Der kleine Hey - Die Kunst der Sprache - Julius Hey - E-Book

Der kleine Hey - Die Kunst der Sprache E-Book

Julius Hey

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Beschreibung

Jede Stimmbildung wird es als ihr Ziel ansehen, den Ton und seine Anwendung in Sprache und Gesang so zu bilden, dass er den ästhetischen Anforderungen als Ausdrucksmittel künstlerischer Gestaltung genügt. Den Ton nun so zu gestalten, dass er unter seiner Form und durch diese zugleich seine Seele enthüllt, das ist die höchste Aufgabe des Stimmbildners, sein Ideal. Indem er es tut, gelangt er vom Normalton zum Idealton und erreicht damit den letzten Zweck der Stimmbildung. Aufgrund der zahlreichen Übungen zur richtigen Atmung, Aussprache und Stimmbildung ist dieses Buch für jeden nützlich, der aktiv an seiner Stimme arbeiten will.

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Die Kunstder Sprache

Praktisches Lehrbuch für Schauspieler, Redner und Sänger

Nach der sprachlichen Lehre von Julius Hey

Bearbeitet und herausgegeben vonFritz Volbach

 

 

 

Der vorliegende Text folgt der Ausgabe: Die Kunst der Sprache

B. Schott’s Söhne, 1931

 

© 2012 Nikol Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Hamburg

 

Alle Rechte, auch das der fotomechanischen Wiedergabe (einschließlich Fotokopie) oder der Speicherung auf elektronischen Systemen, vorbehalten.

All rights reserved.

 

Copyright 2017

 

ISBN: 978-3-86820-934-1

 

www.nikol-verlag.de

Aus dem Vorwort zur ersten Auflage

Den gewaltigen Stoff, den Jul. Hey in seinem genialen Werk: »Deutscher Gesangsunterricht« zusammengetragen, in einem kurzen, systematischen Handbuch zusammenzufassen, konnte nur dann von wirklichem Wert sein, wenn diese Neufassung sich zugleich die vielen Errungenschaften der neuetsten wissenschaftlichen Forschung zunutze machte.

J. Hey fußt in seiner Darstellung auf den physiologischen Anschauungen seiner Zeit – vor allem Merkels. Aber gerade unsere Zeit hat auf dem Gebiet von »Stimme und Sprache« eine Fülle neuer und grundlegender Erkenntnisse gewonnen.

Da nun aber jede Stimmbildung auf dieser wissenschaftlichen Basis ruht und ruhen muss, so war eine – an vielen Stellen durchgreifende Umarbeitung des Hey’schen Werkes, besonders nach dieser Seite hin, eine Notwendigkeit.

Der zweite Teil, die eigentliche Lautlehre, zeigt neben einer, dem heutigen Brauch entsprechenden neuen Einteilung der Laute, eine für den praktischen Zweck dieses Buches notwendige Zusammendrängung des Stoffes.

Der dritte Teil erlitt besonders in seiner Lehre von den Akzenten und dem Rhythmus wohl die durchgreifendste Neugestaltung. Es war nötig, die einzelnen Begriffe der rhetorischen Disziplin einmal klar in ihrer Anwendung auf die deutsche Sprache zu fixieren und ihren Standpunkt im Gegensatz zur klassischen Metrik zu betonen. Nur zu häufig begegnet man hier einer Vermengung antiker Grundsätze mit denen unserer Sprache – besonders betreffend der Quantität – und auch Hey ist nicht frei davon.

Tübingen, den 15. Januar 1912

Fritz Volbach

Zweck und Aufgabe der Stimmbildung

Jede Stimmbildung wird es als ihr Ziel ansehen, den Ton und seine Anwendung in Sprache und Gesang so zu bilden, dass er den ästhetischen Anforderungen, die wir an ihn als Ausdrucksmittel künstlerischer Gestaltung machen, genügt. Rein physiologisch gesprochen, wird die Schönheit des Tones und der Stimme davon abhängen, dass wir den stimmbildenden Organen, den Stimmwerkzeugen, ihre für die Tonerzeugung günstigste Stellung geben, um dadurch ihr Arbeiten und Ineinandergreifen am vorteilhaftesten zu gestalten.

