Der kleine Vampir und Graf Dracula - Angela Sommer-Bodenburg - E-Book

Der kleine Vampir und Graf Dracula E-Book

Angela Sommer-Bodenburg

0,0
7,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Anton ist einsam, denn der kleine Vampir ist mit seiner Familie in die Heimat aller Vampire nach Transsylvanien zurückgekehrt. Aber dann gelingt es ihm, seine Eltern zu einem Sommerurlaub in Rumänien zu überreden. Dort trifft er nicht nur seine Freunde wieder, sondern auch den berühmtesten und gefährlichsten aller Vampire: Graf Dracula persönlich!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 139

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Angela Sommer-Bodenburg

Der kleine Vampir und Graf Dracula

Bilder von Amelie Glienke

Dieses Buch ist für Burghardt Bodenburg, der zwar immer noch keine richtigen Vampirzähne hat, aber trotzdem mit mir in Transsylvanien (Siebenbürgen) auf vampirische Spurensuche gegangen ist – und für alle, die mit Anna und Rüdiger bis ans Ende der Welt fliegen würden!

Angela Sommer-Bodenburg

Die Personen dieses Buches

Anton liest gern aufregende, schaurige Geschichten. Besonders liebt er Geschichten über Vampire, mit deren Lebensgewohnheiten er sich auskennt.

Antons Eltern glauben nicht recht an Vampire.

Antons Vater arbeitet im Büro, seine Mutter ist Lehrerin.

Rüdiger, der kleine Vampir, ist seit mindestens 150Jahren Vampir. Dass er so klein ist, hat einen einfachen Grund: Er ist bereits als Kind Vampir geworden. Seine Freundschaft mit Anton begann, als Anton wieder einmal allein zu Hause war. Da saß der kleine Vampir plötzlich auf der Fensterbank. Anton zitterte vor Angst, aber der kleine Vampir versicherte ihm, er habe schon «gegessen». Eigentlich hatte sich Anton Vampire viel schrecklicher vorgestellt, und nachdem ihm Rüdiger seine Vorliebe für Vampirgeschichten und seine Furcht vor der Dunkelheit gestanden hatte, fand er ihn richtig sympathisch. Von nun an wurde Antons ziemlich eintöniges Leben sehr aufregend: Der kleine Vampir brachte auch für ihn einen Umhang mit, und gemeinsam flogen sie zum Friedhof und zur Gruft Schlotterstein. Bald lernte Anton weitere Mitglieder der Vampirfamilie kennen:

Anna ist Rüdigers Schwester – seine «kleine» Schwester, wie er gern betont. Dabei ist Anna fast so stark wie Rüdiger, nur mutiger und unerschrockener als er. Auch Anna liest gern Gruselgeschichten. 

Lumpi der Starke, Rüdigers großer Bruder, ist ein sehr reizbarer Vampir. Seine mal hoch, mal tief krächzende Stimme zeigt, dass er sich in den Entwicklungsjahren befindet. Schlimm ist nur, dass er aus diesem schwierigen Zustand nie herauskommen wird, weil er in der Pubertät Vampir geworden ist.

Tante Dorothee ist der blutrünstigste Vampir von allen. Ihr nach Sonnenuntergang zu begegnen kann lebensgefährlich werden.

Die übrigen Verwandten des kleinen Vampirs lernt Anton jetzt persönlich kennen. Bisher hatte er nur ihre Särge in der Gruft Schlotterstein gesehen.

Außerdem trifft Anton den berühmtesten und gefährlichsten aller Vampire – Graf Dracula.

Friedhofswärter Geiermeier macht Jagd auf Vampire. 

Jürgen Schwartenfeger ist Psychologe. Antons Mutter hofft, dass er Anton von seiner «Fixierung» auf Vampire heilt. Was sie nicht wissen kann: Herr Schwartenfeger ist selbst brennend an Vampiren interessiert, weil er ein Lernprogramm gegen besonders starke Ängste – wie die Angst der Vampire vor dem Sonnenlicht – entwickelt hat.

