Der Kundschafter des Königs - Roland Mueller - E-Book
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Der Kundschafter des Königs E-Book

Roland Mueller

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Beschreibung

Mitreißend und spannend: „Der Kundschafter des Königs“ von Roland Mueller jetzt als eBook bei dotbooks. Durch Zufall stehen sich der zwölfjährige Dareg und Alexander der Große eines Tages gegenüber. Seinen Fähigkeiten als Fährtensucher hat der Hirtenjunge es zu verdanken, dass der junge König ihn in sein Gefolge aufnimmt, und Dareg willigt begeistert ein. Von nun an ist das Feldlager sein Zuhause. Immer in Alexanders Nähe, zieht er von Schlacht zu Schlacht, von Sieg zu Sieg, und rettet ihm einmal sogar das Leben. Doch er erfährt auch, wie der jahrelange Feldzug Alexander verändert. Alexander wird immer rücksichtsloser und machtbesessener. Langsam kommen Dareg Zweifel am Sinn des Krieges fern von der Heimat – zumal er sich in die sanfte, stumme Melissa verliebt hat, die ein ganz anderes, friedlicheres Leben verkörpert … Als Alexander sich aufmacht, Indien zu erobern, trifft Dareg seine Wahl. Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Der Kundschafter des Königs“ von Roland Mueller. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

Durch Zufall stehen sich der zwölfjährige Dareg und Alexander der Große eines Tages gegenüber. Seinen Fähigkeiten als Fährtensucher hat der Hirtenjunge es zu verdanken, dass der junge König ihn in sein Gefolge aufnimmt, und Dareg willigt begeistert ein. Von nun an ist das Feldlager sein Zuhause. Immer in Alexanders Nähe, zieht er von Schlacht zu Schlacht, von Sieg zu Sieg, und rettet ihm einmal sogar das Leben. Doch er erfährt auch, wie der jahrelange Feldzug Alexander verändert. Alexander wird immer rücksichtsloser und machtbesessener. Langsam kommen Dareg Zweifel am Sinn des Krieges fern von der Heimat – zumal er sich in die sanfte, stumme Melissa verliebt hat, die ein ganz anderes, friedlicheres Leben verkörpert … Als Alexander sich aufmacht, Indien zu erobern, trifft Dareg seine Wahl.

Über den Autor:

Roland Mueller, geboren 1959 in Würzburg, lebt heute in der Nähe von München. Der studierte Sozialwissenschaftler arbeitete in der Erwachsenenbildung, als Rhetorik- und Bewerbungstrainer und unterrichtet heute an der Hochschule der Bayerischen Polizei. Er veröffentlichte zahlreiche Romane, Kurzgeschichten, Kinder- und Jugendbücher.

Bei dotbooks erschienen bereits Roland Muellers historisches Kinderbuch Die abenteuerliche Reise des Marco Polo und seine historischen Romane Der Goldschmied, Das Schwert des Goldschmieds, Das Erbe des Salzhändlers und Der Fluch des Goldes.

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Neuausgabe Oktober 2014

Copyright © der Originalausgabe 2005 cbj, München

Copyright © der Neuausgabe 2014 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung und Titelbildabbildung: Tanja Winkler, Weichs

ISBN 978-3- 95520-820-2

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Roland Mueller

Der Kundschafter des Königs

Auf den Spuren Alexanders des Großen

Roman

dotbooks.

I. Der Kundschafter des Königs

»Er war von Natur aus wissbegierig und

ein leidenschaftlicher Leser.

Die Ilias sah er als ein Lehrbuch der Kriegskunst an (...).

Er hatte eine von Aristoteles verbesserte Ausgabe bei sich

(...) und diese hatte er immer neben seinem Schwert

unter dem Kopfkissen liegen.«

1. Kapitel

Strahlend blau wölbte sich der Himmel über das weite Land. Der Sommer in diesem Teil Kilikiens neigte sich dem Ende zu. Noch waren die Tage heiß, so wie in den Wochen zuvor.

Vor nicht allzu langer Zeit hatte es hier viele Schaf- und Ziegenherden gegeben. Doch die Hirten waren mit ihren Herden in die höher und abseits gelegenen Weiden gezogen, um dem drohenden Krieg zwischen Griechen und Persern in dieser Gegend zu entkommen. Aber auch nach dem Sieg der Griechen unter ihrem König Alexander am Granikos war das Land weiter einsam und beinahe menschenleer. Die Hirten blieben lieber im unwirtlichen Hochland. Vielleicht würden sie mit den Herden im nächsten Frühjahr wiederkommen.

Jetzt kam über die schroffen Hügel ein Junge gewandert. Er war höchstens zwölf Jahre alt, seine Haut ganz braun gebrannt und er trug schwarzes, halblanges Haar. Das war Dareg, dessen Familie eigentlich von der Küste stammte. Seit dem Tod seiner Eltern lebte er bei seinem Onkel, der als Bauer sein Auskommen hatte und half ihm beim Schafehüten.

Dareg blieb stehen und blickte sich aufmerksam um. Er war wütend. Einen halben Tag lang in der Hitze herumzulaufen, nur um einen Hund zu suchen, war wirklich kein Vergnügen.

»Mikion!«, rief er.

Er wusste nicht, wie oft er den Namen seines Hundes schon gerufen hatte. Doch das Einzige, was er hörte, war der Schrei eines Raubvogels weit über ihm im blauen Himmel. O ja, er war wütend. Was war das überhaupt für ein Hund, der weglief, statt in der Nähe seines Herrn zu bleiben?, musste er denken. Nein, niemals würde das ein guter Hirtenhund werden. Er sollte ihn gegen einen anderen eintauschen, doch dazu musste er ihn erst wiederhaben. Andererseits, er mochte ihn. Mikion war zwar noch jung und sehr verspielt, aber wenn er Schafe hütete, war er aufmerksam. Und als Dareg weiter nachdachte, stellte er fest, dass Mikion immer versucht hatte, es ihm recht zu machen. Und als Dareg dann noch einfiel, wie Mikion die Herde vor nicht allzu langer Zeit vor einem großen Wolf verteidigt hatte, wurde ihm ganz warm ums Herz. Eigentlich war das ein tüchtiger Hund.

