Der König, der ohne Krone regiert - Robin Sharma - E-Book

Der König, der ohne Krone regiert E-Book

Robin Sharma

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Beschreibung

Robin S. Sharma erzählt die Geschichte von Blake, einem geborenen Verlierer – bis er Tommy begegnet, einem abgerissenen Typen, der in seinem Beruf als Buchhändler wider Erwarten alle Verkaufsrekorde bricht und Blake in die Geheimnisse seines Erfolgs einweiht … Die Botschaft: Es kommt nicht auf Geld, Einfluss und Hierarchien an, sondern auf Ideen, Tatkraft und Ausdauer. Nicht das, was du tust und wer du bist, ist entscheidend; es zählt allein deine Bereitschaft, die Komfortzone zu verlassen.

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Seitenzahl: 333

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Ähnliche


Robin S. Sharma

Der König, der ohne Krone regiert

Eine Parabel vom Erfolg

Aus dem Englischen von Hans Freundl

Knaur e-books

Über dieses Buch

Inhaltsübersicht

MottoWidmungEine persönliche BemerkungKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Die sieben Grundübungen der SelbstführerschaftKapitel 8Hilfsmittel, die Sie dabei unterstützen können, ein Leader zu werdenwww.theleaderwhohadnotitle.comwww.robinsharma.comTwitterFacebookWir brauchen Ihre HilfeBauen Sie eine Organisation auf nach den Grundsätzen dieses Buches
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Du kannst die Welt auch auf sanfte Weise erschüttern.

Mahatma Gandhi

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Dieses Buch widme ich Ihnen, meinen Lesern.

Dass Sie die Bereitschaft aufbringen, Ihre inneren Kräfte zu wecken und ein Leader zu werden, inspiriert mich. Dass Sie sich vorgenommen haben, Ihr absolut Bestes zum Vorschein zu bringen, bewegt mich. Und dass Sie entschlossen sind, jeden Menschen, dem Sie begegnen, als einen besseren wieder zu verlassen, ermutigt mich.

Ich werde mein Leben noch stärker der Aufgabe widmen, Menschen dabei zu helfen, Führungspersönlichkeiten zu werden – auch wenn sie keinen formellen Titel besitzen.

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Eine persönliche Bemerkung

Das Buch, das Sie in Ihren Händen halten, ist das Ergebnis meiner fast fünfzehnjährigen Tätigkeit als Berater von Führungskräften in vielen Fortune-500-Unternehmen, darunter Microsoft, General Electric, Nike, FedEx und IBM, und von Organisationen wie der Yale University, dem US-amerikanischen Roten Kreuz und der Young Presidents’ Organization. Wenn Sie das Führungskonzept umsetzen, das ich Ihnen in diesem Buch vorstelle, wird sich dies in einer enormen Verbesserung Ihrer Arbeitsresultate niederschlagen, und Sie werden mit Ihrer Organisation in Bezug auf Innovation, Leistungsfähigkeit und Kundenbindung eine neue Stufe erreichen. Auch in Ihrem Privatleben und in Ihrem gesamten Auftreten werden Sie deutliche Fortschritte erleben.

Bitte beachten Sie: Die Führungsmethode, die ich Ihnen vermitteln möchte, wird in Erzählform präsentiert. Der Held der Geschichte, Blake Davis, sein unvergesslicher Mentor Tommy Flinn sowie die vier außergewöhnlichen Lehrer, die ihm helfen, seinen Arbeits- und Lebensstil zu verändern, sind allesamt fiktive Charaktere – Produkte meiner überaus reichen Phantasie. Doch ich kann Ihnen versichern, dass das Führungssystem ebenso wie die Prinzipien, Werkzeuge und Taktiken, auf denen es beruht, höchst real sind und bereits Hunderttausenden von Menschen in den erfolgreichsten Unternehmen der Welt geholfen haben, beruflich voranzukommen und in ihrer Branche eine Führungsposition zu erringen.

Opfer beschäftigen sich mit Problemen. Sieger präsentieren Lösungen. Ich hoffe aufrichtig, dass Der König, der ohne Krone regiert Ihnen und der Organisation, in der Sie tätig sind, eine wegweisende Lösung bieten möge, damit Sie in diesen turbulenten und unsicheren Zeiten Ihr volles Potenzial schnell und eindrucksvoll zur Entfaltung bringen können.

 

Ihr Robin Sharma

 

PS: Um Ihre Entwicklung als Führungspersönlichkeit zu sichern und zu vertiefen, können Sie zusätzlich zur Lektüre von Der König, der ohne Krone regiert meine Internetseite robinsharma.com aufsuchen, auf der ich Ihnen ein komplettes Set von Hilfsmitteln zur Verfügung stelle, darunter auch Podcasts, einen Newsletter, Blogs, Online-Bewertungen von Führungsfähigkeiten und Instrumente, um ein außergewöhnliches Team aufzubauen.

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Kapitel 1

Leadership und Erfolg sind Ihr Geburtsrecht

Wer erfolgreicher werden will,

als er es sich in seinen kühnsten Träumen ausmalt,

muss zunächst kühne Träume träumen.

Ralph Charell

 

Das Erbringen einer Leistung ist das größte Geschenk, das ein Mensch anderen machen kann.

Ayn Rand

Jeder von uns ist zu einem Genie geboren. Doch bedauerlicherweise sterben die meisten von uns in Mittelmäßigkeit. Ich hoffe, es irritiert Sie nicht, dass ich diese Ansicht, von der ich fest überzeugt bin, schon gleich zu Beginn der kurzen Zeitspanne unseres Zusammenseins formuliere. Aber ich will aufrichtig sein. Ich muss Ihnen auch sagen, dass ich ein gewöhnlicher Mensch bin, der das Glück hatte, einige ganz besondere Geheimnisse kennenzulernen; sie halfen mir, geschäftlich überaus erfolgreich zu werden, und sie haben mein Leben zutiefst bereichert. Die gute Nachricht lautet: Ich werde Ihnen hier alles enthüllen, was ich im Laufe eines sehr aufregenden Abenteuers entdeckt habe, so dass auch Sie in Ihrer Arbeit durchstarten können und in vollen Zügen leben können. Ab heute.

