wie das aussieht. Mein Bauch verkrampft sich. Den Weg zur Toilette kann ich nur noch in gebückter Haltung fortsetzen. Die Wohnzimmertür passiere ich ein zweites Mal und höre wieder dieses Brummen. Ist mir egal, wer oder was da brummt, denn ich kann nur in kleinen Trippelschritten den acht Meter langen Flur bis zur Toilette hinter mich bringen. Geschafft, Deckel hoch und darüber beugen.

Nach einigen Minuten in dieser Position verharrend, drücke ich mich vom Toilettenrand hoch und drücke die Toilettenspülung. Dann bewege ich mich im Zeitlupentempo, nur mit den Händen an der Wand tastend in Richtung Waschbecken. Das Waschbecken ist nur zwei Meter von dem Toilettenbecken entfernt, aber für mich an diesem Morgen zu weit. Mit einem letzten großen Schritt erreiche ich es sicher. Wie fauliges Obst fühlt sich der Geschmack in meinem Mund an. Ein riesengroßer Schluck Wasser muss helfen. Mein Hals schmerzt.

Ich schaue in den Spiegel und öffne weit meinen Mund. Mein Rachen ist knallrot und rau. >> Kein Wunder, nach dieser Anstrengung mit dem Übergeben. << Aber, ich fühle ich mich leicht besser. Ein zweiter intensiverer Blick in den Spiegel lässt mich erschauern. Diese Frau kenne ich nicht. Die von mir, in der Nacht nicht entfernte Wimperntusche, ist unter meinen Augen verlaufen und die Haut ist dadurch geschwärzt und sieht eulenhaft aus. Die Haarspange steht ungewollt mit einem Büschel meiner Haare in die Höhe. So, wie ich mich fühle, sehe ich auch aus. Ich befreie mein Gesicht von den Resten der Schminke und versuche anschließend meine langen Haare zu entwirren.

Das sichere Stehen fällt mir schwer, denn ich gerate leicht ins Schwanken. Zur Sicherheit stütze ich mich am Waschbeckenrand ab. Mein Aufenthalt im Bad dauert heute extra lange. Noch den Kamm in der Hand schaue ich schlagartig an mir herunter und stelle fest, dass ich immer noch mit meinem kurzen Hemdchen bekleidet bin. >> Oh, ich wollte mir Hose und Shirt aus dem Schrank nehmen, ursprünglich, bevor ich dachte, dass Gott auf meiner Couch liegt. << Meine Gedanken benötigen heute Morgen mehr Zeit, um sich zu ordnen. „Marlene“, sage ich zu mir selbst, „bitte alles der Reihe nach. Zuerst zum Schlafzimmer gehen, Hose und T-Shirt anziehen und dann den Schaden im Flur beseitigen.“

Auf dem Weg zum Schlafzimmer mache ich an der Wohnzimmertür halt, lege mein Ohr an, es brummt nicht mehr. >> Na also, geht doch <<, bestätige ich mich selbst und schaffe den Weg zurück ins Schlafzimmer.

Mit den Füßen fest vor dem Schrank stehend, entnehme ich aus der rechten Seite des Schrankes Hose und Shirt, ziehe mich an, schaue in den Spiegel und kämme noch einmal meine Haare. Um etwas Farbe in mein Gesicht zu zaubern, kneife ich mir in die Wangen. >> Schon besser. Siehst du, Marlene, es wird alles wieder gut. <<

Mit einem Lappen und dem lila Eimer bewaffnet beginne ich den Schaden im Flur zu beheben. Dabei schweifen meine Gedanken ab,

>> liegt da Gott auf meiner Couch, oder war ich vorhin nur noch nicht so richtig bei mir? Wenn es Gott ist, ja, wenn es Gott ist, was mache ich denn dann? Wenn es nicht Gott ist, was mache ich dann? Liegt denn überhaupt jemand dort? <<

Der beißende Geruch meines Erbrochenen zwingt mich schnellstens zu handeln.

Die Sache mit Gott lässt mir keine Ruhe und ich gehe vollen Mutes in Richtung Wohnzimmertür. Langsam, ganz langsam und auch ganz leise drücke ich die Klinke herunter, hebe dabei die Tür an, öffne sie und ... ich blicke direkt in Gotts Gesicht. Mir entfleucht nur ein „Oh!“

Eine Baritonstimme redet mich an:

„Na, geht es wieder?“, Gott spricht.

