Der kleine Inselladen der Träume - Anjali Banerjee - E-Book
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Der kleine Inselladen der Träume E-Book

Anjali Banerjee

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Beschreibung

Das Rauschen der Wellen – die Hoffnung auf neues Glück: Der Roman »Der kleine Inselladen der Träume« von Anjali Banerjee jetzt als eBook bei dotbooks. Lilys Leben ist ein Scherbenhaufen – da hilft nur noch eins: die Koffer ins Auto packen, raus aus San Francisco und mitten hinein ins Blaue. Wie es das Schicksal will, führt sie der Weg nach Shelter Island, in das malerische Städtchen Fairport: Dort steht eine kleine Villa am Meer zum Verkauf – wie geschaffen für Lilys alten Traum von einer Vintage-Boutique. Und nicht nur die Aussicht ist sagenhaft, auch die freche Hauskatze Kitty überzeugt Lily, dass es Zeit ist, hier einen Neuanfang zu wagen. Bald schon ist die kleine Boutique das Herz von Fairport – doch als Lily dem charmanten Tierarzt Ben begegnet, fühlt sie sich erneut hin- und hergerissen zwischen Hoffnung und Vergangenheit. Kann sie es wirklich wagen, ihr Herz noch einmal für die Liebe zu öffnen? »Anjali Banerjee sorgt für Momente des vollkommenen (Lese-)Glücks. Von diesem Buch geht ein besonders schöner Zauber aus.« Literaturmarkt.info Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der romantische Wohlfühlroman »Der kleine Inselladen der Träume« von Anjali Banerjee ist der erste Band ihrer Reihe um »Die Frauen von Shelter Island«. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

Lilys Leben ist ein Scherbenhaufen – da hilft nur noch eins: die Koffer ins Auto packen, raus aus San Francisco und mitten hinein ins Blaue. Wie es das Schicksal will, führt sie der Weg nach Shelter Island, in das malerische Städtchen Fairport: Dort steht eine kleine Villa am Meer zum Verkauf – wie geschaffen für Lilys alten Traum von einer Vintage-Boutique. Und nicht nur die Aussicht ist sagenhaft, auch die freche Hauskatze Kitty überzeugt Lily, dass es Zeit ist, hier einen Neuanfang zu wagen. Bald schon ist die kleine Boutique das Herz von Fairport – doch als Lily dem charmanten Tierarzt Ben begegnet, fühlt sie sich erneut hin- und hergerissen zwischen Hoffnung und Vergangenheit. Kann sie es wirklich wagen, ihr Herz noch einmal für die Liebe zu öffnen?

»Anjali Banerjee sorgt für Momente des vollkommenen (Lese-)Glücks. Von diesem Buch geht ein besonders schöner Zauber aus.« Literaturmarkt.info

Über die Autorin:

Anjali Banerjee wurde in Indien geboren und ist in Kanada und Kalifornien aufgewachsen. Sie studierte in Berkeley und lebt heute mit ihrem Mann und fünf Katzen in einem kleinen Cottage in den Wäldern von Nordamerika. Sie liebt das Wandern, Schwimmen und Klavierspiel.

Anjali Banerjee veröffentlichte bei dotbooks auch ihre Romane:

»Der kleine Buchladen am Meer – Die Frauen von Shelter Island, Band 2«

»Der kleine Stoffladen des Glücks«

»Der kleine Hochzeitsladen am Meer«

***

eBook-Neuausgabe Februar 2021

Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 2012 unter dem Originaltitel »Enchanting Lily« bei Berkley Books, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 2014 unter dem Titel »Die Traumsucherin« bei Blanvalet.

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 2012 by Anjali Banerjee

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2014 Verlagsgruppe Random House GmbH, München

Copyright © der Neuausgabe 2021 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock / Derick Hudson / solipsizm / CreativeLab / Jakkapop Dusiyamee / jessica.kirsh / George P. Choma / GOLFX / Dora Zeit / IndustryAndTravel / Hawk777 / Jones M / john bullar / rsooll

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-96655-562-3

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Anjali Banerjee

Der kleine Inselladen der Träume

Die Frauen von Shelter Island – Band 1

Aus dem Amerikanischen von Karin Dufner

dotbooks.

In Gedenken an Andrei I. Bazdyrev und Byron Sacre

Die Vergangenheit huscht durch die Gegenwart wie eine streunende Katze und lässt die Pfotenabdrücke der Erinnerungen in einem wilden Durcheinander zurück.– Charles Le Lint, The Onion Girl

Kapitel 1

Kitty

An diesem Morgen gehe ich auf dem üblichen Weg zum Fairport Inn, um dort zu frühstücken, und genieße dabei die wundervollen Gerüche von Herbstlaub, Meerwasser und leckerem Wildlachs. Unsere dunstumwaberte Insel fängt allmählich an, sich zu regen. Altmodische Läden öffnen ihre Türen. Die Inhaber stellen ihre handgemalten Schilder hinaus auf den Gehweg. Meisen und Junkos flattern in den umliegenden Bäumen herum. Wie immer nehme ich die Abkürzung durch den überwucherten Garten eines gelben Häuschens, das leer stehende mit dem Schild davor. Nur, dass ich diesmal innehalte und genauer hinschaue.

Ich spüre, dass bald jemand mit der Fähre aus Seattle eintreffen wird, eine Frau, die mich braucht. Sie wird auf dieser Insel ihre eigene Insel suchen, eine kleine Festung der Einsamkeit, umgeben vom Garten wie von einem Burggraben. Da es nicht mehr lange dauern wird, verstecke ich mich im Garten, um auf sie zu warten.