Die machtvollen Erkenntnisse, die ich enthülle, werden auf behutsame und gewissenhafte Weise vermittelt – mit dem Ziel, Sie aufzubauen und zu ermutigen. Unsere gemeinsame Reise wird fröhlich, inspirierend und unterhaltsam sein. Die Prinzipien und Instrumente, die Sie kennenlernen, werden automatisch dafür sorgen, dass Sie beruflich einen großen Sprung nach vorn machen, dass Ihre Zufriedenheit wächst und dass Ihr absolut Bestes seinen vollen Ausdruck finden wird. Doch in erster Linie, das verspreche ich Ihnen, werde ich aufrichtig sein; diesen Respekt schulde ich Ihnen.

Mein Name ist Blake Davis; ich wurde zwar in Milwaukee geboren, habe aber fast mein gesamtes bisheriges Leben in New York verbracht. Und noch immer mag ich diese Stadt: die Restaurants, das Tempo, die Menschen. Und die Hotdogs auf der Straße – unglaublich. Ja, ich schätze das Essen – es ist eines der größten Vergnügen, die das Leben zu bieten hat, wenn Sie mich fragen, neben guten Gesprächen, meinen Lieblingssportarten und tollen Büchern. Es gibt keinen schöneren Ort auf der Welt als Big Apple. Ich habe nicht die Absicht, von hier wegzugehen. Niemals.

Erlauben Sie mir, kurz meinen Hintergrund darzustellen, bevor ich Ihnen von den grotesken, doch wertvollen Erlebnissen berichte, die mich dahin brachten, wohin ich schon immer wollte.

Meine Mutter war der liebenswerteste Mensch, den ich kennengelernt habe. Mein Vater war der willensstärkste Mensch, der mir bisher begegnet ist. Beide waren absolut bodenständige Menschen, nicht vollkommen, aber finden Sie einmal so jemanden. Entscheidend war, dass sie immer ihr Bestes gaben. Und meiner Ansicht nach kann man nicht mehr tun, als das Beste zu geben. Wenn man das getan hat, kann man nach Hause gehen und sich beruhigt schlafen legen. Sich über Dinge Sorgen zu machen, die sich unserem Einfluss entziehen, ist eine gute Methode, um krank zu werden. Und so vieles, was wir befürchten, tritt niemals ein. Kurt Vonnegut drückte dies sehr anschaulich aus: »Die tatsächlichen Unannehmlichkeiten, mit denen man im Leben konfrontiert wird, sind Dinge, an die man noch nie gedacht hat, jene Art von Ereignissen, die an einem ganz gewöhnlichen Dienstag um 16 Uhr nachmittags über einen hereinbrechen.«

Meine Eltern haben mich auf vielfältige Weise geformt. Sie besaßen nicht viel, doch in mannigfacher Weise hatten sie alles: Sie besaßen den Mut ihrer Überzeugungen, sie verfügten über großartige Wertvorstellungen, und sie hatten Selbstachtung. Sie fehlen mir noch immer sehr, und es vergeht kein Tag, an dem ich nicht dankbar an sie denke. In stilleren Momenten kommt mir der Gedanke in den Sinn, dass wir im Allgemeinen die Menschen, die wir am meisten lieben, als etwas Selbstverständliches betrachten – bis wir sie verlieren. Dann unternehmen wir lange, stille Spaziergänge und beten darum, eine zweite Chance zu erhalten, um ihnen die Achtung entgegenzubringen, die sie verdienten. Bitte lassen Sie nicht zu, dass sich solche reumütigen Gedanken in Ihr Leben schleichen. Es passiert viel zu oft, und viel zu vielen von uns. Wenn Sie in der glücklichen Lage sind, dass Ihre Eltern noch leben, dann ehren Sie sie. Und zwar heute.

Ich war ein braves Kind. »Ein Herz auf zwei Beinen«, so nannte mich mein Großvater immer. Es entsprach einfach nicht meinem Naturell, andere zu verletzen oder ihnen in irgendeiner Weise Schwierigkeiten zu bereiten. Ich war ein passabler Schüler, kam gut bei den Mädchen an und war ein zuverlässiger Spieler in der Football-Mannschaft meiner Schule. Doch alles änderte sich schlagartig, als meine Eltern ums Leben kamen. Es zog mir den Boden unter den Füßen weg. Ich verlor jegliche Zuversicht. Mein Leben geriet aus den Fugen.

Mit Anfang zwanzig wechselte ich häufig meine Jobs und bewegte mich eine Zeitlang gewissermaßen im Blindflug durchs Leben. Ich versuchte, mich selbst zu kurieren: mit zu viel Fernsehen, zu viel Essen und zu vielen Sorgen – was alles nur dazu diente, den Schmerz auszublenden, den man empfindet, wenn man erkennt, welche Möglichkeiten man eingebüßt hat.

In dieser Lebensphase war die Arbeit für mich lediglich ein Mittel, um meine Rechnungen bezahlen zu können, aber keine Plattform, auf der ich mein Bestes geben konnte. Ein Job war nichts weiter als eine schlichte Möglichkeit, den Tag herumzubringen, anstatt darin die großartige Chance zu sehen, in mein volles Potenzial hineinzuwachsen, andere Menschen ins Licht zu rücken, eine bessere Organisation aufzubauen und dadurch auch eine bessere Welt zu schaffen.

Schließlich entschloss ich mich, zum Militär zu gehen. Das erschien mir als eine gute Möglichkeit, ein Gefühl der Zugehörigkeit zu entwickeln und eine gewisse Struktur in mein ungeordnetes Leben zu bringen. Ich wurde zum Einsatz in den Irak geschickt. Der Militärdienst sorgte zwar für Ordnung in meinem Leben, verschaffte mir aber auch Erlebnisse, die mich bis heute verfolgen. Ich musste mit ansehen, wie Freunde, mit denen ich die Grundausbildung absolviert hatte, in blutigen Gefechten ums Leben kamen. Ich sah, wie Soldaten, die fast noch Kinder waren, grausam verstümmelt und verwundet wurden. Und ich beobachtete, wie die milde Begeisterung, die es in meinem früheren Leben noch gegeben hatte, immer mehr schwand, als mir auf schmerzhafte Weise bewusst wurde, was aus meinem Leben geworden war. Auch wenn mir im Krieg ein physisches Trauma erspart blieb, so war ich dennoch ein verwundeter Kämpfer. Und die Geister des Krieges schleppte ich überall mit, wohin ich auch kam.

Eines Tages war es Zeit, nach Hause zurückzukehren. Es geschah in schwindelerregender Geschwindigkeit. Ich wurde in ein Transportflugzeug gesetzt, in die USA geflogen und erhielt innerhalb von ein oder zwei Tagen, nach ein paar medizinischen Untersuchungen, meine Papiere ausgehändigt. Man dankte mir für den Dienst, den ich dem Vaterland erwiesen hätte, und wünschte mir alles Gute. An einem sonnigen Herbstnachmittag trat ich auf eine Straße in der Stadt mit der ernüchternden Erkenntnis: Ich war jetzt wieder völlig auf mich allein gestellt.