Vom Gegebenen – dem Naturton – ausgehend, wird der Stimmbildner darauf hinarbeiten, die günstigste Stellung in jedem Fall zu erreichen. Der so gewonnene Ton wird ihm als der normale erscheinen. Der Schüler ist vom Naturton zum Normalton fortgeschritten.

Aber auch mit diesem gibt sich der Bildner nicht zufrieden. Der Normalton gleicht dem fertig behauenen, polierten, edlen Marmorstein, der dem Bauwerk noch nicht eingefügt ist. Seine Seele ist noch nicht erwacht. Erst an der Stelle eingefügt, für die der Meister ihn bestimmt, vermag er zu uns zu reden, uns seine Seele zu offenbaren. – Den Ton nun so zu gestalten, dass er unter seiner Form und durch diese zugleich seine Seele enthüllt, das ist die höchste Aufgabe des Stimmbildners, sein Ideal. Indem er es tut, gelangt er vom Normalton zum Idealton, und erreicht damit den letzten Zweck der Stimmbildung.

I Der Stimmapparat

Zur Erzeugung der Stimme und Sprache dienen vor allem drei primäre Organgruppen:

1.Atmungsorgane: Lunge, Zwerchfell und die übrige Atmungsmuskulatur.

2.Der Kehlkopf, als der eigentliche Stimmapparat mit den Stimmlippen (Stimmbändern), dem Kehldeckel und der Muskulatur. Die Verbindung zwischen Kehlkopf und Lungen bildet die Luftröhre.

3.Die Sprachbildungs- und Artikulationsorgane: Mundhöhle, Zunge, Zähne, Lippen, Gaumensegel.

Zu diesen treten als sekundäre Tonbildner die Resonatoren: der Brustraum und die Kopfhöhlen (Mund-, Nasen-, Rachen- und Stirnbeinhöhle).

Atmungsorgane und Atmung

 

Das Zusammenwirken der Atmungsorgane geschieht folgender Art:

a) Einatmung: Das Zwerchfell wird durch Kontraktion abwärts, der Brustkorb durch die Brustmuskulatur aufwärts bewegt, wodurch der Brustraum nach allen drei Dimensionen vergrößert und sein Binnendruck verkleinert wird. In diesen Raum ist die Lunge als elastischer, nachgiebiger Sack luftdicht eingefügt und wird bei der Vergrößerung des Luftraumes durch den von außen herwirkenden und überwiegenden Luftdruck, unter gleichzeitiger Füllung mit Luft gezwungen, die Vergrößerung mitzumachen.

b) Ausatmung: Das Zwerchfell wird durch die vorher abwärts verdrängten Eingeweide, die jetzt den Druck wieder zurück geben, aufwärts geschoben; der gehobene und erweiterte Brustkorb folgt der Schwere und kehrt in seine ursprüngliche Lage zurück, wodurch der Brustkorb verkleinert, und zugleich die Lunge ausgepresst wird.

Je nachdem, ob die Vergrößerung des Brustraumes mehr durch das Zwerchfell oder die Brustmuskulatur herbeigeführt wird, spricht man von Zwerchfell- oder Brustatmung. Die Zwerchfell- oder Tiefatmung wird angewandt, wo eine größere Satzpause die nötige Zeit dazu gibt, besonders also nach Abschluss eines Satzes; die Brustatmung oder halbe Atmung (mezzo sospiro) dagegen bei allen kürzeren Spracheinschnitten.

