Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Ein mörderischer Künstler, eine besessene Jägerin, ein tödliches Spiel, das die Grenzen zwischen Kunst und Tod verwischt. FBI-Profilerin Elena Voss jagt den Kopfsammler Victor Hale, einen Mann, der blonde Frauen in makabre Kunstwerke verwandelt – und ihre Schwester Anna war sein erstes Opfer. Getrieben von Schuld und Rache infiltriert Elena seine Welt, riskiert alles, um ihn zu stoppen. Doch Victor ist ein Meister der Manipulation, und selbst als die Handschellen klicken, enthüllt er einen letzten Schock: Jünger, die sein Erbe fortführen. An der Seite ihres Partners Mike Reyes, dessen Leben sie mehr als einmal fast verlor, kämpft Elena gegen die Schatten von Victors Kunst. Von verlassenen Kirchen bis zu brennenden Werkstätten, von Gerichtssälen bis zu ihrem eigenen, verwundeten Herzen – Elena muss nicht nur einen Mörder stoppen, sondern auch sich selbst heilen. Doch als ein Nachahmungstäter auftaucht, wird klar: Victors Kunst lebt weiter, und die Jagd ist noch nicht vorbei. Ein packender Psychothriller über Verlust, Rache und die Suche nach Frieden, der Sie bis zur letzten Seite in Atem hält. Wird Elena die Dunkelheit besiegen – oder wird sie ein Teil davon?
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 246
Veröffentlichungsjahr: 2025
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Der Kopfsammler
Akt 1:
Kapitel 1: Der Fund
Kapitel 2: Die Profilerin
Kapitel 3: Die Trophäe
Kapitel 4: Die Spur
Kapitel 5: Die Warnung
Kapitel 6: Die Verfolgung
Kapitel 7: Die Opfer
Kapitel 8: Das Team
Kapitel 9: Der Nächste Schlag
Kapitel 10: Die Falle
Kapitel 11: Die Analyse
Kapitel 12: Die Bedrohung
Kapitel 13: Die Recherche
Kapitel 14: Der Twist
Kapitel 15: Die Eskalation
Akt 2:
Kapitel 16: Die Presse
Kapitel 17: Die Geheimnisse
Kapitel 18: Die Allianz
Kapitel 19: Die Jagd intensiviert
Kapitel 20: Die Zweifel
Kapitel 21: Der Komplize
Kapitel 22: Die Romanze
Kapitel 23: Der Fehlschlag
Kapitel 24: Die Psychologie
Kapitel 25: Die Familie
Kapitel 26: Die Konfrontation
Kapitel 27: Die Flucht
Kapitel 28: Die Verletzung
Kapitel 29: Die Enthüllung
Kapitel 30: Die Vorbereitung
Akt 3:
Kapitel 31: Die Lockung
Kapitel 32: Die Falle schließt sich
Kapitel 33: Die Wahrheit
Kapitel 34: Die Schlacht
Kapitel 35: Die Rettung
Kapitel 36: Die Festnahme
Kapitel 37: Die Nachwirkungen
Kapitel 38: Die Gerechtigkeit
Kapitel 39: Die Heilung
Kapitel 40: Das Erbe
Epilog:
Kapitel 1: Der Fund
Der Regen prasselte in dichten Schleiern auf die Windschutzscheibe des schwarzen SUV, als Special Agent Elena Voss die schmale Landstraße entlangfuhr. Die Scheibenwischer kämpften gegen die Flut, schafften es kaum, die Sicht freizuhalten. Es war kurz nach Mitternacht, und die Wälder von Virginia, die die Straße säumten, schienen das Licht der Scheinwerfer zu verschlucken. Elena umklammerte das Lenkrad fester, ihre Fingerknöchel traten weiß hervor. Der Anruf war vor knapp einer Stunde gekommen, dringend und knapp, wie immer bei solchen Fällen. „Tatort. Urgent. Koordinaten folgen.“ Sie hatte nicht gefragt, warum sie. Sie wusste es.
Ihr Handy vibrierte auf dem Beifahrersitz. Eine Nachricht von Mike Reyes, ihrem Partner: Bin in 20 da. Warte auf mich, wenn du kannst. Elena schnaubte leise. Warten war nicht ihre Stärke. Nicht, wenn es um Mord ging. Nicht, wenn es um solche Morde ging.
Die Koordinaten führten sie zu einer Lichtung, etwa fünf Meilen von der nächsten Stadt entfernt. Schon von Weitem sah sie das Blaulicht der Streifenwagen, das wie ein gespenstisches Leuchtfeuer durch die Bäume blitzte. Sie parkte den SUV neben einem Polizeifahrzeug, zog ihre Kapuze über den Kopf und stieg aus. Der Regen durchnässte ihre Stiefel, als sie durch den Schlamm stapfte. Der Geruch von nasser Erde und Kiefernnadeln lag schwer in der Luft, vermischt mit etwas Metallischem, das ihr den Magen umdrehte.