Am schwierigsten war es für mich, wieder in eine Gesellschaft hineinzufinden, die mich vergessen hatte. Meistens konnte ich nachts nicht schlafen – mein Geist wurde gepeinigt von den Erinnerungen an die alptraumhaften Szenen, die ich im Krieg erlebt hatte. Morgens lag ich stundenlang im Bett und versuchte, genügend Kraft aufzubringen, um aufzustehen und meinen Tag zu beginnen. Mein Körper schmerzte. Ich hatte grundlos Angst und konnte von kaum etwas anderem erzählen als von meinen Kameraden. Die Dinge, die ich gerne tat, erschienen mir belanglos und langweilig. Meinem Leben fehlte jeder Sinn, jede Bedeutung. Es gab Tage, da wollte ich am liebsten sterben.

Eine der größten Gaben, die mir meine Eltern mit auf den Weg gegeben hatten, war die Lust am Lernen, insbesondere mit Hilfe von Büchern. Zwischen den Deckeln eines Buches finden sich Ideen, die, wenn man sie umsetzt, die Macht besitzen, das ganze Leben umzukrempeln. Es gibt kaum etwas Klügeres, als sich zu bemühen, ein besserer Denker zu werden und sich geistig weiterzuentwickeln. Unermüdliches Lernen ist einer der wichtigsten Charakterzüge eines offenen und selbstbewussten Menschen. Und sich beharrlich und unablässig weiterzubilden ist eine der wichtigsten Überlebenstechniken, um sich in schwierigen Zeiten zu behaupten. Die besten Menschen besitzen anscheinend immer die größten Bibliotheken.

Also begann ich, in einer Buchhandlung in SoHo zu arbeiten. Doch aufgrund meiner negativen Einstellung und meines selbstgefälligen Verhaltens tat ich mich schwer. Ich wurde häufig vom Manager der Buchhandlung abgemahnt und rechnete damit, bald gefeuert zu werden. Ich war unkonzentriert, ganz und gar kein Teamspieler und leistete unterdurchschnittliche Arbeit. Meine Liebe zu Büchern war das Einzige, was mich rettete. Meine Vorgesetzten hatten mich auf der Abschussliste wegen meiner schlechten Arbeitsmoral, doch die Kunden schienen mich zu mögen. Und so durfte ich bleiben. Doch es war knapp.

Schließlich wendete sich das Blatt zum Besseren. Eines Tages ereignete sich eine Art Wunder in meinem Leben. Als ich überhaupt nicht mehr damit rechnete, dass noch irgendetwas Positives geschehen würde, brach es über mich herein. Ein äußerst eigenartiger Fremder suchte mich in der Buchhandlung auf. Und die Lehren, die er mir in der viel zu kurzen Zeit erteilte, die wir zusammen verbrachten, erschütterten mich zutiefst. Sie rissen die Begrenzungen ein, an die ich mich geklammert hatte, und führten mich an eine neue Art des Arbeitens und eine völlig neue Art des Denkens heran.

Jetzt, im Alter von 29 Jahren – nachdem ich mehr Erfolg und Freude erfahren habe, als ich mir jemals erträumte –, weiß ich, dass schwere Zeiten bessere Menschen hervorbringen, dass Schwierigkeiten stets Chancen bergen und dass jeder von uns dafür geschaffen ist, erfolgreich zu sein – in der Arbeit wie auch im Leben. Nun ist es an der Zeit, Ihnen zu erzählen, was mir widerfahren ist.

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Kapitel 2

Meine Begegnung mit einem Mentor für Leadership

Die Tage kommen und gehen wie die eingehüllten und verschleierten Gestalten, die von einer fernen, freundlich gesinnten Partei ausgesandt werden, doch sie sagen nichts. Und wenn wir die Gaben nicht nutzen, die sie uns bringen, tragen sie sie leise wieder fort.

Ralph Waldo Emerson

Es war wieder mal ein überaus fader Montagmorgen. Unser Team hatte gerade das sogenannte Monday Morning Scrum abgeschlossen – das Treffen zu Wochenbeginn, auf dem jene Mitarbeiter lobend erwähnt wurden, die sich als Verkäufer besonders hervorgetan hatten, und auf dem hohl klingende Motivationsparolen ausgegeben wurden. Der Laden lief nicht besonders gut, und manche Mitarbeiter vermuteten, dass er bald geschlossen werden würde im Zuge einer Restrukturierung des gesamten Unternehmens. Die Kosten mussten gesenkt, die Geschäftsabläufe verbessert werden, und der Gewinn musste steigen. Und zwar schnell.

Der Zweck dieser Treffen bestand darin, das Team auf das Ziel und auf die Werte des Unternehmens einzuschwören und allen Mitarbeitern Kraft zu geben für eine erfolgreiche Woche. Am Ende des Jahres wählte jeder Laden den besten Mitarbeiter, der sich dann um den Best Bookseller in America bewarb, den das Unternehmen jährlich verkündete – verbunden mit einem großzügigen Preisgeld und einer Woche Urlaub auf Aruba. In Wirklichkeit aber demotivierte und entmutigte mich dies alles, und meine Gleichgültigkeit darüber, wie ich meine Arbeitstage verbrachte, wuchs immer mehr. Und ich scheute mich auch nicht, diese Gefühle jedem Kollegen zu erkennen zu geben, der mir über den Weg lief.

Dann geschah etwas sehr Seltsames. Als ich eines Tages still eine Tasse Kaffee trank und mich dabei hinter einem der hohen Regale in der Abteilung für Wirtschaftsliteratur zu verbergen suchte, spürte ich, wie mir jemand auf die Schulter klopfte.

Ich wirbelte herum und war verblüfft über den Anblick, der sich mir bot: Vor mir stand ein äußerst verwegen aussehender Mann. Seine Kleider waren ein einziges Durcheinander. Sie passten ihm nicht, waren alt und voller Löcher. Er trug eine verschlissene karierte Weste, und seine Hemdsärmel waren hochgekrempelt, als wolle er trotz seines heruntergekommenen Aufzugs den Eindruck eines tatkräftigen, vielbeschäftigten Mannes erwecken. In der Westentasche steckte ein gelbes Taschentuch, das mit Micky-Maus-Emblemen überzogen war. Und um seinen Hals lag eine silberne Kette, in die in moderner Schrift die Initialen LWT eingraviert waren.

