Der Karatehamster stellt die Weichen! - Tina Zang - E-Book

Der Karatehamster stellt die Weichen! E-Book

Tina Zang

0,0

Beschreibung

Neo, der mutige Hamster mit den besten Karate-Moves, hat ja schon einiges erlebt, aber das? Da klaut doch tatsächlich jemand Vogelfutter. Äußerst merkwürdig, finden Neo und seine Freunde und machen sich sogleich an die Aufklärung des Falles. Ob sie den Täter oder gar die Täterin überführen können? ZU allem Überfluss verliert Hamster Lee auch noch sein Gedächtnis. Aber vielleicht kann ja die kluge Hamsterdame Mariechen helfen!

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 165

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Für Pinselchen, unserenwackeren Einohrkater

Tina Zang

Der Karatehamster

… STELLT DIE WEICHEN!

Mit Illustrationenvon Claudia Fries

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikationin der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internetunter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Neue Rechtschreibung

© 2019 by Obelisk Verlag, Innsbruck Wien

Coverentwurf: Claudia Fries

Lektorat: Regina Zwerger

Alle Rechte vorbehalten

Druck und Bindung: Finidr, s.r.o. Český Těšín, Tschechien

ISBN 978-3-85197-907-7

eISBN 978-3-85197-943-5

www.obelisk-verlag.at

INHALT

Wenn es schneit, sind wir bereit!

Wichteln mit Schrott macht Hamster flott

Während Lee und ich chillen, will Chan lieber grillen

Welcher Blödel stiehlt die Knödel?

Ich erfahre unsre Adresse und Jan denkt an die Presse

Inga und Fred sind total nett

Eine Welt, die mir gefällt

Lee ist in Bedrängis. Es naht das Verhängnis!

Als Lee nicht mehr pennt, wirkt er dement

Heilung? Von wegen! Wir müssen ihn pflegen.

Wer wird mich bewahren vor all den Gefahren?

Zwei Hamster mit Jäckchen singen Schneeflöckchen

Wieso hat Vincent das getan? Verfolgt er einen fiesen Plan?

Polsterhocken und erste Flocken

Herr Blitz hält’s für einen Witz

Sein Leben war kurz, doch das ist uns schnurz

Ich fühle mich top im Geschenke-Shop

Diese Hypnose ging voll in die Hose

Wir sind zu viert ganz differenziert

Reichlich Stress mit dem Hamsterexpress

Es gibt nichts zu petzen – es bleiben nur Fetzen

Es weihnachtet sehr vom „Himmel hoch“ her

WENN ES SCHNEIT, SIND WIR BEREIT!

„Schneit es schon?“, fragte Chan bestimmt schon zum hundertsten Mal in dieser Nacht. Ich war auf seine Bitte hin durch ein Loch in der Abdeckung aus unserem Glaskäfig geklettert und hatte mich aufs Fensterbrett gehangelt, um durch einen Spalt im Rollladen nach draußen zu spähen. Der Vorgarten der Familie Yusumi lag im Schein einer Straßenlaterne, so dass ich deutlich sehen konnte, dass absolut nichts los war. Der Vogelfutterspender, der an einem kargen Baum hing, schwankte leicht hin und her. Auf dem Gehweg kam ein Mann vorbei. Er trug eine dicke Jacke und eine Mütze mit einem Bommel darauf und führte einen Schäferhund an der Leine. Der Hund schnüffelte am Gartenzaun und hob ein Hinterbein, um sich zu erleichtern.

Endlich gab es etwas zu berichten. „Es schneit zwar nicht, aber es pisst“, sagte ich.

„Heißt das, dass es regnet?“, fragte Chan.

„Nein, es heißt, dass ein Hund an unseren Gartenzaun pinkelt.“

„So eine Frechheit“, regte Lee sich auf.

Während wir drei Hamster putzmunter waren, schlief unsere Besitzerin Kira tief und fest. Sie hatte es gut. Sie durfte am nächsten Tag in die Schule gehen, während Chan, Lee und ich seit Wochen Tag für Tag und Nacht für Nacht in der Einstreu hockten und das wahre Leben verpassten. Es war so öde, dass sogar ein pinkelnder Hund eine Abwechslung darstellte.