Der Zutritt der Luft erfolgt entweder durch die Nase oder den Mund – nasale und orale Atmung. Die Nasenräume haben dabei den Zweck, die Luft vor ihrem Eintritt in die Lunge vorzuwärmen. Die Art der Atmung – ob nasal oder oral – ist auf die Tonbildung ohne besonderen Einfluss; es kommt nur darauf an, dass der stimmbildende Apparat durch einen Luftstrom angeblasen wird. Der Redner, der eine längere Periode spricht, atmet stets durch den Mund. Wenn trotzdem fast alle Lehrer der nasalen Atmung den Vorzug geben, so scheint mir der Grund der zu sein, dass diese auf die Ruhe in der Tonbildung fördernd wirkt. Besonders aber im Sprachunterricht wird man guttun, neben der nasalen auch die orale Atmung zu üben, indem man z. B. zu Anfang oder bei längerer Pause zwischen zwei Sätzen die nasale, während des Satzes aber die orale Atmung bewusst üben lässt.

 

Für die Erlangung einer ruhigen Atmung für Rede und Gesang gilt folgende Regel:

1. Tiefatmung. In langsamen, tiefen Zügen zieht man die atmosphärische Luft (entgegen unserer obigen Regel) anfangs durch den offenen Mundhöhlenraum ein, wobei die Mundöffnung (beim Beginnen der Atmung eine Spalte bildend) sich nun, mit der Einatmung korrespondierend, weiter und immer weiter öffnet, und die vollzogene Lungenfüllung mit dem größten Kiefernstand und dem höchsten Gehobensein des Gaumensegels und Zäpfchens zusammenfällt; die Senkung des Zwerchfells wird durch ein Gefühl höchsten Behagens markiert; man wähnt, der Brustraum sei völlig luftfrei und man könne fliegen. Nach kurzer Pause bringt man das Ansatzrohr in eine Vokalstellung, und es beginnt eine möglichst langsame, aber tönende Ausatmung: am besten zuerst mit dunklen Vokalen: U, Ü, Ö, O, A0 usw. Nachher übe man dasselbe auch mit tiefer Einatmung durch die Nase.

Die nächste Übung besteht darin, den exspirativen Luftstrom in die tönenden Laute L, M, N usw. zu überführen, um sodann den tönenden Luftstrom in den zarten Vokalansatz einmünden zu lassen. Dauer der Ausatmung: bei Beginn zehn Sekunden; dann von fünf zu fünf verlängern, bis die zeitliche Dauer eines gesungenen Tones auf 30 Sekunden gebracht ist.

2. Auch die Brustatmung muss ruhig und vor allem geräuschlos geschehen. Jedes stoß- oder ruckweise Atmen ist streng zu vermeiden.

Eine Hauptsache ist es, dass der Schüler sich stets der Art der Atmung bewusst ist, sie nicht dem Zufall überlässt.

»Wollen wir«, sagt Spiess, »einen Ton schön und voll lang ertönen lassen, dann müssen wir aus dem Vollen schöpfen können, wir müssen tief eingeatmet haben.« Um diese volle Tiefatmungsfähigkeit zu steigern, empfiehlt er, die Lunge durch Fußtouren und Bergsteigen zu üben und regelmäßige Atemgymnastik zu betreiben.

»Die Atmungsgymnastik besteht in langsamen, gleichmäßigen, kräftigen, ausgiebigen Ein- und Ausatmungen. Beim Einatmen muss der Schultergürtel unter Streckung des Oberkörpers kräftig rückwärts geführt werden, wobei ein Hochziehen der Schulter unbedingt vermieden werden muss. Die Bauchdecken sollen bei beginnender Einatmung noch straff zusammengezogen sein und dann erst im Verlaufe der Einatmung ausgiebig sich wölben. Dann beim Ausatmen wird die Bauchmuskulatur sehr kräftig eingezogen. Die übende Betätigung der Bauchmuskeln dient zugleich dem wichtigen Zweck, vorbeugend gegen Blut- und Säftestauung in den Organen der Bauchhöhle zu wirken.« (Engelen)

Von Vorteil kann hier auch die Verbindung von Atmen mit Freiübungen sein; etwa in folgender Weise: bei ruhiger, ungezwungener Körper- und Kopfhaltung (ohne alle Muskelspannung).

