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»Der Korridor des Borromeo Colmi« – Michael Endes Erzählung über einen sagenumwobenen Korridor, der niemals zu enden scheint: Ein alkoholkranker Bettler berichtet dem Erzähler von einem geheimnisvollen Korridor im Palazzo Varanova in Rom, erbaut von dem Arzt, Architekt und Magier Borromeo Colmi. Der einzige Mensch, mit dem der geheimnisvolle Borromeo Colmi freundschaftlichen Umgang pflegte, war der päpstliche Großsiegelbewahrer Conte Fulvio di Baranova. Die Neugier des Erzählers nach besagtem Korridor ist geweckt und es gelingt ihm, zu der letzten Nachfahrin des Conte vorzudringen: Maddalena Bó, eine etwa achtzigjährige, überzeugte Kommunistin. Gemeinsam mit seiner Frau besichtigt der Erzähler den Korridor des Borromeo Colmi – und traut dabei seinen Augen nicht …
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Seitenzahl: 14
Veröffentlichungsjahr: 2014
Michael Ende
Erzählung
Hommage à Jorge Luis Borges
Góngora schreibt in seinem Traktat Soledad del Minotauro: »Der unvergleichliche Edelstein, der inmitten einer Wüste liegt, die noch nie eines Menschen Fuß betreten hat und die nach Gottes Ratschluss nie ein solcher betreten wird, ist nicht wirklich. Denn Wirklichkeit kann es nur dort geben, wo wenigstens eines einzigen Menschen Bewusstsein eben diesen Begriff (concetto) gebildet hat. Tiere und Engel kennen weder Wirklichkeit noch Unwirklichkeit, da jene keine Begriffe haben und diese ihrem rein geistigen Wesen nach mit den vollkommenen Begriffen eins sind.«[1]
Wenn ich diesen Gedanken Góngoras richtig verstehe – dass nämlich zur Erfahrung der Wirklichkeit außer dem Nur-Faktischen auch ein erkennendes Bewusstsein gehört, das dieses Faktische erst realisiert, dann ist es wohl nicht allzu gewagt zu folgern, dass also die Beschaffenheit der jeweiligen Wirklichkeit von der Beschaffenheit des jeweiligen Bewusstseins abhängt. Da Letzteres jedoch, wie man weiß, keineswegs bei allen Menschen und in allen Völkern gleich ist, kann man mit Recht annehmen, dass es an verschiedenen Orten der Erde verschiedene Wirklichkeiten gibt, ja dass an ein und demselben Ort durchaus mehrere Wirklichkeiten vorhanden sein können.
Es wäre gewiss höchst verdienstvoll, wenn ein erleuchteter Geist sich einmal der Aufgabe unterziehen wollte, eine Geografie der Wirklichkeiten zu schreiben. Wie viele Missverständnisse könnte ein solches Werk doch aus der Welt schaffen! Vielleicht wird mein nachfolgender Bericht einem solchen zukünftigen Realitäts-Topografen von bescheidenem Nutzen sein. Allein diese Hoffnung ist es, die mir Mut zur Niederschrift gibt.