»Mikion! Wo steckst du?«

Der Junge lauschte erneut, ob der schwarzbraune Wirbelwind nicht doch hinter einem Busch auftauchte und bellend auf ihn zuschoss. Das tat er sonst immer gerne. Doch nichts geschah. Dareg ging weiter, aber nach ein paar Schritten blieb er wieder stehen und sah sich um. Wie einsam die Gegend hier war. Nicht weit vor ihm begannen hohe, glatte Felswände, steil in die Höhe zu wachsen. Das Gestein leuchtete im Sonnenlicht. Wieder hörte er den Raubvogel über sich am Himmel. Ja, ein Vogel müsste man sein, dachte Dareg und legte den Kopf in den Nacken. Da oben war er. Kaum noch zu sehen. So ein Falke, oder noch besser, ein Adler, wäre er gern. Dann würde er aufsteigen, über die Felsen hinauf bis in höchste Höhen und nach Mikion Ausschau halten. Und wenn er ihn dann sehen würde, hui, auf ihn hinunterstürzen und ihn erschrecken. Aber so sehr, dass er sich das Weglaufen ein für alle Mal abgewöhnen würde. Das müsste aufregend sein, wenn der Schatten des Raubvogels über ihn fuhr. Dareg lachte. Ich würde ihn anschreien. Mikion, unfolgsamer Hund! Aber dann erschrak er. War nicht der mächtige Zeus als Adler unterwegs? Besser keine solchen Gedanken, sagte sich Dareg, das mögen die Götter ganz sicher nicht. Er sah wieder hinauf in den fast wolkenlosen Himmel, aber der Raubvogel war verschwunden.

Während Dareg einen staubigen Weg entlangtrabte, war er fast am Fuß der Felswand angelangt. Hier wuchsen Büsche und sogar Bäume und im Schatten der Felsen war es angenehm kühl. Er griff nach seinem Wasserbeutel aus einem Stück Ziegenhaut. Als er ihn schüttelte, gluckste das restliche Wasser kaum noch. Viel war nicht mehr drin, aber hier wuchsen ringsum Blumen und Kräuter. Also gab es genügend Wasser. Vielleicht konnte er frisches Quellwasser finden? Er kannte die Gegend in seinem Weidegebiet sehr gut, aber so weit wie dieses Mal war er noch nie gekommen. Er blieb stehen und lauschte. Wie still es hier war, bis auf das sanfte Säuseln des Windes. Eigentlich wollte er nicht so weit von der Herde weggehen, auch wenn er wusste, dass sein Vetter Kiros auf sie aufpasste. Aber er brauchte seinen Hund.

In der Gegend gab es Wölfe, und er hatte keine Lust, Schafe oder gar junge Lämmer einzubüßen. Alles nur weil sein Hund nicht da war und ihm half, die Herde zu bewachen. Dareg lauschte erneut. Seine Hoffnung, irgendwo einen Wasserlauf oder eine Quelle zu hören, erfüllte sich nicht. Nirgendwo gluckerte oder plätscherte es kühl und erfrischend. Er setzte sich auf einen Felsblock. Auf dem steinübersäten Boden ließen sich Mikions Spuren kaum entdecken. Bei den Göttern, wo war nur der verwünschte Hund?

Er blickte sich um. Flatterte dort drüben an einem Busch nicht etwas? Er beugte sich ein wenig vor. Jetzt sah er es deutlicher. Jedes Mal wenn ein leichter Windhauch vorüberstrich, bewegte es sich. Dareg lief hin und dabei musste er ein paar Mal großen Steinen ausweichen. Er lief den ganzen Tag lang schon barfuß, denn er wollte seine Sandalen schonen. An dem Busch angelangt, blieb er stehen. Was sich da im leisen Sommerwind bewegte, war ein Büschel Haare, lang und seidig glänzend. Als er sie vorsichtig von einem Ast abnahm, wunderte er sich, wie sehr sie glänzten. Ganz sicher stammten sie von einem Pferd. Er schnupperte daran. Komisch, musste er denken, sie rochen gar nicht nach Pferd, sondern nach Olivenöl. Er blickte sich um und fand vor sich auf der Erde Pfotenabdrücke. Dareg war sich gleich sicher, dass sie von Mikion stammten. Von Spuren verstand er eine Menge, schließlich war er Hirte und kannte sich aus. Aufmerksam betrachtete er den Boden ringsum und dann entdeckte er auch Hufspuren. Fußspuren dagegen nicht. Ein Reiter und lange, gleichmäßige Haare? Die konnten nur vom Helm eines Kriegers stammen. Der war mit seinem Helm am Gesträuch hängen geblieben und das Haarbüschel hatte sich darin verfangen. Aber was für ein Krieger? War es ein Grieche oder ein Perser? Dareg sah sich um. Die Stille war jetzt furchteinflößend. Der enge Hohlweg vor ihm zwischen den Felswänden sah auf einmal bedrohlich aus. Noch einmal nach Mikion zu rufen, traute er sich nicht mehr, schließlich war die Gegend doch nicht so einsam, wie er angenommen hatte. Jetzt war er sicher, jemand hatte seinen Mikion mitgenommen, ja gestohlen. Aber wer konnte nur so gemein sein? Er beschloss, dieser neuen Spur zu folgen und marschierte los.

In dem Hohlweg war es kühl und außer dem Rufen einiger Vögel weit über ihm war nichts zu hören. Als er die Schlucht durchquert hatte, wurde der Weg auf einmal breiter und die Felswände traten immer mehr zurück. Er ging noch eine Weile weiter und blieb dann erstaunt stehen. Die Felsen lagen wie eine Mauer hinter ihm und er blickte auf ein weites, grün bewachsenes Tal. Da wuchsen viele Bäume und ein kleiner Bachlauf schlängelte sich durch den Talgrund. Das Wasser glitzerte zwischen dem Grün hervor und er sah viele Zelte, Pferde und Karren. Dazu jede Menge Schafe und Ziegen, aber auch Ochsen und Esel, die im Schatten angebunden von Jungen in seinem Alter gefüttert wurden. Neugierig schlich er auf dem staubigen Weg hinunter, immer der Spur des Pferdes folgend, die jetzt ganz deutlich zu sehen war. Sie führte direkt in das Lager.

Dort wimmelte es von Menschen. Während er sich umsah, musste er staunen. Es war eine Weile her, dass er so viele Menschen auf einem Fleck gesehen hatte. Aber niemand schien sich an ihm zu stören. Zweimal musste er bewaffneten Reitern ausweichen, die an ihm vorbei in das Lager ritten. Als er an die Reihen der ersten Zelte kam, trat ihm ein Wachsoldat entgegen. Er trug einen Bart nach Sitte der Griechen, und auch sonst stellte Dareg fest, dass er genauso aussah wie die Hopliten{1}, die in seiner Heimat die Straße zur Küste bewachten. Die Rüstung bestand aus einem Lederwams bis zu den Oberschenkeln, darüber der Harnisch aus Bronze, der die Brust schützte. Der Soldat trug Sandalen. Ein Helm mit langen Fransen auf dem Mittelteil lag unter einem Baum auf dem Boden. Auf dem Kopf trug der Soldat nur ein Stirnband. Aber er trug ein Schwert und einen Schild. Allerdings war dieser viel kleiner und leichter als die üblichen schweren Eichenschilde der griechischen Krieger. Der Soldat sah ihn und hob seinen runden Schild.