Ich schaute hinab auf seine Füße. Überraschenderweise trug er neue Schuhe: Slipper, an deren leuchtender Spitze helle Geldstücke eingesetzt waren. Er stand regungslos und schweigend vor mir, er spürte anscheinend mit jedem langen Augenblick, der zwischen uns verging, mein Unbehagen, hielt es aber nicht für nötig, etwas zu sagen (eine seltene Gabe in dieser Welt, in der viel zu viel geschwätzt und viel zu wenig getan wird).

Das Gesicht des Fremden war ein Meer aus Falten; es ließ erkennen, dass der Mann schon ziemlich alt war. Seine Zähne waren zackige, sichtlich schmutzige Stumpen. Strähnige und ungekämmte Haare bedeckten seinen Kopf und standen in alle Richtungen ab. Sie erinnerten mich an Albert Einstein auf dem berühmten Schwarzweißfoto, auf dem er ausgelassen die Zunge herausstreckt.

Doch mehr als alles andere, was mir an dieser skurrilen Gestalt auffiel, die an diesem ganz gewöhnlichen Montagmorgen vor mir stand, faszinierten mich die Augen des Mannes. Seine ungepflegte Erscheinung mochte die Vermutung nahelegen, dass er vielleicht obdachlos oder auch dement war, doch seine Augen waren hell und klar. Ich weiß, es klingt komisch, aber sein hypnotisierender Blick gab mir nicht nur ein Gefühl der Sicherheit, sondern ich hatte auch den Eindruck, es mit einem außerordentlich starken Menschen zu tun zu haben.

»Hi, Blake«, sagte der geheimnisvolle Mann schließlich mit einer tiefen, vertrauenerweckenden Stimme, die mich noch weiter beruhigte. »Freut mich sehr, Sie kennenzulernen. Ich habe schon viel über Sie gehört von den Mitarbeitern des Ladens.«

Der Mann kannte meinen Namen! Vielleicht hätte ich nun vorsichtig werden sollen. Schließlich tummeln sich in New York City allerlei schräge Existenzen, und das Erscheinungsbild dieses Mannes verwirrte mich. Wer war er? Wie kam er in diese Buchhandlung? Sollte ich den Sicherheitsdienst rufen? Und wie zum Teufel hatte er herausgefunden, wie ich heiße?

»Entspannen Sie sich, mein Freund«, sagte er und streckte mir eine Hand entgegen. »Mein Name ist Tommy Flinn. Ich bin gerade von der Filiale in der Upper East Side in diesen Laden versetzt worden. Ich weiß, ich sehe nicht aus wie jemand, der aus einem Geschäft in dieser Gegend kommt, doch ich war vergangenes Jahr der ›Mitarbeiter des Jahres‹. Sie sollten sich also mit mir gut stellen. Vielleicht werde ich eines Tages Ihr Chef.«

»Wollen Sie mich veräppeln? Sie arbeiten für diese Firma?«, platzte ich heraus.

»Ja. Aber machen Sie sich keine Sorgen. Ihr Vorgesetzter zu werden wäre das Letzte, was ich mir wünsche. Titel interessieren mich überhaupt nicht. In der Arbeit mein Bestes zu geben, darauf kommt es mir an. Und dazu brauche ich keine formelle Autorität. Ich hoffe, Sie verübeln es mir nicht, dass ich Ihnen das erzähle, aber ich bin in jedem der vergangenen fünf Jahre zum besten Mitarbeiter dieser Buchhandelskette gekürt worden«, erklärte er mit einem stolzen Lächeln, während er über das Micky-Maus-Taschentuch strich.

Diese komische Figur musste verrückt sein. Ich trat von einem Bein auf das andere. Vielleicht sollte ich das Weite suchen, solange mir das noch möglich war? Aber dadurch würde ich dumm aussehen. Meine Kollegen hatten ohnehin keinen allzu großen Respekt vor mir. Und ich schätzte meinen Morgenkaffee viel zu sehr, um ihn einfach stehenzulassen. Außerdem muss ich zugeben, dass der Mann wirklich hochinteressant war. Ich entschied mich zu bleiben.

Dabei hielt ich Ausschau nach einer versteckten Kamera. Vielleicht wollten mir die Kollegen einen Streich spielen und mich in eine dieser Fernsehsendungen bringen, in denen jene Unglücklichen der Lächerlichkeit preisgegeben werden, die naiv oder dumm genug sind, einem geschickt ausgeheckten Schabernack auf den Leim zu gehen. Doch ich konnte keine Kamera entdecken. Also entschloss ich mich mitzuspielen.

»Okay«, sagte ich mit leicht zitternder Stimme, obwohl ich als Soldat schon wesentlich dramatischere und extremere Situationen erlebt hatte. »Hi, Tommy. Schön, Sie kennenzulernen. Warum sind Sie in diese Filiale geschickt worden?«, fragte ich und hätte am liebsten noch hinzugefügt: Und nicht ins Irrenhaus? »Es heißt ja, dass wir hier ein sinkendes Schiff seien.«

»Oh, ich wurde nicht gezwungen, hierherzukommen, Blake – ich habe darum gebeten«, antwortete er und klang noch immer selbstsicher und ziemlich vernünftig. »Ich wollte hierher versetzt werden. In meinem vorherigen Laden konnte ich mich nicht mehr weiterentwickeln. Und ich dachte, hier könnte ich mehr gefordert werden. Je anspruchsvoller die Bedingungen sind, umso fabelhafter sind die Chancen, Blake. Also wollte ich hierherkommen und zusammen mit Ihnen hier arbeiten«, fügte er lächelnd hinzu.

Ich konnte mir nicht vorstellen, wohin dieses Gespräch führen würde. Wer war dieser Mensch? Und die Micky-Maus-Bilder auf seinem Einstecktuch begannen mich allmählich zu nerven – das war jedoch keine Geringschätzung dieses kleinen Kerlchens, das Millionen Menschen Freude bereitet hatte, wie mir wohl bewusst war.

»Sagt Ihnen der Name Oscar etwas, Blake?«

Ich war verblüfft. Für einen Augenblick stockte mir der Atem. Mein Herz begann schneller zu schlagen. Meine Beine fingen an zu zittern. Mein Vater hatte Oscar geheißen.