Lily

Auf der Suche nach einem Traum ist Lily in San Francisco losgefahren. Und je weiter sie kam, desto mehr Möglichkeiten taten sich vor ihr auf. Allmählich gelang es ihr, sich eine Zukunft jenseits des niederschmetternden Verlustes auszumalen, und dennoch spürte sie weiterhin, wie ihr Mann Josh neben ihr saß – eine schwache Erinnerung an das Leben, das sie gerade hinter sich gelasssen hatte. Wäre er dabei gewesen, er hätte jede Abweichung von der Route, jede Rast und jeden Hotelaufenthalt vorausgeplant. Sie stellte sich vor, wie er, den Kopf über eine zerknitterte Landkarte gebeugt, dafür gesorgt hätte, dass sie nicht vom richtigen Weg abkamen.

Jetzt aber konnte sie tun, was sie wollte. Sie konnte sich verfahren. Sie konnte, je nach Lust und Laune, in einen Feldweg einbiegen. Sie konnte sich in Luft auflösen, ohne dass es auch nur einem Menschen aufgefallen wäre. Doch obwohl sie diese neue Freiheit genoss, fühlte sie sich entwurzelt und anonym. Wen würde es interessieren, wenn sie über eine Klippe stürzte? Ihre Leiche könnte wochenlang verwesend in einer Schlucht liegen, bevor jemand sie fände. Und der Pick-up würde verrosten und irgendwann in seine Bestandteile zerfallen.

Sie fragte sich, ob sie vielleicht unsichtbar geworden war, eine junge Witwe, allein und ohne soziales Netz, das sie auffing, und die nun in eine ungewisse Zukunft aufbrach. Weiter als Seattle war sie noch nie im Norden gewesen, und damals waren sie und Josh geflogen. Der Pilot hatte sie auf den Crater Lake, den Mount Saint Helen’s und den Mount Rainier hingewiesen, die aus einer Höhe von zehntausend Metern allesamt winzig und leicht zu überwinden zu sein schienen.

Diesmal jedoch blieb Lily am Boden. Die Landschaft glitt in Lebensgröße und farbig an ihr vorbei. Lily sauste durch die ebenen Agrarflächen im Herzen Kaliforniens und machte dann halt, um im kühlen Schatten der Redwood-Bäume des Natipnalparkes unweit der Grenze zu Oregon eine Wanderung zu unternehmen. Das Wissen, dass dieser uralte Wald schon seit Millionen von Jahren mehr oder weniger unverändert dort stand und vermutlich auch noch lang nach ihrem Tod da sein würde, tröstete sie. Die Natur hatte etwas Gewaltiges und Undurchschaubares an sich, eine geheimnisvolle Wahrheit, deren Größe ihre Trauer in die richtige Perspektive rückte.

Auf der Fahrt über die steilen Bergstraßen im südlichen Oregon dachte sie daran, wie sehr Josh die atemberaubende Aussicht auf den Mount Shasta geliebt hätte: die in üppige Täler hinunterführenden Abhänge und die dicht an dicht stehenden Kiefern. Frei von den Fesseln der sichtbaren Welt konnte er ihr jetzt in Restaurants, Parks, Raststätten und Motelzimmer folgen. Er war überall und nirgendwo zugleich.

In einem Hotel in Ashland, spät in der Nacht, wachte sie von seinem Atem an ihrer Wange auf. Doch als sie sich umdrehte, berührte sie nur das Kissen, und der vertraute Schmerz setzte sich in ihrer Brust fest. Wie konnte sie all das jetzt allein tun? Ein Erlebnis war ihr stets unwirklich erschienen, wenn sie es nicht mit Josh teilte. War ihr eigenes Leben körperlos geworden? Sie glaubte, das Gefühl für das eigene Ich zu verlieren und sich in einen Nebelschwaden zu verwandeln, der über den Erdboden waberte.

Wo wollte sie überhaupt hin? Wo würde die Reise schließlich zu Ende sein? Sie war auf der Suche nach dem wervollsten aller Ziele, dem idyllischen Ort, über den sie und Josh sich so oft ausgetauscht hatten. Wenn sie das richtige Städtchen sah, würde sie es erkennen, und sie war sicher, dass ihr Toyota Tacoma sie wohlbehalten dorthin tragen würde – mit ihrem Anhänger, in dem sie ihre wertvollste Habe untergebracht hatte, die Dinge, von denen sie sich bei der Haushaltsauflösung nicht hatte trennen können. Joshs beste Kostümentwürfe und all die antiken Schätze, die sie im Laufe der Jahre gesammelt hatte. Pullover von Chanel, Kleider von Halston, Taschen von Escada und mit Strasssteinen besetzter Schmuck.

Ihr Pick-up mit dem Anhänger brachte sie den ganzen Weg bis nach Seattle und dann auf die Fähre nach Shelter Island mitten im Pudget Sound. Eigentlich hatte sie damit gerechnet, weiter durch die Wildnis fahren und noch ein Boot und später ein weiteres nehmen zu müssen. Doch als sie die Rampe hinunter in das altmodische Städtchen Fairport, die Hauptstadt der Insel, fuhr, geschah etwas Seltsames. Die Zeit schien sich zu verlangsamen. Ein silbriger Dunst stieg aus dem Meer auf und lichtete sich allmählich, bis er schließlich die gusseisernen Laternenpfähle entlang der Uferstraße, die riesigen alten Pappeln und das Moos in den Ritzen der rot gepflasterten Gehwege freigab. Rosensträucher und Lavendelbüsche wiegten sich in der leichten Herbstbrise. Schräg stehende Sonnenstrahlen verliehen den Reihen winziger Läden, jeder in einem antiken Backsteingebäude oder einem umgebauten Holzhäuschen untergebracht, etwas Unwirkliches.