»He du, was machst du hier?«

»Ich suche jemanden.«

»Ah, und wen?«

»Meinen Hund.«

»Was?«

»Ja, meinen Hund«, entgegnete Dareg höflich, »hast du ihn vielleicht gesehen?«

Der Soldat senkte seinen Schild ein wenig, sah Dareg an und dann lachte er.

»Deinen Hund? Wo käme ich hin, wenn ich jedem Köter nachschauen würde, der hier rumstreunt?«

»Mein Mikion ist kein Köter!«, fauchte Dareg.

Er war wütend. Der Soldat war so unfreundlich und dabei war es sicher, dass Mikion hier irgendwo sein musste.

»Ach, schon gut, verschwinde von hier!«, befahl der Krieger, aber Dareg blieb stehen.

Er fürchtete sich nicht so leicht, auch wenn jemand so eindrucksvoll aussah wie dieser Mann in seiner Rüstung und all seinen Waffen.

»Hast du nicht gehört? Verschwinde!«

»Ich will meinen Hund wiederhaben und ich werde ihn suchen«, sagte Dareg mit fester Stimme.

Jetzt wurde der Soldat wütend.

»Was redest du da, Bürschlein? Hör zu, ich hab keine Lust, mir dein Geschwätz anzuhören. Pass gefälligst besser auf deinen Köter auf. Hier ist er jedenfalls nicht und jetzt verschwinde endlich! Du hast in einem Kriegslager nichts verloren.«

»Ich geh nicht ohne Mikion«, antwortete Dareg hitzig.

Da trat der Wachsoldat auf ihn zu und hob seinen Schild. Dareg ließ seinen Hirtenstab fallen und stemmte sich mit beiden Armen dem Schild entgegen. Der Wachsoldat blieb stehen und drückte, aber Dareg stemmte sich mit aller Kraft dagegen. Der Krieger war stärker und schob ihn weg, immer vor sich her.

»Gemeinheit«, keuchte Dareg, »Versteckst dich hinter deinem Schild! Tritt vor und stell dich wie ein Kerl.«

Der Soldat lachte nur, während sich Zuschauer um die beiden scharten. Dareg hätte vor Zorn heulen können. Der Hoplit schob ihn mit seinem Schild über den staubigen Boden und schien dieses Spiel lustig zu finden. Er lachte und die Zuschauer ringsum lachten ebenfalls.

»Seht euch Xares an, wie er den Feind abwehrt!«

»Hoho, und was für ein Feind! Stärker als ein ganzes Heer!«

»Pass auf, Xares, der Junge wächst noch und dann sieh dich vor!«

Die Männer lachten und johlten vor Vergnügen.

»Was soll dieser Aufruhr hier?«, fragte eine laute Stimme.

Augenblicklich schwiegen alle. Respektvoll traten die Zuschauer zurück. Es entstand eine Gasse. Durch diese ritt ein Reiter, gefolgt von zwei weiteren Männern zu Pferd. Er, noch jung und schlank, hatte ein gut geschnittenes Gesicht. Er trug das dunkelblonde Haar nach griechischer Sitte kurz, genauso wie seinen Bart, der ihm an beiden Wangen bis unters Kinn reichte. Er war ohne Helm, dafür trug er eine kostbare, fein gearbeitete Rüstung, ein kurzes Schwert und seine braun gebrannten Arme sahen unter einem kurzen Untergewand hervor. An den Füßen trug er geschnürte Reitersandalen, die erst knapp unter den Knien endeten. Alle schwiegen und starrten den Mann an, als wäre er ein Geist. Auch Dareg blieb stehen, beide Hände noch immer am Schild des Soldaten.

»Was geht hier vor, will ich wissen?«, fragte der Reiter erneut.

Der Soldat mit dem Namen Xares ließ den Schild sinken.

»Nur ein Spaß, Herr. Mit dem Bengel hier.«

Der Reiter blickte Dareg an und der sah in zwei graue Augen.

»Wie heißt du?«, wollte der Reiter wissen.

»Dareg, Herr«, antwortete er.

»Und was machst du hier?«

»Ich suche meinen Hund. Seine Spur führt hierher und ...«

»Spur?«

Der Mann beugte sich ein wenig vor und sah sich dann um. »Die Gegend hier ist steinig. Wie kannst du da einer Spur folgen?«

»Ich bin Hirte, Herr, und kann Spuren lesen. Seit dem frühen Morgen bin ich meinem Hund gefolgt. Bis hierher«, antwortete Dareg, ein wenig stolz.

Er zeigte auf den Krieger vor sich, der noch immer mit halb erhobenem Schild dastand. Da lachten die umstehenden Männer. Auch die beiden Begleiter des vornehmen Reiters lachten. Nur der Vornehme lachte nicht, sondern blickte in die Runde. Da hörte das Gelächter auf.

»So, seit heute Morgen. Dann bleib hier und such deinen Hund.«

»Ja, Herr.«

Der Reiter trieb sein Pferd durch die wartenden Männer und seine beiden Begleiter folgten ihm. Leise redend zerstreuten sich die Soldaten und Knechte und kehrten zu ihrer Arbeit zurück. Der Soldat ließ seinen Schild sinken.

»Wer war das?«, wollte Dareg wissen.

»Das?«, fragte der Soldat erstaunt. »Das war Alexander von Makedonien, unser König und Anführer.«

Dareg vergaß, den Mund zu schließen, und der Soldat ließ ihn stehen.

2. Kapitel

Dareg hatte von Alexander gehört. Natürlich, wer hätte das in diesen Zeiten nicht? Der junge König der Griechen, der die Perser schon einmal geschlagen hatte und sie seitdem verfolgte.

Aber er konnte darüber nicht weiter nachdenken, sondern suchte Mikion im ganzen Lager. Er fragte Soldaten und Knechte, Sklaven und sogar die jungen Hirten, aber vergeblich. Keiner schien etwas zu wissen. Endlich, als er schon nicht mehr glaubte, seinen Hund noch einmal zu sehen, entdeckte er ihn. Jemand hatte ihn an einem Pflock neben einem Zelt angebunden.

»Mikion!«

Als ihn der Hund erkannte, sprang er auf und bellte, zerrte an seiner Leine und versuchte, sich loszumachen. Dareg lief zu ihm und kniete neben ihm nieder.

»Mein Guter, hab ich dich wieder. Warum bist du auch weggelaufen?«

Er umschlang ihn mit beiden Armen und drückte ihn an sich. Mikion bellte wie verrückt, schleckte ihm die Hände und sprang an ihm hoch. Da trat ein Mann aus dem Zelt. Auch er trug das Haar und den Bart nach Sitte der Griechen, aber er war älter als die meisten Männer ringsum. Auf Dareg wirkte er wie ein vornehmer Mann. Bekleidet war er wie alle Krieger mit einem Lederwams, doch er trug keinen Brustpanzer. Aber er war Soldat, denn er trug ein Schwert an seinem Gürtel.