Jetzt ist alles egal. Grinsend antworte ich:

„Ja, alles prima. Es geht mir gut.“

Ich stehe wie festgewurzelt im Türrahmen. Mein Bauch beginnt wieder zu rumoren. Gott gleicht Herakles. Doch dieser Gott ist mit Boxershorts und einem enganliegenden Unterhemd bekleidet. Ich muss meinen Blick abwenden. Diese Situation ist für mich schwierig auszuhalten. Mein Anstand gebietet es mir, ihn auch einzusetzen. Ich schaue zur Seite, drehe ich mich schwungvoll um, so dass meine Haare mir ins Gesicht fliegen. Praktisch durch meine Haare sprechend bitte ich kurzerhand meinen Gast mir in die Küche zu folgen.

Ich bilde mir ein, einen unstillbar verlangenden Blick aus Gotts Mine gelesen zu haben. Deshalb trifft mich seine Frage unverhohlen hart.

„Darf ich mich erst anziehen?“

Ein kurzes „Okay“, rufe ich ihm über meine rechte Schulter zu und begebe mich weiter in Richtung Küche. >> Bloß nicht die Nerven verlieren, Marlene. Er ist kein Gott. Er ist ein Mann. <<

Den Kaffeeautomat schmeiße ich flugs an und decke so schnell es geht den Tisch. >> Hoffentlich schmeckt ihm meine selbstgekochte Marmelade <<, fällt es mir ein und schon steht Gott hinter mir.

„Darf ich hereinkommen?“

„Ja, ja gerne. Bitte, nimm` hier am Tisch Platz.“

Ich zeige auf den zweiten Stuhl am Küchentisch und setze mich, immer noch leicht beschämt, zu ihm.

Gott schaut mich strahlend an und beginnt eine Art Erklärung:

„Ich glaube, es gibt einiges zu erklären. Du bist zu

Recht überrascht, mich hier vorzufinden.“

Seine sonore Stimme formt jedes Wort in einen wohligen Klang und verzaubert mich derart, dass ich ihn unentwegt anstarre und hoffe, noch nicht antworten zu müssen. Ich versinke in diese Farbstimme und befinde mich im Ausnahmezustand. Meine Sinne hängen noch an seinen Lippen, doch diese sind geschlossen und seine strahlenden Augen schauen mich fragend an. >> Er erwartet eine Antwort von mir <<, rauscht es durch mein Gehirn und ich fange an zu stottern:

„Nein, nein, na ja doch, ich weiß nicht so recht. Es ist schon ungewöhnlich, dich hier vorzufinden. Erklär es mir doch bitte.“ >> Man habe ich mich schwergetan. <<

Seine Erklärung war ernüchternd für mich.

„Du und Eva, ihr seid im Club gewesen, erinnerst du dich?“

Ich nicke kurz, als ob ich das nicht wüsste.

„Eva und ich tanzten und du bliebst an der Bar sitzen.

Höchstwahrscheinlich hast du etwas zu viel getrunken, denn Holger meinte…“.

Ich unterbreche ihn sofort als ich den Namen Holger höre.

„Holger? Der Typ neben mir an der Bar? Der hieß tatsächlich Holger?“

„Ja, Holger.“

>> Ich bin so froh, dass mich mein Gehirn doch nicht ganz verlassen hat und ich mich richtig erinnert habe. << Gott spricht weiter:

„Holger meinte, dass du immer lustiger wurdest und dir das Sprechen nicht mehr so leichtfiel, bevor Eva und ich zu euch an die Bar zurückkamen. Ich hob dich dann hoch.“

„Hochgehoben? Von wo?“

„Vom Fußboden, du bist mit dem Barhocker umgekippt. Du wolltest unbedingt vorführen, wie du zu Hause vor dem Spiegel das Wedeln beim Skifahren übst. Dabei lehntest du dich so weit nach hinten, dass du samt Hocker umgekippt bist.“

„Und dann?“

„Dann lagst du unten, hast laut gelacht und gesagt: Das war ein Superschwung. Danach hast du nichts mehr gesagt. Eva gab mir deine Adresse, zog den Autoschlüssel aus deiner Tasche und ich fuhr dich heim.“

Nach dieser Erläuterung meiner nicht mehr vorhandenen Erinnerung, hätte ich fast „Vielen Dank Gott“ gesagt. Aber zum Glück besinne ich mich noch rechtzeitig und frage mich, bei wem ich mich bedanken darf >>, hat Gott einen Namen? << Meine Frage ist etwas ungelenk.