Sie fuhr an einer Augenarztpraxis, einem Fahrradladen, dem Restaurant Le Pichet und Jasmines Buchladen vorbei, einem ockerfarben und weiß gestrichenen viktorianischen Haus, das auf einer Anhöhe stand.

Josh hätte seine Freude an diesen Inselbewohnern mit dem Charme einer vergangenen Welt gehabt, die, gemütlich einherschlendernd, die frische Morgenluft genossen. Eine Frau in einem engen blauen Jogginganzug führte ihren Golden Retriever aus. Der Hund blieb an jedem Laternenpfahl stehen. Ein weißhaariges Paar ging spazieren, beide schauten immer wieder in die Schaufenster und tranken dabei aus Kaffeebechern. Koffein, das war genau das, was auch Lily jetzt brauchte.

Sie parkte in der Harborside Road und holte sich einen Mokka im Java Hut, einem einladenden Café, dessen Wände von Aquarellen mit Meerszenen und Bergen geziert wurden. Einheimische in Flanellhemden und Jeans und mit Strickmützen auf den Köpfen saßen plaudernd an den kleinen Tischen, und der Duft von Kaffee und Gebäck lag in der Luft. Lily stellte sich vor, wie es sein mochte, am Fenster zu sitzen und stundenlang einfach nur zu lesen.

Der Barista, ein attraktiver Jugendlicher mit blauschwarzem Haar, kräftigen Muskeln, die sein T-Shirt spannten, und einem eintätowierten Anker am Hals, lächelte ihr freundlich zu und legte eine in Schokolade gehüllte Espressobohne auf den Deckel ihres Bechers.

»Die Zauberbohne«, verkündete er, als er ihr den Pappbecher reichte.

Die Schokolade fing auf dem Deckel zu schmelzen an. »Was geschieht mit ihr?«, fragte sie. »Wächst eine Bohnenranke daraus?«

»Wenn Sie die Bohne essen, wird alles möglich. Ihre kühnsten Träume gehen in Erfüllung.« Er gab ihr einige Vierteldollarmünzen Wechselgeld zurück, die sie in das Glas mit dem Trinkgeld warf.

»Ich weiß nicht, ob ich überhaupt kühne Träume habe.« Ob Josh vielleicht lebendig und wohlbehalten vor ihr stehen würde, wenn sie die Bohne aß?

»Ach, kommen Sie, die hat doch jeder. Essen Sie die Bohne und wünschen Sie sich etwas.«

»Eine ziemlich große Aufgabe für so eine kleine Bohne, finden Sie nicht? Vielleicht sogar einen großartigen und eigentlich unerfüllbaren Wunsch wahr machen zu müssen?«

Er legte sich ein Geschirrtuch über die Schulter. »Hey, alles ist möglich. Sie sind nicht von hier, stimmt’s?«

»Das sieht man mir offenbar an.« Sie spürte, wie sie errötete, und strich unwillkürlich ihr Haar glatt, obwohl sie die Mutter des Jungen hätte sein können. Wie wirkte sie auf ihn? Vermutlich ungepflegt und als ob sie eine Schraube locker hätte. Eine knapp vierzigjährige Frau mit Krähenfüßen und einer wilden, grau melierten Lockenmähne. Volle Lippen, verschmierte Wimperntusche. Nicht sehr elegant in ihren Reiseklamotten – zerknitterter Pulli, ausgewaschene Jeans und Turnschuhe. Niemand hätte ihr zugetraut, dass sich in ihrem Anhänger Design-Klassiker von Sue Wong und Valentino verbargen.

Er neigte den Kopf zur Seite. »Sie sehen einfach aus, als wären Sie nicht von hier. Viel Spaß noch!« Er wandte sich dem nächsten Gast, einem dunkelhaarigen Mann in Regenjacke, zu. Eine Welle von Geräuschen schlug über ihr zusammen – Gelächter, Stimmengewirr, das Klicken einer Laptop-Tastatur.

Sie hastete hinaus zum Pick-up und setzte sich ans Steuer, ohne den Motor anzulassen. Stattdessen blickte sie in den Rückspiegel, um herauszufinden, was sie verraten hatte. An ihrem Gesicht konnte sie keine offensichtlichen Anzeichen erkennen. Vielleicht lag es ja daran, dass hier alle einander kannten und sie eben eine Fremde war.

Sie verspeiste die knusprige, bittere Kaffeebohne und leckte sich die süße geschmolzene Schokolade von den Fingern. Obwohl sie sich ein wenig albern vorkam, wartete sie einen Moment ab, dass der Zauber zu wirken begann. Aber nichts geschah. Also startete sie den Wagen und fuhr auf die leere Straße. Was für eine Erholung, dachte sie, nicht ständig auf den Verkehr achten zu müssen.

Fast hatte sie das Ende der Harborside Road erreicht, als sie es sah – ein viktorianisches Häuschen, gelb wie geschlagene Butter, mit weißen Fensterläden, einer blauen Veranda, einem gemauerten Schornstein und einem rissigen Weg, der durch einen verwilderten Garten führte. Zu verkaufen, als Wohn- oder Geschäftshaus, stand auf dem Schild der Immobilienfirma Fairport Realty.