„Agent Voss?“ Ein uniformierter Officer, jung, kaum älter als 25, trat auf sie zu. Sein Gesicht war bleich, die Augen weit aufgerissen. „Sheriff sagt, Sie sollen direkt durchgehen. Es ist … schlimm.“
Elena nickte, ohne zu antworten. Sie kannte diesen Blick – die Mischung aus Schock und dem verzweifelten Wunsch, woanders zu sein. Sie zog ihre Taschenlampe hervor und folgte dem Trampelpfad, den die Spurensicherung mit gelbem Band markiert hatte. Stimmen drangen durch den Regen, gedämpft, aber angespannt. Forensiker in weißen Overalls huschten wie Geister zwischen den Bäumen umher, ihre Taschenlampen warfen lange Schatten.
Am Rand der Lichtung blieb Elena stehen. Der Tatort war wie ein Albtraum, der in Zeitlupe ablief. Im Zentrum, auf einer Decke aus Moos und Laub, lag eine Leiche. Weiblich, jung, blond. Der Körper war nackt, die Haut blass wie Porzellan, von Regen glänzend. Doch wo der Kopf hätte sein sollen, war nur ein sauberer Schnitt, eine klaffende Wunde, die in der Dunkelheit schwarz wirkte. Kein Blut, kein Chaos – nur Präzision. Der Mörder hatte sich Zeit genommen.
Elena spürte, wie ihr Herz schneller schlug, nicht aus Angst, sondern aus Erkenntnis. Sie hatte das schon gesehen. Nicht hier, nicht heute, aber vor zwei Jahren, in Maryland. Und vor einem Jahr in Pennsylvania. Die Details waren unverkennbar: das Alter, die Haarfarbe, die fehlende Trophäe. Der „Kopfsammler“, wie die Presse ihn irgendwann nennen würde, war zurück.
„Agent Voss.“ Sheriff Margaret Hale trat neben sie, eine stämmige Frau mit grauem Haar und einem Gesicht, das mehr Narben als Falten trug. „Wir haben sie vor zwei Stunden gefunden. Wanderer, die trotz des Wetters hier waren. Sie haben die 911 angerufen, völlig hysterisch.“
„Identität?“ Elenas Stimme war ruhig, fast mechanisch. Sie kniete sich neben die Leiche, ließ den Strahl ihrer Taschenlampe über die Haut gleiten. Keine sichtbaren Abwehrspuren, keine Prellungen. Der Mörder hatte sie überrascht.
„Noch nichts Konkretes. Keine Papiere, kein Telefon. Aber wir haben Fingerabdrücke genommen. Forensik arbeitet dran.“ Hale zögerte, dann fügte sie hinzu: „Sie denken, es ist er, oder?“
Elena antwortete nicht sofort. Sie richtete sich auf, ließ den Lichtstrahl über die Umgebung wandern. Die Lichtung war abgelegen, von dichten Fichten umgeben. Keine Reifenspuren, keine Fußabdrücke im Schlamm – der Regen hatte alles weggewaschen. Aber etwas fiel ihr ins Auge: ein kleiner, geschnitzter Gegenstand, halb im Moos verborgen. Sie zog einen Handschuh an, hob ihn vorsichtig auf. Es war eine winzige Holzfigur, nicht größer als ein Daumen, die eine Frau mit langen Haaren darstellte. Die Details waren erstaunlich präzise, fast künstlerisch.
„Was zum Teufel ist das?“ Hale trat näher, die Stirn gerunzelt.
„Ein Geschenk“, murmelte Elena. „Er markiert seine Tatorte. Maryland, Pennsylvania – beide hatten so etwas. Immer Holz, immer weiblich.“ Sie steckte die Figur in eine Beweismitteltüte und reichte sie einem Forensiker. „Priorität auf die Analyse. Fingerabdrücke, DNA, alles.“
Hale nickte, aber ihr Blick war skeptisch. „Sie klingen sicher, dass es derselbe Kerl ist.“
„Weil er es ist.“ Elena wandte sich ab, ging ein paar Schritte in den Wald hinein, als könnte die Dunkelheit ihr Antworten geben. Die Morde waren nicht nur Morde – sie waren Rituale. Der Kopfsammler tötete nicht aus Wut oder Zufall. Er wählte seine Opfer mit Bedacht: 18 Jahre alt, blond, makellos. Und er behielt ihre Köpfe, nicht als bloße Trophäen, sondern als Teil eines größeren Plans, den Elena noch nicht verstand.
Sie dachte an ihre Schwester, Anna. 18, blond, verschwunden vor 15 Jahren. Man hatte ihren Körper nie gefunden, nur einen Schuh, ein Stück Stoff. Der Fall war kalt, aber Elena trug ihn wie eine zweite Haut. Jeder Mord wie dieser fühlte sich an, als würde der Mörder ihre Wunde neu aufreißen.