„Warum bist du denn, sorry, ich meine, die ganze Nacht hiergeblieben? Und wie ist dein Name?“

>> Meine Güte, hoffentlich versteht der mich nicht falsch. <<

„Ich dachte, dass du das wüsstest. Eva hatte uns einander vorgestellt.“

Ich denke nach und stütze dabei das Kinn auf meine rechte Hand. >> Eva hatte uns vorgestellt, stimmt nicht, sie hat nur mich vorgestellt, seinen Namen hat sie nicht genannt. <<

„Ich bin Ritchie und freue mich dich, Marlene, kennenzulernen.“

>> Marlene, Marlene, wie er meinen Namen ausspricht, so richtig galant. << Meine Eltern gaben mir diesen alten, aus meiner Sicht, eher schrulligen Namen. Ich fühlte mich lange Zeit damit nicht so richtig wohl. Wenn sie wenigstens noch einen zweiten Namen dazu gesetzt hätten, dann wäre ich heute vielleicht eine Marlene Sophie oder eine Marlene Luise. Alle Namen sind besser als nur Marlene. Schon dieses „Mar“, wie Markus oder Martin und dieses „Lene“. Früher riefen die Kinder oder die alten Tanten Lenchen. In den letzten Jahren habe ich mich an meinen Vornamen gewöhnt und festgestellt, dass es noch viel ungewöhnlichere Vornamen gibt.

Bei seinem Vornamen Ritchie, muss ich sofort an meine Lieblingsband „Deep Purple“ mit dem weltbesten Gitarristen Ritchie Blackmore denken. Wow, so ein Name und so ein cooler Typ. Ritchie Blackmore sowieso und bei diesem Ritchie hier, wird es sich noch herausstellen.

Wie vom Blitz getroffen, fällt mir der Kaffee ein. Vergessen! Ich springe, mit einer Entschuldigung auf den Lippen und der Frage an ihn, ob mit oder ohne Milch, vom Stuhl hoch. An meinem geliebten Kaffeeautomat drücke ich die entsprechende Taste und in Sekundenschnelle kann ich ihm eine wunderbare Tasse Kaffee, ganz nach seinem Wunsch, anbieten. Gott bedankt sich.

Mir ist heiß geworden, vielleicht bin ich auch knallrot im Gesicht, nein, nicht vielleicht, sondern ich bin es mit Sicherheit. >> Ich bin peinlich <<, sind meine Gedanken und dabei fette ich mir eine Semmel mit Butter und Marmelade und trinke einen Schluck Kaffee aus meiner Romtasse. Eine unangenehme Stille herrscht in meiner Küche. Keiner von uns beiden spricht ein Wort. >> Es ist an mir, mich zu bedanken und das werde ich auch in aller Förmlichkeit tun <<, lege ich mir zurecht und beginne so:

„Ritchie, vielen herzlichen Dank fürs nach Hause bringen und dass du mein Auto so wunderbar eingeparkt hast. Weißt du, ich vertrage keinen Alkohol, aber ich war seit langer Zeit mal wieder in einem Club und da ist es passiert. Es tut mir leid, dass ich mich so aufgeführt habe. Bitte entschuldige.“

>> Ba, es ist raus <<, denke ich noch bei mir und bemerke, wie seine schönen blauen Augen auf mir ruhen. Diesen Moment noch nachsinnend, erschrecke ich mich, denn Ritchie beugt sich zu mir vor und ein Gedanke bäumt sich in mir auf >>, der wird mich doch nicht küssen wollen? << Nein, leider, er fasst mich nur leicht am Arm und sagt:

„Du musst dich nicht entschuldigen, das ist doch jedem schon passiert und du scheinst dir auch nicht weh getan zu haben, oder doch?“

Ich nehme meinen Arm etwas enttäuscht zur Seite.