»Mein Vater trug den Namen Oscar«, antwortete ich leise und spürte eine Traurigkeit, als etwas von dem Schmerz wieder hochkam, den ich nach dem Verlust meiner Eltern in mir begraben hatte. Tommys Augen wurden weicher. In diesem Augenblick spürte ich, dass er ein gütiger Mensch war. Er legte mir eine Hand auf die Schulter.

»Ich war mit Ihrem Vater in Milwaukee befreundet. Wir sind dort zusammen aufgewachsen, haben uns aber nicht mehr gesehen, nachdem er nach New York gezogen war. Wir standen weiterhin per Post in Kontakt und schrieben uns lange Briefe, in denen jeder dem anderen erzählte, was sich in seinem Leben ereignete. Ihr Vater hat mir zugeredet, in diese Stadt hier zu ziehen, als ich keinen Job fand. Seine Charakterstärke erinnerte mich an den Mut und die Tapferkeit, die ich selbst einst besaß, aber dann eingebüßt habe. Es tut mir so leid, was mit Ihren Eltern geschehen ist, Blake. Sie waren gute Menschen.

Wie auch immer«, fuhr er fort, hob den Blick und schaute mich nun direkt an. »Oscar hat mich über Sie und alles, was Sie getan haben, auf dem Laufenden gehalten. Er erzählte mir immer, dass Sie überaus begabt seien, und er hatte das Gefühl, dass Sie für Großes geschaffen seien. Er hat wirklich an Sie geglaubt, Blake. Aber er spürte auch, dass Sie jemanden brauchten, der Sie inspiriert und Ihnen zeigt, wie Sie das Beste aus sich machen können. Und aus welchem Grunde auch immer – jedenfalls dachte er nicht, dass er derjenige sein könnte.«

Ich konnte nicht glauben, was ich hörte. Es war überwältigend für mich, in diesem Fremden einen Freund meines Vaters zu treffen. Die ganze Szene erschien mir surreal. Ich setzte mich auf einen Schemel und lehnte mich gegen ein Bücherregal.

»Machen Sie sich keine Sorgen, Blake. Sich unterwegs zu verirren, das gehört zur Suche nach dem Weg, der für einen vorgesehen ist. Manchmal müssen wir ein Stück vom Weg abkommen, bevor wir klar erkennen, wie wir wieder in die Spur gelangen können. Alles, was Sie durchgemacht haben, von Ihrem persönlichen Verlust bis zu Ihrem Einsatz im Irak, das war eine Vorbereitung.«

»Eine Vorbereitung?«, fragte ich, während ich mich noch immer benommen fühlte.

»Gewiss. Wenn Sie das alles nicht durchgemacht hätten, was Sie durchgemacht haben, könnten Sie nicht die Bereitschaft aufbringen, sich anzuhören, was ich Ihnen sagen und was ich Sie lehren möchte. Das Leben musste Sie zerbrechen, damit Sie auf eine bessere Weise wieder neu aufgebaut werden können. Und, Junge, warten Sie nicht, bis Sie die Durchbrüche sehen, die Sie erleben werden. Ehe Sie sichs versehen, werden Sie zum großen Star dieser Buchhandelskette aufsteigen«, sagte Tommy mit lauter werdender Stimme und voller Leidenschaft.

»Zum großen Star?«, fragte ich.

Tommy reckte eine Faust in die Luft und begann, mit den Hüften zu wackeln – ungefähr in der Art, wie sich Mick Jagger bewegte. Doch er gab keine gute Figur ab. »Ja, zu einer Art Rockstar«, erwiderte er und lachte.

»Mann, ich schaffe es kaum, den Tag zu bewältigen. Ich verstehe, Sie versuchen mir zu helfen, und es haut mich wirklich um, dass Sie meinen Vater kannten. Aber Sie haben keine Ahnung, was ich alles hinter mir habe. Die Kriegserlebnisse kommen immer wieder hoch, vor allem in Augenblicken, wenn ich sie am wenigsten erwarte. Ich bin erschöpft. Und obwohl ich nun schon seit geraumer Zeit wieder in den Staaten bin, ist die Beziehung zu meiner Freundin noch lange nicht wieder so eng, wie sie vorher war. Ich habe also wirklich nicht die Absicht, in meiner Arbeit irgendein ›Rockstar‹ zu werden. Ich will einfach nur überleben.«

Tommy verschränkte die Arme. Er schaute mir tief in die Augen.

»Ich höre, was Sie sagen«, erwiderte er und wurde nun sehr ernst. »Und ich respektiere es, Blake. Bitte, seien Sie offen für das, was ich Ihnen mitteilen möchte. Auch mein Leben war sehr schwierig, aber es hat sich vollständig geändert. Mir kommt es vor wie ein Wunder. Und ich garantiere Ihnen, dass Ihnen dasselbe gelingen wird. Vor vielen Jahren habe ich Ihrem Vater versprochen, Ihnen zu helfen. Bisher hatte ich noch nie das Gefühl, dass die Zeit reif sei, Ihnen einen Besuch abzustatten. Dann entdeckte ich durch irgendeine sonderbare Wendung des Schicksals Ihren Namen auf einer der Bewerbungen, die für eine offene Stelle in dieser Buchhandlung hereinkamen. Wenn man als bester Buchhändler Amerikas ausgezeichnet worden ist, kann man sich nicht nur über das Geld und die Reise in die Karibik freuen, man bekommt auch die Gelegenheit, an den Sitzungen der Personalabteilung teilzunehmen. Und man kann bei regelmäßigen Frühstückstreffen mit dem leitenden Management über Möglichkeiten diskutieren, das Unternehmen zu verbessern. Ich erkannte, dass dies meine Chance war, mit Ihnen in Kontakt zu treten – und Ihnen eine Transformationsphilosophie nahezubringen, die auf die Entwicklung von Führungsfähigkeiten in Unternehmen und Erfolg im Leben zielt. Man hat mich diese Philosophie vor vielen Jahren gelehrt, als ich beruflich und persönlich ein wenig desorientiert war. Stellen Sie sich vor, Sie werden hier in diesem Job so gut, dass die Leute Ihnen stehend applaudieren, wenn Sie morgens zur Tür hereinkommen, wie sie es für Coldplay, U2 oder Green Day tun!«, rief Tommy. Seine Begeisterung wuchs.

Ich musste über diese Vorstellung lachen. Vielleicht wäre es ja wirklich toll, der Star dieser Organisation zu sein. Und ich wollte auch tatsächlich eine Chance erhalten, die Reise nach Aruba und das Geld zu gewinnen.