„Elena!“ Mikes Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Er kam den Pfad herauf, sein Mantel durchnässt, das dunkle Haar klebte ihm an der Stirn. „Du hättest warten sollen. Das hier ist kein Solo-Job.“
„Keine Zeit.“ Sie deutete auf die Leiche. „Er hat wieder zugeschlagen. Dritte in 24 Monaten. Gleiches Muster.“
Mike kniete sich neben die Leiche, seine Miene verfinsterte sich. „Verdammt. Er wird schneller.“
„Und mutiger.“ Elena zeigte ihm die Holzfigur in der Tüte. „Das hier war bei den anderen nicht so offensichtlich. Er will, dass wir es finden.“
Mike fluchte leise. „Ein Künstler, der mit uns spielt.“
„Kein Künstler.“ Elenas Stimme wurde scharf. „Ein Psychopath.“
Sie drehte sich um, ging zurück zum SUV. Ihr Verstand arbeitete auf Hochtouren, sortierte Details, suchte Verbindungen. Der Mörder war organisiert, intelligent, mit Zugang zu Werkzeugen und einem Ort, an dem er die Köpfe konservieren konnte. Er hatte einen Raum, eine Werkstatt vielleicht. Und er war hier, in Virginia, nicht weit entfernt.
„Was jetzt?“ Mike holte sie ein, seine Stimme gedämpft durch den Regen.
„Wir bauen ein Profil. Morgen früh, Quantico. Ich will alles, was wir über die anderen Fälle haben, auf dem Tisch.“ Elena öffnete die Autotür, hielt inne. „Und ich will diese Figur analysiert. Wenn er uns etwas hinterlässt, ist das ein Fehler. Und Fehler sind alles, was wir haben.“
Im Auto lehnte sie sich zurück, schloss die Augen. Der Regen trommelte auf das Dach, ein endloses Metronom. Sie sah Annas Gesicht, lachend, lebendig. Dann die Leiche, kopflos, im Wald. Die Bilder verschmolzen, bis sie nicht mehr wusste, wo die Vergangenheit endete und die Gegenwart begann.
Am nächsten Morgen saß Elena in ihrem Büro in Quantico, umgeben von Akten und einem Whiteboard, das mit Fotos und Notizen bedeckt war. Die Holzfigur lag in einer Plastikbox auf ihrem Schreibtisch, daneben ein vorläufiger Forensikbericht: Keine Fingerabdrücke, keine DNA, nur ein Hinweis auf eine seltene Holzart, Ebenholz, importiert. Ein weiterer Beweis, dass der Mörder Ressourcen hatte.
Mike kam herein, zwei Kaffeebecher in der Hand. „Du siehst aus, als hättest du nicht geschlafen.“
„Hab ich auch nicht.“ Sie nahm den Kaffee, ohne ihn anzusehen. „Was hast du?“
„Die Identität der Toten. Sarah Mitchell, 18, Studentin. Verschwunden vor drei Tagen nach einer Party in Richmond. Ihre Mitbewohnerin hat sie als vermisst gemeldet.“ Er legte ein Foto auf den Tisch: Sarah, blond, lächelnd, voller Leben.
Elena starrte auf das Foto, spürte die altbekannte Wut in sich aufsteigen. „Er hat sie ausgesucht. Wie die anderen. Er beobachtet sie, lernt ihre Routinen.“
„Und er wird wieder zuschlagen.“ Mike setzte sich, rieb sich die Schläfen. „Wir brauchen mehr als eine Holzfigur, Elena.“
„Ich weiß.“ Sie stand auf, ging zum Whiteboard, zeichnete eine Linie zwischen den Tatorten. „Er bewegt sich südwärts. Maryland, Pennsylvania, jetzt Virginia. Er hat ein Ziel, eine Botschaft.“
„Oder er genießt es einfach.“ Mikes Stimme war bitter. „Manche Typen brauchen keinen Grund.“
„Dieser schon.“ Elena tippte auf die Karte. „Er will, dass wir ihn jagen. Deshalb die Figuren. Deshalb die Präzision. Er spielt mit uns.“
Das Telefon auf ihrem Schreibtisch klingelte. Sie nahm ab, hörte kurz zu, dann legte sie auf. „Forensik hat etwas. Spuren von Harz an der Figur. Sie schicken uns eine Liste von Lieferanten.“
Mike grinste schief. „Ein Anfang.“
„Ein Anfang“, wiederholte Elena, aber ihre Gedanken waren schon woanders. Bei der nächsten Leiche, die sie verhindern musste. Bei dem Mann, der ihre Schwester genommen haben könnte. Und bei der Frage, wie weit sie gehen würde, um ihn zu stoppen.
Kapitel 2: Die Profilerin
Elena Voss saß in ihrem Büro in Quantico, das erste Licht des Morgens sickerte durch die Jalousien und warf Streifen auf den Schreibtisch. Der Raum war karg, fast steril: ein Metalltisch, ein Laptop, Stapel von Akten, die sich wie stumme Ankläger türmten. An der Wand hing ein einziges Foto, eingeklemmt zwischen Berichten und Notizen – ein Bild von ihr und ihrer Schwester Anna, beide lachend, in einem Sommer vor fünfzehn Jahren. Anna war damals siebzehn gewesen, blond, mit einem Lächeln, das die Welt hätte erobern können. Ein Jahr später war sie tot.