»Wer bist du?«, fragte er nicht unfreundlich.

»Ich heiße Dareg und das ist mein Hund.«

»Dein Hund?«, fragte der Mann, »Ich hab ihn auf der anderen Seite der Schlucht gefunden. Er war in einen Dorn getreten und konnte nicht mehr weiter.«

»Er lag unter einem Busch, nicht wahr?«, fragte Dareg und drückte Mikion dabei an sich.

»Ja, ganz richtig«, antwortete der Mann.

»Du warst zu Pferd und bist nicht abgestiegen, sondern hast dich heruntergebeugt und ihn in den Sattel gehoben.«

»Stimmt genau«, entgegnete der Mann erstaunt.

»Und du hast einen Helm aufgehabt. Mit einem Kopfschmuck aus langen schwarzen Pferdehaaren, die du mit etwas Olivenöl einreibst, damit sie immer schön glänzen.«

»Beim Hades, woher weißt du das alles, Junge?«

»Du hast gedacht, keine Spuren zu hinterlassen, aber trotzdem.«

Dareg strahlte den Mann an. Der verschränkte seine braunen Arme und blickte Dareg aufmerksam an.

»Muss schon sagen, nicht schlecht. Nein, gar nicht schlecht. Es ist genau so gewesen, wie du gesagt hast, und wenn du behauptest, das ist dein Hund, dann will ich dir das auch glauben. Nimm ihn mit, er gehört wieder dir.«

Dareg strahlte. Der Mann war ihm sympathisch.

»Danke, edler Herr.«

»Ich heiße Mikail und bin der Hauptmann von Alexanders Leibgarde.«

Er bückte sich und löste die Leine. Mikion sprang bellend an Dareg hoch und war so voller Freude, dass er ihn beinahe umgeworfen hätte. Der vornehme Krieger musste lachen.

»Zwei Freunde haben sich wieder.«

Allmählich beruhigte sich Mikion wieder und zum Schluss blieb er still neben Dareg sitzen.

»Hör zu, Junge«, begann der Hauptmann auf einmal, »ich will zu Alexander. Willst du mich auf dem Weg zu seinem Zelt begleiten?«

Dareg nickte und Mikion neben sich gingen er und Mikail den breiten Weg durch das Lager. Sie kamen an ein großes und prächtiges Zelt im Schatten besonders hoher Bäume. Sie traten ein und sofort kam ihnen ein Diener entgegen. Höflich grüßte er den Älteren.

»Sei gegrüßt, Mikail.«

»Sei auch du gegrüßt, Ilias. Alexander erwartet mich.«

Der Diener nickte und führte sie an einem Vorhang vorbei in den hinteren großen, prächtig ausgestatteten Teil des Zeltes. Erstaunt sah sich Dareg um. Da lagen dicke Teppiche auf dem Boden und eine fein geschnitzte Bank, mit dunkler Seide bespannt, stand als Bett und Sessel zugleich neben einer großen Räucherschale, aus der duftender Rauch aufstieg. An einem Holzgestell hing eine prächtige Rüstung, ein silberner Helm mit langen weißen Federn darauf, ein reich verziertes Schwert und eine Reihe besonders sorgfältig gearbeiteter Wurflanzen. Dazu ein großer Bogen mit einem Köcher voller Pfeile.

»Die Götter schützen dich, Mikail!«

Hinter einem weiteren Vorhang erschien Alexander, der dort wohl ein wenig geruht hatte. Herzlich begrüßte der Jüngere den älteren Soldaten und blickte dann auf Dareg.

»Ah, der Spurenleser. Und, hast du deinen Hund gefunden?«

»Ja, Herr.«

»Sehr gut.«

»Alexander«, begann Mikail, »höre dir an, wie dieser Junge die Spur seines Hundes gefunden hat.«

Alexander blickte ein wenig erstaunt. Warum sollte er sich anhören, was ein einfacher Hirte berichten wollte. Doch etwas in Mikails Blick machte ihn neugierig.

»Nimm da Platz und erzähle.«

Mikail und zwei weitere Männer, wohl ebenfalls Offiziere, nahmen auf bereitgestellten Schemeln Platz. Alexander ließ sich auf dem Diwan nieder und griff nach einem goldenen Becher. Ilias goss ein und trat dann zu den übrigen Männern, um auch deren Becher zu füllen. Dareg blickte sich vorsichtig um. Der Mittag war vorbei, und es würde lange dauern, bis er wieder zu seiner Herde zurückkam. Zumindest würde es bis dahin längst dunkel sein.

»Dareg, erzähle noch einmal, wie du Mikions Spur gefolgt bist«, forderte ihn Mikail auf.

Noch einmal berichtete Dareg, wie er seinen Hund wiedergefunden hatte. Als er mit seinem Bericht zu Ende war, schwiegen alle und blickten auf Alexander.

»Welche Spuren kannst du lesen?«, wollte der wissen.

»Nun, alle Herr.«

Die Männer lachten und Alexander nippte an seinem Becher.

»An Stolz mangelt es dir nicht, junger Freund. Was macht dich so sicher?«

»Ich bin der Hirte unseres Dorfes. Zusammen mit meinem Vetter. Wir treiben unsere Herden durch das Land, damit sie genug fressen können. Aber oft verlaufen sich die Tiere und dann müssen wir sie suchen.«

»Und du findest sie wieder?«, fragte Alexander, und Dareg nickte.

»Alles, was ist, hinterlässt eine Spur, hat mir der weise Polemos, unser Nachbar, gesagt. Nur die Götter können sich fortbewegen, ohne eine Spur zu hinterlassen.«

»Ja, nur die Götter. Und die Menschen? Wie ist es mit Menschen? Kannst du ihre Spuren auch lesen?«, wollte Alexander wissen.

Alle Männer blickten ihn an und er fühlte sich ein wenig unbehaglich. Besonders Alexanders graue Augen ruhten auf ihm, und Dareg wusste nun genau, dass er nicht flunkern durfte, denn das würde der junge Heerführer sicher merken.

»Ja«, hauchte Dareg, »von Menschen kann ich auch Spuren lesen.«

Er war durstig und hätte gerne was zu Trinken gehabt. Ilias, der bereits den übrigen Männern Wein eingegossen hatte, schien dies gemerkt zu haben. Freundlich reichte er ihm einen Becher und Dareg nahm einen großen Schluck. Es war kühles Quellwasser und schmeckte herrlich.

»Ich denke, wir sollten uns von deinem Können überzeugen«, meinte Alexander und stand auf.

Auch die übrigen Männer erhoben sich.