„Nein, es tut mir nichts weiter weh, habe Glück gehabt. Du kennst doch den Spruch: Kleine Kinder und Betrunkene haben immer Glück.

Wir grinsen uns an und eine Frage brennt mir auf der Zunge.

„Seid ihr, du und Eva ein Paar?“

„Nein, nein, wir sind kein Paar, wir kennen uns nur gut. Sie hilft mir zurzeit in einer prekären Situation.“

„Ach so“, sage ich nur kurz und denke sofort, >> wobei? Gott ist doch nicht so göttlich. <<

Ohne weiterzusprechen, umfasst er seine Tasse mit der rechten Hand, dreht seinen Kopf zur Seite und schaut aus dem Fenster. Mit dieser Aussage lässt er mich sitzen. Na gut, ich schaue auch etwas aus dem Fenster und freue mich wieder sofort über mein doch so perfekt eingeparktes Auto. Weil heute Sonntag ist, passiert da draußen nicht viel und es gibt auch nichts Besonderes zu sehen. Er, Gott, schaut immer noch raus. Mir wird das zu blöd und ich versuche mich durch ein Räuspern wieder in Erinnerung zu bringen. Er reagiert nicht.

>> Mm <<, denke ich und spreche ihn noch einmal an:

„Wartet denn niemand auf dich?“

Ohne seinen Blick vom Fenster zu wenden, antwortet er:

„Ja, doch, schon.“

„Momentan bin ich ausgezogen und habe bei Eva einen Unterschlupf gefunden. Dort kann ich nicht mehr lange bleiben, denn unsere Verabredung auf ihre Gastfreundschaft betraf nur einige wenige Tage. Ich hoffte, dass sich die Sache mit meiner Frau wieder einrenkt. Wir lieben uns, ja, aber im Moment doch nicht so sehr.“

„Dann bist du rausgeflogen?“

Sein Kopf dreht sich schnell und er schaut mich erschrocken an.

„So kann man das nicht bezeichnen, ich bin gegangen.“

Ich kann aus seinem Blick sehr viel Traurigkeit lesen. Mir wird klar, >> Gott ist auch nicht allmächtig. Hoffentlich stellt er mir nicht die gleiche Frage wie Eva. Bei mir ein paar Tage wohnen zu wollen? <<, schnell und kurzentschlossen rede ich weiter:

„Das tut mir leid. Wie lange seid ihr schon verheiratet?“

„Seit zehn Jahren.“

„Habt ihr im Moment Kontakt zueinander?“

„Ja, morgen wollen wir uns treffen, um miteinander zu reden, aber weiter weiß ich auch nicht.“

>> So oder so ähnliche Erfahrungen habe ich auch schon gemacht. Es ist schon erstaunlich, wie schnell es Philip, mein Ex, wieder geschafft hat, in meinem Kopf präsent zu sein. Ich leide immer noch unter unserer Trennung. <<

Durch diese Gedanken werde ich unruhig. Anspannung macht sich bei mir breit und ich möchte Gottloswerden. Deshalb lenke ich unser Gespräch bewusst in eine andere Richtung.

„Okay, dafür wünsche ich dir viel Glück. Für heute habe ich einen Vorschlag. Weißt du, ich möchte dich gern zum „Italiener“ einladen, so als Dankeschön fürs Nachhause bringen und danach kann ich dich direkt bei Eva absetzen. Was hältst du davon?“

>> Hoffentlich nimmt er mir das nicht übel <<, kommt es mir in den Sinn. >> Ist meine Gesprächswendung ist für ihn vielleicht doch etwas zu spontan? <<

„Gute Idee, danke“, spricht die Baritonstimme doch recht schnell zu mir und Gott lächelt mich an. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Meine schlimmsten Befürchtungen sind ausgeblieben. >> Er hat es bemerkt <<, bin ich mir sicher, aber er hat sich nichts anmerken lassen. Er bringt das Gespräch auf mein Bücherregal im Wohnzimmer und fragt mich, wann ich die vielen Bücher gelesen habe. Diese Frage kann ich nicht beantworten, falsches Fragewort. Denn ich glaube, es würde ihn nicht interessieren, wann ich diese Bücher gelesen habe. Ich verstehe seine Frage aber trotzdem und frage nach, ob er ein Lieblingsgenre hat. Er liest gern Kriminalromane, aber auch Reiselektüre. Schnell gestaltet sich zu diesen Themen ein Gespräch zwischen uns. Ich biete ihm an, Bücher von mir auszuleihen. Er bedankt sich und ich biete ihm an, sich doch gleich Bücher auszusuchen. Er entscheidet sich für zwei Krimis.

