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Was würde passieren, wenn Friedrich der Große plötzlich im Jahr 2024 in Berlin auftauchen würde? Der erfolgreichste Reformer, Aufklärer und Militärstratege der deutschen Geschichte wird zunächst in die Psychiatrie eingewiesen. Doch Friedrich der Große weiß sich zu helfen. Er beschließt seine Talente zu nutzen und Deutschland aus der Krise zu führen. Der König mit der markanten weißen Perücke gründet eine Partei und tritt zur Bundestagswahl an. Mit Witz, Charme und der Hilfe zweier Freunde mischt Friedrich der Große die Politik auf. Die Politik schlägt zurück. So setzt etwa die ehrgeizige grüne Außenministerin Bettina Bergmann alles daran, Friedrich II. aufzuhalten. Kann der König alle Hindernisse überwinden und den selbstgefälligen Bundeskanzler Anton Holz schlagen? Das Buch "Der König ist zurück“ von Carl Conrad ist eine rasante Reise durch die Politiklandschaft 2024/2025. Ein origineller, augenzwinkernder Roman mit Biss und Herz, der unterhaltsam zum Nachdenken anregt. Aber Vorsicht: Wer ein grünes oder rotes Herz hat und ein Fan der Ampelkoalition war, wird mit diesem Buch wohl kaum glücklich werden.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1. Einmal Hochzeit, bitte.
Kapitel 2. Gipfeltreffen.
Kapitel 3. Ein einziges Rätsel.
Kapitel 4. Signierstunde.
Kapitel 5. Das Land der Ideen.
Kapitel 6. Der große Unbekannte.
Kapitel 7. Eine Idee fast ohne Budget.
Kapitel 8. Der König ist zurück.
Kapitel 9. Der Schatten.
Kapitel 10. Der Absturz.
Kapitel 11. Die Kraft der Musik.
Kapitel 12. Wir sind das Volk.
Kapitel 13. Was der Volksmund sagt.
Kapitel 14. Mitten im Leben.
Kapitel 15. Truppenbesuch.
Kapitel 16. Der Staatshaushalt.
Kapitel 17. Das Fernsehduell.
Kapitel 18. Der Hausbesuch.
Kapitel 19. Die Stunde der Wahrheit.
Kapitel 20. Über Friedrich II.
Impressum.
Impressum
DER KÖNIG IST ZURÜCK.
Friedrich der Große rettet Deutschland.
Roman von Carl Conrad
Berlin, 2024
Für meinen Vater.
Rechtlicher Hinweis: Die Handlung und die handelnden Personen sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen wären rein zufällig.
Berlin im Juli.
Immer montags, dienstags und donnerstags bildet sich in Berlin Mitte nachts eine lange Schlange vor dem Roten Rathaus. Das ist schon seit über einem Jahr so. Die Bürgerinnen und Bürger, die hier Schlange stehen, brauchen Geburtsurkunden für ihre Neugeborenen oder Termine für ihre standesamtliche Hochzeit. Besonders kurios dabei: Eine provisorische Wartenummer aus Pappe, die der Pförtner ab etwa 5.30 Uhr verteilt, berechtigt für den Erhalt der offiziellen Wartenummer.
Immer gegen 7.30 Uhr wird die Schlange geteilt. Wer vorne steht, darf weiterwarten. Wer hinten steht, hat an diesem Tag sowieso keine Chance dranzukommen und wird weggeschickt. Die Frage, bis zu welcher provisorischen Wartenummer man weiter warten darf, interessiert hier alle brennend. Beantworten kann sie aber niemand. Es geht das Gerücht um, die Pförtner und Beamten wollten sich nicht festlegen und würden das spontan nach Tagesform entscheiden.
Gerade hat der Pförtner Claudia in der Schlange vor dem Roten Rathaus ein Stück Pappe in die Hand gedrückt, eine provisorische Wartenummer. Auf dem schief ausgeschnittenen Pappquadrat ist eine 11 aufgemalt. Der Pförtner hat sie selbst gebastelt und stattet nun die Leute damit aus. "Wartenummern aus Pappe, mit denen man sich für die echten Wartenummern anstellt?", fragt Claudia ihren Verlobten Mark. "Unglaublich", meint Mark und schüttelt den Kopf.
