Der Judenstaat - Theodor Herzl - E-Book

Der Judenstaat E-Book

Theodor Herzl

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Beschreibung

Theodor Herzl: Der Judenstaat - Das programmatische Fundament zur Grundsteinlegung des Staates Israel | Neu lektorierte Ausgabe (2022), mit zahlreichen erklärenden Fußnoten | Zionismus (abgeleitet vom geschichtsträchtigen Berg Zion in Jerusalem) bezeichnet eine Bewegung, die auf die Gründung eines jüdischen Staates abzielt, ein Gedanke, den es seit Jahrhunderten gab. Theodor Herzl (1860-1904), der Autor von »Der Judenstaat« hatte also zahlreiche Vorläufer, dennoch wurde gerade er, der wenig religiöse und zunächst am Thema uninteressierte Journalist zum wirkmächtigsten Vertreter des politischen Zionismus und Wegbereiter zur Gründung des Staates Israel im Jahre 1948 - rund 44 Jahre nach seinem Tod. | Herzls Erfolg fußt auf Energie, Hartnäckigkeit und Einfallsreichtum. So organisierte er den ersten Zionistischen Weltkongress (29. bis 31. August 1897) in Basel, gründete ihr Presseorgan »Die Welt«, ebenso den »Jewish Colonial Trust« als finanzielle Basis der Bewegung, und erläuterte vielen Politikern seine Pläne. In seiner Schrift »Der Judenstaat« erklärt er systematisch und detailliert, wie dieser Staat politisch organisiert sein und welche Werte und Prinzipien gelten sollten. Die Verfassung sollte flexibel, modern und laizistisch sein, mit strikter Trennung von Religion und Staat. | Doch eines hatte schon Herzl unterschätzt: die Landnahme löste Empörung bei den umgebenden arabischstämmigen, durch und durch muslimisch geprägten Volksgruppen und Staaten aus. Bereits einen Tag nach der offiziellen Gründung (am 14. Mai 1948) wurde Israel von einer Allianz sechs muslimischer Staaten massiv militärisch angegriffen. Die junge Nation ging siegreich aus diesem Palästinakrieg (auch Israelischer Unabhängigkeitskrieg genannt) hervor und behauptete sich, doch der Konflikt dauert bis heute an.

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INHALT

Vorwort des Herausgebers

DER JUDENSTAAT

Vorrede

Einleitung

Allgemeiner Teil

Die Jewish Company

Ortsgruppen

Society of Jews und Judenstaat

Schlusswort

VORWORT DES HERAUSGEBERS

MITTE DES 19. JAHRHUNDERTS rollte – wie so oft zuvor in der Geschichte – eine neue Welle des Antisemitismus durch Europa. Ein junger Mann österreich-ungarischer Herkunft, aus jüdischem Hause stammend, erlebte dies in seinem Umfeld: Theodor Herzl (1860–1904) war weder besonders religiös, noch hatte er intensive Beziehungen zur jüdischen Gemeinschaft, nicht in Budapest, wo er aufwuchs; zu Beginn auch nicht in Wien, wo er Jura studierte und später als vielbeschäftigter Journalist, Politik- und Kulturredakteur arbeitete.

Er war eher ein am Thema wenig interessierter Bohème1, wie er sich einmal beschrieb, sogar selber mit zeittypischen Ressentiments gegenüber anderen Juden ausgestattet. Doch nach und nach gelangte Herzl durch eigene Erfahrungen und Lektüre2 zu der Überzeugung, dass aufgrund von Antisemitismus, gesetzlicher Diskriminierung und gescheiterter Assimilation der Juden in den jeweiligen Mehrheitsgesellschaften, zwangsläufig ein jüdischer Staat gegründet werden müsse.

Zionismus3 bezeichnete eine Bewegung, die auf die Gründung eines jüdischen Staates abzielt, ein Gedanke, den es seit Jahrhunderten gab. Der Begriff selbst wurde vom Wiener Schriftsteller und Herausgeber Nathan Birnbaum (1864–1937) geprägt. Theodor Herzl hatte also zahlreiche Vorläufer und Mitstreiter, und dennoch wurde gerade er zum wirkmächtigsten Vertreter des politischen Zionismus und Wegbereiter zur Gründung des Staates Israel im Jahre 1948 – rund 44 Jahre nach seinem Tod.