1.a) Tiefes Einatmen verbunden mit seitlichem Armheben,

b) Langsames Ausatmen mit Armsenken.

2.Die Übung umgekehrt.

3.In derselben Weise Atmen verbinden mit Schulterheben bzw. - senken, bei lose herabhängenden Armen und

4.verbunden mit Rumpfbewegungen (vorwärts, rückwärts und seitliche Drehung).

Diese tonlosen Übungen kann man noch erweitern, indem man sie abwechselnd mit Nasen- und Mundatmung verbindet.

Hier anschließend studiere der Schüler den wichtigen Abschnitt über die Hygiene des Atmens, Gesundheit und Gesunderhaltung der Atmungsorgane.

Gesundheit und Gesunderhaltung der Atmungsorgane

Die erste und wichtigste Bedingung für den Sprecher ist die Gesundheit und Gesunderhaltung seiner Atmungsorgane. »Gesunde obere Luftwege, Pflege derselben, rechtzeitige Erkennung und Heilung ihrer Fehler oder Erkrankungen sind unerlässliche Voraussetzung für jeden, der von Berufs wegen seine Atmungswerkzeuge stark in Anspruch zu nehmen gezwungen ist«, sagt Brunslow in seiner lehrreichen Arbeit über die »Hygiene der Atmungswege«.

Besonders chronische Katarrhe des Rachens, des Kehlkopfes, der Nasenstirnbeinhöhle oder organische Leiden, vor allem Nasenwucherungen u. ä., hindern die Atmung und lähmen die Sprache. Das Sprechen kostet immer größere Anstrengung, und will man es erzwingen, so steigert sich das Übel. Die Stimme selbst wird heiser und rau oder klingt stets stockschnupfig. In solchen Fällen ist das einzige Mittel absolute Ruhe der Organe und genaue Befolgung der ärztlichen Vorschriften. Aber auch kleinere, akute Schäden, ja jeder Schnupfen kann üble Folgen haben, indem er vor allem die Empfindlichkeit der Atmungswerkzeuge von Fall zu Fall steigert. Gerade für den Redner wie den Sänger gilt das alte Sprichwort: Principiis obsta, sero medicina paratur. Wir müssen durch eine richtige Hygiene den Schäden der Organe vorbeugen, dafür sorgen, dass der gute Zustand dauernd erhalten bleibt. Dass dies so oft nicht geschieht, liegt nach Brunslow »einerseits an den Schädlichkeiten, denen gerade diese Organe dauernd ausgesetzt sind, andererseits daran, dass diesen Schädlichkeiten und ihrer Fernhaltung oder der Beseitigung eingetretener Schädigungen in den Anfängen im Allgemeinen zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet wird. Ein Schnupfen«, fährt er fort, »ist nur ein Schnupfen, ein energischer junger Mann gibt nichts darauf und der Arzt auch nicht, bis ein eingewurzeltes Übel entstanden ist.« Wir nehmen täglich Staub und mit dem Staub mechanisch, chemisch oder bakteriell schädigende Stoffe auf. Die Nasenschleimhaut des Gesunden besitzt hiergegen ein nicht geringes Maß von Widerstandskraft. Staub wird vom Schleim eingehüllt und dann mit ihm entweder mechanisch entleert oder durch das Flimmerepithel nach außen befördert.

Die Aufgabe der Gesundheitspflege ist, diese natürlichen Abwehrkräfte zu erhalten. Hierzu gehört zweierlei.

Einmal muss der Atmungsweg frei sein. Eine gut durchlüftete Nase hat auch eine gut durchblutete Schleimhaut. Wo aber Stenosen (Verengung) bestehen oder entstehen, wo sich hinter ihnen das Sekret staut und sich zersetzt und wo sich hinter ihnen das Blut staut, gibt es Hyperämien, Stasen (Stauung), Entzündungen.