"Letzte Woche gab es hier eine Schlägerei", erzählt ein junger Mann seiner Verlobten, die heute zum ersten Mal mitwartet, weil sie das Elend einmal mit eigenen Augen sehen will. Wenn ihr Verlobter von den Zuständen erzählte, dachte sie, er würde übertreiben. Jetzt stellt sie fest: Er hat eher untertrieben.
Der Wind ist warm, der Pförtner eiskalt. "So, Herrschaften", sagt er um 7.34 Uhr. "Heute kommen nur Wartende mit den provisorischen Wartenummern 1 bis 30 dran. Alle anderen gehen jetzt bitte nach Hause."
Verantwortlich für das Standesamt Mitte ist eine Stadträtin. Die allerdings weist alle Schuld von sich. Nicht sie sei verantwortlich, sondern der Personalmangel. Von 15 Planstellen seien nur fünf besetzt. Eigentlich seien zehn Beschäftige zuständig, aber zwei Personen seien langfristig erkrankt und drei würden noch eingearbeitet. Außerdem, so die Stadträtin, habe sie das Problem von ihren Vorgängern übernehmen müssen, die zudem Personal abgebaut hätten. Schuld ist also niemand. Das ist sicher beruhigend für die vielen Menschen, die hier nachts mehrere Stunden lang in der Schlange warten müssen.
Der Minutenzeiger auf Claudias schlichter, schwarzer Armbanduhr bewegt sich quälend langsam, ganz so, als würde sich eine unsichtbare Kraft gegen ihn stemmen oder als wäre das Ziffernblatt in Honig getaucht gegen den sich der Zeiger vorankämpfen muss. Claudias Augenlider sind so schwer wie die dicken Aktenordner in den Amtsstuben. Langsam, ganz langsam, sinken sie nach unten. Claudia nickt ein. Ihr Kopf sackt plötzlich nach unten weg und fällt ins Leere. Claudia schreckt hoch und ist wieder halbwegs wach. Wieder und wieder geht das so.
Irgendwann sitzen Claudia und Mark auf dem kalten, harten Steinboden im Inneren des Gebäudes. Nun können sie zumindest sitzen, das ist schon mal ein Fortschritt. Links neben Claudia sitzt ihr Verlobter Mark, rechts von ihr eine junge Frau mit schwarzer Pferdeschwanzfrisur. Die Frau blättert in einem Familien-Magazin. Sicher möchte sie eine Geburtsurkunde beantragen. Claudia streicht sich die langen blonden Haare aus dem Gesicht, blickt mit ihren braunen Augen abwesend in die Ferne und dreht sich gedankenverloren mit den Fingern Locken.
Sie kuschelt sich an Mark an. Ihr Verlobter ist 29 Jahre, zwei Jahre älter als Claudia, hat ein ovales Gesicht mit kurzen braunen Haaren, blaue Augen, die oft etwas zusammengekniffen wirken und eine wirklich schöne, gerade, symmetrische Nase, wie Claudia findet. Volle Lippen und ein gepflegter Dreitagebart verleihen ihm ein wirklich gutes Aussehen. Claudia ist stolz und glücklich, mit Mark verlobt zu sein. Er sieht nicht nur gut aus, er hat auch ein gutes Herz.
Claudias Augenlider sind halb geschlossen, gleich wird ihr Kopf zum x-ten Mal nach unten sacken, da hört sie neben sich die Stimme eines Mannes: „Verzeihung, Madame. Wo sind wir hier?“. Die Männerstimme kommt von rechts neben ihr, wo eben noch die junge Frau mit der schwarzen Pferdeschwanzfrisur saß. Jetzt sitzt plötzlich ein Mann neben ihr.
