Der Krieg um den Wald - Moritz Hartmann - E-Book

Der Krieg um den Wald E-Book

Moritz Hartmann

0,0

Beschreibung

Der Krieg um den Wald' ist ein Muss für alle Leser, die historische Fiktion und spannende Erzählungen lieben. Mit einer packenden Handlung, authentischen historischen Details und einer meisterhaften Darstellung des 19. Jahrhunderts wird das Buch die Leser in eine faszinierende Welt voller Intrigen, Kämpfen und politischer Machenschaften entführen. Moritz Hartmanns Werk ist ein Meisterwerk der historischen Literatur, das sowohl unterhalten als auch zum Nachdenken anregen wird.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 265

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Moritz Hartmann

Der Krieg um den Wald

Historischer Roman - Historie aus der Zeit des östreichischen Sueeessionskriegs
            Books
- Innovative digitale Lösungen & Optimale Formatierung [email protected]

Inhaltsverzeichnis

Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebentes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel
Zwölftes Kapitel

Erstes Kapitel

Inhaltsverzeichnis

Die ersten Regierungsjahre der unvergeßlich genannten Kaiserin Maria Theresia waren für Böhmen eine Zeit der Drangsale und der schwersten Prüfungen. Abwechselnd in Besitz genommen und gebrandschatzt von Preußen, Bauern und Frankreich, und immer wieder erobert von den Kaiserlichen, wußte das Land am Ende nicht mehr, wem es eigentlich angehörte, wo es Recht suchen und von welcher der genannten Mächte es Ersatz für den erlittenen Schaden fordern und erwarten sollte. Dazu kam die völlige Recht- und Gesetzlosigkeit, die infolge der ewig schwankenden Zustände eintraten. Die Gutsherren, welche zugleich die Gerichtsherren waren, hatten für die verschiedenen Mächte Partei genommen und flüchteten sich, sobald die feindliche sich näherte, ihre Untertanen der fremden wie der heimischen Willkür überlassend. Der Bauer war es wieder, der unter diesen Umständen am meisten zu leiden hatte und in solcher tollgewordenen Zeit endlich gegen sich selbst zu wüten anfing. Der Krieg, die Neigung zu Händeln, die böse Lust am Hassen und an der Zwietracht hatte sich der Geister bemächtigt und sobald im Tal, im Gebirge ein Landstrich vom Feinde geräumt war, suchten die Bewohner unwillkürlich und bewußtlos nach Händeln unter sich, die größeres Unglück über das Land brachten, als alle äußeren Feinde.

Der Schauplatz einer der merkwürdigsten Kriegsgeschichten dieser Art waren die Dörfer, die sich zerstreut, nordöstlich von der k. k. Bergstadt Przibram. vom Dubnaberge aus über den Homolawald hinunter bis ins Tal der Litawka, und östlich längs der Prager Straße hinziehen.

An dem eben genannten Flüßchen, das während des Sommers unscheinbar und nur mit Mühe durchs Gestein sickert, im Frühling aber und mit anbrechendem Winter gewaltig aufbraust und Felder und Wiesen verheert, liegt das zerrissene, arme Dorf Duschnik. Ein kleines Schlößchen mit einer unbedeutenden Turmuhr und ein mit Mauern umgebener Kohlgarten, der sich Schloßgarten nennt, bilden seinen ganzen Schmuck. Sonst Strohdächer, teilweise noch mit Rasen bedeckt, aus denen wilde Pflanzen auswuchern, einzelne Bäume, zerbrochene Holzhecken, tiefe Lehmgruben mitten zwischen den Häusern, ein heiliger Johann von Nepomuk in der Mitte, einzelne rot angestrichene Fensterläden an den wohlhabendsten Häusern – in der Ferne das dumpfe Klopfen der Eisenhämmer und der ewig aufsteigende Rauch der Silberschmelzhütte – das ist das ganze Dorf, das ist Duschnik, dessen Geschichte zur Zeit des österreichischen Sezessionskrieges wir hier erzählen wollen.

Eines Abends, es war im Frühling des Jahres 1744, saß, wie gewöhnlich, der größte Teil der männlichen Bevölkerung des Dorfes Duschnik in der Stube des alten Matthei Stroß versammelt, den man schlechtweg, in Erinnerung an seine ehemaligen Amtsverrichtungen als Dorfrichter, nur den »alten Richter« nannte, und horchte den weisen und erfahrenen Worten dieses Greises. Der alte Richter genoß von jeher in dem Dorfe und der ganzen Umgegend des größten Ansehens, das er nicht allein seinem Richteramte verdankte, welches er nunmehr, sei es wegen seines vorgerückten Alters niedergelegt oder in den stürmischen Zeiten verloren hatte, sondern es war noch in ganz andern Umständen begründet.