Tommy fuhr fort: »Und stellen Sie sich weiter vor, dass Sie nicht nur in Ihrer Arbeit zu einer absoluten Spitzenkraft werden, sondern dass Sie auch in Bezug auf Ihre Gesundheit, Ihre Beziehungen und Ihre Zufriedenheit das Optimale erreichen. Ich kann Ihnen zeigen, wie Sie all das schaffen können. Und es ist viel einfacher, als Sie vielleicht denken.«

»Hat diese Halskette, die Sie tragen, in die LWT eingraviert ist, etwas damit zu tun, was Sie mir beibringen wollen?«, fragte ich neugierig.

»Sehr gut«, antwortete Tommy höflich und klatschte in die Hände. »Das wird leichter, als ich dachte. Ja, LWT bildet den Kern der Methode, die Sie kennenlernen werden. Es ist eine grundlegend einfache, aber auch wirklich grundlegende Art des Arbeitens – und Lebens. An jenem Tag, an dem mich vier besondere Lehrer in diese Methode einführten, veränderte sich etwas ganz tief in meinem Inneren. Ich war danach nicht mehr derselbe Mensch. Ich weiß, wie seltsam und unglaublich das für Sie klingt, Blake, aber genau das ist passiert. Ich habe meinen Beruf und mein Leben durch eine ganz neue Brille gesehen. Fast unmittelbar nachdem mir dieser Prozess enthüllt wurde, begann ich, die Welt mit anderen Augen zu betrachten. Und es stellten sich erstaunliche Resultate ein.«

Ich war fasziniert. Skeptisch, ja, aber auch fasziniert. Mein Instinkt sagte mir, dass der Mann nicht log, wie absonderlich sich seine Geschichte auch anhörte. »Ist sie wirklich so machtvoll – die Philosophie, die Sie entdeckt haben?«

»Ja«, erwiderte Tommy knapp, während er gedankenverloren über die LWT-Buchstaben an seiner Halskette strich. »Das ist sie …«, fügte er hinzu, wobei seine Stimme allmählich verstummte. Dann spielte er ein bisschen mit seinen Haaren und machte eine Pause. Die Buchhandlung begann sich mit Menschen zu füllen, und mein Kaffee war mittlerweile kalt geworden. Für einen Augenblick war ich unaufmerksam.

Dann entschloss ich mich, des Teufels Advokat zu spielen. »Tommy, ich hoffe, Sie verübeln es mir nicht, aber wenn diese LWT-Sache so etwas ganz Besonderes ist, warum arbeiten Sie dann noch immer in diesem Buchladen? Könnten Sie sich dann nicht längst zur Ruhe gesetzt haben? Und verzeihen Sie mir, wenn ich das sage, aber Sie sind ja noch nicht einmal zum Leiter dieser Filiale ernannt worden, nachdem man Sie hierher versetzt hat. Sie haben dieselbe Position wie ich. Ihre Lehren haben Ihnen anscheinend doch nicht so viel geholfen«, sagte ich mit leicht sarkastischem Unterton.

Aufmerksam beobachtete ich Tommys Reaktion. Ich erwartete, dass er eine Abwehrhaltung einnehmen oder vielleicht sogar verärgert sein würde. Doch Tommy blieb die Güte in Person. Er war eine Weile völlig ruhig. Dann holte er tief Luft und lächelte.

»Eine gute Frage, Blake. Sie sind ehrlich. Das gefällt mir. Ein bisschen schroff, aber ich möchte Sie ermuntern, stets zu sagen, was Sie für angebracht halten. Das ist eine großartige Eigenschaft. Nun, zunächst haben Sie recht mit der Vermutung, dass ich längst im Ruhestand sein könnte. Ich habe das Alter schon deutlich überschritten, in dem die meisten Leute in Rente gehen. Letzte Woche bin ich 77 Jahre alt geworden.«

»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Tommy«, warf ich entschuldigend ein; ich erinnerte mich an den Spitznamen »Herz auf zwei Beinen«, den mir mein Großvater gegeben hatte, und fühlte mich ein wenig beschämt ob meiner Grobheit. Ich durfte nicht zu unhöflich sein gegenüber Tommy. Er war älter als ich, und meine Eltern hatten mir beigebracht, älteren Menschen mit größtem Respekt zu begegnen.

»Danke«, erwiderte er. »Ich fühle mich noch recht jung. Das Alter ist nur ein Geisteszustand – ein Etikett, das die Leute benutzen, um andere in eine Schublade zu stecken und ihnen Grenzen dahingehend zu setzen, was sie noch tun können. Ich habe mich entschlossen, mein Leben nicht von Etikettierungen bestimmen zu lassen. Ja, ich könnte im Ruhestand sein, dennoch arbeite ich noch immer für das Unternehmen. Ich bin seit 50 Jahren dabei.«

»Toll.«

»Und darum geht es: Warum sollte ich eine Arbeit aufgeben, die mir so viel Spaß macht? Ich erlebe die schönste Zeit meines Lebens! Und eine Arbeit zu verrichten, die mir am Herzen liegt, ist einer der Gründe dafür, dass ich innerlich jung geblieben bin. Ich kann hier kreativ sein und meinen Geist fordern, indem ich mich um die Lösung von Problemen bemühe. Ich habe die Chance, neue Freunde kennenzulernen, indem ich mich jeden Tag nach besten Kräften um die Kunden kümmere. Und ich habe die Gelegenheit, meine Arbeitskollegen zu inspirieren, indem ich Ihnen ein positives Beispiel biete. Und ich bin glücklich, denn gute Arbeit zu leisten ist die beste Möglichkeit, tiefe Freude zu empfinden. All das gibt meinem Leben einen Sinn und einen Zweck«, erklärte Tommy.

»Also, es tut mir leid, dass ich ein bisschen barsch war«, murmelte ich. Ich saß noch immer auf dem Schemel und schaute den Mann an, der, wie mir allmählich klarwurde, mein dringend benötigter Mentor werden würde.

»Keine Ursache! Aber ich möchte noch auf Ihre Bemerkung eingehen, dass ich hier nicht zum Filialleiter ernannt wurde, denn das bezieht sich auf einen entscheidenden Aspekt der LWT-Philosophie. Ich will nicht und ich muss nicht ein Manager sein. Das interessiert mich nicht.«

»Wofür steht dann LWT genau, Tommy?«, fragte ich. Meine Vorsicht schwand zunehmend, und meine Faszination wuchs.