Claudia reibt sich die Augen, damit sie wieder klar sehen und denken kann. Verwundert registriert sie einen älteren Mann mit weißer Perücke, wie man sie im 17. Jahrhundert getragen hat. Er sitzt direkt neben ihr. Sein Gesicht erinnert Claudia an jemanden, aber sie hat nicht die leiseste Ahnung an wen. Ah, doch, Moment, jetzt dämmert es ihr. Der Mann erinnert sie an jemanden, den sie in der Schule im Geschichtsunterricht besprochen haben. Sie überlegt. Der Name liegt ihr förmlich auf der Zunge. Plötzlich durchzuckt sie ein Geistesblitz: George Washington! Ja, genau. Der Mann, der in dieser seltsamen Kostümierung so urplötzlich neben ihr aufgetaucht ist, erinnerte sie an den amerikanischen Präsidenten George Washington. Irritiert mustert sie ihn. Nicht nur seine Perücke ist im Stil des 17. Jahrhunderts gehalten, sondern auch seine Kleidung. Er trägt einen militärisch anmutenden dunklen Mantel mit dicken schwarzen Knöpfen und knallrotem Kragen, an dessen Revers ein riesiger silbern schimmernder Orden prangt. Es handelt sich dabei um einen Stern, in dessen rundem Zentrum auf blutrotem Untergrund ein Adler abgebildet ist. Es ist Mitte Juli, eine denkbar unpassende Jahreszeit für so einen Mantel. Was soll das?
Claudia findet, dass den Mann eine gewisse Aura umgibt. Er hat etwas an sich, das ihm Charisma verleiht. Aber was? Die großen, ausdrucksstarken blauen Augen? Die ausgeprägte und dennoch feine, ja elegante Nase? Oder sind es die interessanten Linien, die sich auf der Stirn und rund um die Augenpartien gebildet haben? Claudia weiß es nicht. Aber eines weiß sie in diesem Moment instinktiv: Dieser Mann ist etwas Besonderes. In seinem Blick liegt eine Vornehmheit, die so dezent und zurückhaltend zum Vorschein kommt, dass sie sich von einer hochnäsigen, arroganten Haltung wohltuend abhebt.
„Madame“, erinnert sie der ältere Herr und versucht seine Besorgnis mit einem Lächeln zu überspielen. „Wo sind wir hier?“
„Ähm… na, im Roten Rathaus, in Berlin Mitte.“
„Im Roten Rathaus? Wie sonderbar“, sagt der ältere Herr, sieht sich nach allen Seiten interessiert um und lächelt still in sich hinein. Ganz so, als habe er einen Scherz gehört.
Claudia und Mark starrten den Mann an.
„Verzeihung“, sagt Mark schließlich. „Kann ich Ihnen helfen? Sie wirken etwas… na ja... desorientiert.“
„Sehr freundlich von Ihnen“, sagt der ältere Mann nach einem kurzen Moment des Zögerns und fährt sich nachdenklich mit den Fingern der rechten Hand an der Nase entlang. „In der Tat, ich fühle mich etwas fremd hier. Eben war ich doch noch in Potsdam...“ Er stockt, sieht nachdenklich in die Ferne und überlegt. „Das Letzte, an das ich mich erinnern kann, ist, dass ich in meinem alten Lehnstuhl Platz genommen hatte. Und dann… ja, dann wurde mir etwas kalt und… hm… dunkel wurde es auch… plötzlich... da war diese... Freude... diese Leichtigkeit... wie eine Sinfonie… so kraftvoll und rein. Es geht gut… der Berg ist überschritten.“
Claudia und Mark werfen sich einen vielsagenden Blick zu. „Wissen Sie denn, wo Sie in Potsdam wohnen? Wissen Sie Ihre Adresse?“, fragt Mark hilfsbereit. Claudias Herz klopft. Bewundernd sieht sie ihren Mark an. Er ist einfach ein guter Mensch. Und bald schon ihr Mann. Nun ja, hoffentlich bald, sie brauchen ja noch einen Termin.
„Aber selbstverständlich“, lächelt der Mann nachsichtig. „Ich residiere im Schloss Sanssouci.“ Er schmunzelt und blickt für einen Moment zur Seite. „Ja, ja, ich bin es tatsächlich", sagt er bescheiden. "Aber bitte, bleiben Sie ruhig sitzen, Madame et Monsieur. Nur keine Förmlichkeiten. Wie pflege ich immer zu sagen? Ich bin der erste Diener meines Staates. Sie verstehen.“
Die beiden verstehen gar nichts.