Allgemein raunte man sich in die Ohren und glaubte, obwohl man es nie öffentlich zu behaupten wagte, der alte Richter, der so viel Geheimes wußte, von uralten Dingen so klar erzählte, als ob sie gestern oder heute geschehen wären, der so weise sprach und alles, was er sprach, mit Bibelsprüchen zu belegen verstand – allgemein glaubte man, der alte Richter sei ein Hussit, habe eine böhmische Bibel, in der er allsonntäglich lese, wobei er sich selbst die heiligen Sakramente in Brot und Wein erteile, und habe neben der Bibel und anderen geheimnisvollen Büchern tief unter der Diele seiner Stube einen Kelch, ein Schwert und andere Zeichen der Hussiten vergraben.

Obwohl gut katholisch, achtete das Volk das Geheimnisvolle, das den Alten umgab, und hatte instinktmäßig eine heilige Scheu vor seiner eigenen Vergangenheit, die trotz aller Pfaffenerziehung im Gedächtnis des Volkes überhaupt und vor den Augen der Duschniker Bauern leibhaftig in der Gestalt des alten Richters fortlebte. – Sie glaubten, daß in dem Stamme, in welchem ein vor Jahrhunderten blühender Glaube fortwuchs, alles Wissen der langen Zeit, die zwischen damals und heute lag, vereinigt war. Doch wagte man nur selten oder nie davon zu sprechen oder darauf anzuspielen. Nur wenn der alte Richter etwas sagte, was den Bauern besonders weise erschien und was sie einem höheren Wissen zuschrieben, sahen sie einander einverständig an und gaben andeutungsvolle Zeichen. Immer aber glaubten und gehorchten sie seinen Worten. Auch heute.

Die Bauern sprachen über die Zeitläufte und ließen sich vom alten Richter erzählen, was er in der Stadt beim Amte über die neuesten Schlachten, über Krieg und Frieden, über die Kaiserin, ihre Generale und Minister gehört hatte. Martin Kinnich, ein kleines, mageres Männlein, mit funkelnden Augen und struppigem Haar, dem man bei seiner starken Beweglichkeit das vorgerückte Alter nicht ansah, klatschte mit der Hand auf den roten Tisch und meinte, während er den Hut von einem Ohre auf das andere warf: Es wird noch lange nicht besser! Was haben wir von der Kaiserin zu erwarten? Als sie vor kurzem in Prag war, schickte sie sechsundvierzig schwangere Weiber, die um die Freigebung und das Leben ihrer gefangenen Männer baten, mit harter Antwort von sich. Ist das ein weibliches Herz? – Sechsundvierzig schwangere Weiber! sechsundvierzig ungeborne Kindlein! um Steine zu bewegen! Und was haben die sechsundvierzig Männer getan? Kein Mensch weiß es. Man beschuldigt sie des Einverständnis mit Bayern, weil sie die Brandschatzung eintrieben, ohne welche alles mit Feuer und Schwert wäre vernichtet worden. Bei Gott, brave Männer sind's und recht haben sie getan. Und Bayern! das ist auch so eine Geschichte. Nach alten Briefen und Urkunden soll Bayern ebenso großes Recht auf Böhmen haben und größeres als Maria Theresia, unsere allergnädigste Kaiserin. Es wird nicht besser, sage ich, es wird nicht besser!

Der einzelne macht die Dinge nicht gut und macht die Dinge nicht schlecht, sagte darauf der alte Richter Matthei Stroß, – am Volke liegt's. Wie das Volk ist, so werden die Dinge; am Geiste, der im Volke lebt, liegt es. Wäre das Volk so, daß es sich erhoben hätte, als eine Anzahl unschuldiger Männer in die Gefängnisse geführt wurden, dann hätte die Kaiserin keine solche Antwort zu geben gebraucht, ja wäre es gar nicht dahin gekommen. Der Geist, der im Volke steckt, steht ewig hinter den Fürsten und raunt ihnen zu: so und so tuet, das wird es ertragen, euer Volk – das wird es nicht ertragen.

– Sie ist die Tochter ihres Vaters und der Apfel fällt nicht weit vom Stamme, fügte ein dritter hinzu, und Martin Kinnich rief etwas ärgerlich darein: Wenn der einzelne die Dinge nicht gut und nicht schlecht macht, warum sollen wir uns nicht helfen? Warum sollen wir warten, bis der Richter nach Jahr und Tag uns unser gutes Recht auf den Wald zuspricht? Warum gehen wir nicht hin und schlagen die Diebe, die Obtschover, tot, die ihn ausreuten, daß er eher wie ein Kirchhof als wie ein Wald aussehen wird, wenn es endlich dem Richter belieben wird, sein Urteil zu sprechen?