Das Abenteuer beginnt

«Na, Anton, schon aufgeregt?», fragte Antons Vater. Mit einem freundlichen Grinsen drehte er sich zu seinem Sohn um. Anton saß auf der Rückbank des Geländewagens und hatte das schwarze Heft, sein Reisetagebuch, vor sich auf den Knien liegen.

«Nein, überhaupt nicht», behauptete Anton. Dabei hatte er gerade in seinem Tagebuch notiert: «6.August. Unsere Reise zu Graf Dracula fängt an. Ich bin ja so aufgeregt!»

«Oh, sieh mal da drüben – der Vampirexpress!», rief sein Vater jetzt und zeigte nach rechts.

Antons Mutter, die ihren Reiseführer «Rumänien» studierte, hob den Kopf. «Vampirexpress?», fragte sie irritiert. «Ja, der Lieferwagen vor uns», sagte Antons Vater. Nun hatte auch Anton den Lieferwagen entdeckt. «Hilf Leben erhalten, spende Blut» stand darauf.

«Das ist ein Sanitätsfahrzeug», erklärte seine Mutter. «Und ich finde nicht, dass man darüber Witze machen sollte», fügte sie, an Antons Vater gerichtet, hinzu.

«Wieso Witze?», verteidigte sich der. «In den Wagen würde doch prima ein Vampirsarg passen.»

«Genau!», stimmte Anton vergnügt zu. Er nahm seine Kamera und wartete, bis sie auf gleicher Höhe mit dem Lieferwagen waren. Dann drückte er auf den Auslöser.

«Musst du Anton gleich zu Beginn der Reise wieder diesen ganzen Vampirunsinn in den Kopf setzen?», sagte Antons Mutter missfällig.

«Vampirunsinn?» Sein Vater lachte. «Aber wir fahren doch nur wegen der Vampire nach Rumänien!»

«Ja, weil uns Herr Schwartenfeger zu dieser Reise geraten hat!», entgegnete sie. «Allein wäre ich nie auf die Idee gekommen, mir Rumänien als Reiseziel auszusuchen!»

Anton grinste. Herr Schwartenfeger war der Psychologe, zu dem seine Eltern gingen, um über ihre Probleme zu sprechen. Und eines ihrer «Probleme» war er, Anton – mit seinen Freunden, den Vampiren. Allerdings glaubten seine Eltern nicht, dass es sich bei Rüdiger von Schlotterstein und seiner Schwester Anna um echte Vampire handelte.

Anton nahm wieder sein Tagebuch zur Hand. «Wenn ich nur wüsste, wo Rüdiger und Anna sind! Vielleicht auf dem Borgopass?», schrieb er.

Es war nun fast fünf Wochen her, dass der kleine Vampir nachts in Antons Zimmer gekommen war und ihm erzählt hatte, seine Familie würde in ihre alte Heimat, nach Transsylvanien, zurückkehren. Doch bevor Rüdiger ihm weitere Einzelheiten mitteilen konnte, hatte plötzlich Antons Mutter an die Tür geklopft und gefragt, ob Anton Besuch hätte. Überstürzt war der kleine Vampir davongeflogen – und seitdem hatte Anton ihn nicht wieder gesehen. Nur einen Zettel hatte er drei Nächte später an seinem Fenster entdeckt: «Besuch uns mal! Du findest uns, wenn du den Spuren von Graf Dracula folgst. Dein Rüdiger.»

Ja, und dann hatte Anton die Zeit, die ihm bis zum Beginn der Sommerferien noch blieb, genutzt, um seine Eltern zu überzeugen, dass er unbedingt auf «Dracula-Reise» gehen musste. Unterstützung hatte er dabei von Herrn Schwartenfeger bekommen. Der Psychologe hatte erklärt, Anton würde durch diese Reise wahrscheinlich ein für alle Mal von seiner «Fixierung auf Vampire» geheilt werden. So war es Anton schließlich gelungen, seine Eltern für die Fahrt durch Rumänien zu gewinnen.