„Ah! Jetzt weiß ich, an wen Sie mich erinnern“, freut sich Mark plötzlich. „Bei Schloss Sanssouci ist der Groschen gefallen. Sie sehen ein bisschen aus wie Friedrich der Große.“
„Friedrich der Große? Sehr charmant, sehr charmant, mein junger Freund. Friedrich der Große, Friedrich Magnus. Ha! Na, so groß bin ich ja nun nicht gerade. Aber bezogen auf meine Verdienste um den Staat, also, ja, das lasse ich mir natürlich gerne gefallen. Ich kann mich dunkel erinnern, auch früher schon so genannt worden zu sein. Très charmant, merci beaucoup, Monsieur.“
Mark sieht ihn staunend an. „Ja, ich bin es. Friedrich II., König von Preußen, Markgraf von Brandenburg und Kurfürst des Heiligen Römischen Reiches. Aber bitte: Bleiben Sie ruhig sitzen, Madame, Monsieur.“ Er neigt freundlich den Kopf und ein feines Lächeln spielt um seine Lippen.
„Na sowas“, wundert sich Mark. „Und ich dachte, König Friedrich II. wäre schon lange… hm… na… bei seinen Ahnen eben.“
„Welches Jahr schreiben wir eigentlich?“, fragt der Mann unruhig und nun auch etwas besorgt. Claudia nennt ihm das Jahr. Sie denkt darüber nach, einen eleganten Knicks zu machen, aber leider weiß sie nicht, wie das geht. Was für eine verrückte Geschichte! Was ist das hier? Versteckte Kamera? Neugierig und auch etwas aufgeregt blickt sie sich um. Sie beschließt, sehr souverän und mit ganz viel Humor auf diese seltsame Situation zu reagieren. Womöglich sind sie tatsächlich in eine Fernsehshow mit versteckter Kamera geraten. Aufregend!
Als der ältere Mann die Jahreszahl hört, ist er froh, dass er schon sitzt. Sonst hätte er sich unbedingt setzen müssen. „Die Wege des Herrn…“ Der König lässt den Satz unvollendet und blickt mit großen, weit aufgerissenen Augen starr in die Ferne. Claudia und Mark tauschten Blicke. Mark glaubt nicht an eine versteckte Kamera. Nein, der Mann ist ganz offensichtlich desorientiert – um nicht zu sagen geistig verwirrt. Vielleicht ist er aus einer Anstalt geflohen. Gefährlich sieht er aber nicht aus.
Mark fasst einen Entschluss. „Entschuldigen Sie mich, bitte“, sagt er liebenswürdig. „Ich hole besser jemanden, der Ihnen weiterhelfen und Sie nach Hause bringen kann.“ Der ältere Herr nickt ihm zu und wendet sich dann an Claudia: „Madame, bitte verzeihen Sie meine ungalante Neugierde, aber es gibt so viele Fragen, die mir – mit Verlaub – unter den Nägeln brennen. Was ist in den letzten 200 Jahren geschehen? Wie geht es meinem geliebten Preußen? Und: Wie lebt es sich so in dieser Zeit? Ist der König ein guter Regent in diesen Tagen?“
Während Claudia die Stirn runzelt und sich angesichts solcher Fragen gedanklich erst einmal sortieren muss, steht Mark betont langsam auf – bloß keine ruckartigen Bewegungen machen, nicht wahr? – und geht ganz ruhig einige Schritte zur Seite, um ungestört mit seinem Handy die Polizei anrufen zu können.
Keine zehn Minuten später schlendern zwei Polizisten durch den Gang. Ein großer, junger und ein weniger großer und weniger junger. Mark steht auf und hebt die Hand, um die beiden auf sich aufmerksam zu machen. „Diese beiden Herren geleiten Sie nach Hause, königliche Hoheit“, erklärt Mark freundlich in Richtung des älteren Mannes.
„Hallöchen“, grüßt der weniger große und weniger junge der beiden Polizisten lässig in die Runde. „Aha, alles klar. Sie sind bestimmt Herr Nowak“, wendet er sich an Mark, der zustimmend nickt. „Sie haben uns verständigt. Das ist Ihre Verlobte.“ Er nickt Claudia zu. „Und das ist der Herr…“ Er wendet den Blick vom älteren Herrn ab und sieht Mark an. „Ganz genau, das ist er“, bestätigt Mark.