Kinnich hatte einen Gegenstand zur Sprache gebracht, der augenscheinlich die Gemüter aller Anwesenden schnell ergriff und, wie an ihrer Augen Blitzen, an den vorgebogenen Leibern, die horchen wollten, was der alte Richter antworten werde, zu sehen war, sie sehr lebhaft bewegte. Es war auch eine Lebensfrage. Das Dorf Duschnik war arm, so arm wie nur wenige Dörfer der ganzen Umgegend. Die Überschwemmungen der Litawka spotteten des Fleißes seiner Bewohner. Ringsum war alles ausgeschwemmtes Gestein, verwaschenes Erdreich, zerrissener sandbedeckter Wiesengrund. Was an Feld und Wiese höher hinauf an den Hügeln lag und vor der alljährlich wiederkehrenden Kalamität gesichert war, hatte sich seit Jahrhunderten die Gutsherrschaft zugeeignet. Dem Dorfe selbst blieb nichts übrig als der Wald, der, die »Homola« genannt, sich den Bergrücken entlang erstreckte und das Taldorf Duschnik von dem Bergdorf Obtschov trennte. Der Wald, der allein die Duschniker ernährte, indem sie jährlich eine Anzahl Stämme fällten, die sie nach Prag verkauften und deren Ertrag sie gleichmäßig unter sich verteilten, der Wald war von ihnen gehütet und geliebt wie ihr Augapfel, wie ihr Kind – denn er war ihr Nährer, ihr einziges Besitztum – daher auch ihr Trost und ihr Stolz. Die Obtschover, obwohl glücklicher als ihre Talnachbarn, da sie, reich an Feld- und Wiesengrund, Früchte und Herden in vollem Maße besaßen, gönnten gleichwohl den Duschnikern nicht den vollen Genuß des Waldes, und da er sich in der Tat eine Stunde über ihre Gemarkung hinauszog, erhoben sie unter Anführung ihres Dorfrichters, Mika, nur der Bauernadvokat genannt, Ansprüche, welche beide Dörfer in einen langen Prozeß verwickelten. Sein Fortgang wurde durch die Flucht der Gutsherren und aller Beamten beim Herannahen der Bayern und Franzosen unterbrochen, und da auch der Magistrat der Stadt Przibram das Schiedsrichteramt von sich wies, benützten die Obtschover, vielleicht ahnend, daß ihnen das Recht auf den Wald werde abgesprochen werden, die gesetzlose Zeit, um ihn soviel als möglich auszubeuten und das Holz um einen Spottpreis an alle Welt zu verkaufen. Ihr Richter, Mika, der in der ganzen Umgegend für einen feinen Kopf galt, mit dem sich kein Advokat messen dürfe, der mehrere alte Gesetzbücher besaß, woraus er den Bauern, bei denen sich dann und wann das Gewissen regte, ihr Recht auf den Wald vordemonstrierte, suchte die Absatzquellen auf und leitete den Holzhandel, wobei ihm größere Einkünfte als den anderen Bauern abfielen, was ihn auch bewog, mit seinen Rechtsbefohlenen auf dem eingeschlagenen Wege zu beharren und den Wald in der Zeit, die ihm die Verwirrung des Krieges noch ließ, soviel als möglich auszubeuten. – Es hatte sich infolge dieses Streites ein Geist des Hasses und der Erbitterung zwischen den Bewohnern der beiden Dörfer ausgebildet, der schon oft zu Tätlichkeiten geführt, nächstens aber in blutige Händel auszuarten drohte. Daher die Bewegung unter den Bauern, als Kinnich das Gespräch auf diesen Gegenstand brachte, und ihre Aufmerksamkeit auf die Worte des alten Richters, der ihm also antwortete:

Es steht wohl geschrieben: Glied um Glied und Aug' um Aug' und Zahn um Zahn. Es ist aber nicht gesagt; wenn dein Nachbar Gewaltsames begeht, so tu wieder Gewaltsames, und wenn er dich bestiehlt, so stiehl wieder. Das Auge, das er euch verwundet, wird er euch heilen müssen nach dem Spruche des Richters, der der Arzt des Verfolgten ist, und mit den Arzneien, wie er ihm befiehlt. Unser Recht ist verbürgt in alten Urkunden und keinem Menschen ist es gegeben, dasselbe zu beugen. So müssen wir glauben, solange es der Richter nicht gebeugt hat. Er muß zum reichen Manne sagen: gib dem Armen sein Schaf wieder. Der Krieg wird bald beendigt sein, die Richter werden sich wieder um das Recht der kleinen Leute kümmern müssen – bis dahin müssen wir dulden.

Die Bauern schienen wenig zufrieden mit dieser friedlichen Rede des alten Richters, murmelten vor sich hin und mehrere wollten ihm antworten, als ein junger Bauer, ohne Hut, mit zerzaustem Haar, blutigem Gesicht und zerrissenen Kleidern, in die Stube stürzte.