»Lasst uns ausreiten!«, befahl Alexander.

Dareg trank hastig aus und folgte den Männern. Wenig später saßen sie im Sattel und ritten los. Dareg saß hinter Mikail und langsam trabten sie durch das große Heerlager. Immer da wo Alexander vorbeiritt, senkten die Krieger respektvoll die Köpfe und grüßten ihn. Die Reiter folgten der Lagerstraße, ließen die letzten Zelte hinter sich und ritten dann einen schmalen Weg durch lichten Buschwald entlang. Dann hielten sie vor der steilen Felswand, die das Tal fast wie eine hohe Mauer ringsum abschirmte. Alexander wandte sich zu den übrigen Reitern, sagte aber nichts, sondern nickte Mikail zu. Der wandte sich an Dareg und sagte:

»Jetzt zeig, was du kannst, Junge.«

Dareg verstand und rutschte aus dem Sattel. Alexander lenkte sein Pferd zu ihm. »Hör zu: Ich will wissen, ob uns der Feind entdeckt hat, denn nur so weiß ich, ob das Lager bereits ausgekundschaftet wird.«

Dareg nickte und blickte sich um. Die Gegend war steinig und einsam. Sie waren vom Lager so weit entfernt, dass sie es nicht mehr sehen, dafür aber die Rufe der Soldaten, das Klirren der Waffen und Geräte und die Laute der Menschen und Tiere gerade noch hören konnten.

»Ein Späher wird sicher von den Felsen herunter alles beobachten. Aber von dort kann er nicht viel sehen, das Lager liegt zu weit weg zwischen den Bäumen«, bemerkte Alexander, ohne seinen Blick von Dareg zu wenden.

Die übrigen Männer schwiegen.

Die Pferde begannen, auf dem trockenen Boden nach Gras zu suchen. Dabei wedelten sie mit dem Schweif, um die lästigen Fliegen zu verscheuchen. Alexander sprach weiter. »Also müsste ein feindlicher Späher von dort oben herabsteigen und sich an das Lager heranschleichen, nicht wahr?«

»Ja, Herr«, entgegnete Dareg und nickte dabei zum Zeichen, dass er verstanden hatte.

Der junge König sah ihn noch immer eindringlich an.

»Aber unsere Späher haben nichts gefunden«, fuhr Alexander fort. »Also, entweder hat der Feind jegliche Spur sorgfältig verwischt oder es war noch niemand hier. Was meinst du?«

»Herr, wenn jemand hier war«, antwortete Dareg, »dann hat er eine Spur hinterlassen und sei sie noch so winzig.«

»Wenn es so ist, wie du sagst, müsstest du sie doch finden, nicht wahr?«

»Ja, Herr«, antwortete Dareg überzeugt.

»Gut, wir werden hier warten und du machst dich auf die Suche.«

Dareg stand nur da, während die Männer von den Pferden stiegen. Sie zogen sich in den Schatten der Felswand zurück. Mikail hatte einen Bogen samt Pfeilen dabei. Damit postierte er sich als Wache, während die Übrigen es sich auf den Felsblöcken bequem machten. Alexander aß Weintrauben. Alle blickten auf Dareg, der noch ein wenig unschlüssig dastand. Aber er wusste, was er zu tun hatte. Er war sich sicher, eine Spur zu finden. Wenn es denn eine gab.

Er sah sich um. Wo sollte er mit seiner Suche beginnen? Links und rechts neben dem Weg zog sich dichtes Gestrüpp hin, nur ab und zu wuchs ein Baum. Das Gestrüpp war dornig und undurchdringlich. Ein feindlicher Späher würde da nicht hineinlaufen. Also blieb Dareg auf dem schmalen Weg und begann, ihn rasch entlangzugehen, seinen Blick ständig auf den Boden gerichtet. Es war ihm, als suche er eines seiner jungen Schafe. Neben dem Weg teilte sich das Gebüsch ein wenig und ein weiterer schmaler Pfad führte zu einem dicht belaubten Baum. Dareg folgte dem Weg und erst vor dem Baum blieb er stehen. Ein guter Platz, um sich zu verstecken. Der Boden war mit Sand und feiner Erde bedeckt. Er ging in die Hocke und blickte sich langsam und sorgfältig um. Jeden Stein, jeden Zweig, jedes Grasbüschel betrachtete er ganz aufmerksam. Da, tatsächlich! Er konnte etwas erkennen. Sein Herz klopfte, und er kniete sich vorsichtig auf den Boden, um die Spur genau zu untersuchen. Dann rief er halblaut nach Mikail. Wenig später kamen alle vier Männer zu ihm. Mikail führte die Pferde, während Alexander mit seinen beiden Begleitern näher trat. Der Hauptmann der Leibgarde band die Tiere neben dem Weg an einen großen Dornbusch und kam ebenfalls näher. Dareg kauerte unter dem Baum und deutete mit der Hand auf einen Abdruck neben einem Steinblock.

»Dort, ihr Herren, hat ein Mann gesessen. Ein Fuß war nackt, die Ferse ist noch zu erkennen. Am anderen Fuß hatte er noch seine Sandale an. Vielleicht hat er sich einen Dorn eingetreten oder sich beim Laufen die Zehen an einem Stein angeschlagen. Das passiert mir auch manchmal. Ich hab zwar Sandalen, aber ich lauf nicht gern damit.«

Er sah auf seine eigenen staubigen, nackten Füße und die Männer grinsten.

»Sprich weiter!«, befahl Alexander.

»Der Mann hat sich unter diesen Baum gesetzt und seinen Fuß untersucht. Darum dieser Fersenabdruck ganz nahe an dem Stein da. Obwohl der Boden sandig ist, ist das die einzige Spur hier. Er hat wohl all seine anderen Spuren verwischt, aber diese hier übersehen.«

Dareg deutete wieder auf die Vertiefung im Boden.

»Seine Ferse ist im Sand noch gut zu sehen, obwohl hier immer ein wenig Wind durchstreicht und den Sand wieder verweht. Das bedeutet ...«

»Dass es noch nicht lange her ist, seit der Mann da war«, beendete Alexander den Satz, und Dareg nickte zustimmend.

»Trotzdem kann es einer unserer Leute gewesen sein«, meinte Mikail, mit einem Seitenblick auf Alexander, »ein Hirte oder Knecht.«

»Herr«, begann Dareg, den Blick auf den Mann gerichtet, »kein Hirte treibt seine Herde in dichtes Gestrüpp, wenn es überall gutes Gras gibt. Außerdem ist neben dem Stein auf der Erde ein kleines Loch.«

Dareg deutete mit dem Finger darauf. »Es ist möglich, dass der Mann ein Schwert trug und sich die Spitze in den Boden gebohrt hat, während er hier saß und seinen Fuß untersuchte. Aber nur Krieger tragen ein Schwert.«

»Es könnte ja auch einer von unseren Kriegern gewesen sein«, warf Mikail ein.