„Alles klar“, nickt der Polizist. „Na dann: Schönen juten Tag, der Herr. Können Sie sich ausweisen? Haben Sie einen Personalausweis dabei? Oder vielleicht einen Führerschein?“
Friedrich II., König von Preußen, sieht den Polizisten fragend an. „Verzeihung. Was wünschen Sie?“
„Wie heißen Sie denn, bitte?“, fragt der Polizist. „Ist alles in Ordnung bei Ihnen? Können wir Ihnen helfen?“
Friedrich II. steht vom Boden auf, streckt sich zu seiner vollen Größe und sieht den Polizisten ungerührt an. „Ich bin Friedrich II., König von Preußen, Markgraf von Brandenburg und Kurfürst des Heiligen Römischen Reiches.“
„Ah, okay. Cool. Cooler Auftritt. Alles klar“, nickt der Polizist gelassen und spricht nun sehr langsam und deutlich. Ganz so, als würde er zu einem geistig Verwirrten sprechen.
„Wissen. Sie. Wo. Sie. Wohnen? Adresse?“
„Ja. Sicher. Weiß. Ich. Das. Schloss. Sans. Souci. In. Potsdam“, antwortet der König ebenso langsam und deutlich.
Claudia hat inzwischen ihr Handy gezückt und zieht die beiden Polizisten etwas beiseite.
„Schauen Sie mal hier“, flüstert sie und reicht dem Wortführer das Handy. Auf dem Bildschirm ist ein Gemälde von Friedrich II. zu sehen. Der Polizist sieht auf das Handy, dann auf den Mann vor ihm. Dann wieder aufs Handy. Dann wieder auf den Mann vor ihm.
„Ist ja nicht zu fassen“, brummt er. „Wie aus dem Gesicht geschnitten.“
„Als ob er aus dem Gemälde gestiegen wäre“, nickt sein jüngerer Kollege und schüttelt ungläubig den Kopf. „Muss ein Profi sein. Schauspieler, Maskenbildner oder sowas.“
„Ja, guter Ansatz“, brummt der ältere Polizist und gibt Claudia das Handy zurück. „Alles klar, okay. Kriegen wir schon hier. Kommen Sie bitte mit, Herr König, wir bringen Sie wieder nach Hause“, meint der Polizist freundlich und hilfsbereit. „Keine Sorge, alles wird jut.“
Friedrich II. streicht seinen Mantel glatt, nickt Claudia und Mark zu und macht schon Anstalten mit den beiden Polizisten mitzugehen, da fällt ihm noch etwas ein.
„Ah, eine Sache noch“, sagt er zu Mark und winkt ihn vertraulich zu sich heran.
„Nun, mein Freund, ganz offen und ehrlich, von Mann zu Mann“, raunt der König Mark zu. „Madame ist eine schöne Frau, ich gratuliere.“
„Danke“, flüstert Mark verdutzt zurück.
„Aber: Das mit der Heirat würde ich mir noch mal durch den Kopf gehen lassen“, flüstert Friedrich der Große. „Ich spreche aus Erfahrung. Sie verstehen? Mein Vater, König Friedrich I., hat mich seinerzeit gezwungen. Arrangierte Vermählung. Pfui Teufel! Dumme Sache. Sie werden doch nicht etwa auch… gezwungen?“
Mark macht große Augen. „Aber nein. Nein, nein, nein, nein! Wirklich nicht. Ist alles freiwillig. Auf beiden Seiten.“
„Na, dann ist’s ja gut“, zeigt sich der König beruhigt.
„Hier“, sagt Mark und drückt ihm einen Zettel in die Hand. Friedrich wirft einen Blick darauf und hebt fragend die Augenbrauen. Auf dem Zettel ist von Hand eine lange Reihe von Zahlen geschrieben. Was soll das? Handelt es sich um einen Geheimcode? Nun, er würde sich später damit beschäftigen. Friedrich klopft Mark freundschaftlich auf die Schulter, nickt ihm zu, verneigt sich kurz und schreitet dann mit einem kurzen „Adieu!“ geschäftig davon, gefolgt von den beiden Polizisten.