So haben mich die Obtschover zugerichtet, rief er aus, indem er sich vor die Bauern hinstellte und eine laute Lache aufschlug – es geschieht euch aber recht. Während ihr hier sitzet und plaudert, fahren sie Wagen auf Wagen nach Prag, und wenn sich einer von euch untersteht zu mucksen, werden sie ihn so zurichten, wie sie mich zugerichtet haben.

Die Bauern sprangen auf, ballten die Fäuste, warfen die Hüte auf den Boden, fluchten und polterten. »Was ist's, was ist geschehen? Erzähl, Pepik, erzähle!«

Nun, was soll's sein? – sagte der Bauernjunge Pepik Picard, indem er sich das Blut vom Gesicht wischte, ich komme von Oborschicht, wohin ich das letzte Huhn und die letzten Eier meiner Großmutter brachte, um sie im Kloster der ehrwürdigen Brüder Jesuiten, weil sie meiner Alten die Rose aus dem Gesicht gebetet haben, zu opfern, gehe ganz lustig mit dem Segen des Paters Guardian davon, singe und bin guter Dinge, biege ums Holz hinter Obtschov – wer kommt mir entgegen? Der alte Lump, der Bauernadvokat, der Mika aus Obtschov, mit einer Schreibtafel in der Hand und rechnet und rechnet, und hinter ihm ein langer, langer Zug von Pferden – und was zogen die Pferde? prächtige Tannen, liebliche Fichten, goldne Birken. Kreuztausend Bataillon, rief ich, du Dieb, du Schelmenvater, führst uns wieder unser schönstes Gehölz fort! – und wie ich's sage, treibe ich ihm die Mütze über die Ohren, schlage ihm die Schreibtafel aus der Hand und laufe was ich laufen kann – querfeldein. Aber prost die Mahlzeit – die Bursche haben's gesehen, lassen die Pferde stehen und den jungen Mika an der Spitze laufen mir nach und richten mich so zu, wir ihr mich da seht.

Die Diebe, die Räuber! riefen die Bauern untereinander – sie sollen büßen – wir wollen's ihnen zeigen!

Halt, es ist noch nicht aus! rief ihnen Pepik nach, da sie zornig und fluchend hinauseilen wollten, 's ist noch nicht aus. Auf dem Heimwege habe ich vom Obtschover Juden erfahren, daß der Mika mit einem kaiserlichen Lieferanten einen Kontrakt abgeschlossen hat und ihm so viel Holz liefert, als er nur braucht, um zweihundert Elbboote für die Armee zu bauen und Brennholz für die Militärbackhäuser. 's ist ein schön Geschäft – in vier Wochen wird unser Wald so durchsichtig sein, wie des armen Mannes Korn.

Das soll er nicht, beim heiligen Johann von Nepomuk, beim heiligen Wenzel und tausend andern Heiligen! schrie Kinnich, das soll er nicht, die Obtschover sind Räuber, wir müssen uns unserer Haut wehren, und wer auf Raub ausgeht, der geht auch auf Mord aus, sagt ein altes Sprichwort – und wer mich morden will, den schlag' ich tot und damit Punktum, und morgen gehen wir in den Wald und wenn wir da einen Obtschover Blutstropfen finden, so soll er fließen – das schwör' ich beim Teufel!

Ja, wir gehen morgen in den Wald und schlagen tot, was uns unter die Hände kommt! riefen die Bauern alle und liefen fluchend hinaus; kaum daß sie dem alten Richter noch gute Nacht sagten und er Zeit genug hatte ihnen nachzurufen: Vergeßt mich nicht, ich gehe mit euch in den Wald!

Plötzlich war es stille geworden in der Stube. »Es geht schlimm!« murmelte der alte Richter, der zurückgeblieben war, indem er mit dem großen hölzernen Kamm, der nach alter Art in seinen langen grauen Locken steckte, sich die Haare zurückstrich, ein altes dickes Buch aus einem Verstecke in der Holzwand hervorzog und hinausging.

Während er draußen die Treppe hinaufstieg, um in die Schlafstube unter dem Dache zu gelangen, fing es in der Stube, tief im dunkeln Winkel hinter dem Ofen leise zu schluchzen an und das Schluchzen wurde immer stärker, bis es sich in ein langes, inniges Weinen verwandelte.