»Aber warum sollte der seine Spuren in der Nähe des eigenen Lagers verwischen?«

Jetzt schwiegen alle und sahen auf Alexander, der nun leise lächelte.

»Ich muss schon sagen, Dareg, du hast ein scharfes Auge und einen genauso scharfen Verstand. Ich möchte dir einen Vorschlag machen. Aber dafür lasst uns erst zurückreiten.«

Dareg stieg wieder hinter Mikail auf das Pferd und gemeinsam ritten sie zurück. Vor Alexanders Zelt sollte Dareg warten. Ein Sklave brachte ihm etwas zum Essen und Dareg verschlang hungrig das große Fladenbrot, einige Oliven und zwei ganze Zwiebeln. Er spülte alles mit Wasser nach, in das Essig gegeben worden war, damit es etwas Geschmack bekam. Obwohl Dareg das Wasser lieber so trank, wie er es gewohnt war, nämlich pur.

Er bemerkte, wie weitere Offiziere inzwischen das Zelt des Königs betraten. Es waren die Offiziere der Bogenschützen und der Reiterei und natürlich die Anführer der Phalangiten. Sie alle befehligten die zahlreichen makedonischen und griechischen Krieger, die Alexander um sich geschart hatte. Viele von ihnen waren keine Bauern, sondern ehemalige Sklaven, die darauf hofften, wenn sie nur tapfer genug waren, freie Männer werden zu können. Dareg hatte in seinem kleinen Heimatdorf davon gehört: Alexander versprach, jeder Kämpfer könne das Bürgerrecht erlangen, also athenischer Bürger werden. Das war ein großer Anreiz und von überall her kamen Freiwillige und meldeten sich zu Alexanders Heer. Mikail trat aus dem Zelt und winkte Dareg zu sich.

»Alexander will dich sprechen.«

Er sagte nicht König, obwohl Dareg inzwischen wusste, dass der Sohn des einstigen Königs Philipp von Makedonien nun der neue König aller Griechen war. An der Seite von Mikail trat Dareg in das prächtige Zelt und blieb vor dem jungen Herrscher stehen. Er beugte den Kopf zum Gruß. Alexander trat auf ihn zu und ergriff ihn an beiden Schultern.

»Du hast scharfe Augen und einen guten Verstand. Ich bin sicher, Zeus selbst hat dich zu uns geschickt. Möchtest du Kundschafter werden?«

Das war eine Überraschung! Dareg blickte Alexander nur mit großen Augen an, sodass der lachen musste.

»Jetzt schaust du wie eine Kuh, der man die Milch gestohlen hat.«

Die übrigen Offiziere im Zelt lachten ebenfalls.

»Was ist Junge, wie entscheidest du dich?«, wollte Alexander wissen.

Dareg fühlte sich unbehaglich. Was sollte er sagen? Das kam alles sehr schnell. Er war doch nur ein Hirtenjunge. Die meisten Männer seines Dorfes waren Bauern, aber zugleich nach alter Sitte auch Krieger. Aber sie waren es nicht mehr gerne, denn sie hatten in den vielen Kriegen der letzten zwanzig Jahre nicht für ihr eigenes Land gekämpft, sondern für Philipp und jetzt für seinen Sohn Alexander. Und er, Dareg, der Hirte aus dem Hochland, war gerade erst zwölf Jahre alt. Aber wie dem auch sei, das Leben hier im Heerlager war aufregend, und es schien so, als führte ihn dieser neue Feldzug gegen die Perser in Gegenden, die er nie zuvor gesehen hatte. Er hatte weder Vater noch Mutter noch Geschwister. Nur sein Onkel würde ihn vermissen. Auf die Herde konnte auch sein Vetter Kiros aufpassen.

»Ich ... ja, Herr«, stammelte Dareg.

»Was ja?«, fragte Alexander belustigt.

»Ich möchte dir dienen, aber ...«

Er zögerte ein wenig.

»Ich möchte lieber Krieger in deinem Heer werden.«

»Du musst wenigstes achtzehn Sommer alt sein und das bist du nicht«, antwortete Alexander, »jetzt bist du noch zu jung. Aber du wirst trotzdem ein Krieger werden, allerdings von einer anderen Art, als die Griechen sie bisher kannten. Du wirst Kundschafter und spähst aus, wie stark der Feind ist, was er tut und wohin er sich bewegt. Alles, was du beobachten kannst, meldest du mir und meinen Hauptleuten, verstanden?«

»Ja, Herr.«

»Kannst du lesen und schreiben? Verstehst du etwas von Zahlen?«

»Nein, Herr«, antwortete Dareg ein wenig kleinlaut.

Er dachte daran, dass sein Onkel kein Geld hatte, um ihn zu einem guten Lehrer zu schicken.

»Du wirst alles lernen«, bestimmte Alexander, »als Lehrer bestimme ich Mikail. Er wird dir alles beibringen. Aber du musst schnell lernen.«

»Ja, Herr«, antwortete Dareg.

Da lächelte Alexander das erste Mal.

»Wenn du tüchtig bist, wirst du eines Tages ein Kundschafter in meinem Heer. Kundschafter des Königs.«

Dieses Mal musste Dareg schlucken, und dann nickte er nur, nicht fähig, darauf zu antworten.

3. Kapitel

Lea«, sagte Mikail, »hier hast du noch einen, den du füttern musst.«

Die Frau sah auf und Mikail schob Dareg vor sie hin.

»Einen Augenblick, wie stellst du dir das vor? Ich hab doch kein Gasthaus, in das jeder kommen kann, wie er will. Du weißt genau, ich habe mit Melissa schon genug zu tun. Und jetzt noch ein Esser mehr ...«

»Der König will es so«, antwortete der Soldat, wandte sich um und verließ das Zelt.

»Jaja, der König will es so«, maulte sie leise für sich.

Dareg betrachtete sie. Er fand sie gar nicht so alt, wie Mikail gesagt hatte. Sie trug ein dunkles Gewand, das nicht mehr sonderlich neu, aber sauber war. Ihr Haar war dünn und dunkelbraun. Als ihr der Schleier auf dem Kopf verrutschte, erkannte Dareg, dass sie es ziemlich kurz trug. Wie ungewöhnlich für eine Frau, fand er. Zumindest für die Frauen aus seinem Heimatdorf, die er bisher kannte. Noch immer hatte sie nichts zu ihm gesagt. Dareg stand da, neben dem Eingang des Zeltes, und kam sich ein wenig komisch vor. Lea betrachtete ihn.

»Wie heißt du?«, wollte sie wissen.

Die Frage war nicht unfreundlich. Er antwortete ihr und nannte seinen Namen.