Über die Rolle dessen, was man vulgo Erkältungen nennt, ist viel gestritten worden. Wer die Entstehung von frischen katarrhalischen Erkrankungen der oberen Luftwege zu beobachten gelernt hat, wird darüber nicht im Zweifel sein, dass Abkühlungen des ganzen Körpers oder einzelner Teile, z. B. der Füße, Unregelmäßigkeiten der Blutverteilung nach sich ziehen, und dass namentlich die Schleimhäute der Nase darauf sehr fein reagieren. Ein plötzlicher Nießreiz, eine plötzliche Verstopfung der Nase beruht auf reflektorischer Blutüberfüllung, und weil damit stets eine Stase in den Kapillaren einhergeht, wird der geschilderte Mechanismus der Abwehrkräfte gestört. Zu solchen reflektorischen Schwankungen der Blutverteilung sind manche Menschen besonders geneigt. Widerstandskraft gegen Abkühlungen stellt das dar, was man Abgehärtetsein nennt. So gehört also regelmäßige Hautpflege durch kühle Waschungen, Bäder, auch Luftbäder usw. zur vorbeugenden Gesundheitspflege der oberen Luftwege.

Aber kein Mensch ist gegen akute Katarrhe ganz gefeit, denn die Widerstandskraft eines jeden Körpers unterliegt Schwankungen, und es gibt zu Zeiten von Epidemien Bakterien von einer Virulenz, der wenige Menschen gewachsen sind. Hier heißt es aufmerken, und wenn auch keiner Gesundheitshypochondrie das Wort geredet werden soll, so sollte doch jeder Mensch darauf Bedacht nehmen, dass ein Schnupfen in ein bis zwei Wochen entweder spontan zur Heilung kommen oder dass dem nachgeholfen werden muss. Gerade hier ist ein leichtfertiges »laissez aller« oft vom Übel.

Neben der Vernachlässigung der Hygiene der Atmungswerkzeuge ist es vor allem der Missbrauch und die falsche Behandlung der eigentlichen Sprachwerkzeuge, welche zu Stimmerkrankungen führen. Überanstrengung der Organe erzeugt Kehlkopf- und Rachenentzündungen oder es stellen sich die so gefürchteten Stimmbandknoten ein, ja selbst vollständige Stimmlosigkeit. Ebenso schädlich wirkt gaumiger Ansatz, besonders bei fortwährendem Druck der Zungenwurzel auf dem Kehlkopf. Alle diese Übel sind zu vermeiden, durch genaue Beobachtung der Gesetze, die wir ab hier gegeben haben.

Der Kehlkopf und die Tonbildung

Der für unseren Zweck wichtigste Teil des Kehlkopfes sind die Stimmlippen (oder Stimmbänder) (s. Abb. hier). Sie liegen nicht in einer Ebene, sondern sind in einem Winkel dachförmig gegeneinandergestellt. Durch eine Reihe von Muskeln können sie gespannt und in ihrer Spannung verändert werden. Zwischen den beiden Stimmlippen befindet sich ein Spalt, die Stimmritze oder Glottis. In der Ruhelage ist sie ein wenig geöffnet. Sobald ich einen Ton erzeugen will, legen sich die Ränder der Stimmlippen gegeneinander und bilden so einen Verschluss der Glottis. Der von unten unter starkem Druck wirkende Luftstrom sprengt diesen Verschluss. Nun ziehen ihn die Muskeln von neuem zusammen und so fort. Die so erzeugte Bewegung der Stimmlippen ist eine seitliche, die Lippen machen hauptsächlich Transversal-, nicht Longitudinalbewegungen.

Durch das abwechselnde Schließen und Öffnen der Stimmlippen wird der konstante Luftstrom in eine Reihe einzelner Stöße zerlegt, die Grützner treffend mit dem Auspuffen einer Lokomotive vergleicht. Von der Anzahl dieser Luftstöße hängt die Tonhöhe ab.