Elena rieb sich die Augen, die von einer schlaflosen Nacht brannten. Der Tatort von gestern – Sarah Mitchell, achtzehn, blond, kopflos – hatte alte Wunden aufgerissen. Sie nahm einen Schluck Kaffee, längst kalt, und zwang sich, die Akte vor sich zu öffnen. Sarahs Foto starrte sie an, die Augen voller Leben, wie Annas. Sie schloss die Akte wieder, unfähig, den Anblick länger zu ertragen.
Ein Klopfen an der Tür riss sie aus ihren Gedanken. „Herein“, rief sie, ihre Stimme rauer, als sie beabsichtigt hatte.
Mike Reyes trat ein, einen Becher dampfenden Kaffee in der einen Hand, einen Ordner in der anderen. Er war groß, breitschultrig, mit einem Gesicht, das gleichermaßen Vertrauen und Skepsis ausstrahlte. Sein dunkles Haar war wie immer leicht zerzaust, als hätte er es auf dem Weg hierher mit den Fingern durchgewühlt. „Du siehst aus wie jemand, der die ganze Nacht mit Gespenstern geredet hat“, sagte er, stellte den Kaffee vor sie und setzte sich auf die Kante ihres Schreibtischs.
„Danke für die Diagnose.“ Elena nahm den Becher, dankbar für die Wärme. „Was hast du da?“ Sie deutete auf den Ordner.
„Erste Berichte von der Forensik. Nicht viel Neues, aber sie bestätigen die Holzart – Ebenholz, wie du vermutet hast. Keine Fingerabdrücke, keine DNA. Der Kerl ist ein Geist.“ Mike lehnte sich zurück, verschränkte die Arme. „Und du? Schon was im Kopf?“
Elena lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, ihre Finger spielten mit einem Stift. „Er ist kein Geist. Er ist organisiert, methodisch. Er plant jedes Detail, von der Auswahl des Opfers bis zur Präsentation des Tatorts. Die Holzfigur ist kein Zufall – sie ist seine Signatur. Er will, dass wir wissen, dass er es war.“
Mike nickte, aber sein Blick war skeptisch. „Du klingst, als würdest du ihn schon kennen.“
„Nicht ihn“, korrigierte sie. „Sein Muster. Ich habe die Berichte aus Maryland und Pennsylvania nochmal durchgesehen. Drei Opfer, alle achtzehn, alle blond, alle kopflos. Alle mit einer geschnitzten Figur in der Nähe. Er hat ein Ritual, Mike. Und Rituale haben einen Grund.“
„Oder er ist einfach ein kranker Bastard.“ Mike zuckte die Schultern, aber seine Augen waren wachsam, beobachteten sie genau. Er kannte ihre Geschichte, zumindest die offizielle Version: Elena Voss, Doktorin der Psychologie, Spezialistin für Verhaltensanalyse, eine der jüngsten Profilerinnen beim FBI. Was er nicht wusste – was niemand im Team wusste – war, wie persönlich dieser Fall für sie war.
Elena stand auf, ging zum Whiteboard, das den Raum dominierte. Fotos von den Tatorten waren mit Magneten befestigt, rote Linien verbanden Details: Tatorte, Opferprofile, Zeitachsen. „Er wählt sie nicht zufällig aus“, sagte sie, mehr zu sich selbst als zu Mike. „Er beobachtet sie, studiert sie. Er kennt ihre Routinen, ihre Schwächen. Sarah war auf einer Party, richtig? Wahrscheinlich hat er sie dort gesehen, vielleicht sogar mit ihr gesprochen.“
„Charmant, bis er zuschlägt.“ Mike stand auf, trat neben sie. „Du denkst, er ist ein Frauenschwarm? Jemand, der sich in ihre Kreise einschleichen kann?“
„Vielleicht.“ Elena tippte auf das Foto von Sarah. „Aber es ist mehr als das. Er sieht sie nicht als Menschen. Sie sind Objekte für ihn, Teil eines größeren Plans. Die Köpfe … er behält sie aus einem Grund. Nicht nur als Trophäen.“
Mike runzelte die Stirn. „Du denkst, er macht was mit ihnen? Konserviert sie? Verkauft sie?“
„Vielleicht.“ Elena wandte sich ab, ging zurück zu ihrem Schreibtisch. „Oder es ist etwas Persönlicheres. Etwas, das mit seiner Vergangenheit zu tun hat.“ Sie zögerte, dann fügte sie hinzu: „Ich habe so was schon mal gesehen.“
Mike setzte sich wieder, diesmal auf den Stuhl gegenüber. „Du meinst deine Schwester.“
Die Worte trafen sie wie ein Schlag. Sie hatte nie mit ihm über Anna gesprochen, nicht direkt. Aber das FBI war eine kleine Welt, und Gerüchte verbreiteten sich schnell. Sie zwang sich, ruhig zu bleiben, ihre Stimme neutral. „Das ist nicht relevant.“
„Ist es nicht?“ Mike beugte sich vor, seine Augen suchten ihre. „Elena, ich bin dein Partner. Wenn das persönlich wird, muss ich das wissen.“