Und nun saßen sie in ihrem neuen Geländewagen, mit dem sich Antons Vater einen lang gehegten Wunsch erfüllt hatte. Er schwärmte nämlich für «Abenteuerurlaub» – ganz im Gegensatz zu Antons Mutter.

«Übrigens», sagte Anton mit einem Blick auf seine Mutter. «Ich bin doch aufgeregt – vor allem wegen der Hotels. Wer weiß, ob die überhaupt fließend Wasser haben?»

«Oh, bestimmt», antwortete sie hastig. «Bei den Zimmerpreisen!»

«Sonst holen wir uns das Wasser vom Brunnen», sagte Antons Vater unbekümmert. «Ich würde das romantisch finden.»

«Ich aber nicht», bemerkte Antons Mutter.

Alles nur positiv

Ihr erstes Hotel lag allerdings noch in Deutschland, in Passau. Es hieß «Weißer Hase» und hatte nicht nur fließend warmes und kaltes Wasser – das Badezimmer war sogar größer als ihr eigenes zu Hause. Nach der langen Autofahrt nahm Anton erst mal ein ausgiebiges Bad.

Zum Essen gingen sie dann in das «Heilig-Geist-Bistro». Es war ein milder Abend und sie konnten im Garten sitzen, in einer von Efeu umrankten Laube.

Während des Essens schaute Anton immer wieder in den Himmel hinauf und dachte, dass dies eine ideale Nacht für Vampire wäre. Aber kein Rüdiger und keine Anna ließen sich blicken…

«So nachdenklich, Anton?», fragte sein Vater.

«Nein, nur müde», antwortete er.

«Wir sollten schlafen gehen», meinte Antons Mutter. «Morgen haben wir wieder eine anstrengende Fahrt vor uns.»

«Ja, gehen wir schlafen», sagte Anton. Und mit einem verschmitzten Lächeln setzte er hinzu: «Dann sind wir schneller bei Graf Dracula!»

Am nächsten Morgen fuhren sie in Richtung österreichische Grenze weiter. Zum Mittagessen hielten sie in Allant, einem kleinen Ort in Österreich, und um neunzehn Uhr erreichten sie ihr Schlosshotel in Szirák, Ungarn. Antons Mutter hatte sich sehr auf das – wie es im Prospekt hieß – «kunstvoll renovierte Barockschloss» gefreut. Nun war sie umso enttäuschter, als sie erfuhr, dass sie nicht im Schloss, sondern im Nebengebäude, in der Remise, übernachten sollten. Im Schloss wären zwar auch noch zwei Zimmer frei, hieß es – aber dann müssten sie pro Zimmer sechzig Deutsche Mark nachzahlen.

«Nein danke», sagte Antons Mutter. «Das ist uns zu viel für eine Nacht.»

Also blieben sie in der Remise, wo die Badezimmer winzig waren, wie Anton bemerkte.

«Na ja, jetzt sind wir in Osteuropa», meinte sein Vater lachend. «Und dafür finde ich es gar nicht so schlecht!»

«Du bist anscheinend entschlossen, alles nur positiv zu sehen», entgegnete Antons Mutter spitz.

«Ja, das stimmt», sagte er. «Ich bin entschlossen, mir durch nichts meine gute Reisestimmung verderben zu lassen!»

Doch als sie am Tage darauf drei Stunden an der ungarischrumänischen Grenze warten mussten, verlor sogar Antons Vater seine gute Laune. Außerdem war es so heiß, dass man auf der Kühlerhaube mühelos Spiegeleier hätte braten können.