Berlin im Juli.
„Das ist lustig“, grinst der Pfleger und geht mit schnellen Schritten voran. Der große, dunkelblonde, schlaksige junge Mann Anfang 20 steckt in einem hellblauen Kittel und trägt weiße Sportschuhe, die ab und zu auf dem glänzenden Boden quietschen. „Lustig? Na ja, geht so“, meint der ältere der beiden Polizisten, die ihn begleiten. „Hält sich für Friedrich II. – okay, kann passieren.“
„Doch, doch, ist wirklich lustig. Sie wissen ja noch gar nicht, warum. Aber warten Sie’s ab. Wird gleich richtig lustig.“
Freudig glucksend wie ein Fünfjähriger, der endlich seine Weihnachtsgeschenke auspacken darf, läuft der Pfleger den Gang entlang und steigt nun eilig eine breite Steintreppe empor, wobei er dynamisch immer zwei Stufen auf einmal nimmt. Ganz so, als hätten seine weißen Sportschuhe unsichtbare Sprungfedern. Die beiden Polizisten und Friedrich II. hetzen mühsam hinterher – ganz offensichtlich ohne Sprungfedern.
Nachdem sie auf dem Revier nicht weitergekommen waren, denn ausweisen konnte sich der Mann nicht, haben sie ihm nun erst einmal einen Platz in der Berliner Böhheim-Klinik, Institut für Psychiatrie und Psychotherapie, organisiert. Natürlich fachärztlich indiziert, richterlich abgesegnet und auch in Absprache mit dem leitenden Beamten ihrer Dienststelle. So reibungslos, wie das klingt, war die Sache aber leider nicht. Berlins Kliniken sind nämlich voll und es hat etwas gedauert, eine Einrichtung zu finden, die einen freien Platz anbieten kann. So ist Berlin: Alles dauert ein bisschen länger.
Inzwischen ist es Abend geworden. Der junge Polizist, der neben dem König läuft, rümpft die Nase. Überall riecht es nach Putzmitteln. Eine Nervenheilanstalt gehört nicht gerade zu seinen Lieblingsorten. Misstrauisch beäugt er die ältere Dame, die an ihnen vorbeischlurft, ohne aufzusehen. Sie streichelt eine imaginäre, unsichtbare Katze und murmelt „Miez, Miez, Miez“. Die Männer laufen einen langen Gang entlang, in dem links und rechts alle paar Meter eine schlichte Zimmertür in die Wand eingelassen ist. „Aufnahmegespräch findet dann morgen früh statt, heute ist keiner mehr da“, lässt der Pfleger die Polizisten wissen. „Ja, ja, ist gut“, murmelt der ältere Polizist. „Wir sind morgen früh aber nicht dabei, wir sind auf Streife. Steht aber alles im Arztbrief.“
„Jo, kein Problem", nickt der Sprungfedermann und bleibt stehen. "So, hier wären wir.“ Mit einer großen Geste öffnet der Pfleger eine Tür. „Darf ich vorstellen: Ihre Majestät Napoleon Bonaparte.“
Neugierig blicken die Polizisten in das Zimmer. Der Kaiser der Franzosen sitzt auf einem quietschgrünen Holzstuhl und hört Radio. Eine elegante Klaviermusik liegt in der Luft und verleiht dem schlichten Raum einen gewissen Stil. Das kleine Grundig-Gerät steht rechts von Napoleon auf einem runden, weißen Tisch. Rechts neben dem Tisch steht ein quietschgelber Holzstuhl. Der Mann, den der Pfleger als Napoleon Bonaparte vorgestellt hat, trägt einen weißen Schlafanzug und steht nun würdevoll auf. Er ist groß, geradezu ein Berg von einem Mann, breitschultrig und kräftig, aber keineswegs dick. Auf seinem starken, breiten Hals ruht ein ovales, gutmütiges Gesicht, das sicher schon über 50 Jahre zählt und von einem dunklen Bart eingerahmt wird. Das dunkle Haare ist schon etwas lichter geworden und konsequent nach hinten gekämmt, wodurch ausgeprägte Geheimratsecken sichtbar werden. Unter dichten, buschigen Augenbrauen lugen zwei aufgeweckte dunkle Augen hervor.