Als sie am Straßenrand hielt, schlug ihr Herz schneller. Das war es, das Häuschen, das sie sich immer vorgestellt hatte. Sie malte sich antike schwarze Kleider auf einem runden Kleiderständer aus. Schmuck in einer Vitrine. Seidene Schals auf einem alten Tisch. Aber vielleicht hatte ja hier schon irgendjemand versucht, einen Laden zu eröffnen, und war daran gescheitert? Deshalb die leeren Räume und der vernachlässigte Garten. Sie glaubte, eine weiße Katze im Gras gesehen zu haben, doch als sie parkte und ausstieg, war die Katze fort.

Sie schlich durch den Garten und spähte in die Fenster. Im Erdgeschoss gab es zwei Zimmer, die nach vorne hinausgingen, spartanisch eingerichtet mit einem antiken roten Lehnsessel und einem derben Eichentisch. Die Wände waren cremefarben gestrichen, hatten hellblaue Kanten und waren mit aufgemalten Efeuranken verziert. Blau! Joshs Lieblingsfarbe. Ein breiter Flur führte nach hinten in eine schmale Küche. Die Böden bestanden aus dunklem, poliertem Parkett.

Sie umrundete das Haus, um einen Blick in die Küche zu werfen. Die Vorbesitzer hatten eine Frühstücksecke aus Fichtenholz und Edelstahlgeräte zurückgelassen. Josh hatte Edelstahl geliebt. Sie würde sofort einziehen können und eine Sitzgelegenheit haben, während sie darauf wartete, dass die jetzt noch eingelagerten Möbel geliefert würden.

Viel zu früh für solche Gedanken, warnte ihre praktische Seite. Eins nach dem anderen. Hinter dem Haus schlängelte sich ein Kiespfad zwischen von Unkraut überwucherten Blumenbeeten hindurch zu einem baufälligen Schuppen. Ein einsamer majestätischer Ahorn stand mittem im Garten. Das abgefallene gelbe Laub bildete einen Ring um seinen Stamm. Auf beiden Seiten des Grundstücks sorgten hohe Buchsbaumhecken für einen Sichtschutz zwischen dem Haus und den Läden nebenan. Rechts, in einem alten Backsteingebäude, verkaufte die Island Creamery hausgemachtes Eis in Waffeltüten. Links, in einem grauen viktorianischen Haus, stellte der Apothecary Shop ein Sammelsurium von Souvenirs in einem Schaufenster mit Buntglasscheibe aus. Gegenüber schaukelte das Schild eines kleinen Modegeschäfts im Wind: »Das Allerneuste«.

Vielleicht war es ja keine gute Idee, gleich auf der anderen Straßenseite eine zweite Boutique aufzumachen? Aber wie sollte sie denn dem Charme dieses kleinen gelben Häuschens widerstehen? Sie war sicher, dass es unter dem Dach zwei Zimmer mit schräger Decke und vielleicht einem Bad dazwischen gab. Dann konnte sie oben schlafen und unten Kleider verkaufen.

Doch schon im nächsten Moment wurde sie von Angst ergriffen. Schließlich war sie nichts weiter als eine alleinstehende Frau in einer fremden Stadt auf einer abgelegenen Insel, mit einem begrenzten Budget und einem Anhänger, gefüllt mit den staubigen Überresten eines vergangenen Lebens. Was bildete sie sich eigentlich ein? Okay, beruhige dich, ganz langsam durchatmen, ein und aus, durch die Nase.

Wie viel wollte der Eigentümer wohl für das Haus haben? Was würde es kosten, einen Laden einzurichten? Sie brauchte Möbel, einen Computer, einen Kredit. Was, wenn sie Pleite machte? Eins nach dem anderen.

Ein Rotkehlchen flatterte, einen Wurm im Schnabel, im Garten auf, und über ihr im Himmel schwebte ein Weißkopfseeadler mit majestätisch ausgebreiteten Schwingen. Lily spürte Josh ganz dicht neben sich. Er sagte nichts und gab ihr auch keinerlei Zeichen. Trotzdem griff sie zum Mobiltelefon und wählte die Nummer von Fairport Realty. Was sollte sie sagen? Hallo, ich bin eine obdachlose junge Witwe und suche ein Zuhause. Ach, und übrigens, kann ich noch heute Abend einziehen?

Eine frische Frauenstimme meldete sich. »Fairport Realty, Paige am Apparat. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«

»Paige Williams? Ihr Name steht auf dem Schild vor einem Haus in der Harborside Road. Dem, das zu verkaufen ist.«

»Ach, Sie meinen das Knusperhäuschen!«

»Ich weiß nicht ... es ist jedenfalls gelb. Mein Name ist Lily Byrne. Ich bin gerade hier angekommen und würde gern ...«

»Sind Sie jetzt am Haus? Wenn ja, komme ich gleich vorbei. Es ist nur eine Straße weiter. In unserer kleinen Stadt kann man alles gut zu Fuß erreichen.«

Sie musste an ein Lied von Paul Simon denken. In my little town ... and after it rains there’s a rainbow and all of the colors are black.

»Äh, ja, ich bin dort. Ich warte.«

»Ich bin sofort bei Ihnen.«

Lily beendete das Telefonat und fing an, auf und ab zu gehen. Plötzlich fielen ihr kleine Mängel am Haus auf – ein bisschen abblätternder Putz hier, eine kahle Stelle dort, ein Haarriss im Fundament. Und keine Garage. Sie würde eine Plane spannen oder einen Carport bauen müssen. Schließlich hatte Josh große Stücke auf seinen Pick-up gehalten und hätte es nicht gern gesehen, wenn sein geliebtes Baby ungeschützt den Elementen ausgesetzt würde. In der Stadt hatte ein Tiefgaragenplatz zu ihrer Eigentumswohnung gehört.