Es war nach zweiundzwanzig Uhr, als sie endlich in Klausenburg – auf Rumänisch «Cluj-Napoca» – ankamen. Ihr Hotel «Transsilvania» erwies sich als scheußlicher Betonklotz. Aber Anton war froh, dass er sein eigenes Zimmer hatte und sich schlafen legen konnte.

Beim nächsten Mal sind wir klüger

Das Frühstück am nächsten Morgen wurde in einer riesigen Halle serviert.

«Das ist ja ein richtiger Ballsaal», meinte Antons Vater und deutete auf die schweren Kronleuchter, die von der Decke hingen. Zu einem Ball hätten auch die Kellner gepasst: Sie trugen schwarze Anzüge, weiße Hemden und schwarze Fliegen.

Mit dem jungen Kellner, der an ihren Tisch kam, verständigten sich Antons Eltern auf Englisch; nicht sehr erfolgreich, wie es Anton schien, denn immer wieder schüttelte der Kellner den Kopf und sagte: «No!»

«Die Auswahl ist sehr bescheiden», bemerkte Antons Mutter flüsternd zu Anton. «Sie haben keine Milch, keine Eier, keinen Joghurt, kein Müsli, kein Obst…»

«Und was sollen wir dann essen?», fragte Anton empört. «Warte doch erst mal ab, was uns der Kellner bringt», antwortete sein Vater.

Nach einer Viertelstunde erschien der Kellner mit einem Glas für Anton, das mit einer gelben Flüssigkeit gefüllt war, mit zwei großen Tassen türkischem Kaffee für Antons Eltern, einem Teller mit angebranntem Graubrot, etwas Butter und Marmelade und vier dünnen Scheiben Wurst.

«Dein Getränk soll Orangensaft sein, und das verkohlte Brot nennt sich Toast.» Seine Mutter versuchte zu lachen. Sie winkte den Kellner heran und bestellte neues Brot – «No toast!»

Antons Vater probierte den Kaffee. «Hm, der ist gut», sagte er. «Den haben wir uns auch verdient nach dieser fürchterlichen Nacht!»

«Fürchterlich?» Anton biss sich auf die Lippen. «Hat Mutti etwa im Schlaf geschrien? Oder laut geschnarcht?»

«Natürlich nicht!», antwortete sie. «Aber dein Vater musste gestern Abend unbedingt noch Geld eintauschen…»

«Wir», verbesserte Antons Vater. «Wir beide wollten Geld eintauschen! Du bist es sogar gewesen, die vorgeschlagen hat, dreihundert Mark zu tauschen. Ich hätte nur hundert getauscht.»

«Dreihundert Mark? So viel?», wunderte sich Anton.

Sein Vater nickte. «Auf jeden Fall haben uns die beiden Hotelangestellten mehr rumänische Lei gegeben, als wir in einer Wechselstube bekommen hätten.»

«Und anschließend wollte Vati noch ein Glas Wein trinken», fuhr Antons Mutter fort.

«Du aber auch», betonte Antons Vater.

«Ja, nachdem uns die beiden jungen Männer die Flasche besorgt hatten, habe ich ein Glas mitgetrunken», gab sie zu.

«Und dann sind wir plötzlich misstrauisch geworden», sagte Antons Vater.

«Misstrauisch?», wiederholte Anton.

«Wir haben gedacht, dass vielleicht ein Schlafmittel im Wein sein könnte. Weißt du, die Flasche war schon geöffnet.»

«Und die beiden Hotelangestellten konnten ja davon ausgehen, dass wir noch mehr Geld hatten», fügte Antons Mutter hinzu. «Auf einmal dachten wir: Was ist, wenn sie irgendein Mittel in den Wein geschüttet haben und nun warten, bis wir eingeschlafen sind? Dann kommen sie mit ihrem Hauptschlüssel in unser Zimmer! Und wir merken nichts, weil wir von dem Schlafmittel betäubt sind.»