Die Mörder hinter uns lassend, dränge ich zum Gehen und wir begeben uns auf den Weg zu meinem Auto.

*****

Der Restaurantbesuch mit Gott verlief nett. Wir unterhielten uns über Filme. Ich bezahlte die Rechnung und anschließend fuhr ich ihn direkt zu Eva.

Er bedankt sich bei mir für die Einladung und fragt, ob es ein Wiedersehen zwischen uns geben könne.

„Ja gern, wenn du mir die Bücher zurückbringst.“

Er grinst mich an, verabschiedete sich, nun doch, mit einem Kuss auf meiner Wange, steigt aus meinem Auto aus und geht in Richtung Evas Haustür. Ich winke noch einmal kurz hinüber, lege den ersten Gang ein und brause davon. Geschafft!

Die Rückfahrt zu meiner Wohnung genieße ich. Sonntags ist in unserer Kleinstadt nicht viel los. Die meisten Einwohner sind zu Hause oder verbringen bei schönem Wetter ihre Freizeit an unserem herrlichen See. In der Saison wird unser Ort regelmäßig von Touristen überflutet, denn durch den „Luisensee“ ist unser Städtchen über die Landesgrenzen hinweg bekannt geworden. Beim Passieren unserer großen Brücke, habe ich doch so einen possierlichen Gedanken.

>> Eva wird doch nicht etwas eingefädelt haben? Warum hat sie mir nichts von ihm erzählt und dass er sogar bei ihr wohnt? Wie istsienach Hause gekommen? <<

Mein Auto parke ich gut auf dem Parkplatz ein, steige aus und gehe zu meiner Wohnung. Noch den Wohnungstürschlüssel in der Hand, nehme ich mein Handy aus der Tasche und rufe während ich die Tür ins Schloss fallen lasse, Eva an. Anrufbeantworter. Zweiter Versuch, wieder nur der AB. Egal. Ich schaue auf die Uhr und stelle fest, dass der Nachmittag schon fast vorbei ist. Jetzt werde ich meine langersehnte Dusche nehmen.

DER BETRUG

Heute ist wieder so ein Tag, den ich am liebsten aus meinem Leben streichen würde. Es steht ein Gerichtstermin mit Philip an. Seit zwei Jahren leben wir getrennt und sind geschieden. Er verlangt Unterhalt von mir. Ich hasse ihn. Diesen Menschen habe ich einmal so sehr geliebt. So ein Sauhund, so ein Mistkerl. Er betrügt mich und ich darf dafür zahlen. Das ist nicht gerecht.

Wegen Philip musste ich mir auch einen Rechtsbeistand suchen. Meine erste Rechtsanwältin konnte mir noch Hoffnung machen, dachte ich jedenfalls. Sie war nicht die Hellste, aber für jeden einzelnen Brief eine Rechnung schreiben, dafür reichte es. Sie hatte nichts erreicht. Ich gab ihr den Laufpass, wie vor ihr schon meinem Mann. Die zweite Rechtsanwältin war pfiffiger. Zwischen uns stimmte die Chemie. Sie konnte mich besser verstehen und ging die Sache gleich ganz anders an.

Mein Ex hatte einen männlichen Advokaten gewählt. In der Branche kennt man sich. Ich hoffe, nur nicht zu gut.

Unsere Scheidung war vorprogrammiert. Der komplette Ärger fing durch einen dummen Zufall an. Diese Misere sollte dann auch bald unsere Ehe beenden, fast wie im Film.

*****

Wir waren seit 11 Jahren verheiratet. Philip war mein Traummann gewesen. Schon bei unserem ersten Aufeinandertreffen, faszinierte er mich. Er stand im Supermarkt vor mir an der Kasse. Ich bemerkte sofort, der Typ hat das gewisse Etwas.