»Nun, zunächst hat es nichts mit Zauberei zu tun. Es ist sehr real und eine praktische Art, seine Arbeit zu erledigen und zu leben. Sie wissen, in unserer Welt vollziehen sich tiefgreifende Veränderungen. Wir leben in außerordentlich unsicheren Zeiten und in einer Zeit außergewöhnlicher Turbulenzen. Was bisher funktioniert hat, geht künftig nicht mehr.«

»Da würde ich Ihnen zustimmen. Jeder Tag bringt neue Herausforderungen mit sich und ein hohes Maß an Verunsicherung. Dieses Unternehmen macht offenbar gerade eine solche Phase durch. Meine Kunden berichten mir, dass ihr Leben immer komplexer wird. Jeder, den ich treffe, fühlt sich anscheinend durch die Veränderungen gestresst. Welche Lösung haben Sie also zu bieten, Tommy?«

»Leadership«, lautete seine schlichte Antwort. Dann fügte er hinzu: »Für ein Unternehmen gibt es nur eine einzige Möglichkeit, sich in der Welt zu behaupten, in der wir leben, Blake. Keine andere Lösung wird in der Zukunft noch funktionieren.«

»Und worin besteht diese Möglichkeit, wenn ich fragen darf?«

»Die Führungsfähigkeiten jedes einzelnen Mitarbeiters einer Organisation schneller zu entwickeln und zu fördern als die Konkurrenz. Wenn Unternehmen verhindern wollen, dass sie bei lebendigem Leib aufgefressen werden, müssen sie die Fähigkeiten der Beschäftigten auf allen Ebenen stärken, in allem, was sie tun, Führungskompetenz zu beweisen. Es geht darum, dass vom Hausmeister bis hinauf zum Vorstandschef alle Beteiligten Führungskraft entwickeln und sich für den Erfolg des Unternehmens verantwortlich fühlen. Und dieser Gedanke gilt für Organisationen aller Art, nicht nur für Wirtschaftsunternehmen. Gemeinnützige Organisationen müssen auf allen Ebenen Führungskräfte heranbilden. Industrieverbände müssen auf allen Ebenen Führungskräfte heranziehen. Behörden und nichtstaatliche Organisationen müssen auf allen Ebenen Führungskräfte ausbilden. Selbst Schulen und Universitäten müssen sich mit dem Gedanken anfreunden, dass jeder Einzelne von uns die Kraft besitzt, bei allem, was wir tun, Leadership an den Tag zu legen – wenn uns ernsthaft daran gelegen ist, in diesen Zeiten schwindelerregenden Wandels zu überleben und voranzukommen.«

»So habe ich über die Frage der Führung noch nie nachgedacht, Tommy. Für mich waren Führungskräfte immer die Leute, die eine Organisation leiten, egal ob es um das Militär oder um ein Wirtschaftsunternehmen geht«, gestand ich.

»Wir alle müssen Führungskraft demonstrieren, Blake, ungeachtet unserer Position und unseres Titels. Es ist keine Entschuldigung mehr, darauf zu verweisen, dass man keinen hohen Rang bekleidet und daher keine Verantwortung für die Entwicklung einer Organisation übernehmen muss. Um erfolgreich zu sein, muss sich jeder Einzelne als Teil der Führungsmannschaft begreifen. Man benötigt keine formale Autorität, um Führungskraft zu zeigen; es muss lediglich der Wunsch vorhanden sein, sich einzubringen – und die Bereitschaft, einen positiven Beitrag zu leisten. Mutter Teresa hat es sehr anschaulich ausgedrückt: ›Wenn jeder vor seiner eigenen Tür kehren würde, dann wäre die ganze Welt sauber.‹«

»Damit also jeder Einzelne von uns Führungskraft zeigen kann, müssen wir anfangen, unsere gegenwärtigen Aufgaben nach besten Kräften zu erfüllen. Wollen Sie darauf hinaus?«

»Genau.« Tommy ging zu einem anderen Schemel im Gang und stellte sich darauf. Dann begann er, die Hände wie ein Orchesterdirigent zu bewegen. Er schloss die Augen und fing an zu summen. Dieser Typ war wirklich originell. Ein wenig skurril, aber ein Original.

»Was tun Sie, Tommy?«, rief ich; sein Verhalten erschien mir etwas befremdlich. Einige Kunden schauten bereits amüsiert zu uns herüber. Ein kleiner Junge, der ein Buch der Reihe Coco – Der neugierige Affe in der Hand hielt, zeigte auf uns. Und kicherte.

»Wie würde sich der Klang eines Symphonieorchesters verändern, wenn auch nur ein einziger Musiker aus dem Takt gerät und nicht seine bestmögliche Leistung abliefert?«

»Ich verstehe. Es würden Misstöne entstehen, und alles würde durcheinandergeraten«, erwiderte ich und fasste die visuelle Demonstration meines neuen Mentors in Worte.

Tommy erhob sich von dem Schemel. Dann baute er sich wie ein Schauspieler auf und sagte: »Sei zu dir selbst aufrichtig, und dem wird folgen, wie die Nacht dem Tage, dass du zu einem anderen nicht falsch sein kannst.« Er modulierte seine Stimme wie ein großer Mime, während er diesen Satz intonierte, der, wie ich vermutete, von Shakespeare stammte.

»Und was soll das jetzt alles bedeuten?«, fragte ich, schüttelte den Kopf und blickte mit gespielter Ungläubigkeit von einer Seite zur anderen.

»Im Theater sagt man: ›Keine Rolle ist klein oder unwichtig.‹ Das gilt auch für das Geschäftsleben, Blake. Es ist ganz ähnlich wie mit der Metapher von der Symphonie. Jedes Unternehmen – und letztlich auch jedes Individuum – kann in diesen Zeiten revolutionärer Veränderungen nur noch dann erfolgreich sein, wenn es nach einem revolutionär neuen Führungsmodell agiert. Und dieses Modell zielt in erster Linie darauf, ein Umfeld und eine Kultur zu schaffen, in denen jeder Führungsfähigkeiten an den Tag legen muss. Jeder muss Innovationen vorantreiben. Jeder muss seine Teamkollegen inspirieren. Jeder muss sich für Veränderung einsetzen. Jeder muss Verantwortung übernehmen für die Ergebnisse. Jeder muss positiv gestimmt sein. Jeder muss sich zum Ziel setzen, sein absolut Bestes zum Ausdruck zu bringen. Und wenn das geschieht, wird sich die Organisation nicht nur wunderbar an die sich verändernden Bedingungen anpassen, sondern sie wird in ihrer jeweiligen Branche auch eine Führungsrolle erlangen.«

»Wollen Sie damit sagen, dass wir hier in diesem Unternehmen keine Titel und Rangbezeichnungen mehr brauchen? Ich bin mir nicht sicher, ob der Vorstandschef begeistert sein wird von dieser revolutionär neuen Führungsphilosophie, die Sie hier propagieren, Tommy«, bemerkte ich freimütig und nahm einen Schluck von meinem kalt gewordenen Kaffee.