»Hast du Hunger?«, wollte sie wissen und Dareg fand, dass es nicht schaden könnte, noch einmal etwas zu essen.

»Ja«, antwortete er.

Sie wandte sich um und rief in den hinteren, dunkleren Teil der Behausung:

»Melissa!«

Nichts geschah und sie rief den Namen noch einmal.

»Melissa!«

Sie erhob sich.

»Wo, bei allen Göttern, ist dieses Mädchen wieder?«, brummelte sie und schlurfte in den hinteren Teil des Zeltes.

Dareg hörte sie dort reden. Er beugte sich ein wenig vor und lauschte. Dann reckte er den Kopf, um etwas sehen zu können, aber er sah nur Lea, die mit dem Rücken zu ihm stand. Dann wandte sie sich um, trat vor ihn hin, eine Tonschale in der Hand. Darin befanden sich ein Stück Käse und ein Kanten Brot. Dies stellte sie vor ihm auf den Boden.

»Da, setz dich und iss! Mehr hab ich nicht, muss erst wieder Wolle spinnen und dann eintauschen.«

Er nickte gehorsam, nahm auf dem Boden Platz und begann zu essen. Lea blieb weiter vor ihm stehen und sah ihm dabei zu.

»Hast ja einen gesunden Appetit«, stellte sie fest, und ihre Stimme klang zufrieden.

Dareg kaute mit vollen Backen.

»Du bist also Kundschafter?«, wollte sie wissen.

Er schluckte den letzten Bissen Brot hinunter und entgegnete: »Noch nicht, aber ich kann einer werden.«

Lea nickte nur, und Dareg glaubte, so etwas wie ein leises Lächeln in ihrem Gesicht zu erkennen. Vielleicht war sie doch nicht so streng, wie sie tat? Er schob sich das letzte Eckchen Käse in den Mund. Es stimmte schon, er aß nun schon das zweite Mal an diesem Tag. Aber kein Wunder, bei den Erlebnissen bekam er dauernd Hunger.

»Du hast wirklich großen Appetit«, stellte sie erneut fest, »wenn du immer so viel isst, dann kommen schwere Zeiten auf mich zu. Wie soll ich dich satt kriegen?«

»Mach dir keine Sorgen, ich werde ja ...«

»Jaja, Kundschafter«, unterbrach ihn Lea.

Sie sagte das aber in einem Ton, dass Dareg die Vorstellung immer besser gefiel.

»Als Kundschafter unterstehst du dem jungen Nestor. Er ist der Anführer aller Späher. Dass Mikail selbst deine Ausbildung übernehmen wird, ist eine große Ehre. Du kannst bleiben.«

Dareg lächelte zufrieden, aber sie schwieg und zog sich dabei ihren Schleier fester.

»Melissa«, sagte sie auf einmal, »die hab ich ganz vergessen.«

»Wer ist Melissa?«, wollte Dareg wissen.

»Ein Mädchen, das den Mund nicht aufkriegt.«

»Ist sie deine Tochter?«, wollte Dareg wissen, und Lea lachte plötzlich auf.

»Meine Tochter? Beim Zeus, du hast vielleicht Einfälle. Das stumme Ding. Ein Fisch ist geschwätziger als sie.«

Lea trat an den Eingang des Zeltes und sah hinaus. Dann wandte sie sich wieder zu ihm.

»Sag, musst du gar nicht nach Hause, zu deinen Leuten?«

»Nein. Erst im Herbst ziehen mein Vetter und ich mit der Herde ins Hochland zurück. Ich habe keine Eltern mehr, lebe bei meinem Onkel. Mein Vetter, er heißt Kiros, hütet die Herde und weiß, dass ich manchmal eine Weile fort bin, um verloren gegangene Tiere zu suchen. Aber es wäre gut, wenn ich ihm sagen könnte, dass ich nicht so bald wieder zurückkehre.«

»Wenn du hier bleibst, wirst du lange nicht mehr heimkehren.«

Dareg blickte sie an. Was sie gesagt hatte, verwirrte ihn. Er wusste nur, dass er jemanden finden musste, der in sein Heimatdorf kam. Dem würde er eine Nachricht an seinen Onkel mitgeben.

Lea blickte ihn an, dann richtete sie ihren Blick an Dareg vorbei nach draußen.

»Melissa!«, rief sie plötzlich.

Sie zeigte mit dem Finger hinaus.

»Da ist sie ja. Hockt da und pflückt wieder ihre Blumen.«

Dareg blickte in die angegebene Richtung. Er konnte niemanden entdecken, doch das war nicht weiter verwunderlich. Ständig liefen Gruppen bepackter Krieger an dem Zelt vorbei und dazwischen immer wieder Ochsen und Esel, manchmal auch Reiter, und sie alle nahmen ihm die Sicht auf den Bachlauf auf der anderen Seite des Lagerplatzes.

»Wie sieht sie denn aus?«

Lea lachte laut.

»Du wirst sie schon erkennen, Junge, glaub mir.«

»Dareg«, entgegnete er freundlich, »ich heiße Dareg. Und wenn du willst, gehe ich und hole sie.«

Lea seufzte tief und dann nickte sie nur.

»Gut«, sagte sie, »tu das, Dareg, tu das.«

Er verließ das Zelt und sogleich war Mikion neben ihm. Seit er ihn wiedergefunden hatte, schien sein Hund wie ausgewechselt zu sein. Mikion wich ihm keinen Schritt mehr von der Seite, ließ sich brav nieder, selbst wenn er es ihm gar nicht befohlen hatte, und wartete geduldig, was passieren würde. Jetzt war Dareg doch froh, dass er ihn nicht eingetauscht hatte. Er bahnte sich einen Weg durch die Menge der Krieger. Noch nie hatte er so viele Hopliten auf einem Fleck gesehen wie hier. Sie waren alle bewaffnet und schienen zugleich von großer Ungeduld zu sein. Dareg wusste nur, dass Alexander immer noch Männer für seinen Feldzug gegen den Großkönig der Perser, Dareios, sammelte. Er musste an die Geschichten denken, die man bei ihm zu Hause darüber erzählte. Zum Beispiel, als Dareios erfuhr, dass Alexander gegen ihn zog. Der Perserkönig soll laut gelacht haben. »Was will er mit seinen Söldnern? Ich werde ihn in seine makedonischen Berge zurückjagen, wo er hingehört. Da kann er Schafe und Wölfe als Untertanen regieren.« Genau das soll er gesagt haben. Aber Alexanders Heer wurde mit jedem Tag größer. Und allmählich begann sich König Dareios Sorgen zu machen.