Ich, super schlank, lange, blonde Haare, trug mein schönstes Kleid, denn meine Freundin Eva und ich waren im Begriff auszugehen. Weil ich damals noch rauchte, sprang ich rasch noch in diesen Supermarkt, um eine Schachtel Zigaretten zu kaufen. Eva wartete draußen.

Mein Ziel im Supermarkt war sofort die Zigarettenbox an der Kasse. Er stand direkt vor mir. Mein Ex, also Philip war damals ein Bild von einem Mann. Groß, schlank, die schwarzen, halblangen welligen Haare locker nach hinten gekämmt. Er wirkte sehr beeindruckend auf mich. Ich beobachtete ihn von hinten. Selbst kaufte er nur eine Tüte Mehl und eine Tüte Zucker ein. Die Einkäufe waren für Mutti, das erfuhr ich später. Ob er meinen Blick auf seinem Rücken spürte? Raffiniert und mit einem Ruck drehte er sich zu mir um. Ich schaffte es nicht, meinen Blick schnell genug abzuwenden. Das war mir peinlich und er bemerkte es. Wir sahen uns direkt in die Augen und es hatte bei mir Wumm gemacht. Ein toller Typ. >> Wow, was war das denn? <<, dachte ich bei mir und völlig unpassend mischte sich die Kassiererin in unseren Blickkontakt ein.

„Na, wollen sie nicht?“

Er schenkte mir ein Lächeln, senkte seinen Blick zur Geldbörse und wandte sich der Kassiererin zu. Das Bezahlen seines Einkaufs ging ruck zuck. Die beiden Tüten griff er schnell und bevor er die Kasse verließ, zwinkerte er mir noch einmal zu. Wir sahen uns mit großen Augen wie zwei Verliebte an. Ich wäre als Nächste an der Reihe gewesen, aber dann steht, wie aus dem Nichts, eine Kassiererin neben mir. Es war Kassenwechsel.

>> Wie ärgerlich, diesen Typen siehst du nie wieder. << Die Zeit zwischen dem Kassenwechsel kam mir wie eine Ewigkeit vor. Die beiden Kassiererinnen unterhielten über irgendwelche Belanglosigkeiten. Ich drehte die Packung Zigaretten in meinen Händen hin und her und schaute wahllos ständig um mich herum. Um mir meine Aufregung nicht zu sehr anmerken zu lassen, legte ich die Schachtel Zigaretten auf das Band. Dort schob ich sie noch ein paar Mal hin und her. Die Kassiererin setzte das Kassenband in Bewegung und ich war an der Reihe. Das Geld hatte ich passend in der Hand, bezahlte und dachte nur noch, >> nichts wie raus hier. << Hoffnung stieg in mir auf, ihn eventuell draußen doch noch zu sehen. Dieses Gefühl der Erwartung einem Mann gegenüber überraschte mich. >> Wenn er noch draußen stehen sollte, würde ich mich trauen ihn anzusprechen? << Es stand ein riesengroßes Fragezeichen vor meiner Stirn. >> Na gut, es ist wie es ist. Der ist weg. Vielleicht ist er verheiratet und hat nur mal einen Blick auf eine attraktive Frau, wie mich, geworfen. <<

Nein, stopp, dort stand er. Wow!!! >> Ob er was vergessen hatte <<, ging es mir sofort durch den Kopf. Nein, denn sein Körper bewegte sich schwungvoll auf mich zu. Ich bremste meinen Weg zu Eva spontan ab. Vor lauter Aufregung zuppelte ich an meinem Kleid herum. Es war auch keine Zeit mehr für irgendwas, denn er sprach mich prompt an:

„Ich möchte ihnen ein Kompliment machen. Sie sehen in dem Kleid bezaubernd aus. Ich heiße Philip.“

Ich bekam nur ein „Ja“ heraus.

„Daraus schließe ich, dass Sie für heute Abend schon eine Verabredung haben?“

Wieder Ruhe. Ich glotzte ihn nur an und antwortete wieder nur mit einem „Ja“, fühlte mich dabei sehr geschmeichelt und stand ihm immer noch stocksteif gegenüber. Sofort setzte er eine nächste Frage nach:

„Darf ich sie zu einem späteren Zeitpunkt einladen?“