Im Herbst, als es draußen von Tag zu Tag kälter wurde, hatte Kira uns zu Ausflügen mitgenommen, indem sie uns in Wollbeutel steckte. Doch jetzt war es noch kälter und die Wollbeutel schützten uns nicht mehr genug. Der Winter ist also eine Jahreszeit, die Hamster nur von drinnen erleben dürfen. Hoffentlich dauerte dieser doofe Winter nicht zu lange, denn ich sehnte mich nach den warmen Sommermonaten! Ich wollte endlich wieder auf Jans Schulter sitzen und Abenteuer erleben.

Jan ist Kiras Freund, mit dem sie gemeinsam Fälle löst. Jan ist auch mein Freund, deswegen darf ich immer mit dabei sein, wenn die beiden Spuren verfolgen. Den letzten Fall mussten Kira und ich allerdings ohne Jan lösen, weil er im Reiturlaub war.

Als Jan zurückkam, hatte Kira ihn gebeten, eine beheizbare Transportbox für Chan, Lee und mich zu bauen, doch bis jetzt hatte ich davon noch nichts gesehen. Und erwähnt hatten er und Kira die Box auch nicht mehr. Da Menschen die Hamstersprache nicht verstehen, konnte ich sie nicht danach fragen. Es war zum Verrücktwerden!

„Schneit es schon?“, fragte Chan.

„Nein“, antwortete ich. „Keine einzige Flocke. Warum bist du überhaupt so auf Schnee erpicht? Wir dürfen sowieso nicht raus.“

„Das macht nichts. Mir würde schon der Anblick reichen“, sagte Chan. „Schnee ist wunderschön. So weiß und rein.“

Wir kannten Schnee bisher nur aus dem Fernsehen. Ich muss gestehen: Ich war auch ziemlich neugierig, wie die Straße und der Vorgarten aussahen, wenn sie verschneit waren. Aber der Anblick allein würde mir nicht reichen. Ich wollte unbedingt wissen, wie sich Schnee anfühlt. Und am allerliebsten würde ich eine Schneeballschlacht machen. Aber vermutlich würden mir dabei die Pfoten abfrieren, und dann könnte ich nicht mehr Karate trainieren. Wintersport oder Karate – beides gleichzeitig geht nicht. Man muss im Leben eine Menge Opfer bringen.

„Wieso gibt es im Sommer keinen Schnee?“, schimpfte ich. „Schönen, warmen Sommerschnee! Das wäre praktisch.“

„Das ist völlig unmöglich“, erklärte Lee, der auf seinem Polster hockte und sich fürs Wetter überhaupt nicht interessierte. Trotzdem wusste er mehr darüber als Chan und ich zusammen. „Wasser wird erst bei Minusgraden zu Schnee.“

Ich sah vom Fensterbrett zu ihm hinunter. „Was sind Minusgrade?“, wollte ich wissen.

Lee glotzte zu mir hoch. „Das sind Temperaturen unter dem Gefrierpunkt.“

„Und was ist der Gefrierpunkt?“

Lee seufzte, als wäre ihm meine Fragerei lästig, dabei wusste ich, wie gern er mit seinem Wissen prahlte. „Der Gefrierpunkt liegt bei 0° Celsius“, sagte er. „Das ist die Temperatur, bei der Wasser fest wird, also zu Eis.“

„Ui!“ Chan klatschte begeistert in die Vorderpfoten. „Vanille-Eis oder Schoko-Eis?“

„Völlig langweiliges, geschmackloses, eiskaltes Wasser-Eis“, antwortete Lee. „Das kann man nicht mal abschlecken, weil die Zunge daran festfrieren würde.“

Chan riss die Augen auf. „Das wäre das Schlimmste, was mir passieren könnte. Wenn meine Zunge festgefroren wäre, könnte ich nichts mehr essen und müsste jämmerlich verhungern. Wer hätte gedacht, dass Minusgrade so gefährlich sind. Oi oi oi.“ Chan kann sich nie lange aufregen. Sekunden später hatte er sich beruhigt und fragte sehnsüchtig: „Neo, schneit es schon?“

„Nein. Und mir reicht die Warterei jetzt.“ Ich sprang durch eines der Löcher in der Abdeckung in den Käfig zurück.

Lee schlug vor: „Wie wäre es, wenn wir Schnee spielen?“ Er hat immer die seltsamsten Einfälle.

„Wie spielt man denn Schnee?“, fragte Chan. „So etwa?“ Er kletterte die Rampe zur oberen Ebene hoch, rief: „Ich bin eine Flocke!“ und hüpfte hinunter.