„Es ist nicht persönlich.“ Ihre Stimme war scharf, schärfer als beabsichtigt. Sie atmete tief durch, zwang sich zur Ruhe. „Ich bin hier, um den Job zu machen, Mike. Nicht, um alte Wunden aufzubrechen.“
Er hob die Hände, ein Zeichen der Kapitulation. „Okay, okay. Aber wenn du reden willst—“
„Will ich nicht.“ Sie nahm die Akte, schlug sie auf, um das Gespräch zu beenden. „Lass uns auf den Fall konzentrieren. Was haben wir über Sarah?“
Mike seufzte, lehnte sich zurück. „Studentin, erstes Semester. Beliebt, cheerleader-Typ, aber nicht oberflächlich. Ihre Mitbewohnerin sagt, sie war vorsichtig, hat nie mit Fremden geredet. Keine Feinde, kein Drama.“
„Bis auf ihn.“ Elena blätterte durch die Akte, ihre Augen scannten die Details. „Keine Zeugen von der Party?“
„Noch nicht. Wir haben ein Team, das die Gästeliste durchgeht. Aber es waren über hundert Leute da. Wird ’ne Weile dauern.“
„Wir haben keine Weile.“ Elena schloss die Akte, stand auf. „Ich will mit der Mitbewohnerin sprechen. Und ich will die Überwachungsvideos von der Party, wenn es welche gibt.“
„Schon angefordert.“ Mike grinste schief. „Du bist nicht die Einzige, die ihren Job macht.“
Elena erwiderte das Lächeln, wenn auch nur kurz. „Gut. Dann lass uns los.“
Die Fahrt nach Richmond war ruhig, die Spannung zwischen ihnen unausgesprochen, aber spürbar. Elena starrte aus dem Fenster, die vorbeiziehenden Wälder verschwammen in einem grünen Schleier. Sie dachte an Anna, an den Anruf, der vor fünfzehn Jahren gekommen war. „Ihre Schwester ist verschwunden“, hatte die Stimme am Telefon gesagt, emotionslos, wie ein Wetterbericht. Sie war damals zwanzig gewesen, gerade am College, voller Pläne. Annas Verschwinden hatte alles verändert. Sie hatte ihr Psychologiestudium beschleunigt, war dem FBI beigetreten, getrieben von dem Bedürfnis, Antworten zu finden. Nicht nur für Anna, sondern für all die anderen, die niemand rettete.
„Du machst das schon lange, oder?“ Mikes Stimme durchbrach die Stille.
„Was?“ Elena drehte sich zu ihm, überrascht.
„Das hier. Profilerin. Jagen. Du bist gut, aber … es frisst dich auf.“ Er hielt den Blick auf die Straße gerichtet, als wollte er ihr Raum geben.
„Es ist mein Job“, sagte sie schlicht. „Ich bin gut darin.“
„Das bist du.“ Er warf ihr einen Seitenblick zu. „Aber du bist auch menschlich, Elena. Vergiss das nicht.“
Sie antwortete nicht, sondern wandte sich wieder dem Fenster zu. Menschlich zu sein war ein Luxus, den sie sich nicht leisten konnte. Nicht, solange der Kopfsammler da draußen war.
In Richmond trafen sie Sarahs Mitbewohnerin, Emily, in einem kleinen Café nahe dem Campus. Sie war ein Nervenbündel, ihre Augen rot vom Weinen. „Sarah war … sie war wie meine Schwester“, sagte sie, ihre Stimme zitterte. „Sie würde nie einfach verschwinden.“
„Erzähl uns von der Party“, sagte Elena, ihre Stimme sanft, aber bestimmt. „Hat sie mit jemandem geredet, der dir aufgefallen ist?“
Emily schüttelte den Kopf. „Es war laut, voll. Sie hat getanzt, gelacht. Aber … da war dieser Typ. Älter, vielleicht vierzig. Er stand am Rand, hat sie angesehen. Ich dachte, er ist nur so ein Creep, wissen Sie? Aber Sarah hat nicht mit ihm geredet.“
Elena tauschte einen Blick mit Mike. „Kannst du ihn beschreiben?“
„Groß, schlank. Dunkles Haar, Bart. Er hatte so eine … Ausstrahlung. Wie jemand, der alles unter Kontrolle hat.“ Emily schauderte. „Ich hätte was sagen sollen.“
„Du konntest es nicht wissen“, sagte Mike, seine Stimme beruhigend. „Hast du ihn danach nochmal gesehen?“
Emily schüttelte den Kopf, Tränen liefen ihr über die Wangen. Elena legte eine Hand auf ihren Arm, eine seltene Geste der Wärme. „Du hilfst uns, Emily. Das ist wichtig.“
Auf dem Weg zurück zum Auto war Elena still, ihre Gedanken rasten. Ein älterer Mann, charismatisch, kontrolliert. Es passte zu ihrem Profil. Der Kopfsammler war kein impulsiver Killer. Er war ein Planer, ein Jäger. Und er war hier gewesen, in Richmond, hatte Sarah beobachtet, bevor er zuschlug.
„Was denkst du?“ fragte Mike, als sie ins Auto stiegen.