Herzls Erfolg fußt sicher auf der enormen Energie, die er dem Projekt widmete, auf seiner Hartnäckigkeit und seinem Einfallsreichtum, wenn es darum ging, führende Persönlichkeiten auf seine Seite zu ziehen. So organisierte er den ersten Zionistischen Weltkongress (29. bis 31. August 1897) in Basel, gründete ihr Presseorgan Die Welt, ebenso den Jewish Colonial Trust als finanzielle Basis der Bewegung. Er erläuterte vielen Politikern seine Pläne, etwa Kaiser Wilhelm II. und dem türkischen Sultan Abdülhamid II., und warb in Rom bei Papst Pius X. (der jede Unterstützung ablehnte) für sein Vorhaben der Gründung eines jüdischen Staates.

Ein Baustein für Herzl Wirkmächtigkeit ist die vorliegende Schrift ›Der Judenstaat‹, in der er systematisch und detailliert erklärt, wie dieser Staat politisch organisiert sein und welche Werte und Prinzipien gelten sollten. Sogar auf Detailfragen ging er ein, etwa wie viele Arbeitsstunden eine Woche haben sollte, und wie das Militär auszustatten sei. Auch den Bau von Arbeiterwohnungen und die Einführung von Arbeitsdiensten für unqualifizierte Arbeiter sprach er an. Die Verfassung dieses Gemeinwesens sollte flexibel, modern und laizistisch sein, mit strikter Trennung von Religion und Staat.

Doch selbst jüdische Zeitgenossen betrachteten diesen Entwurf als realitätsfremdes Phantasieprodukt, als unrealisierbare Utopie – nicht viel anders als Thomas Morus’ ›Utopia‹. So schrieb etwa Anton Bettelheim4 in den ›Münchner Allgemeinen Nachrichten‹ vom »Faschingstraum eines durch den Judenrausch verkaterten Feuilletonisten«.5 Die Zeit bewies, dass Herzl den richtigen Weg verfolgte. Nach dem großen Menschheitsverbrechen des 20. Jahrhunderts, dem durch die Nazis angerichteten Holocaust, war die Gründung Israels ein Schritt zur Heilung des jüdischen Volkes. Im November 1947 beschlossen die Vereinten Nationen die Teilung des damals britischen Mandatsgebietes Palästina in einen jüdischen und einen arabischen Staat6. Am 14. Mai 1948 gründete sich der Staat Israel.

Doch eines hatte schon Herzl unterschätzt: die Landnahme löste Empörung bei den umgebenden arabischstämmigen, durch und durch muslimisch geprägten Volksgruppen und Staaten aus. Bereits einen Tag nach der offiziellen Gründung wurde Israel von einer Allianz sechs muslimischer Staaten (Ägypten, Saudi-Arabien, Syrien, Libanon, Irak und dem damaligen Transjordanien) massiv militärisch angegriffen. Die junge Nation ging siegreich aus diesem Palästinakrieg (auch Israelischer Unabhängigkeitskrieg genannt) hervor und behauptete sich, doch der Konflikt dauert bis heute an.

© Redaktion Kallisto, 2022

1Zitat Herzl, 1903: [Ich] wusste damals nicht viel vom Jüdischen. Ich war ein dem Judentum Entfremdeter, ein Boulevardier. Ein Rabbiner bin ich auch jetzt nicht, und in den Tempel gehe ich nur in Basel am Samstag der Kongresswoche. Dort grüße ich auch mehr den Gott meiner Väter als meinen eigenen. Denn mit meinem Gott kann ich auch ohne Rabbiner und vorgeschriebene Gebete verkehren.

2 Etwa das populäre Buch ›Die Judenfrage als Racen-, Sitten- und Culturfrage‹ (1881) vom Ökonomen Eugen Dühring (1833–1921), das zu einer Art Bibel für Antisemiten wurde. Dühring wurde damit zu einem Vordenker des Nationalsozialismus.