Liduschka, die Schwiegertochter des alten Richters, die junge Strohwitwe, wie man sie im Dorfe nannte, weil ihr die Kaiserlichen ihren Mann kurze Zeit nach der Hochzeit als Soldaten weggeführt hatten, Liduschka hatte hinter dem Ofen alles gesehen und gehört, was in der Stube vorging. Sie weinte, weil sie eine Obtschoverin war, und es tat ihr weh, so von ihren Landsleuten sprechen zu hören, wie man sie Diebe, Schelme, Räuber nannte. Besonders weh aber tat es ihr, daß man von ihrem Vater, dem Bauernadvokaten, wie von dem Herbergsvater der Diebe sprach, er, der zu Hause in ihrem Dorfe so hoch geachtet war als Wunder der Weisheit und Gelehrsamkeit unter den Bauern. – Wie sie so weinend aus ihrem Verstecke hervorkam und durch die Stube ging, schluchzend, gebeugten Hauptes und sich ans Fenster setzte, wo sie vom Monde beschienen, ihre langen blonden Haarflechten unter tiefem Seufzen auflöste und die aufgelösten Haare wie einen Kranz um die Stirne wand, war sie schön und traurig anzusehen. Nicht allein die schlimmen Worte, die über ihren Vater und ihre Landsleute gefallen waren, waren es, die sie so betrübt machten – traurige Ahnungen stiegen in ihr auf. Es war ihr, als ob die Männer, die heute so erzürnt von dannen stürzten, sich nicht sobald zur Ruhe begeben würden – als ob der heutige Abend der Anfang einer bösen Zeit sein sollte. – Diese Ahnungen ließen sie nicht schlafen, selbst als sie längst schon vor dem hellen Mondschein ihren schönen schlanken Leib im Bette barg. Sie bildete sich ein, daß alles besser werden müßte, wenn nur ihr Mann daheim wäre, der gute sanfte Nikolai, und zum Frieden sprechen könnte, anstatt daß er sich eben im fernen Schlesien oder Sachsenlande als wilder Soldat herumtreiben mußte. Böse Träume ließen sie nicht schlafen, bis sie endlich in einem Augenblicke zwischen Wachen und Schlafen einen Ausweg aus ihrem Kummer fand und dazu lächelte wie zu einem guten Gedanken. Mit dem ersten Morgenstrahle wollte sie hinunter zum Alten vom Hammer und sich seinen Rat erbitten und ihn, den Propheten, über die nächste Zukunft befragen.

Zweites Kapitel

Inhaltsverzeichnis

Einige hundert Schritte hinter dem Dorfe Duschnik, wenn man dem Laufe der Litivka folgt, auf dem schmalen Striche zwischen dem Bache und dem steil ansteigenden Felsen, durch Ulmen, Erlen und Weidenbäume verdeckt, liegen mehrere Eisenhütten, eng aneinander gedrängt. Obwohl die hölzernen Wände und Dächer auf steinernen Grundmauern ruhen, zittern sie doch ununterbrochen von dem Schlage der mächtigen Hämmer vom Grunde bis zum Giebel und die Wetterfahnen drehen sich bebend, auch wenn nicht das leiseste Lüftchen zieht. Haben die Hütten in ihrem dunkeln, einsamen Versteck, von dumpfem Geklopfe durchhallt, von Kohlenstaub bedeckt, an sich schon etwas Unheimliches, so bekommen sie erst noch ein schauerliches Ansehen, wenn im Frühling und im Sommer, sobald die Sonnenstrahlen wärmend niederfallen, die unzähligen Schlangen aus ihren Löchern im Felsen hervorkriechen, sich die Wände hinanwinden und von den Dächern züngelnd herabhängen gleich roten, grünen, silbernen Bändern, die der Wind bewegt. Die Eisenarbeiter lächeln über die gewohnte Gesellschaft, die sie nicht fürchten, und wundern sich auch nicht, wenn sich dann und wann ein vorwitziges Schlänglein ganz nahe dem Hammer neben der glühenden Eisenstange hinstreckt oder sich im Herde mitten im Funkenregen wärmt. Aber der Wanderer erschrickt vor den Hütten wie vor der Wohnung eines Zauberers.

Aber es wohnt hier auch ein Zauberer.

Hart am Felsen in der verstecktesten und ärmlichsten unter den versteckten und ärmlichen Hütten wohnt der alte Buresch, der Wunderdoktor, der Prophet, der ausgerenkte Arme und Beine einrichtet, allerlei Salben bereitet, das Gras wachsen hört, die Stimmen der Tiere versteht, geheimnisvolle Übel bespricht, Träume deutet, neugeborenen Kindern nach den Sternen ihr Schicksal bestimmt und jedem auf Begehren die Zukunft deutet – der alte Buresch, der Alte vom Hammer. Seine geheimen Wissenschaften hat er sich, wie man's erklärt, aus dem Lande der Türken und Heiden geholt, wo er lange Zeit vor vielen Jahren unter Prinz Eugen, dem edlen Ritter, als Soldat gedient hat. Später war er Altgeselle im Hammer; jetzt, in seinem hohen Alter aß er nur noch das Gnadenbrot in der einsamen Hütte. Er hauste dort ganz allein, da sein Sohn Peter Buresch sich als Wilddieb in den fernen Wäldern umhertrieb, ja sogar unter die Zigeuner gegangen sein soll. In seiner Einsamkeit beschäftigte ihn die Zubereitung der Wundersalben und seine Schlangen. Die Schlangen waren seine liebste Gesellschaft und danach hatte er auch seine Stube eingerichtet. Überall in den Wänden nahe am Boden waren Löcher angebracht, daß sie ohne Hindernis ein- und ausschlüpfen und sich die Würmer holen konnten, die er ihnen jeden Morgen hinlegte. – Da sah es denn auch so schreckhaft in seiner Stube aus, daß nur wenige Menschen es wagten, sie zu betreten, und darum saß er auch den ganzen Tag vor der Schwelle seiner Hütte und sonnte sich und sah zu, ob jemand komme, seinen Rat zu holen. Zum Zeitvertreibe hatte er neben einem Rosenkranze eine Schlange in der Hand, mit der er spielte, die er steif zu machen verstand, die er tanzen lehrte, um den Hals band wie einen Strick oder auch, wenn er genug gespielt hatte, in den Busen steckte, wo sie sich warm und behaglich fühlte. Die Leute aus dem Dorfe, die ihn näher kannten, behaupteten, er denke, während er da so spiele, den ganzen Tag an seinen Sohn Peter Buresch, den Wilddieb, den er leidenschaftlich liebte und aus dem er gerne einen großen, mächtigen Herrn machen möchte.