„Ich denke, wir haben eine Beschreibung“, sagte Elena. „Und ich denke, er wird bald wieder zuschlagen.“
Mike startete den Motor. „Dann sollten wir schneller sein.“
Elena nickte, aber ihre Gedanken waren woanders. Bei Anna, bei Sarah, bei der Holzfigur, die wie ein stummer Vorwurf in ihrer Tasche lag. Sie würde ihn finden. Koste es, was es wolle.
Kapitel 3: Die Trophäe
Die Werkstatt lag verborgen in den Hügeln Virginias, ein altes, verfallenes Gebäude, das von außen wie eine verlassene Scheune aussah. Drinnen jedoch war es ein Tempel der Präzision, ein Heiligtum der Kunst und des Todes. Victor Hale schloss die schwere Holztür hinter sich, der Regen draußen trommelte gegen das Dach wie ein fernes Applaus. Er schaltete die Neonlichter ein, die mit einem leisen Summen zum Leben erwachten und den Raum in ein kaltes, weißes Licht tauchten. Regale an den Wänden waren gefüllt mit Werkzeugen: Skalpelle, Meißel, Poliermittel, Flaschen mit Chemikalien, die die Luft mit einem scharfen, beißenden Geruch erfüllten. In der Mitte stand ein großer Arbeitstisch aus Edelstahl, makellos sauber, als hätte er nie Blut gesehen.
Victor war ein Mann von vierzig Jahren, schlank und muskulös, mit einem Gesicht, das in einer Menschenmenge untergehen konnte – attraktiv, aber unauffällig. Sein dunkles Haar war kurz geschnitten, ein gepflegter Bart umrahmte sein Kinn. Seine Augen, grau und durchdringend, verrieten nichts von der Dunkelheit in ihm. Er trug eine lederne Schürze über einem schwarzen Hemd, die Hände in Handschuhen, die er methodisch anzog. Heute war ein besonderer Tag. Er hatte eine neue Trophäe.
Auf dem Tisch lag der Kopf von Sarah Mitchell, der achtzehnjährigen Blondine, die er vor drei Tagen entführt hatte. Der Schnitt war perfekt, sauber und präzise, als hätte ein Chirurg gearbeitet. Die Augen waren geschlossen, die Lippen leicht geöffnet, als wollte sie etwas flüstern. Das blonde Haar fiel in sanften Wellen herab, noch immer glänzend, als wäre sie am Leben. Victor hatte sie sorgfältig vorbereitet: Das Blut abgelassen, die Haut konserviert mit einer Mischung aus Formaldehyd und anderen Substanzen, die er über die Jahre perfektioniert hatte. Sie war schön, ewige Schönheit, gefangen in der Zeit.
Er nahm ein weiches Tuch und tauchte es in eine Schale mit Poliermittel, einer speziellen Formel, die er selbst entwickelt hatte. Langsam, fast zärtlich, begann er, den Kopf zu polieren. Das Tuch glitt über die Stirn, die Wangen, den Halsstumpf. „Du bist perfekt“, murmelte er, seine Stimme ein leises, beruhigendes Flüstern. „Kein Altern mehr, kein Verfall. Nur du, für immer.“
Während er arbeitete, wanderten seine Gedanken zurück, wie immer in solchen Momenten. Zurück zu seiner Kindheit, zu der Frau, die alles begonnen hatte. Seine Mutter, blond und schön, mit einem Lachen, das wie Glas klirrte. Sie hatte ihn geliebt, auf ihre Weise – mit Schlägen und Schreien, mit Versprechen, die sie nie hielt. „Du bist nichts ohne mich“, hatte sie gesagt, als sie ihn in den Keller sperrte, tagelang, bis er lernte, still zu sein. Sie war achtzehn gewesen, als sie ihn bekam, zu jung, zu unreif. Und dann, eines Tages, war sie gegangen, hatte ihn zurückgelassen bei einem Vater, der ihn hasste.
Victor hatte sie gesucht, Jahre später. Gefunden hatte er nur ihre Leiche, verwest in einem billigen Motel. Der Kopf war das Einzige, was von ihrer Schönheit übrig geblieben war – ein Schädel, blank und leer. Da hatte er es verstanden: Schönheit musste bewahrt werden, bevor sie verblasste. Die erste war ein Zufall gewesen, ein Mädchen in Maryland, das seiner Mutter so ähnlich sah. Er hatte sie genommen, ihren Kopf behalten, und es hatte sich richtig angefühlt. Nun hatte er drei. Bald vier.
Er legte das Tuch beiseite und trat zurück, betrachtete sein Werk. Sarahs Kopf schimmerte im Licht, die Haut glatt wie Porzellan. Er lächelte, ein kaltes, zufriedenes Lächeln. „Willkommen in der Sammlung“, sagte er. Neben dem Tisch stand ein Regal, verdeckt von einem Vorhang. Er zog ihn beiseite, enthüllte die anderen: Zwei Köpfe, konserviert und montiert auf Sockeln aus Ebenholz. Die erste aus Maryland, die zweite aus Pennsylvania. Jede mit einer kleinen Plakette: Namen, Daten, ein Datum der „Erhebung“. Sarah würde die Dritte sein.