3 Der Begriff Zionismus (abgeleitet vom geschichtsträchtigen Berg Zion in Jerusalem) setzte sich schnell als geläufige Bezeichnung für die jüdische Nationalbewegung durch, nicht nur bei Befürwortern und Gegnern des Zionismus, sondern auch bei Antisemiten.

4Anton Bettelheim (1851–1930) war ein österreichischer Literaturwissenschaftler, Übersetzer und Schriftsteller, der dem jüdischen Glauben angehörte.

5 Heute sieht man das respektvoller. Der Publizist und Buchautor Henryk M. Broder (*1946) schrieb über Herzl: »Ein bürgerlicher Wiener Jude, der von seinen Freunden nicht ernst genommen wurde und von seinen Feinden als Scharlatan und Demagoge verschrien wurde, gab den Massen armer Juden in Osteuropa, von deren Existenz er bis dahin kaum eine Ahnung hatte, Hoffnung auf ein besseres Leben noch vor dem Tode. Herzls Judenstaat war ein grandioser utopischer Entwurf, [...] ein entschiedener Bruch mit der jüdischen Tradition des passiven Leidens und des Wartens auf die Erlösung durch die Ankunft des Messias.«

6 Diese ›Zweistaatenlösung‹ ist bis heute nicht verwirklicht

DER JUDENSTAAT

VORREDE

DER GEDANKE, den ich in dieser Schrift ausführe, ist ein uralter. Es ist die Herstellung des Judenstaates.

Die Welt widerhallt vom Geschrei gegen die Juden, und das weckt den eingeschlummerten Gedanken auf.

Ich erfinde nichts, das wolle man sich vor allem und auf jedem Punkt meiner Ausführungen deutlich vor Augen halten. Ich erfinde weder die geschichtlich gewordenen Zustände der Juden, noch die Mittel zur Abhilfe. Die materiellen Bestandteile des Baues, den ich entwerfe, sind in der Wirklichkeit vorhanden, sind mit Händen zu greifen; jeder kann sich davon überzeugen. Will man also diesen Versuch einer Lösung der Judenfrage mit einem Wort kennzeichnen, so darf man ihn nicht ›Phantasie‹, sondern höchstens ›Kombination‹ nennen.

Gegen die Behandlung als Utopie muss ich meinen Entwurf zuerst verteidigen. Eigentlich bewahre ich damit nur die oberflächlichen Beurteiler vor einer Albernheit, die sie begehen könnten. Es wäre ja keine Schande, eine menschenfreundliche Utopie geschrieben zu haben. Ich könnte mir auch einen leichteren literarischen Erfolg bereiten, wenn ich für Leser, die sich unterhalten wollen, diesen Plan in den gleichsam unverantwortlichen Vortrag eines Romans brächte. Aber das ist keine solche liebenswürdige Utopie, wie man sie vor und nach Thomas Morus7 so häufig produziert hat. Und ich glaube, die Lage der Juden in verschiedenen Ländern ist arg genug, um einleitende Tändeleien überflüssig zu machen.

Um den Unterschied zwischen meiner Konstruktion und einer Utopie erkennbar zu machen, wähle ich ein interessantes Buch der letzten Jahre: ›Freiland‹ von Dr. Theodor Hertzka8. Das ist eine sinnreiche Phantasterei, von einem durchaus modernen, national-ökonomisch gebildeten Geist erdacht, und so lebensfern, wie der Äquatorberg, auf dem dieser Traumstaat liegt. ›Freiland‹ ist eine komplizierte Maschinerie mit vielen Zähnen und Rädern, die sogar ineinander greifen; aber nichts beweist mir, dass sie in Betrieb gesetzt werden könne. Und selbst, wenn ich Freilands-Vereine entstehen sehe, werde ich es für einen Scherz halten.