Ein so erzeugter Ton würde aber, wenn ihm nicht andere Mittel zu Hilfe kämen, nur schwach hörbar sein; die Intensität der so erzeugten Schallwellen wäre zu gering, die äußere Luft – die Vermittlerin des Tones von Ohr zu Ohr – wirksam zu erregen. Der Vorgang würde dem einer frei in der Luft gespannten Geigensaite gleichen. Die Angriffsfläche einer solchen ist zu gering, um intensivere Luftwellen zu erzeugen. Man spannt sie deshalb über einen Kasten, dessen eingeschlossene Luftmenge – durch eine geeignete Verbindung der Saite mit ihm – durch die Saitenschwingungen in analoge Schwingungen versetzt wird. Die so erzeugten Schwingungen dieser gespannten Luftmasse des Geigenkörpers besitzen eine größere Angriffsfläche (als die dünne Saite), durch die sie auf die äußere Luft intensiver zu wirken vermögen. Man nennt solche den Schall verstärkenden Räume.

 

 

Resonatoren

Ihr Luftraum entspricht einem Ton von bestimmter Höhe. (Bei der Geige ist dieser Ton leicht zu finden, indem man in die Schallöffnungen bläst). Während nun der einfache Resonator – etwa der Helmholtz’sche Kugelresonator – nur durch Anblasen mittels eines Luftstromes von gleicher Tonhöhe in Schwingung gerät, nur auf den, seinem Inhalt entsprechenden Ton reagiert, sonst aber fast stumm bleibt, wirken auf einen Resonator von komplizierter Form auch die, um den Eigenton nach beiden Seiten hin herumliegenden Töne; je weiter allerdings vom zentralen Eigenton entfernt, desto schwächer. Ein solch komplizierter Resonator ist z. B. der Geigenkörper. Er kann durch eine ganze Reihe von Tönen zum Mitschwingen erregt werden, bis zu einer gewissen Grenze hin. Will man diese überschreiten und z. B. tiefere Töne erklingen machen, als der Geigenresonator mitzuklingen vermag, so bleibt nichts übrig, als an seine Stelle einen größeren Resonator zu setzen. An die Stelle der Geige tritt die Bratsche oder das Violoncello.

Dieselbe Einrichtung zeigt nun auch der menschliche Körper. Auch er hat nicht einen, sondern eine Reihe komplizierter Resonatoren. Den größten Resonanzraum des Körpers stellt der Brustkasten dar.

Dieser vermag auf eine ganze Reihe von Tönen zu wirken, die wir deshalb Brusttöne nennen. Die Gesamtheit der Brusttöne bildet das Brustregister.

 

Die Übertragung der Kehlkopfschwingung auf diesen Resonator vermittelt in erster Linie die Luftröhre, die aus einer Reihe von Knorpelspangen und der diese verbindenden Muskulatur besteht. Diese Einrichtung ermöglicht ein Zusammendrücken bzw. Auseinanderziehen und eine Verengung bzw. Verbreiterung der Luftröhre. Je mehr ich nun diese Röhre durch eine Tiefstellung des Kehlkopfes zusammendrücke, desto mehr nähern sich die Spangen einander, desto fester und elastischer erscheint die Luftröhre und infolgedessen geeigneter, die tönenden Schwingungen auf die Brust fortzupflanzen. Erscheint diese Tiefstellung des Kehlkopfes und die so erzeugte Annäherung der Spangen auch relativ gering, so muss sie doch wohl zur Fortpflanzung der Schwingungen genügen.[1]Denn Tatsache ist es, dass die Tiefstellung des Kehlkopfes den Eintritt der Brustresonanz fördert, bei einzelnen Tönen sogar bedingt, ein Heraufziehen des Kehlkopfes sie dagegen erschwert und eventuell unmöglich macht. Daher die Regel: für die Steigerung der Brustresonanz tiefe Kehlkopfstellung. Durch diese Tiefstellung erzeugen wir den sogenannten Tiefgriff der Stimme im Gesang. Gefühlsmarken für die tiefe Kehlkopfstellung: 1. Beim Gähnen steht der Kehlkopf stets tief. 2. Man singe den Vokal A, gleich nachher (in demselben Atem) den Vokal U; durch leichtes Auflegen des Fingers auf den Kehlkopf kann mansich leicht überzeugen, wie derselbe bei U abwärtsgeht. So geben uns diese – und ebenso andere – Vokale das Mittel in die Hand, die Kehlkopfstellung zu regulieren. Das spielt besonders für die Tonbildung im Gesang eine große Rolle.