Victor setzte sich an einen kleinen Schreibtisch in der Ecke, holte sein Notizbuch hervor. Es war alt, ledergebunden, gefüllt mit Skizzen und Plänen. Er blätterte durch die Seiten: Zeichnungen von Frauen, alle blond, alle jung. Details zu ihren Leben – Adressen, Routinen, Schwächen. Er hatte Monate damit verbracht, sie zu beobachten, unsichtbar in der Menge. Sarah war einfach gewesen: Die Party in Richmond, wo sie allein am Rand stand, ein Drink in der Hand. Er hatte sie angelächelt, ein harmloser Flirt, und sie hatte gelacht. Später, im Auto, hatte sie nicht einmal geschrien.
Nun plante er das Nächste. Er brauchte eine Vierte, um das Muster zu vervollständigen. Vier war eine gute Zahl – symmetrisch, ausbalanciert. Er öffnete seinen Laptop, der mit einem VPN geschützt war, untracebar. Er surfte durch Social-Media-Profile, College-Seiten, suchte nach dem perfekten Opfer. Blond, achtzehn, unschuldig. Seine Finger flogen über die Tastatur, filterten Ergebnisse. Da – eine Namensliste von einer lokalen Universität. Lily Thompson, achtzehn, Kunststudentin. Ihr Profilfoto zeigte sie lachend, das blonde Haar im Wind. Sie wohnte allein, arbeitete in einer Galerie. Perfekt.
Er notierte sich ihre Adresse, ihre Gewohnheiten. Sie ging jeden Freitagabend in eine Bar, allein, um zu zeichnen. Er würde dort sein, charmant, ein Künstlerkollege. „Ich liebe deine Arbeit“, würde er sagen. Und sie würde lächeln, ahnungslos.
Während er plante, spürte er die Erregung aufsteigen, ein Kribbeln in den Fingern. Es war nicht der Akt des Tötens, der ihn antrieb – das war nur notwendig. Es war die Schöpfung, die Bewahrung. Er sah sich als Künstler, nicht als Mörder. Seine Skulpturen waren lebendig, ewig. In seiner Werkstatt gab es auch andere Werke: Statuen aus Holz und Stein, inspiriert von seinen Trophäen. Eine davon, eine abstrakte Figur mit fließendem Haar, stand in der Ecke, poliert und glänzend.
Victor stand auf, ging zu Sarahs Kopf zurück. Er hob ihn vorsichtig an, trug ihn zum Regal. Mit sanften Händen setzte er ihn auf den vorbereiteten Sockel, befestigte ihn mit unsichtbaren Halterungen. „Du bist jetzt Teil von etwas Größerem“, flüsterte er. Dann zog er den Vorhang wieder zu, verbarg seine Sammlung vor der Welt.
Der Regen draußen hatte nachgelassen, ein leises Tröpfeln nur noch. Victor zog die Handschuhe aus, wusch sich die Hände in einem Becken, methodisch, gründlich. Er dachte an die FBI-Agentin, die er in den Nachrichten gesehen hatte. Elena Voss, blond, intelligent. Sie jagte ihn, das wusste er. Er hatte sie am Tatort beobachtet, aus der Ferne, verborgen im Schatten. Sie war wie seine Mutter, stark, aber verletzlich. Vielleicht würde sie die Letzte sein, das Meisterwerk.
Aber noch nicht. Zuerst Lily. Er schaltete das Licht aus, verließ die Werkstatt, verschloss die Tür. Die Nacht umhüllte ihn, und er lächelte in die Dunkelheit. Das Spiel hatte gerade erst begonnen.
Victor Hale fuhr durch die nächtlichen Straßen Virginias, sein Wagen ein unauffälliger Sedan, der in der Masse unterging. Die Scheibenwischer wischten den letzten Regen fort, und die Lichter der Stadt reflektierten sich auf der nassen Asphalt. Er dachte an seine Werkstatt, an die Trophäe, die er gerade vollendet hatte. Sarahs Kopf war ein Meisterstück, besser als die anderen. Ihre Haut hatte einen natürlichen Glanz behalten, die Augenlider so fein, als könnte sie jeden Moment aufwachen.
Er parkte vor einem kleinen Café, das rund um die Uhr geöffnet hatte. Drinnen bestellte er einen schwarzen Kaffee, setzte sich in eine Ecke, wo er die Straße beobachten konnte. Junge Frauen gingen vorbei, lachend, ahnungslos. Er nippte an seinem Kaffee, zog sein Notizbuch hervor und skizzierte Lily. Ihr Gesicht, basierend auf dem Foto: Hohe Wangenknochen, blaue Augen, das Haar in Locken. Er zeichnete sie als Statue, ewig jung.
Seine Gedanken schweiften ab, zurück zu seiner ersten Trophäe. Es war in Maryland gewesen, vor zwei Jahren. Das Mädchen hieß Amanda, achtzehn, blond. Er hatte sie in einem Park getroffen, wo sie joggen ging. Ein Gespräch über Kunst, ein Angebot, seine Werke zu zeigen. In der Werkstatt hatte sie geschrien, aber nicht lange. Der Schnitt war ungeschickt gewesen, das erste Mal, aber er hatte gelernt. Nun war sie perfekt, konserviert.