Es rumste gewaltig, der Glaskäfig bebte und mein Laufrad kippte beinahe um. Ein Wunder, dass Kira von dem Radau nicht aufwachte.

„Das war keine Flocke“, stellte Lee fest, „sondern eine ganze Lawine.“ Er erhob sich, dehnte sich langsam und ging nach oben. Dort nahm er etwas Einstreu zwischen die Vorderpfoten, stellte sich auf die Hinterpfoten und ließ die Streu mit reibenden Bewegungen nach und nach fallen. „Leise rieselt der Schnee“, sang er dabei. Seit ein paar Wochen kamen im Fernsehen immer öfter Weihnachtslieder und Lee konnte sie inzwischen alle auswendig.

Da ich keine Lust hatte, Schnee zu spielen, sprang ich in mein Laufrad und spurtete los. Doch ich kam anfangs nur ruckelnd voran, denn Lee begann wieder zu singen und von seinen schiefen Tönen rollten sich mir die Krallen auf.

„Ihr Kinderlein, kommet, oh kommet doch all. Zur Krippe her kommet in Bethlehems Stall“, grölte Lee und warf dabei unentwegt Streu von der oberen auf die untere Ebene.

Chan stand unten und ließ sich berieseln. Bald waren von ihm nur noch die Ohren zu sehen. Er hob den Kopf aus dem Streuhaufen, der ein Schneeberg sein sollte, und fragte: „Wieso muss man zur Grippe kommen? Ich dachte immer, es wäre umgekehrt, und die Krankheiten kämen von selbst zu einem.“

„Es heißt nicht Grippe, sondern Krippe“, sagte Lee und fegte mit den Hinterpfoten die restliche Streu nach unten. „In der Krippe liegt das Jesuskind. Die Heiligen Drei Könige bringen ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe. Und darum feiern die Menschen Weihnachten und geben sich Geschenke.“

Chan schüttelte sich, bis sein Fell streufrei war. „Aber nur, wenn der Schnee leise rieselt, oder?“

Ich lief inzwischen auf Hochtouren, doch da wurde das Laufrad jäh abgebremst. Ich hatte noch so viel Schwung, dass ich mich zweimal überschlug. Als ich mich aufrichtete, sah ich, dass Chan sich von außen gegen das Laufrad gedrückt hatte. „He, Neo, schneit es schon?“

Ich stolperte aus dem Laufrad und legte mich platt hin. So konnte es nicht weitergehen. Noch eine Nacht, in der Lee sang und Chan mich ständig nach Schnee fragte, und ich würde durchdrehen wie ein ausgeleiertes Laufrad.

„Was hast du?“, erkundigte sich Chan.

„Bestimmt ist ihm langweilig“, meinte Lee. „He, Neo, wie wäre es, wenn wir zu dritt ein Weihnachtslied singen? Schneeflöckchen, Weißröckchen, bald kommst du geschneit. Du wohnst in den Wolken, dein Weg ist so weit.“

Chan sang nach ein paar Takten lauthals mit.

Ich rappelte mich auf, lief die Rampe hoch, hangelte mich am Netz bis zum oberen Rand und kletterte durch ein Loch. Dann ging ich hinüber zu der Seite, wo neben dem Käfig mein ferngesteuertes Flugzeug stand. Ich kletterte auf den Pilotensitz und fühlte mich sofort besser. „Gleich hebe ich ab“, rief ich. „Dann fliege ich immer höher, bis in die Wolken, und richte den Schneeflocken schöne Grüße von euch aus.“

Lee und Chan hörten auf zu singen.

„Au ja“, rief Chan. „Richte ihnen aus, dass ich sie sehnsüchtig erwarte.“

„Geht nicht“, sagte Lee. „Neo kann nicht starten, die Landebahn ist vereist.“

Ich ließ meine Schnauze auf den Steuerknüppel sinken und wünschte mir, ich wäre ein Schneeflöckchen. Dann würde ich in den Wolken wohnen, weit weg von diesem blöden Spielverderber.

WICHTELN MIT SCHROTT MACHT HAMSTER FLOTT

Bevor wir uns am nächsten Morgen in unsere Schlafhäuser verkrümelten, trug Chan mir auf, ihn unbedingt zu wecken, sobald ich auch nur die kleinste Schneeflocke sah.