Besäßen wir nur den Brustresonanzraum, so würde unsere Stimme mit der Grenze der Brusttöne aufhören. Wir können bekanntlich aber noch eine ganze Reihe höherer Töne hervorbringen. Das ist nur dadurch möglich, dass mit Aussetzen der Brustresonanz eine andere, diesen höheren Tönen angepasste Resonanz einsetzt, die Resonanz der Kopfhöhlen.

Die hauptsächlichsten dieser sind: die Mundhöhle, die Nasen-Rachenhöhle und die Stirnbeinhöhle. Die auf sie reagierenden Töne nennen wir Kopftöne, und ihre Gesamtheit bildet das Kopfregister.

Den Punkt, auf dem das Brustregister in das Kopfregister umschlägt und der deutlich zu hören ist, nennen wir den Stimmbruch. Diesen Übergang auszugleichen ist eine Hauptaufgabe der Tonbildung im Gesang.

Man vermag nun aber einige der Grenztöne beider Register nach Belieben mit Brust- oder Kopfstimme anzugeben. Wir nennen sie deshalb amphotere Töne.

Außer diesen beiden Registern sprechen wir – besonders bei der Frauenstimme – noch von einem Mittelregister. Es beruht auf einer natürlichen oder durch Übung zu erzielenden Verbindung von Brust- und Kopfresonanz. Das Mittelregister nimmt gleichsam den letzten Rest der auf diesen Tönen noch wirksamen Brustresonanz und verbindet ihn mit der Kopfresonanz.

Das Schwingungsbild der Stimmlippen ist bei Brust- und Kopf- oder Falsettstimme ein verschiedenes. Bei der Bruststimme sind sie beim Stimmeinsatz geschlossen. »Sowohl beim gehauchten Einsatz als dem starken mit Glottisschlag werden alle Kehlkopfmuskeln stark beansprucht. Bei Falsett tritt bei allen Tönen nur eine starke gleichmäßige Beanspruchung der Spanner des Kehlkopfes, dagegen eine schwache sämtlicher Schließmuskeln ein. Die Stimmritze ist ein wenig beim Einsatz geöffnet« (Katzenstein). Nach Musehold schwingen beim Falsett nur die Ränder der Stimmlippen. Er rät, das Brustregister nicht in die Höhe zu treiben und das Falsettregister in tiefer Lage zu beginnen. Denn je höher der Brustton, umso größer muss der aufzuwendende Luftdruck sein, um den Glottisverschluss zu erzwingen.

Von dem richtigen Einwirken der Resonanz hängt vor allem die Schönheit des Tones ab, sein metalliger Glanz.

Wir erreichen dieses Einsetzen der Resonanz durch eine richtige Führung des Luftstromes, seine Richtung. Diese aber wird wiederum durch die Stellung des Kehldeckels und des Gaumensegels bestimmt.

Der Kehldeckel hat die Funktion, den Kehlkopfeingang nach Bedürfnis deckelartig zu verschließen, um beim Schluckakt das Eindringen von Gegenständen in die Luftröhre zu verhindern. Beim Sprechen und Singen ist er mehr oder weniger gehoben, um den Schallstrahlen den Weg freizugeben. Indem diese gegen ihn anprallen, werden sie von ihm reflektiert und an die hintere Pharynxwand geworfen, von wo sie – weiter reflektiert – in die Mundhöhle und die Kopfresonanzräume geführt werden. Je nach der Größe des Winkels seiner Stellung überwiegt die Führung nach dem Kopf oder dem Mund zu.

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