So saß er wieder da wie immer auf der Schwelle der Hütte, und spielte mit dem Rosenkranze und der Schlange wie immer und lächelte, etwas grinsend, vor sich hin, wie immer. Es war früh am Morgen. Da sah er Liduschka, die junge Schnurdes alten Richters, über den Steg auf sich zukommen. Der Alte freute sich augenscheinlich bei diesem Anblick, verbarg die Schlange unter dem Hemde, um das junge Weib nicht zu erschrecken und gab sich Mühe, ein freundliches Gesicht zu machen. – »Brächtest du mir etwas, murmelte er, womit ich deinem alten Friedensprediger einen rechten Tort antun könnte, solltest du mir willkommen sein.« Er meinte den alten Richter, den er haßte, weil er mit ihm seinen Einfluß im Dorfe teilen mußte und weil er wohl fühlte, daß er selbst, gefürchtet und gescheut, nur in der höchsten Not aufgesucht wurde, der alte Richter aber in hohem Ansehen stand wie ein Priester oder Vater. Liduschka, als sie des Alten vom Hammer ansichtig wurde, schlug furchtsam die Augen nieder und um ihre Angst zu verhüllen, begann sie den Inhalt ihres Körbchens, Brot, Eier und etwas Mehl, zu ordnen, und wäre am liebsten zurückgekehrt, da ihr plötzlich ihr Gang als sündhaft und der Alte so unheimlich erschien.

Aber er rief ihr schon von ferne zu: Willkommen Liduschka! Dich drückt ein geheimes Weh – komm, daß ich dir helfe.

Das junge Weib konnte nicht mehr zurück und sagte, indem sie sich näherte: Gewiß, ein großes Weh, und Ihr sollt mir davon helfen mit Eurem klugen Rat, und wenn Ihr mir noch sagen wollt, wie es in der Zukunft wird mit den Duschnikern und den Obtschovern und mit meinem Vater und mit meinen Brüdern, so habe ich Euch dafür alles mitgebracht, was ich im Haushalt entbehren und was ich Euch in dieser Jahreszeit bringen kann.

Der Alte warf nur einen kurzen Blick auf das Körbchen, aber einen langen und prüfenden auf das unausgeschlafene kummervolle Gesicht der armen Liduschka, aus deren Worten er schon ihr Anliegen erraten hatte. Er lächelte und sagte mit blinzelndem Auge, als ob er sie seiner Allwissenheit versichern wollte: Gelt, du plagst dich der Obtschover Händel wegen, du fürchtest, es wird blutige Köpfe geben, daß dein Vater schlecht davonkommen wird – und dazu hast du so böse Träume und du bist allein und verlassen, du armer kleiner Vogel? Erzähle, erzähle!

Jesus Maria, ja so ist es! Ihr habt es schon alles erraten – sagte Liduschka, indem sie über die Sehergabe des Alten ein Frösteln überlief. Und sie erzählte ihm lange und ausführlich von den bösen Träumen, die sie plagten, von den schlechten Namen, mit denen man ihren Vater im Dorfe benenne, von allem, was gestern beim alten Richter vorgegangen war und wie das ganze Dorf in Aufregung sei und daß man heute in den Wald ziehen wolle.

Der Alte hörte ihr aufmerksam zu und unterbrach sie nicht in ihrer langen und ausführlichen Erzählung. Nur daß er manchmal mit einem »Hm, Hm« in Nachdenken versank, sich lächelnd die Hände rieb und: »es wird gehen, es wird gehen« zwischen den Zähnen murmelte. Liduschka, die es bemerkte, wurde ängstlich zumute und sie fragte mit zitternder Stimme: Vater Buresch, ich glaube, Ihr freut Euch über das alles?