Und Lee sagte: „Außerdem könntest du anfangen, Weihnachtslieder zu üben. Sonst blamierst du dich an Heiligabend bis auf die Knochen.“

Ich hatte zwar überhaupt keine Lust auf Singen, aber blamieren wollte ich mich auf gar keinen Fall. Als ich am Nachmittag aufwachte – wie fast immer als Erster von uns dreien – machte ich mich nach einer kleinen Stärkung und einigen Dehnübungen sofort ans Werk, beide Aufträge zu erfüllen. Ich kletterte aufs Fensterbrett, hielt nach Schnee Ausschau und sang dabei: „Schneeflöckchen, Weißröckchen, komm gefälligst geschneit.“ Ja, das passte. Und wie ging noch mal das andere Lied? „Ihr Hamsterlein kommet, oh kommet doch all. Zur Krippe her kommet. Lee hat einen Knall.“ Ha, das war toll! Wer hätte gedacht, dass Weihnachtslieder so viel Spaß machen können?

Aber ich erntete dafür kein Lob, im Gegenteil. Lee kam aus dem Schlafhaus gesaust und schimpfte: „Was sind das für Schmähgesänge?“

Chan drückte sich hinter ihm durch die Öffnung. „Schneegesänge?“

„Nein, Schmähgesänge. Neo hat mich beleidigt.“

„Das sollte nicht gemein sein“, widersprach ich ihm, „sondern weihnachtlich.“

„Komm sofort zurück, damit ich dich verdreschen kann“, befahl Lee.

Das wollte ich sehen, denn Lee hatte noch nie jemanden verdroschen. Ich sprang in die Einstreu, rollte mich ab und baute mich vor Lee auf. „Mach doch.“

„Du darfst aber nicht zurückschlagen“, sagte Lee wehleidig.

„Großes Hamsterehrenwort“, versprach ich.

Lee holte aus und stupste mir mit einer Pfote in den Bauch.

„Uh, das kitzelt.“ Ich kicherte.

Und ich war nicht der Einzige. Kira kam in dem Moment in ihr Zimmer und kicherte ebenfalls. „Das war zum Schießen!“

Wieso fand sie es denn witzig, wenn Lee mich in den Bauch stupste? Ich drehte mich um und sah, dass sie gar nicht uns meinte. Sie redete mit Jan, der breit grinsend hinter ihr ins Zimmer kam.

„Ich habe ein Foto gemacht, als du es ausgepackt hast.“ Er holte sein Handy raus und zeigte Kira das Display, woraufhin sie noch lauter lachte.

Jan steckte sein Handy wieder weg. „Man sollte nicht nur am Nikolaustag, sondern mindestens einmal im Monat in der Schule ein Schrottwichteln machen.“

Kira stellte ihre Schultasche ab und holte etwas heraus.

Lee, Chan und ich drückten uns die Näschen am Glas platt, um zu sehen, was es war: Ein kleines rosa Plastikpferd mit einer Mähne in allen Farben des Regenbogens. Auf der Stirn hatte das Pferd ein einzelnes Horn.

„Ein Pferd mit Geweih?“, wunderte sich Chan.

„Das ist ein Einhorn“, sagte Lee. „Totaler Kitsch.“

Kira sah sich in ihrem Zimmer um. „Wo soll ich das hinstellen?“

Jan meinte: „Wirf es doch einfach auf den Boden, wie du es mit allen anderen Sachen auch machst.“

„Ha ha, sehr witzig“, sagte Kira, kicherte dabei aber überhaupt nicht. Sie hob die Abdeckung von unserem Käfig und stellte das Einhorn auf die obere Ebene. „Neo, magst du darauf reiten?“

„Ich weigere mich, auf Kitsch zu reiten“, sagte ich. „Ich reite nur auf Henriette!“ Henriette ist ein erstklassiges Reithuhn und im Gegensatz zu diesem rosa Hornpferd flauschig weich und lebendig.

„Dieser Plastikmüll kommt mir nicht in den Käfig“, schimpfte Lee.

„Das nimmt nur Platz weg. Der reinste Staubfänger“, beschwerte sich Chan.

„Hm, scheint keine Begeisterung auszulösen“, meinte Jan und nahm das Einhorn wieder heraus. „Vielleicht gefällt ihnen ja das besser, was ich im Schrottwichteln gewonnen habe.“ Die beiden kamen wohl gerade aus der Schule, denn er hatte ebenfalls seine Schultasche dabei.

Wieder drückten wir uns die Schnäuzchen platt. Er holte eine Art Mini-Aquarium heraus, das wie eine Halbkugel geformt war, die mit der platten Seite auf einem dicken Boden stand.