Doch selbst ohne Garage gefiel ihr das Häuschen, abgesehen davon, dass es verglichen mit der Wohnung beinahe ein Palast war. Wer, außer den Superreichen, konnte sich denn in San Francisco ein großes Haus leisten? Josh und ihr hatte die Enge nichts ausgemacht. Es hatte ihnen gefallen, einander ständig auf die Pelle zu rücken. Ihre Flitterwochen hatten die ganze Ehe lang angehalten. Sie hatten sich gebärdet wie ein verliebtes Brautpaar und einander ständig in die Augen gesehen. Joshuas Augen waren graugrün mit haselnussbraunen Pünktchen, wach und intelligent.

Ich wünschte, ich könnte dir dieses Häuschen zeigen, die Aussicht, wie sich die Sonne auf den Wellen in Lichtflecken fängt. Er hätte seine Freude an dieser kleinen Stadt direkt am Meer gehabt, die sich in die Waldlandschaft schmiegte. Sie dachte bereits so, als wohnte sie hier, und dabei war sie noch nicht einmal drinnen im Haus gewesen.

Manchmal weiß man es einfach, hatte Josh einmal gesagt, als er spontan einen teuren Mantel gekauft hatte. Man tut es, ohne groß darüber nachzudenken.

Allerdings war ein Haus etwas anderes als ein Mantel. Oder? Wieder erkundete sie den Garten, und diesmal bemerkte sie noch weitere Einzelheiten – einen leeren Nistkasten für Eichhörnchen, befestigt an der Wand des alten Schuppens. Ein zerbrochenes Vogelbad aus Keramik, das in einem früheren Hochbeet lag. Hier und da lagen verblichene Gärtnereischildchen herum, einige hingen noch an den Pflanzen. »Salvia Hot Lips, aus ökologischem Anbau«, hieß es an einem Busch mit grellroten Blüten. Auf der Rückseite des Schildes stand »Salvia microphylla. Beeindruckende rote und weiße Blüten, den ganzen Sommer über«. Entgegen allen Widrigkeiten blühte die Pflanze sogar noch jetzt im Herbst.

»Sind Sie Lily?«, fragte eine fröhliche Stimme hinter ihr.

Als Lily sich umdrehte, sah sie eine Frau mit frischer Gesichtsfarbe auf sich zukommen. Sie trug einen braunen Pulli mit einem geblümten Kleid darunter, dazu Leggings und Stiefel. Außerdem hatte sie federnde blonde Locken und ein strahlendes, sonniges Lächeln. »Ja, ich bin Lily. Sie haben mich erschreckt. Bestimmt sind Sie Paige?«

»Tut mir leid, ich habe die schlechte Angewohnheit, mich an andere heranzuschleichen.«

»Danke, dass Sie so kurzfristig kommen konnten.«

»Ich musste ja nur um die Ecke, eine Weltreise also. Die Besitzer versuchen nun schon seit einer Weile, das Haus loszuwerden. Vielleicht hätte ich das besser nicht gesagt, aber was soll’s? Die Wirtschaftslage. Wer kann so einem niedlichen kleinen Häuschen widerstehen?« Ihre baumelnden goldenen Ohrringe funkelten in der Sonne. Doch in ihren leuchtend blauen Augen war ein Anflug von Schmerz zu erahnen.

»Es ist wunderschön«, erwiderte Lily nickend. »Ich habe gesehen, dass es viele Möglichkeiten in sich birgt. Etwas daran hat mich angezogen.«

»Muss an unserer geheimnisvollen Insel liegen.« Paige schüttelte Lily die Hand. Ihre Finger waren kräftig, und sie trug mehrere Ringe. Ein Ehering war nicht dabei. War sie geschieden, verlobt oder alleinstehend?

»Das habe ich auch schon gehört. Der Barista im Java Hut hat mir eine magische Kaffeebohne geschenkt«, erwiderte Lily lachend.

»Oh, ja, diese Kaffeebohnen machen einen leichtsinnig.«

»Diese da offenbar schon!« War das Paiges Ernst? Glaubten alle auf dieser geheimnisvollen Insel an die magischen Kaffeebohnen?

»Kommen Sie rein«, sagte Paige und steuerte auf die Vortreppe zu. Als sie einen Schlüsselring aus der Handtasche holte und aufschloss, zitterten ihre Finger ein wenig. Drinnen war es ungewöhnlich warm, es roch nach Möbelpolitur und Farbe. Der Holzboden knarzte unter den Füßen der beiden Frauen. Ein Haus, das Geräusche machte. Ein Haus, das lebte.

Auf dem Weg durch die Zimmer redete Paige ohne Punkt und Komma. »Ein Rentnerehepaar hat eine Weile versucht, hier einen Süßwarenladen zu betreiben, daher der Name Knusperhäuschen. Davor war es eine Parfümerie, Sie wissen schon, alle möglichen teuren Kosmetika, Parfüms, Duftsprays und Lotionen und so. Leider hat keines der Geschäfte überlebt.«

»Vielleicht hat das Haus ja nur auf den richtigen Käufer gewartet.«

»Wahrscheinlich haben Sie recht.« Paige nestelte am Riemen ihrer überdimensionalen Umhängetasche herum. »Einen Menschen, der das Flair der Stadt zu würdigen weiß. Apropos Stadt, ich gehöre dem Vorstand des Vereins zur Förderung der Stadterneuerung an. Unser Ziel ist es, das Wirtschaftswachstum mithilfe unseres einzigartigen Erbes anzukurbeln. Hoppla, jetzt klinge ich schon wie ein Werbespot. Aber hier mischt jeder bei verschiedenen Dingen gleichzeitig mit. Das kann auch Schwierigkeiten geben. Manchmal spiele ich schon mit dem Gedanken, meine Sachen zu packen und zu verschwinden, aber ich liebe die Insel zu sehr. Also bleibe ich.«