Aber anstatt aller Antwort sprang der Alte von der Schwelle auf und eilte in die Stube, aus welcher er nach wenig Augenblicken, wie zu einer Reise gerüstet, wieder herauskam. Ein alter, brauner Ungarmantel hing um seine Schulter, schief auf dem Kopfe saß der breitkrempige, durch allerlei Risse gezackte Hut, ein gewaltiger Rosenkranz mit braunen großen Kugeln hing ihm um den Nacken vorn auf die Brust herunter, und in der linken Hand hielt er einen Stock, der so hoch war wie er selbst und oben ein großes, eisernes Doppelkreuz trug. Die Augen des Alten blitzten, er schien plötzlich um einen Kopf höher geworden zu sein, seine Muskeln spannten sich und nach dem Dorfe gewendet, rief er mit einer Stimme, die den Lärm der Hämmer weit übertönte: Ja, es wird blutige Köpfe und Wunden und Tod geben! Das Maß ist voll, bald wird es überlaufen! Bald soll es auf eueren Feldern aussehen, o Duschnik, und du, o Obtschov, wie auf der Walstatt nach einer Türkenschlacht! Und ich will euch einen Führer geben, von dem in hundert Jahren noch die Steine erzählen sollen und die verbrannten Häuser! –

Dann sprang er mit der Kraft eines Jünglings über den Bach, eilte über die Wiesen hin und verschwand im Dunkel des Waldes. Liduschka, die bleich und an allen Gliedern bebend dastand und noch immer die Worte des Alten hörte, die ihr Herzblut gerinnen machten, faßte sich endlich und rief entsetzt: Jesus Maria, er holt seinen Sohn, Peter Buresch, den Wilddieb.

Dann setzte sie sich hin und weinte bitterlich.

Indessen herrschte im Dorfe die höchste Aufregung. Unter dem großen Kastanienbaume, der die Statue des heiligen Johann von Nepomuk beschattete, versammelten sich die Männer – fluchend, schreiend, Weiber und Kinder zurückstoßend, die sich neugierig umherstellten und der Verwirrung zusahen. Hirten hatten die Nachricht gebracht, daß die Obtschover wieder am Kreuz beim heiligen Antonius von Padua Holz fällten. Man wollte den gestern gefaßten Beschluß in Ausführung bringen. Der alte Richter erschien in der Tracht, in welcher er sonst zu Amte zu gehen pflegte – langer grüner Tuchrock, der mit weißem Schafpelze ausgelegt und vorn mit langen seidenen Schnüren zusammengehalten wurde, Schuhe mit weißen Schnallen, hohe schwarze Strümpfe – auf dem dicht von weißen Locken umwallten Haupte die grüne, pelzumsäumte Samtmütze, in der Hand das hohe, fast bis ans Kinn reichende spanische Rohr mit gelbem Beschlage. Er stellte sich an die Spitze der Bauern und schritt dem Walde zu. Aber als sie an die Brücke kamen, die über die Litawka führt, da stand schon Kinnich an der Spitze einer großen Schar von Bauern, die sämtlich mit Waffen aller Art, Heugabeln, alten Spießen, Säbeln und Feuergewehren ausgerüstet waren. Der alte Richter blieb erschrocken stehen. Was soll dieser Aufzug? rief er unwillig aus. Es steht geschrieben, du sollst hingehen und den Fehlenden dreimal ermahnen, daß er vom Unrecht abstehe, und ihr wollt Blut vergießen? Das ist nicht gut getan, Bruder Kinnich.

Kinnich, der sich so angesprochen sah, schob trotzig die Mütze tief in die Stirne, drückte seine alte Feuerwaffe noch fester an die Schulter und ging ohne Antwort vorwärts. Der Friedensprediger! murrte er vor sich hin; wenn es nach seinem Kopfe ginge, müßten wir warten, bis uns am Jüngsten Tag unser Recht wird.

Aber der alte Richter, Matthei Stroß, sah die Gefährten Kinnichs, die stehen geblieben waren, lange und durchdringend an, und unwillkürlich gingen sie hin, lehnten ihre Waffen an das Geländer der Brücke und schlossen sich friedlich dem unbewaffneten Zuge an. Als das Kinnich sah, warf er auch seinerseits die Waffe, aber fluchend und schimpfend, ins Gras und lief zornig voraus. Nun, wenn ihr wollt, rief er, so ziehen wir hin, wie ein Leichenzug – wir werden den Obtschovern gewaltigen Respekt einflößen! Wenn sie uns totschlagen, haben sie recht!