„N’Abend“, sagt Napoleon. „Na, Tom, wen bringste denn da?“, fragt er den Pfleger mit tiefem Berliner Akzent. „N’Abend“, grüßt der ältere Polizist zurück. „Na, so hab’ ich mir Napoleon aber nicht vorgestellt“, beklagte er sich beim Pfleger. „Aber ja: Lustig ist das schon. Zumindest ein bisschen.“
„Moment“, sagt Napoleon, tritt auf den Schrank zu, der auf der linken Seite in die Wand eingelassen ist. Er fischt einen Hut aus dem Schrank und setzt ihn auf. Dabei handelt es sich um den sogenannten "petit chapeau", den „kleinen Hut“ aus schwarzem Biberfilz, das Markenzeichen Napoleons. Der Kaiser der Franzosen verneigt sich und grinst schief.
„Ganz wunderbar!“, sagt der Pfleger. „Darf ich vorstellen: Ihre Majestät Friedrich II., König von Preußen.“
Selbstbewusst stolziert Friedrich über die Türschwelle und sieht sich um, als würde er eine Soldatenstube inspizieren. Zu sehen gibt es freilich nicht viel. Der Raum wird beherrscht von zwei schlichten, einzelnen Holzbetten, die parallel zueinander im Abstand von etwa eineinhalb Metern mit den Kopfenden an der Wand stehen. Vor den Betten stehen die beiden Stühle, die den Tisch mit dem Radio flankieren. Hinter den Betten befindet sich eine große Fensterfront mit Raffstores, die auf Durchblick stehen. Draußen ist es inzwischen dunkel geworden. Als Friedrich II. bemerkt, dass die Fenster vergittert sind, hebt er missbilligend eine Augenbraue. Der Boden glänzt wie neu und ist in einem tiefdunklen, rötlich angehauchten Farbton gehalten. Die Decke des Raums ist bemerkenswert hoch, bestimmt 3 Meter 50.
„Herzlich willkommen, Ihre Majestät“, sagt Napoleon zu Friedrich und streckt ihm die Hand entgegen.
Irritiert betrachtet Friedrich die ausgestreckte Hand – und dann noch irritierter den Mann, der sie ihm hinhält. „Wer sind Sie denn?“, will er wissen und macht nicht die kleinste Anstalt, die ausgestreckte Hand zu ergreifen. Dazu muss man wissen, dass es zur Zeit Friedrichs II. üblich war, dem König die Hand bei der Begrüßung zu küssen – und nicht, sie zu schütteln, wie man das heute macht. Der Handkuss gehörte damals zu den höfischen Etiketten und galt als Zeichen des Respekts und der Ehrerbietung. Der Angesprochene nimmt seine ausgestreckte Hand zurück und steckte sie – ganz Napoleon – in eine Falte am Bauch seines Schlafanzughemds.
„Ich bin der Kaiser der Franzosen“, erklärt er stolz und leicht gekränkt. „Napoleon Bonaparte!“ Bei diesen Worten hebt er die Nase und stellt sich so aufrecht hin, dass er nun noch gewaltiger wirkt. Die Polizisten, die ein Auge für so etwas haben, schätzen ihn auf rund 1 Meter 90.
„Na, das meint er sicher nicht böse“, will der Pfleger vermitteln. „Die königliche Hoheit kann Sie ja gar nicht kennen, Ihre kaiserliche Herrlichkeit, Sie kamen ja erst nach ihm.“
Friedrich II. mustert Napoleon von oben bis unten. „Ist das wahr? Kaiser der Franzosen? Nun, dann bitte ich vielmals um Entschuldigung, Eure Exzellenz.“ Friedrich verbeugt sich mehrfach galant. „Je suis terriblement désolé. Veuillez accepter mes excuses. Je suis étranger à cette période.“
„Ja, ja, kein Ding“, meint Napoleon und grinst verlegen. „Erlauben Sie mir, dass ich mein bescheidenes Zuhause mit Ihnen teile, König Friedrich II.“ Er bietet Friedrich den quietschgelben Stuhl an und die beiden Monarchen setzten sich. "Krass. Jetzt betreue ich Kaiser Napoleon und König Friedrich II.", lächelt der Pfleger und wippt mit seinen Schuhen auf und ab.