Hingegen enthält der vorliegende Entwurf die Verwendung einer in der Wirklichkeit vorkommenden Treibkraft. Die Zähne und Räder der zu bauenden Maschine deute ich nur an, in aller Bescheidenheit, unter Hinweis auf meine Unzulänglichkeit und im Vertrauen darauf, dass es bessere ausführende Mechaniker geben wird, als ich einer bin.

Auf die treibende Kraft kommt es an. Und was ist diese Kraft? Die Judennot.

Wer wagt zu leugnen, dass diese Kraft vorhanden sei? Wir werden uns damit im Kapitel über die Gründe des Antisemitismus beschäftigen.

Man kannte auch die Dampfkraft, die im Teekessel durch Erhitzung des Wassers entstand und den Deckel hob. Diese Teekesselerscheinung sind die zionistischen Versuche und viele andere Formen der Vereinigung ›zur Abwehr des Antisemitismus‹.

Nun sage ich, dass diese Kraft, richtig verwendet, mächtig genug ist, eine große Maschine zu treiben, Menschen und Güter zu befördern. Die Maschine mag aussehen, wie man will.

Ich bin im Tiefsten davon überzeugt, dass ich Recht habe – ich weiß nicht, ob ich in der Zeit meines Lebens Recht behalten werde. Die ersten Männer, welche diese Bewegung beginnen, werden schwerlich ihr ruhmvolles Ende sehen. Aber schon durch das Beginnen kommt ein hoher Stolz und das Glück der innerlichen Freiheit in ihr Dasein. Um den Entwurf vor dem Verdacht der Utopie zu schützen, will ich auch sparsam sein mit malerischen Details der Schilderung. Ich vermute ohnehin, dass gedankenloser Spott durch Zerrbilder des von mir Entworfenen das Ganze zu entkräften versuchen wird. Ein im Übrigen gescheiter Jude, dem ich die Sache vortrug, meinte: ›das als wirklich dargestellte zukünftige Detail sei das Merkmal der Utopie‹. Das ist falsch. Jeder Finanzminister rechnet in seinem Staatsvoranschlag mit zukünftigen Ziffern und nicht nur mit solchen, die er aus dem Durchschnitt früherer Jahre oder aus anderen vergangenen und in anderen Staaten vorkommenden Erträgen konstruiert, sondern auch mit präzedenzlosen Ziffern, beispielsweise bei Einführung einer neuen Steuer. Man muss nie ein Budget angesehen haben, um das nicht zu wissen. Wird man darum einen Finanzgesetzentwurf für eine Utopie halten, selbst wenn man weiß, dass der Voranschlag nie ganz genau eingehalten werden kann?

Aber ich stelle noch härtere Zumutungen an meine Leser. Ich verlange von den Gebildeten, an die ich mich wende, ein Umdenken und Umlernen mancher alten Vorstellung. Und gerade den besten Juden, die sich um die Lösung der Judenfrage tätig bemüht haben, mute ich zu, ihre bisherigen Versuche als verfehlt und unwirksam anzusehen.

In der Darstellung der Idee habe ich mit einer Gefahr zu kämpfen. Wenn ich all’ die in der Zukunft liegenden Dinge zurückhaltend sage, wird es scheinen, als glaubte ich selbst nicht an ihre Möglichkeit. Wenn ich dagegen die Verwirklichung vorbehaltlos ankündige, wird Alles vielleicht wie ein Hirngespinst aussehen.

Darum sage ich deutlich und fest: ich glaube an die Möglichkeit der Ausführung, wenn ich mich auch nicht vermesse, die endgültige Form des Gedankens gefunden zu haben. Der Judenstaat ist ein Weltbedürfnis, folglich wird er entstehen.

Von irgendeinem Einzelnen betrieben, wäre es eine recht verrückte Geschichte – aber wenn viele Juden gleichzeitig darauf eingehen, ist es vollkommen vernünftig, und die Durchführung bietet keine nennenswerten Schwierigkeiten. Die Idee hängt nur von der Zahl ihrer Anhänger ab. Vielleicht werden unsere aufstrebenden jungen Leute, denen jetzt schon alle Wege versperrt sind, und denen sich im Judenstaat die sonnige Aussicht auf Ehre, Freiheit und Glück eröffnet, die Verbreitung der Idee besorgen.