«Ja, und da haben wir nicht mehr gewagt, uns hinzulegen», ergänzte Antons Vater. «Wir sind die ganze Nacht wach geblieben!»

«Beim nächsten Mal gehen wir aber in eine Wechselstube», sagte Antons Mutter. «Selbst wenn wir dort weniger Lei bekommen.»

«Ja», stimmte Antons Vater zu. «Beim nächsten Mal sind wir klüger!»

Doch der eigentliche Schock stand Antons Eltern erst noch bevor: Als sie am Touristenschalter des Hotels Benzingutscheine kaufen wollten, wurde ihnen klar, dass sie am vergangenen Abend nicht mehr, sondern weniger Lei bekommen hatten!

Die Liebe zu den Vampiren

«30000Lei zu wenig…», stammelte Antons Vater. Er war ganz grau im Gesicht. «Ich glaube, diese Dummheit werde ich mir nie verzeihen!»

«Wir sind beide schuld», erwiderte Antons Mutter. «Wir hätten auf dem Zimmer kein Geld tauschen dürfen.»

«Und den Hotelangestellten können wir noch nicht mal beweisen, dass sie uns betrogen haben», sagte Antons Vater grimmig. «Denn erstens ist es verboten, schwarz zu tauschen. Und zweitens würden sie mit Sicherheit behaupten, dass sie uns mehr gegeben haben, als wir nach dem offiziellen Wechselkurs hätten bekommen dürfen.»

«Wenn ich das richtig verstanden habe, dann haben sie euch doch überhaupt nicht betrogen», warf Anton ein.

«So, meinst du?»

«Ja! Schließlich haben sie Deutsche Mark gegen Lei eingewechselt! Dass ihr zu wenig Lei bekommen habt, war eben euer – wie nennt man das? – ja, Geschäftsrisiko!»

«Anton Besserwisser, wie?», meinte sein Vater.

«Ganz Unrecht hat er nicht», bemerkte Antons Mutter. «Aber wir sollten uns von dieser Geschichte nicht den ersten Urlaubstag verderben lassen! Immerhin steht uns heute noch Aufregendes bevor: das Hotel von Jonathan Harker, der Borgopass…»

«Woher kennst du das Hotel von Jonathan Harker und den Borgopass?», fragte Anton verwundert.

«Oh», sagte sie mit einem Lächeln. «Vati und ich hatten in der vergangenen Nacht viel Zeit zum Lesen!»

«Ja, und dabei hat Mutti ihre Liebe zu den Vampiren entdeckt», erzählte Antons Vater.

«Sie hat was?», sagte Anton verdutzt.

«Festgestellt, dass Bram Stoker gar kein so schlechter Schriftsteller war», antwortete seine Mutter. «Diese Geschichten von dem einsamen Grafen in seinem Schloss in den Karpaten… die ist mir richtig zu Herzen gegangen!»

«Mutti konnte gar nicht wieder aufhören zu lesen, nachdem ich das ‹Dracula›-Buch aus deinem Zimmer geholt hatte», berichtete Antons Vater. «Natürlich habe ich es nur ausgeliehen», fügte er hinzu, als er Antons entrüstete Miene sah.

«Früher hat Mutti sich immer aufgeregt, wenn ich ‹Dracula› gelesen habe…»

«Ja.» Sie lachte. «Aber jetzt sind wir in Transsylvanien!»

«Bei Graf Dracula!», fügte Antons Vater hinzu.

«Noch nicht ganz», erwiderte Anton. «Das richtige Transsylvanien beginnt erst in Bistritz.»

«Ja, sehen wir zu, dass wir dorthin kommen – weg von diesen Vampiren hier!» Antons Vater warf einen finsteren Blick in die Runde. Aber die beiden Hotelangestellten von gestern Abend waren schlau genug, ihnen nicht über den Weg zu laufen. Oder vielleicht hatten sie auch gar keinen Tagesdienst.