Dareg war durch die Kolonnen der Reiter und marschierenden Krieger hindurchgeschlüpft. Vor ihm zog sich das Bachufer entlang und da wuchsen Sträucher und Büsche. Sogar Bäume gab es hier. Auf der Erde grünte es und es war nicht so staubig wie sonst im Lager. Vor ihm wuchs ein großer Baum. Darunter saß ein Mädchen. Dareg schätzte ihr Alter auf höchstens zwölf Jahre. Sie war sehr zart und ihre Haut war kaum gebräunt. Sie trug ein langes Kleid und saß auf einem großen Wolltuch, das zugleich Umhang und Decke für die Nacht war. Ihre Füße baumelten im Wasser und in einer Hand hielt sie einen kleinen Strauß gelber Blumen. Mikion war erst stehen geblieben, dann schlich er an Dareg vorbei, auf das Mädchen zu. Sie sah auf, und als sie den Hund vor sich sah, erschrak sie. Die großen dunklen Augen weit aufgerissen, starrte sie Mikion an, ohne sich dabei zu rühren. Dareg wollte ihr sagen, dass sie keine Angst zu haben brauchte, denn Mikion war friedlich. Aber der blieb vor dem Mädchen stehen, wedelte mit dem Schwanz und bellte kurz. Dann stupste er sie sanft mit der Schnauze am Knie an und legte seinen Kopf schief. Mikion konnte dabei so treuherzig schauen, dass man ihn einfach streicheln musste. Genau das tat das Mädchen jetzt und Mikion ließ sich dies nur zu gerne gefallen. Ganz ruhig ließ er sich neben ihr nieder und genoss es, gestreichelt zu werden. Dareg musste lachen. Mikion schaffte es immer wieder, jemanden zu finden, der auf seinen treuen Blick hereinfiel.

»Du hast Glück«, sagte Dareg und trat näher, »wenn er sich streicheln lässt, heißt das, dass er dich mag.«

Und so, als müsse er seinen vierbeinigen Freund erst vorstellen, nannte er dem Mädchen ihre Namen.

»Das ist Mikion und ich heiße Dareg. Und wer bist du?«

Das Mädchen blickte ihn an. Sie hatte dunkelbraunes Haar, das sie zu einem Schopf gebunden trug. Es reichte ihr bis zu den Hüften. Und Dareg stellte für sich fest: Sie war sehr hübsch.

»Sag schon, wie heißt du?«

Sie blickte ihn nur an. Dann umschlang sie mit einem Arm Mikion und der kuschelte sich gleich noch näher an seine neue Freundin.

»Dann musst du Melissa sein«, entgegnete Dareg, und als er ihren Namen aussprach, glaubte er, ein Aufblitzen in ihren Augen zu entdecken.

Sie hieß tatsächlich Melissa und sie sprach kein Wort. Von diesem Tag an wohnte Dareg bei Lea und dem stummen Mädchen. In einem Eck ihres Zeltes gab es einen Platz für ihn und Mikion.

Lea war einmal eine Seherin gewesen. Die Griechen befragten solche Frauen, wenn sie in die Zukunft blicken wollten. Gegen eine Opfergabe, ein Huhn oder einen Korb mit Obst, kostbares Öl oder eine Amphore voll Wein, erhielten die Menschen Antwort. Sie selbst erzählte ihm später, wie sie die »Gabe« besessen hatte. Aber auf einmal war ihre Fähigkeit versiegt. Wahrscheinlich sind die Götter nicht zufrieden mit mir gewesen, meinte sie, und das war wohl der Grund, warum sie nichts mehr in der Zukunft sehen konnte. Seitdem hatte sie begonnen, Wolle zu spinnen und das Garn gegen Obst und Gemüse, manchmal etwas Fleisch und Käse einzutauschen. Die Griechen duldeten sie in ihrer Truppe, vielleicht hofften sie insgeheim, dass sie noch einmal in die Zukunft sehen konnte. Aber sie selbst glaubte nicht mehr daran, erst recht nicht, seit ihr Mann und ihr einziger Sohn im Krieg gegen die Thraker gefallen waren. Nun waren sie Helden und jeder Krieger ehrte ihr Andenken. Aber ihr wäre es lieber gewesen, beide wären keine Helden und dafür noch bei ihr. Das sagte sie natürlich nicht laut. Es war eine große Ehre, im Kampf zu fallen, und darüber betrübt zu sein, gehörte sich nicht.

Lea war zwar manchmal ein wenig mürrisch und kurz angebunden, aber sie achtete darauf, dass Dareg genug zu essen bekam und sich wusch. Wenn er sich verletzt hatte, versorgte sie seine Wunden, und dann heilten sie seiner Meinung nach schneller als je zuvor.

Seit sich Mikail um seine Ausbildung kümmerte, kam er oft als Gast in Leas Zelt. Er brachte immer etwas mit, eine Schale Wein, Trauben oder sogar einen ganzen Sack Gerste. Lea kochte dann und das konnte sie gut. Aber Dareg hatte auch bald bemerkt, wie sich Lea verändert hatte. Ihre Kleidung war jetzt immer sauber, ihr Haar sorgfältig gekämmt und das Zelt gekehrt und mit ein paar Fellen und Kissen wohnlich hergerichtet. Und es schien so, als wäre das stumme Mädchen Melissa doch etwas wie eine Tochter für sie. Lea war zwar manchmal ein wenig streng mit ihr, aber zugleich auch stolz. Doch, Dareg mochte Lea gut leiden und Melissa mochte er ganz besonders.

4. Kapitel

Mehr als ein Monat war vergangen, seit Dareg in das Heerlager der Griechen gekommen war. Er fand bald einen Händler, der durch sein Heimatdorf kommen würde. Der Mann versprach ihm, seinem Onkel und Kiros eine Nachricht zu überbringen. Dass er nun im Lager der Griechen sei und für sie kundschaften wolle.

Alexander befahl, das Heerlager noch nicht abzubrechen, um weiterzuziehen. Er wollte noch abwarten, was ihm seine Kundschafter mitteilten. Ob die Perser wirklich über die große Ebene am Rand der Berge kamen. So hatte Mikail genug Zeit, Dareg zu unterrichten. Jeden Tag, gleich nach dem Frühstück aus Hirsebrei und frischem Wasser, holte er ihn ab, kaum dass die Sonne über dem Tal aufgegangen war.

Dareg hatte noch nie eine Schule besucht. Das Lesen der Spuren hatten ihm die älteren Hirten beigebracht. Das hatte ihm viel Spaß gemacht und er war schnell ein sehr guter Spurenleser geworden. Diese Kunst hatte ihm bereits zu Hause Achtung und Anerkennung eingebracht. Doch immer schon war er gewohnt, alles in seiner Umgebung genau zu beobachten. Und wenn die anderen Hirten nicht mehr weiterwussten, holten sie ihn. Jedes Mal hatte er eine Spur und damit auch die verlorenen Schafe und Ziegen wiedergefunden.