„Haben Sie Hunger, königliche Hoheit?", will der Pfleger plötzlich wissen. Friedrich nickt.
"Die Küche hat leider schon zu, aber ich bringe Ihnen gleich etwas“, sagt der Pfleger und verschwindet aus dem Raum. Auch die beiden Polizisten verabschieden sich und so sitzen der Kaiser und der König nun schweigend nebeneinander und lauschen klassischer Musik aus dem Radio.
Schon bald ist der Pfleger zurück und stellt ein Tablett auf den runden Tisch. „Brot, Butter, Wurst, Käse, Tomate, Gurke, Wasser.“
Friedrich nickte ihm kaum merklich zu. Die Höflichkeit gebietet das. Aber zufrieden ist er keineswegs. Für einen König ist das ein wahrlich bescheidenes Mahl. Wo ist der Wein, wo das Geflügel? Und warum residiert dieser seltsame Kaiser der Franzosen in einer äußerst bescheiden eingerichteten Stube in Preußen? Na egal, heute wundert ihn gar nichts mehr.
***
Als Friedrich II. und Napoleon Bonaparte später bei gelöschtem Licht nebeneinander in ihren Betten liegen, haben sie sich soweit miteinander vertraut gemacht, dass sie zwar noch keine Freunde sind, aber doch immerhin vertraute Zimmergenossen.
„Nun, mein lieber Napoleon, erkläre mir bitte noch die Sache mit den Kutschen ohne Pferde, die so unbegreiflich schnell und ohne Pausen über die Straßen fahren. Apropos Straßen: Wie können Straßen nur so glatt und eben wie ein Tisch sein? Meine Fahrt in einer dieser Kutschen war die bequemste Reise, die ich je erlebt habe. Es war fast, als würde ich auf einer Wolke dahinschweben. Sag mir: Wie ist das möglich?“
Napoleon lächelt. „Die Menschen haben inzwischen Ma-schi-nen entwickelt, die die Räder einer Kutsche antreiben können“, doziert Napoleon und spricht dabei das Wort „Maschinen“ so aus, als wolle er es einem Schuljungen buchstabieren. “Ma-schi-nen sind… nun… technische Gebilde.“
„Ich weiß sehr gut, was Maschinen sind“, entgegnet Friedrich der Große, verschränkt seine Arme hinter dem Kopf und starrt zur Decke.
„Ach tatsächlich?“, wundert sich Napoleon.
„Aber ja. Die erste Dampfmaschine wurde bereits in meinem Geburtsjahr, 1712, erfunden. Gebaut vom englischen Erfinder Thomas Newcomen. Eingesetzt in einem Kohlebergwerk im englischen Staffordshire. Als Wasserpumpe.“
„Interessant, interessant“, murmelt Napoleon in seinen Bart und kann doch ein Gähnen nicht verhindern.
„Gab es denn in deinem Preußen Maschinen?“
„Eine gute Frage! Leider kann ich sie dir nicht beantworten, Napoleon. Ich kann mich zwar noch recht gut daran erinnern, das Unterfangen mit den Maschinen in meinem letzten Lebensjahr vorangetrieben zu haben. Aber wie die Sache ausging… hm… das ist mir offen gestanden gerade entfallen.“
„Na, erzähl doch mal. Wie begann das alles mit den Maschinen?“
„Ja, also, das war ja so: Die Engländer hatten die Dampfmaschine erfunden und alle anderen Nationen konnten nur ebenso staunend wie neidvoll dabei zusehen, wie die englische Feuerkunst die unglaublichsten Wunderdinge vollbrachte. Also beschloss ich, einen klugen Kopf nach England zu senden, damit er sich das mal genau ansieht. Unter uns gesagt: Er sollte sich die Maschine nicht nur ansehen, er sollte sie für Preußen nachbauen.“
„Oho! Industriespionage also“, gluckst Napoleon belustigt und wird etwas wacher.
„Der Mann hieß Carl-Friedrich Bückling, eine treue Seele und nicht auf den Kopf gefallen.