In dem Mini-Aquarium war zwar Wasser, aber es gab keine Blubberfische, sondern einen auf dem Rücken liegenden weißen Bären. Er war kleiner als ein Hamster.

„Ein Eisbärenaquarium?“, wunderte ich mich.

„Schaut mal“, sagte Jan und schüttelte die Kugel. „Das ist eine Schneekugel.“

„Schnee!“, rief Chan sofort und trippelte die Rampe hoch. „Her mit dem Schnee!“

Tatsächlich flogen nach dem Schütteln in der Kugel weiße Flocken herum und landeten auf dem Eisbären.

„Das ist wirklich totaler Schrott“, sagte Lee. „Ganz im Gegensatz zu diesem wundervollen Dekorationsgegenstand.“ Er stupste den Wackelbuddha an, den ich ihm einmal geschenkt hatte.

Chan war da völlig anderer Meinung. „Neo, hilf mir mal“, rief er. „Ich muss unbedingt auf diese Kugel rauf.“

Ich lief zu ihm, packte ihn unter seinem breiten Hintern und stemmte ihn hoch, bis er auf der Kugel lag. Er rutschte wieder ab und ich schob so lange, bis er eine stabile Lage gefunden hatte. Selig breitete er die Pfoten aus, als wollte er die Kugel umarmen. „Ein Schnee-Aquarium. Das gebe ich nie wieder her.“

Prima. Nun würde er hoffentlich aufhören, mich ständig zu fragen, ob es schon schneite. Aber ich hatte mich zu früh gefreut. Chan rutschte von der Kugel und sah hinein. „Oh, wieso schneit es nicht mehr?“

„Jan hat die Kugel vorhin geschüttelt“, sagte ich. „Mal sehen, ob ich das auch hinbekomme.“ Ich lehnte mich dagegen und drückte und drückte, aber sie bewegte sich nicht. Dann hatte ich eine Idee. Wenn die Kugel auf der Wippe stünde, könnten Lee und ich sie hin und her schaukeln. Ich lief zur Wippe, dann zurück zur Kugel und schaute zu Jan hoch.

„Ich glaube, Neo will, dass ich die Kugel auf die Wippe stelle“, sagte Jan. Er ist wirklich ein kluger Junge. Ob seine Lehrer das wissen und ihm immer gute Noten geben? Von mir bekommt er jedenfalls die Bestnote.

Jan stellte die Kugel auf die Wippe, ich setzte mich an ein Ende und rief Lee zu: „Komm her, wir lassen es schneien.“

„Ich wippe nicht“, sagte Lee. „Davon wird mir schwindlig. Chan will Schnee, also soll er wippen.“

„Liebend gerne“, sagte Chan. Er schaffte es aber nicht, sich hochzuhangeln.

„Ich überlasse dir meinen Platz“, sagte ich und trippelte ein Stück nach vorne, damit er sich hinter mir auf das Ende der Wippe setzen konnte. Dann kletterte ich über die Kugel zum anderen Ende. Die Wippe rührte sich nicht.

„Tja, er wiegt nun mal so viel wie zwei Hamster“, feixte Lee. „Das wird nie etwas.“

„Mach dich leichter“, sagte ich zu Chan. „Sonst funktioniert es nicht.“

„Mach du dich doch schwerer“, rief er zurück.

Ich sah zu Lee hinunter. „Wenn Chan so viel wiegt wie zwei Hamster, dann gibt es nur eine Möglichkeit. Du musst bei mir aufsteigen, damit wir auch so viel wiegen wie zwei Hamster.“

„Nie im Leben.“

„Na komm schon, das macht Spaß.“

„Ich glaube dir kein Wort.“

„Und es ist gut für die Gehirndurchblutung“, behauptete ich.

„Echt?“ Lee sah mich zweifelnd an. „Nun, auf einen Versuch könnte ich es ankommen lassen.“

Ich streckte ihm eine Pfote hin und half ihm, vor mir auf die Wippe zu steigen. Sofort ploppte unser Ende nach unten. Ich stieß mich mit den Hinterpfoten ab und Chans Ende ging runter. Der Schnee in der Kugel schwappte ein wenig.

„Wir müssen schneller wippen“, sagte ich. „Sonst bringen wir kein Schneegestöber zustande.“

„Hoffentlich überlebe ich das“, jammerte Lee.