»Das kann ich Ihnen nicht verdenken.« Lily warf einen Blick in die modernisierte Gästetoilette. »Das Haus ist reizend.«

»Ich glaube, es wurde gegen 1904 gebaut. Wir haben viele denkmalgeschützte Häuser hier. Die Fairport Art Gallery zum Beispiel war zu Zeiten des Goldrausches am Klondike das erste Mühlengrundstück, und Le Pichet gehörte einem Bestattungsunternehmer. Als er hierherzog, stellte er fest, dass die Leute kerngesund waren und seine Dienste nicht brauchten. Es ist einfach niemand gestorben. Also hat er eine Möbelschreinerei aufgemacht. Später ging das Gebäude durch verschiedene Hände und wurde schließlich ein Restaurant.

Lily nickte höflich. Sie stellte sich vor, wie sie sich hier in Ruhe und Frieden einrichtete. Kein Stimmengewirr, kein Stadtlärm, keine Störungen, keine Erinnerungen. Nur ein kleines Haus. Sie berührte die frisch gestrichene Kante des geschwungenen Türbogens, der vom Wohnzimmer ins Esszimmer führte. In beiden Räumen war Platz für einige Kleiderständer. Und in dem Zimmer rechts vom Eingang konnte sie Schuhe, Krawatten und Hüte unterbringen.

»Möchten Sie sich die obere Etage ansehen?«, fragte Paige. Aber Lily ging bereits in Richtung Treppe. Paige folgte ihr eilig.

Die beiden Zimmer waren hübscher, als Lily es sich vorgestellt hatte. Sie hatten schräge Decken, große Fenster und frisch gestrichene weiße Wände mit blauen Kanten. Dazwischen befand sich ein helles Badezimmer, in dessen Mitte eine neue Wanne mit Löwentatzen stand. Eine Badewanne! Hier würde sie in aller Ruhe ausgedehnte Schaumbäder nehmen können.

»Fantastisch«, sagte sie. »Genau das, was ich gesucht habe.« Was redete sie da? Was, wenn die Wasserleitungen undicht waren? Oder wenn der Hausschwamm im Dachstuhl steckte?

Offenbar hatte Paige ihre Gedanken gelesen. »Sicher werden die Besitzer Ihnen gerne alle Fragen beantworten und mögliche Bedenken mit Ihnen besprechen«, meinte sie.

»Das wäre prima.« Lily setzte sich auf das schmale Bett. Eine steinharte, unnachgiebige Matratze, doch für den Moment würde es genügen. Sie konnte ja auch ihren Schlafsack auf dem Boden ausbreiten. Denn um das Doppelbett im anderen Zimmer würde sie einen Bogen machen. Zu viel Platz. »Wohnen die Besitzer in der Nähe? Ich würde gern mit ihnen reden.«

»Mit ihr.« Paige lächelte. »Wir können gleich hingehen. Würden Sie mit Ihrer ganzen Familie einziehen?«

»Ich habe keine Familie. Nur mich selbst. Sonst gibt es da niemanden.«

Eine Pause. »Ich verstehe. Okay, schon in Ordnung. Vermutlich sogar besser ...«

»Können wir gleich los? Ist die Besitzerin da?« Worauf ließ sie sich da ein? Sie malte sich bereits einen Bettüberwurf aus, der zu den Wänden passte. Eine Pflanze auf dem Fensterbrett, Lavendelseife am Waschbeckenrand. Vielleicht wirkte die magische Kaffeebohne ja doch.

Kapitel 2

Lily

Ich sollte Sie vor der Besitzerin warnen«, sagte Paige auf dem Weg durch die Stadt. Lily freute sich über die Gelegenheit, sich die Beine zu vertreten und die saubere, salzhaltige Inselluft zu atmen.

»Oh?«, erwiderte sie. »Ist sie exzentrisch?«

»Nicht unbedingt sie selbst, aber ihr Buchladen. Schließlich haben Sie ja schon mit der magischen Kaffeebohne Bekanntschaft gemacht. Jasmines Buchladen ist auch ein wenig ungewöhnlich. Anders als normale Buchläden eben.«

»Also hat die Besitzerin eine Buchhandlung. Wie interessant.« Lily hatte keine Vorstellung davon, wie ein »normaler« Buchladen aussah. Ihrer Erfahrung nach hatte jeder eine ganz besondere Atmosphäre – altmodisch und von seltenen Bänden überquellend, die geräumige Filiale einer Kette oder einfach nur dunkel und muffig.

»Jasmine hat einen seltsamen sechsten Sinn, was Bücher angeht«, fuhr Paige fort, während sie auf dem gepflasterten Bürgersteig weiterging und hie und da einem Passanten zunickte, den sie offenbar kannte. »Sie hat mir einmal ein Buch über die Geschichte der Insel gegeben. Auf diese Weise habe ich angefangen, mich für den Denkmalschutz zu interessieren und bin dem Verein für Stadterneuerung beigetreten. So bin ich auch dahintergekommen, dass mein Mann mich betrügt.«

»Oh, nein! Wegen des Buches?«

»Ohne das Buch wäre ich nie Mitglied des Vereins geworden und hätte es nicht erfahren.«

Ein bisschen an den Haaren herbeigezogen, dachte Lily, aber durchaus möglich. »Haben Sie ihn in flagranti erwischt?«