»Nein. In diesem Punkt möchte ich nicht missverstanden werden. Ich behaupte keinesfalls, dass eine Organisation keine Rangbezeichnungen mehr benötigt. Diese sollte sie weiterhin verwenden. Wir brauchen die Leute in der Führungsetage, die eine Vision formulieren, die das Boot lenken und letztlich die Verantwortung für die Ergebnisse tragen. Titel und Strukturen halten die Ordnung aufrecht und sorgen dafür, dass alles reibungslos läuft. Doch ich glaube, dass sich ein Unternehmen unter den schwierigen Bedingungen des heutigen Geschäftslebens nur dann erfolgreich entwickeln kann, wenn wir alle bereit sind, persönliche Verantwortung zu übernehmen, indem wir zu Chefs unserer eigenen Rollen werden. Wir alle müssen uns als Führende verstehen in der Position und an dem Platz, an den wir hingestellt wurden, und wir müssen brillieren, wo immer wir stehen. Jeder Job ist wichtig. Und wenn man Führungsfähigkeit in jenem Einflussbereich demonstriert, in dem man sich gegenwärtig befindet, wird sich dieser Einflussbereich immer mehr ausweiten, je besser einem dies gelingt – das ist das phantastische Resultat. Das ist ein entscheidender Gedanke, Blake. Und unabhängig davon, ob Sie einen formellen Titel haben oder nicht, Sie besitzen die vollständige Kontrolle darüber, wie Sie Ihre momentane Rolle ausfüllen. Die höchste aller menschlichen Fähigkeiten ist diejenige, selbst zu bestimmen, wie wir auf unser Umfeld reagieren. Und wenn sich jeder von uns dafür entscheidet, seine bestmögliche Leistung zu bringen und persönliche Führungskraft zu zeigen, wird natürlich auch die betreffende Organisation in Windeseile Weltklasse werden.«

»Also, was bedeutet dann LWT?«, drängte ich.

»Zum einen ist es eine Transformationsphilosophie für die Arbeit und das Leben, die jeder – unabhängig davon, wie alt er ist oder an welchem Ort auf der Welt er lebt – anwenden kann, um seinen ›inneren Leader‹ von seinen Ketten zu befreien und innerhalb kürzester Zeit überwältigende Ergebnisse zu erzielen. Wir alle haben einen ›inneren Leader‹ in uns, der danach drängt, entfesselt zu werden. Wir alle besitzen eine natürliche Kraft zur Leadership, die nichts zu tun hat mit einem wohlklingenden Titel, unserem Alter oder unserem Wohnort. Die 28-jährige Kundendienst-Mitarbeiterin, die für einen multinationalen Konzern in Los Angeles tätig ist, kann sich ihren inneren Leader mit Hilfe der Methode erschließen, die Sie gleich kennenlernen werden – und dadurch in eine völlig neue Realität eintreten, was ihre Erfolge betrifft und die Belohnungen, die sie dafür erhält. Der 34-jährige Manager in San Francisco besitzt einen inneren Leader, der darum bittet, das Tageslicht zu erblicken, ebenso der 44 Jahre alte Unternehmer in Salt Lake City. Der 16-jährige Student in Boston kann seinen inneren Leader erwecken und dadurch eine Welle des Erfolges hervorrufen bei seinen Leistungen im Studium, bei seinen außeruniversitären Aktivitäten und im Hinblick auf den Einfluss auf seine Mitstudenten.

Lassen Sie es mich etwas grundsätzlicher ausdrücken, Tommy. Jeder Mensch auf der Welt kann auf ein Podest steigen und Veränderungen auf den Weg bringen, Leistungssteigerungen vorantreiben und Führungsqualitäten zeigen. Ein Soldat, der in Washington, D.C., lebt, kann sich entschließen, etwas zum Besseren zu wenden, ebenso wie ein Lehrer in Tokio, ein Pilot in Peru oder jeder andere Mensch. Jeder von uns besitzt innerlich ein Reservoir von Führungsfähigkeiten. Wir müssen uns dessen nur bewusst werden, wir müssen uns diese Fähigkeiten erschließen.«

»Wenn Menschen in allen Organisationen – von Unternehmen bis zu Behörden, sozialen Einrichtungen und Schulen – dieses Konzept umsetzen, dann würde sich tatsächlich die Welt verändern.«

»Ja, genau das wollte ich Ihnen sagen, mein Freund«, erwiderte Tommy aufmunternd. »Und wenn Sie einmal Ihren inneren Leader erweckt haben, sollten Sie ihn täglich in der Praxis zur Geltung kommen lassen, denn je häufiger Sie seine Kraft nutzen, umso besser werden Sie ihn kennenlernen. Und umso stärker wird er werden. Und noch eins, Blake.«

»Und das wäre?«

»Ich kann Ihnen nicht mitteilen, wofür LWT steht«, erklärte Tommy verschmitzt, wodurch er das Geheimnis darum nur vergrößerte, und strich abermals über die Buchstaben an seiner Halskette. »Nur die vier Lehrer, die mich selbst in dieses Denken eingeführt haben, sind befugt, zu erklären, was LWT bedeutet. Und das tun sie nur unter ganz besonderen Umständen.«

»Bitte sagen Sie es mir, Tommy«, bettelte ich.

»Ich kann nicht. Zumindest jetzt noch nicht. Vielleicht erhalte ich in ein paar Tagen die Erlaubnis, die ich dafür benötige. Oh, und um auf Ihre Frage zurückzukommen, warum ich hier nicht zum Filialleiter bestellt wurde: In den vergangenen Jahren wurde mir schon mehrmals eine solche Position angetragen. Wenn Sie die ganze Geschichte erfahren wollen, kann ich Ihnen sagen, dass ich mich gar nicht mehr genau erinnern kann, wie oft mir schon die Funktion eines Vizepräsidenten angeboten wurde, Blake: ein Firmenwagen, ein Spesenkonto und ein großes Büro. Doch das reizt mich nicht. Und darum geht es auch nicht bei echter