«Vampire?» Anton biss sich auf die Lippen. «Ich glaube nicht, dass sie sich dann für euer Geld interessiert hätten…»

«9.August», schrieb Anton auf der Fahrt in sein Tagebuch. «Nur noch wenige Kilometer bis Bistritz…»

Er spürte, wie sein Herz aufgeregt klopfte. Dabei wirkte die Gegend, durch die sie kamen, kein bisschen unheimlich. Die kleinen, bunt gestrichenen Häuser, die Holzzäune mit den Bänken davor, die Frauen mit ihren Kopftüchern, die braun gebrannten Kinder, die ihnen winkten, die Pferdefuhrwerke, die Hühner und Gänse, die einfach auf der Straße liefen – alles machte den Eindruck friedlichen Dorflebens.

Unheimlicher wirkten da schon die Neubausiedlungen am Stadtrand mit den vielen eingeschlagenen Fensterscheiben. Ja, und dann waren sie in Bistritz, von dem es bei Bram Stoker hieß, es sei eine «alte, interessante Stadt». Alt sahen die Häuser tatsächlich aus. Aber viel «Interessantes» konnte Anton nicht entdecken. In den staubigen Straßen war kaum jemand unterwegs und es gab nur wenige Geschäfte. Auch das Hotel «Goldene Krone» war ganz anders, als Anton es sich vorgestellt hatte: ein langweiliger Betonbau, der bestimmt nicht älter als dreißig Jahre war. Auf keinen Fall stammte das Hotel aus dem vorigen Jahrhundert. Und «Dracula», das hatte sich Anton gemerkt, war bereits im Jahr 1897 veröffentlicht worden!

«Das Hotel heißt nur so wie im Roman», erklärte sein Vater, dem Antons Enttäuschung nicht entgangen war. «Damals, als Bram Stoker seinen ‹Dracula› geschrieben hat, gab es keine ‹Goldene Krone›. Die Rumänen haben ihr Hotel in Bistritz nur so genannt – für die Touristen!»

«Und woher weißt du das?»

Antons Vater schmunzelte. «Auch ich hatte viel Zeit zum Lesen in der letzten Nacht. Und da habe ich unsere Reiseführer noch einmal gründlich studiert. Jetzt weiß ich zum Beispiel, dass Bram Stoker nie in Transsylvanien gewesen ist und dass es nie einen Borgopass gegeben hat.»

«Ja, das habe ich auch gelesen», sagte Anton. «Er heißt in Wirklichkeit Tihutapass. Aber es ist doch egal, ob Graf Dracula Jonathan Harker auf dem Borgo- oder auf dem Tihutapass abgeholt hat!»

«Falls er ihn überhaupt dort abgeholt hat…», antwortete sein Vater.

«Wie meinst du das?»

«Nun, in dem einen Reiseführer stand, dass der Tihutapass ein sanft gewelltes Gelände ist – und nicht die schroffe, unheimliche Gebirgslandschaft aus dem Roman.»

«Bram Stoker könnte sich doch mit dem Namen des Gebirges geirrt haben», warf Antons Mutter ein.

«Geirrt?», wiederholte Anton. «Weshalb sollte er sich denn geirrt haben?»

«Vielleicht hat der echte Graf Dracula gar nicht in der Gegend um Bistritz gelebt», antwortete sie. «Du hast ja gehört, was Vati gesagt hat: Bram Stoker ist nie in Transsylvanien gewesen. Da können sich schon mal Fehler einschleichen. Überhaupt ist das ‹Dracula›-Buch eine interessante Mischung aus Dichtung und Wahrheit!»

«Wobei man die Wahrheit wohl nie mehr herausfinden wird», ergänzte Antons Vater.

«Und warum nicht?», wollte Anton wissen.

«Weil Graf Dracula bereits im Jahr 1476 gestorben ist. Er ist demnach seit über fünfhundert Jahren tot!»