»Nicht ganz, aber beinahe. John hat mir gesagt, er ginge am Donnerstagabend immer zum Singen. Der Seemannschor trifft sich in dem Gebäude gleich neben dem Museum, wo der Verein zur Stadterneuerung seine Versammlungen abhält. Irgendwann hatte er dann dienstags und donnerstags Probe, und ich fand das doch ein bisschen viel Gesang. Aber als ich ihn einmal abholen wollte, war er nicht da. Er war schon seit einer Weile nicht mehr zu den Proben gekommen. Ich habe einem der Jungs so lange zugesetzt, bis er mir alles verraten hat.«

»Das tut mir leid für Sie. Wie lange waren Sie denn verheiratet?«

»Sieben Jahre. Die Scheidung war nicht allein seine Schuld. Ich habe ... einige Fehler gemacht. Oh, da sind wir schon.« Sie wies auf das in gebranntem Umbra und Weiß gestrichene viktorianische Haus auf der Anhöhe, das einen Blick aufs Wasser bot.

Lily hatte das Gefühl, dass das Haus sie – nicht ohne Wohlwollen – beobachtete. Silbriges Licht spiegelte sich in den großen Panoramafenstern, und ein Schild im Garten trug in leuchtenden goldenen Buchstaben die Aufschrift »Jasmines Buchladen«.

»Es wirkt verwunschen«, meinte sie.

»Verstehen sie jetzt?« Paige ging den Gartenweg entlang zur Eingangstür. »Geheimnisvoll, was?«

»Als würde es aus einer anderen Epoche stammen.«

Paige öffnete die Tür und schob Lily in die Vorhalle. »Das hier war zur Blütezeit der Holzindustrie der Dienstboteneingang. Der Vordereingang zeigt aufs Wasser. Damals trafen alle wichtigen Besucher auf dem Seeweg ein.«

»Eine Welt ohne Autos kann man sich gar nicht mehr vorstellen.« Lily malte sich aus, wie hölzerne Segelboote in den Hafen glitten und Pferdekutschen über das Kopfsteinpflaster rumpelten.

»Wenn Sie mich fragen, waren es vermutlich bessere Zeiten.«

»Mag sein.« Im Inneren des Buchladens fiel das weiche Licht von Tiffanylampen auf Perserteppiche. Hier und da hingen Porträts berühmter Schriftsteller an den Wänden – Shakespeare, Virginia Woolf, Mark Twain und andere. Aus den angrenzenden Räumen wehten gedämpfte Stimmen herüber, und die Gerüche eines alten Hauses – Staub, Eichenholz und Papier – mischten sich mit dem frischen Zitrusduft eines Duftpotpourris.

Auf der linken Seite stand eine gut einen Meter hohe Statue, die den elefantenköpfigen Hindugott Ganesh darstellte. Lily hatte verschiedene Versionen von ihm in indischen Restaurants und Läden in San Francisco gesehen. Sein lächelndes Gesicht, der dicke Bauch und die großen Füße schienen nicht ganz in diese alte viktorianische Villa zu passen – ein Hauch von Indien an der nordwestlichen Pazifikküste.

»Sie müssen seine Füße berühren!«, flüsterte Paige. »Um dem Gott des Neuanfangs Ehre zu erweisen.«

Lily bückte sich und berührte die pummeligen Messingfüße der Statue. »Soll ich dazu ein Gebet sprechen oder so?«

»Wie Sie wollen. Aber sagen Sie es mir nicht, sonst bringt es Unglück.«

Sie schloss die Augen und bat den Elefantengott, ihr zu helfen, einen Weg in die Zukunft zu finden. Sie wagte nicht, ihn um Josh zu bitten, so sehr sie sich auch nach ihm sehnte. Doch sie hatte einmal eine Geschichte über eine Frau gelesen, die ihren Mann zurückgewünscht hatte. Aber er war völlig verstümmelt wiedergekehrt, so, wie er gestorben war. Es blieb nicht folgenlos, wenn man sich das Unmögliche wünschte. Deshalb schluckte sie ihre Sehnsucht hinunter. Im nächsten Moment kam eine zarte Frau aus dem Wohnzimmer. Sie war der Inbegriff von Schönheit, trug Bluejeans und einen kirschroten Pulli und hatte gewelltes schwarzes Haar, das ihr bis über die Schultern fiel. Ihre Wangen leuchteten vor Glück. An ihrem Ringfinger funkelte ein gravierter goldener Ehering, und Lily spürte zu ihrem Schrecken, wie es ihr einen neidischen Stich versetzte. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie sich zuletzt so glücklich gefühlt hatte. Nun, sie wusste zwar noch, wann es gewesen war, aber seitdem war eine Lebenszeit verstrichen.

»Das ging aber wirklich schnell«, sagte die Frau und schüttelte Lily die Hand. »Paige hat angerufen und Sie angekündigt.«

Lily nickte nur, denn es hatte ihr die Sprache verschlagen.

»Ich bin Jasmine. Kommen Sie in den Salon.« Sie führte Paige und Lily in ein großes Wohnzimmer mit einem hohen Panoramafenster, wo die Bücherregale vom Boden bis zur Decke reichten.

»Lily interessiert sich für das Knusperhäuschen«, verkündete Paige und ließ sich auf einem dick gepolsterten antiken Sofa nieder. Dann schlug sie die Beine übereinander und schwang einen gestiefelten Fuß hin und her.