So gingen sie vorwärts, den Berg hinan durch die schattigen Hallen der Fichten und Kiefern. Sie brauchten nicht weit zu gehen, um die hallende Axt fallen und die fallenden Bäume krachen zu hören. Sie ballten die Fäuste und schritten lippenbeißend weiter. Doch kam kein lauter Zorn in ihnen auf – im Gegenteile beschlich ahnungsvolle Trauer ihre Herzen und es war ihnen, als stünden sie am Anfange trauriger Ereignisse, ja als ob ihnen eine höchst schmerzvolle Begebenheit sehr nahe wäre. Als ob sie ihn um die Ursache ihrer Beklemmung fragen wollten, sahen sie von Zeit zu Zeit zum alten Richter auf. Dieser aber ging schweigend, gedankenvoll, gebeugten Hauptes seinen Weg. – Als sie sich dem Kreuzwege beim Bilde des heiligen Antonius von Padua näherten, verstummten plötzlich die Schläge der Äxte. Die Obtschover sahen auf und ließen überrascht die Hacken fallen, harrend der Dinge, die da kommen sollten. Über ihrem Haupte, auf dem Baume, an dessen Wurzel sie eben die Axt und die Säge gelegt hatten, krächzte ein Rabe, der trotz allen Lärmens die Zweige nicht verlassen wollte. Stille war's – die Vögel des Waldes, die unter dem Hauen und Sägen verstummt waren, fingen nach und nach, aber schüchtern, zu singen an – in der Tiefe begann ein Kuckuck seinen Ruf, schwieg aber sogleich wieder. Wie kühl es auch im Walde war, wischten sich doch Obtschover und Duschniker den Schweiß von der Stirne. Ein schweres Alpdrücken lag auf dem ganzen Walde. Auf dem feuchten Moose zitterten goldene Sonnenstreifen und Ringe – ein leiser Windzug durchseufzte den Wald und die Wipfel neigten sich, »als ob ein Unsichtbarer drüber ginge«.

Der tolle Honsik, der unter den Obtschovern war, und von der Beklemmung, die sich aller bemächtigte, am wenigsten verspürend, den Duschnikern grinsend entgegenlächelte, unterbrach die Stille zuerst. Er schlug eine helle, widerliche Lache auf und hieb aufs neue auf den Baum los. Da fühlten sich seine Gefährten, die um ihn herum standen, plötzlich vom Alpdrücken erlöst und lachten laut mit dem tollen Honsik und griffen nach den Äxten und Sägen, um so zu tun, wie er tat.

Den Duschnikern, die ergrimmt vorstürzen wollten, winkte der alte Richter mit der Hand, zurückzubleiben, und ging allein vor bis an den Baum, an dem die Obtschover eben beschäftigt waren. Er sprach also zu den Obtschovern: Wie ihr jetzt den Baum mit Axt und Säge fället, so fället und stürzet ihr jegliches Recht, das Vertrauen des einen Menschen zum andern, die Liebe zum Frieden. Wenn ihr nicht geduldig seid, bis der Richter sein Urteil gesprochen hat, so höret auf den Richterspruch eures Gewissens, der euch sagt: Ihr esset das Brot aus fremdem Korbe, ihr erntet auf fremdem Felde. Euch hat der Herr, gnädiger als gegen uns, Felder und Wiesen und Herden gegeben, warum wollt ihr uns dessen berauben, was uns jedes Recht zusprechen müßte, auch ohne Urkunden, Briefe und Siegel, da es jedes Menschen Recht ist, zu arbeiten und sich zu nähren? Wo aber sollen wir arbeiten und uns nähren, wenn nicht in diesem Walde, der unser Erntefeld ist und unsere Werkstatt?

Der alte Mika, der Bauernadvokat und Obtschover Richter, bohrte mit seinem Haselnußstock ein Loch ins Moos, indem er antwortete: Solange nach Gesetz und Recht nicht ein Spruch gefällt ist, ist der Wald gesetzlos und hat keinen Herrn. Er ist frei und gehört jedermann, wie der Fluß, die Quelle, die Luft. Soll hier das Holz verfaulen wie im Zdikauer Walde? – Wenn ihr arm seid, so kommt und bittet um Almosen bei uns, die wir reich sind; – solange ihr nicht kommt und saget: gute liebe Nachbarn, gebt uns etwas von eurem Überfluß um Gottes willen – solange haben wir uns um eure Armut nicht zu kümmern. Jeder kehre vor seiner eigenen Tür und frage nicht, was geht beim Nachbar vor? Wenn ihr so töricht seid und wartet, bis der Richter gesprochen hat, so sind wir so klug, indessen zu arbeiten und in der rechtlosen Zeit aus der Überschwemmung zu retten, was zu retten ist. Macht der Krieg die einen arm, macht er die andern reich – und wer früher kommt, malt früher.

Also, rief der alte Richter empört aus, also gehst du, während es blitzt und gewittert, aufs menschenleere Feld und stiehlst Garben? Haltet ein, rufe ich euch zu, ihr tuet unrecht, ihr sündiget vor Gott!