Ich selbst halte meine Aufgabe mit der Publikation dieser Schrift für erledigt. Ich werde das Wort nur noch nehmen, wenn Angriffe beachtenswerter Gegner mich dazu zwingen, oder wenn es gilt, unvorhergesehene Einwände zu widerlegen, Irrtümer zu beseitigen.

Ist das, was ich sage, heute noch nicht richtig? Bin ich meiner Zeit voraus? Sind die Leiden der Juden noch nicht groß genug? Wir werden sehen.

Es hängt also von den Juden selbst ab, ob diese Staatsschrift vorläufig nur ein Staatsroman ist. Wenn die jetzige Generation noch zu dumpf ist, wird eine andere, höhere, bessere kommen. Die Juden, die wollen, werden ihren Staat haben und sie werden ihn verdienen.

7Sir Thomas Morus (1478–1535) war ein englischer Staatsmann und humanistischer Autor der Renaissance. Da er sich weigerte, die Autorität Heinrichs VIII. als über jener der katholischen Kirche stehend zu beeiden, ließ der König ihn 1535 als Hochverräter hinrichten. Morus’ Roman ›Utopia‹ gilt als Beginn des Genres des utopischen Romans.

8Theodor Hertzka (1845–1924), Schriftsteller und Journalist, Gründer der ›Wiener Allgemeine Zeitung‹. Er beeinflusste mit seinem Roman ›Freiland‹ den Zionisten Theodor Herzl.

EINLEITUNG

DIE VOLKSWIRTSCHAFTLICHE EINSICHT von Männern, die mitten im praktischen Leben stehen, ist oft verblüffend gering. Nur so lässt sich erklären, dass auch Juden das Schlagwort der Antisemiten gläubig nachsagen: wir lebten von den ›Wirtsvölkern‹, und wenn wir kein ›Wirtsvolk‹ um uns hätten, müssten wir verhungern. Das ist einer der Punkte, auf denen sich die Schwächung unseres Selbstbewusstseins durch die ungerechten Anklagen zeigt. Wie verhält es sich mit dem ›Wirtsvolklichen‹ in Wahrheit? Soweit das nicht die alte physiokratische Beschränktheit enthält, beruht es auf dem kindlichen Irrtum, dass im Güterleben immer dieselben Sachen rund laufen. Nun müssen wir nicht erst, wie Rip van Winkle9, aus vieljährigem Schlaf erwachen, um zu erkennen, dass die Welt sich durch das unaufhörliche Entstehen neuer Güter verändert. In unserer vermöge der technischen Fortschritte wunderbaren Zeit sieht auch der geistig Ärmste mit seinen verklebten Augen rings um sich her neue Güter auftauchen. Der Unternehmungsgeist hat sie geschaffen.

Die Arbeit ohne Unternehmungsgeist ist die stationäre, alte; ihr typisches Beispiel die des Ackerbauers, der noch genau dort steht, wo sein Urvater vor tausend Jahren stand. Alle materielle Wohlfahrt ist durch Unternehmer verwirklicht worden. Man schämt sich beinahe, eine solche Banalität niederzuschreiben. Selbst wenn wir also ausschließlich Unternehmer wären – wie die törichte Übertreibung behauptet – brauchten wir kein ›Wirtsvolk‹. Wir sind nicht auf einen Rundlauf immer gleicher Güter angewiesen, weil wir neue Güter erzeugen.

Wir haben Arbeitssklaven von unerhörter Kraft, deren Erscheinen in der Kulturwelt eine tödliche Konkurrenz für die Handarbeit war: das sind die Maschinen. Wohl braucht man auch Arbeiter, um die Maschinen in Bewegung zu setzen; aber für diese Erfordernisse haben wir Menschen genug, zu viel. Nur wer die Zustände der Juden in vielen Gegenden des östlichen Europa nicht kennt, wird zu behaupten wagen, dass die Juden zur Handarbeit untauglich oder unwillig seien.