Wir wippten immer schneller und schneller, der Schnee in der Kugel stieg auf und fiel auf den Eisbären. Chan juchzte: „Wipp wipp hurra!“

Lee bekam einen erstklassigen Kreischanfall.

Diese Schneekugel war wirklich ein Riesenspaß!

Nach einer Weile kullerten Chan und Lee erschöpft von der Wippe. Chan juchzte leise weiter, Lee kreischte noch ein bisschen.

Jan hob die Schneekugel von der Wippe und stellte sie daneben. „Nicht, dass sie runterrutscht, wenn niemand aufpasst, und einen der Hamster verletzt“, sagte er zu Kira. „Und jetzt muss ich heim.“ An der Tür drehte er sich um und sagte: „Ich komme morgen wieder und bringe eine Überraschung mit.“

„Für mich?“, fragte Kira.

„Für dich und die Hamster.“

Nachdem er fort war, sagte ich zu Lee und Chan: „Wisst ihr was, das war das erste Mal, dass wir gemeinsam trainiert haben.“

„Und das letzte Mal“, sagte Lee und robbte mit letzter Kraft zu seinem Polster. „Wir hätten uns lieber das kitschige Einhorn andrehen lassen sollen.“

WÄHREND LEE UND ICH CHILLEN, WILL CHAN LIEBER GRILLEN

Am nächsten Tag beschloss ich, mein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. „Ich werde mich abhärten“, verkündete ich meinen beiden Mitbewohnern.

Lee, der sich nach dem Aufwachen gerade ausgiebig dehnte, fragte: „Wogegen?“

„Natürlich gegen die Kälte. Am liebsten würde ich mir ein Winterfell wachsen lassen, so dicht wie das eines Eisbären.“ Ich seufzte. „Aber ich habe keine Ahnung, wie man das macht.“

„Niemand kann sich ein Fell nach Wunsch wachsen lassen“, sagte Lee. „Sonst hätte ich ein krankheitsabweisendes Fell.“

„Und ich eines mit Joghurtdropsgeschmack“, sagte Chan. „Dann wäre das Putzen ein kulinarisches Erlebnis.“

„Kulinarisch“ war vermutlich das einzige Fremdwort, das Chan kannte, weil es etwas mit Essen zu tun hatte.

Lee erklärte: „Dass Eisbären die Kälte so gut vertragen, hat nicht nur mit ihrem Fell zu tun. Es liegt auch daran, dass sie eine dicke Fettschicht unter der Haut haben. Ich mag es nur ungern eingestehen, aber von uns dreien ist Chan der Hamster, der am ehesten winterfit ist.“

„Hui“, freute sich Chan. „Magst du dir auch eine Fettschicht anfressen?“, fragte er mich. „Ich könnte dir tolle Tipps geben.“

„Nein, danke, ich will mich lieber auf sportliche Art abhärten.“

„Dann gibt es nur eine Möglichkeit“, sagte Lee. „Du musst in kaltem Wasser schwimmen. Jeden Tag ein bisschen länger, bis es dir gar nichts mehr ausmacht.“

Ich riss die Augen auf. Es war mir schon oft genug passiert, dass ich in Wasser gefallen war, und es hatte mich kein bisschen abgehärtet, sondern nur in Angst und Schrecken versetzt. „Oh nein, niemand bekommt mich in kaltes Wasser. Warmes Wasser ist ja schon schlimm genug. Aber kaltes Wasser ist der reinste Horror. Es ist widerlich, grässlich, schrecklich, entsetzlich.“ Ich steigerte mich immer mehr rein.

„Themenwechsel!“, rief Chan dazwischen. „Denk an etwas Schönes, Neo. Bist du schon gespannt, was für eine Überraschung Jan für Kira und uns mitbringen wird? Hoffentlich kann man sie essen.“

„Vielleicht hat Jan doch noch einen beheizbaren Transportkäfig gebaut“, überlegte ich. Ich wollte die Hoffnung auf ein Winterabenteuer nicht so schnell aufgeben.

Lee meinte: „Das wäre unpraktisch. Wie soll Kira den denn mit sich herumschleppen?“

„Kira ist bärenstark“, sagte ich.

Chan rief: „Da fällt mir ein, dass mein Eisbär noch keinen Namen hat.“ Er lief zu der Schneekugel. „Ich nenne ihn Eisi. Eisi will Schnee. Hört ihr? Ihr müsst ihn auf die Wippe heben und wippen.“

„Kommt nicht in Frage“, schimpfte Lee. „Ich habe von gestern noch Muskelkater.“