Victor bezahlte und verließ das Café. Er fuhr zu Lilys Wohnung, parkte in einer Seitenstraße. Aus dem Schatten beobachtete er ihr Fenster. Das Licht brannte, sie war zu Hause. Er sah ihre Silhouette, wie sie sich bewegte, vielleicht malte. Er lächelte. Bald würde sie seine sein.
Zu Hause, in seiner unauffälligen Vorstadtwohnung, bereitete er sich vor. Er packte seine Tasche: Chloroform, Seile, das Skalpell. Alles steril, alles bereit. Er legte sich schlafen, träumte von Köpfen, die ihn anlächelten.
Am nächsten Morgen wachte er früh auf, ging joggen, um fit zu bleiben. Seine Nachbarn kannten ihn als den ruhigen Künstler, der in Galerien ausstellte. Niemand ahnte etwas. In der Galerie, wo er arbeitete, bereitete er eine Ausstellung vor. Skulpturen, inspiriert von seinen Trophäen. Eine davon, eine abstrakte Kopf-Form, hatte Lob bekommen. „So lebendig“, hatten sie gesagt.
Am Abend fuhr er zur Bar, wo Lily hingehen würde. Er setzte sich an die Theke, bestellte ein Bier. Sie kam pünktlich, setzte sich zwei Hocker weiter, holte ihr Skizzenbuch hervor. Victor wartete, dann sprach er sie an. „Entschuldigung, sind Sie Künstlerin? Ich bin Victor, Bildhauer.“
Sie lächelte, neugierig. Das Gespräch floss leicht. Er erzählte von seiner Arbeit, lud sie ein, seine Werkstatt zu sehen. Sie lachte, sagte ja. Perfekt.
Später, in der Nacht, folgte er ihr nach Hause. Der Plan war in Bewegung.
Victor polierte den Kopf in Gedanken weiter, plante die nächste Trophäe. Das Leben war Kunst, und er war der Meister.
Kapitel 4: Die Spur
Elena Voss saß an ihrem Schreibtisch in Quantico, die Luft schwer von abgestandenem Kaffee und dem leisen Summen der Klimaanlage. Vor ihr lag die kleine Holzfigur aus Ebenholz, die sie am Tatort von Sarah Mitchell gefunden hatte, sicher in einer durchsichtigen Beweismitteltüte verschlossen. Sie drehte die Tüte in ihren Händen, betrachtete die filigranen Details: die geschnitzte Frauengestalt, die langen, fließenden Haare, die präzise gearbeiteten Gesichtszüge. Es war kein billiges Souvenir, kein Zufallsfund. Es war Kunst, mit Bedacht geschaffen, und es war die Handschrift des Kopfsammlers.
Das Morgenlicht fiel durch die Jalousien, warf Streifen auf die Akten, die ihren Schreibtisch bedeckten. Berichte aus Maryland, Pennsylvania, und jetzt Virginia – drei Morde, drei blonde Achtzehnjährige, drei kopflose Leichen. Und bei jeder eine Holzfigur, jede ein wenig anders, aber alle mit derselben akribischen Sorgfalt geschnitzt. Elena hatte die Berichte durchgesehen, bis ihr die Augen brannten, auf der Suche nach einem Muster, das über das Offensichtliche hinausging. Der Mörder war kein impulsiver Killer. Er war ein Planer, ein Künstler, und die Figuren waren sein Markenzeichen – eine Botschaft, die sie noch nicht entschlüsselt hatte.
Sie lehnte sich zurück, rieb sich die Schläfen. Der Kopfsammler war ihr ein Rätsel, aber die Figuren waren der Schlüssel. Sie waren zu präzise, zu persönlich, um zufällig zu sein. Der Forensikbericht hatte wenig ergeben: keine Fingerabdrücke, keine DNA, nur die Bestätigung, dass das Ebenholz importiert war, wahrscheinlich aus Afrika, und mit einem seltenen Harz behandelt, das in spezialisierten Kunstkreisen verwendet wurde. Es war ein Anfang, aber ein schwacher. Sie brauchte mehr.
„Immer noch bei der Puppe?“ Mike Reyes’ Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Er stand in der Tür, eine Akte in der Hand, die Brauen hochgezogen. „Du starrst sie an, als würde sie dir gleich was erzählen.“
„Vielleicht tut sie das.“ Elena legte die Tüte ab, nahm einen Schluck kalten Kaffee. „Das ist kein Zufall, Mike. Er hinterlässt sie absichtlich. Es ist Teil seines Rituals.“
Mike trat ein, setzte sich auf den Stuhl gegenüber. „Oder er will uns nur auf Trab halten. Typen wie er lieben es, mit uns zu spielen.“ Er warf die Akte auf den Tisch. „Neuer Bericht. Die Party, auf der Sarah war – wir haben ein paar Überwachungsvideos. Nicht viel, aber ein Typ taucht auf, der zu Emilys Beschreibung passt. Groß, schlank, Bart, vielleicht vierzig. Keine klare Aufnahme, aber er war da.“