Jasmine wies auf einen verschnörkelten Lehnsessel im Louis-XV-Stil. »Warum nehmen Sie nicht dort drüben Platz?«

Lily hatte den Sessel bereits gemustert. Als sie sich setzte, war er weicher als erwartet. »Ich hätte mir die Heizung und die Elektrik anschauen sollen, doch diese Dinge hat immer mein Mann ...«

»Ich verstehe, kein Problem«, erwiderte Jasmine. »Wir haben gerade erst sämtliche Elektroleitungen erneuern lassen, falls Sie das beruhigt.«

Ja, es beruhigte sie tatsächlich ein wenig. »Und wie viel wollen Sie für das Haus?«

Jasmine nannte einen Preis, der zwar vernünftig klang, Lilys Budget aber stark belasten würde. Außerdem würde sie noch einen Kredit für die Geschäftsgründung aufnehmen müssen.

»Ich verstehe.« Sie verschränkte die Finger auf dem Schoß, wobei ihr nicht nur ihr nackter Ringfinger auffiel, sondern auch, dass ihre Nägel abgekaut waren. Seit wann hatte sie mit dem Nägelkauen angefangen? »Ich muss es mir noch überlegen.«

Jasmine nickte. »Ich hole uns Tee und die Unterlagen. Möchten Sie sich das Haus vielleicht noch einmal anschauen?«

»Danke, gern.« Lily berechnete die voraussichtlichen Kosten und wie viel Geld dann am Schluss noch übrig blieb. Außerdem würde sie eine Weile im Hotel wohnen müssen.

Jasmine glitt aus dem Zimmer – es schien, als berührten ihre Füße kaum den Boden.

»Das Haus gehörte ihrer Tante«, erklärte Paige mit gesenkter Stimme. »Doch die hat geheiratet und ist nach Indien zurückgekehrt.«

»Woher kommt Jasmine?«

»Sie hat in L.A. bei irgendeinem Großkonzern gearbeitet, doch die Insel hat sie in ihren Bann geschlagen. Genauso, wie es jetzt bei Ihnen geschieht.«

»Die Stadt ist wirklich reizend«, antwortete Lily höflich. Aus den Nachbarzimmern hörte sie die leisen Stimmen von Kunden, das Umblättern von Seiten und Schritte. Ein Mann kam herein – muskulös, breitschultrig, kräftig gebaut und gut aussehend. Als er bemerkte, dass Lily und Paige die Köpfe zusammensteckten, sagte er »Oh, Verzeihung«, und verschwand wieder hinaus auf den Flur.

Kurz darauf kehrte Jasmine mit einem silbernen Tablett zurück, auf dem Tee und Kekse platziert waren, und legte einen braunen Umschlag auf den Couchtisch.

Paige knabberte an einem Keks und trank einen Schluck, während Lily eine Tasse Tee entgegennahm, der nach Pfirsich und Zitrone schmeckte. Als sie sich in ihrem Sessel zurücklehnte, kam eine ziemlich rundliche, flauschige graue Katze hereingetappst und stieß ein grauenhaft schrilles Miau aus.

»Oh, Mary, ich sehe schon, du bist am Verhungern«, sagte Jasmine und stellte einen Teller mit Kekskrümeln auf den Boden. »Wo ist Monet?«

»Wie viele Katzen haben Sie denn?«, fragte Lily.

»Nur zwei. Monet ist etwa halb so groß wie sie.« Jasmine hob Mary auf und rückte die riesige Katze auf ihrem Schoß zurecht. »Sie frisst gerne, während er sich lieber herumtreibt.«

»Ha!«, meinte Paige. »Die Geschichte meines Lebens.«

»Ich glaube, ich habe vor dem Haus eine weiße Katze gesehen«, sagte Lily.

Paige und Jasmine sahen sie verständnislos an und schüttelten die Köpfe. Hatte sie sich die Katze vielleicht nur eingebildet?

Mary miaute wieder, sprang von Jasmines Schoß und trottete aus dem Zimmer.

Jasmine stand auf und glitt zu einem Bücherregal hinüber, dem sie einen schmalen Hardcover-Band entnahm. Sie reichte Lily das Buch. »Hier ist ein kleines Willkommensgeschenk. Oder ein Bestechungsversuch, wenn Sie wollen.«

»Zugeknöpft«, las Lily. »Gedichte über Kleider.«

»Der Titel ist mir ins Auge gestochen.«

Paige warf Lily einen wissenden Blick zu.

»Danke«, sagte Lily. »Sehr großzügig. Natürlich bezahle ich ...«

»Kommt überhaupt nicht infrage«, entgegnete Jasmine mit einer abwehrenden Handbewegung.

Lily griff nach dem Pappordner. »Darf ich mir den für eine Weile ausleihen?«

»Na klar. Lassen Sie sich ruhig Zeit.«

Doch noch ehe Lily die Maklerin beauftragte, vorübergehend in ein Hotel zog, die Grundbucheintragung für das Häuschen änderte, einen Geschäftskredit aufnahm und sich die nötigen Genehmigungen besorgte, ja, schon lange zuvor, wusste sie, dass sie bleiben würde. Zumindest für eine Weile.

Kapitel 3

Lily

Was tat sie eigentlich hier – in ihrem Schlafsack auf einem schmalen Bett in einem knarzenden Hexenhäuschen irgendwo in der Provinz? Kein Verkehrslärm, keine Stimmen, kein Wind. Sie konnte nicht einmal das Surren des Kühlschranks hören. Draußen beleuchtete der Vollmond den Ahorn im Garten. Seine Äste malten ein Muster aus Licht und Schatten an die Schlafzimmerwände. Seltsamerweise fühlte sie sich wie eine Landstreicherin, die unerlaubt in einem fremden Haus übernachtete und jeden Moment damit rechnete, dass die wahren Besitzer nach Hause kämen und sie schlafend im falschen Bett anträfen wie Goldlöckchen.