Der Löwenjäger. - Jules Gérard - E-Book

Der Löwenjäger. E-Book

Jules Gérard

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Beschreibung

= Digitale Neufassung für eBook-Reader = Nach dem Französischen von Dr. August Diezmann. Diezmann: "Der Verfasser der nachstehenden Jagdabenteuer in Algier, der dort und in Frankreich allgemein unter dem Namen der Löwentöter bekannte Jules Gerard, ist Lieutenant in dem dritten Spahis-Regimente und verdankt, wenn ich nicht irre, diesen Posten seinem Ruhme als Löwenbekämpfer. Von seiner Jugend ist nichts bekannt, als dass er schon als Knabe ein leidenschaftlicher Jäger war, dann in Algier eifrig jagte und sich da allmählich an die gefährlichen Tiere, zuletzt an den König derselben, den Löwen selbst, wagte. …“

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Ähnliche


Inhalt

Der Löwenjäger

Technische Anmerkungen

Vorwort.

Erstes Kapitel: Der Löwe und seine Lebensweise.

Zweites Kapitel: Die Löwenjagd bei den Arabern.

Drittes Kapitel: Die Pantherjagd.

Viertes Kapitel: Die Hyäne.

Fünftes Kapitel: Das Wildschwein.

Sechstes Kapitel: Der Schakal. — Der Fuchs. — Der Hirsch. — Die Antilope und Gazelle.

Siebentes Kapitel: Das Stachelschwein und kleine Wildbret.

Achtes Kapitel: Die Falknerei in Algier.

Neuntes Kapitel: Die rechte Löwenjagd in Algier.

Digitale Neufassungen

Impressum

Der Löwenjäger

von

Jules Gérard

-

Nach dem Französischen von Dr. August Diezmann.

Leipzig

Verlag von Carl B. Lorck.

1855.

Digitale Neufassung des altdeutschen Originals

von Gerik Chirlek

Reihe:  Alte Reihe / Band 16

Technische Anmerkungen

Die vorliegende digitale Neufassung des altdeutschen Originals erfolgte im Hinblick auf eine möglichst komfortable Verwendbarkeit auf eBook Readern. Dabei wurde versucht, den Schreibstil des Verfassers möglichst unverändert zu übernehmen, um den Sprachgebrauch der damaligen Zeit zu erhalten. 

Vorwort.

Der Verfasser der nachstehenden Jagdabenteuer in Algier, der dort und in Frankreich allgemein unter dem Namen der Löwentöter bekannte Jules Gérard, ist Lieutenant in dem dritten Spahis-Regimente und verdankt, wenn ich nicht irre, diesen Posten seinem Ruhme als Löwenbekämpfer. Von seiner Jugend ist nichts bekannt, als dass er schon als Knabe ein leidenschaftlicher Jäger war, dann in Algier eifrig jagte und sich da allmählich an die gefährlichen Tiere, zuletzt an den König derselben, den Löwen selbst, wagte.

Fünfundzwanzig Löwen hat er seitdem erlegt.

In dem Buche selbst wird man finden, welche außerordentlichen Verheerungen ein Löwe unter den Herden anrichtet; Gérard hat sich also durch Vertilgung so vieler dieser gefährlichen Räuber ein unbestreitbares großes Verdienst um das Land erworben. Die Bewohner erkennen dies bereitwillig an; sie sehen in ihm eine Art Wundermenschen und meilenweit schicken sie zu ihm, wenn sich ein Löwe zeigt, mit der Bitte, er möge sie von dem Tyrannen befreien. Der außerordentliche Mut, den er bei den Löwenjagden beweist, hat aber auch von anderer Seite her Anerkennung und Belohnung gefunden: das Kreuz der Ehrenlegion schmückt seine Brust; die Prinzen des Hauses Orleans beschenkten ihn mit kostbaren Waffen und erst in den letzten Tagen erzählten die Zeitungen, auch Se. Maj. der Kaiser von Österreich habe ihm ein Geschenk von kostbaren Waffen zusenden lassen. Die eine Waffe ist ein prächtiger Hirschfänger, dessen ganze Fassung (Griff, Stichblatt und Muschel) aus massivem Golde besteht. Am Knopf ist folgende Inschrift: „Geschenk Sr. Maj. des Kaisers von Oesterreich an Hrn. Jules Gérard. 1854“. Der Griff wird gebildet durch einen Haufen von Tieren, Löwen, Ebern, Wölfen, Hirschen und Hunden, die ineinander verschlungen sind und sich zerfleischen; eine Löwin und ein Hirsch im Kampfe mit Hunden bilden die zwei Arme des Querstabes; die Muschel repräsentiert ebenfalls Tierkämpfe. Die reichverzierte Damaszenerklinge ist merkwürdig durch ihre Feinheit und ihr Alter; auf der Scheide selbst befinden sich prachtvoll in Gold ziselierte Garnituren, und auf der einen äußern Seite ist eine kleine Scheide, welcher ein Stilett angepasst ist, dessen goldener Griff sowie der des Messers verschiedene Tiergruppen in Spiralform darstellt. An diesen Hirschfänger schließt sich in einem Necessaire ein deutscher doppelläufiger Karabiner an, dessen türkisch damaszierte Läufe gestreift sind. Diese ausgezeichnete Schusswaffe ist ein Meisterstück der Büchsenarbeit.

Gérard steht erst in seinem fünfunddreißigsten Jahre, doch klagt er, wie man finden wird, dass er die großen Strapazen nicht mehr so gut ertrage wie sonst. In Paris, wo er sich im Sommer 1853 befand, und wo er von allen Jägern und Jagdfreunden außerordentlich gefeiert wurde, wollte man ihm freilich keine Schwäche ansehen.

Ein Freund in Paris, mit dem er viel über seine Jagdabenteuer gesprochen hatte, sagte eines Tages zu ihm:

„Gérard, sprechen Sie einmal recht aufrichtig. Ihr Mut ist gar nicht in Zweifel zu ziehen und Sie dürfen also die Wahrheit ganz sagen. Welchen Eindruck macht Ihr Kampf mit dem Könige der Wälder auf Sie? Was fühlen Sie dabei? Etwas wie bei einem Zweikampfe?“

Gérard lächelte.

„Wie bei einem Zweikampfe? antwortete er. Ich habe etwa das Gefühl, das ein Mann haben müsste, der nackt sich mit einem Geharnischten schlagen soll. Lieber zehn Duelle als einen Kampf mit einem Löwen !“

„Ich glaubte, Sie trieben die Löwenjagd aus Liebhaberei und zum Vergnügen.“

„Jedermann hat einen Beruf, lieber Freund“, antwortete Gérard. „Mein Beruf ist es, den Löwen zu jagen, obwohl ich nicht sein Feind bin, im Gegenteil ihn liebe und bewundere. Er ist wahrhaftig der König der Schöpfung; der Mensch nennt sich nur als Usurpator so. Wenn Sie einen Löwen sähen, nicht einen der jämmerlichen ausgearteten, die man in Europa zeigt und nach denen man sich nicht einmal eine Vorstellung machen kann, was ein echter Löwe ist, wenn Sie einen Löwen in der Freiheit sähen, dessen Brüllen man drei Stunden weit hört; wenn Sie ihn ruhig und stolz, mit lassenartigen anmutigen und doch kräftigen Bewegungen, in der Majestät seiner Stärke und Gewandtheit, herankommen sähen; wenn Sie sein Staunen bei dem Anblicke des Menschen bemerkten, des einzigen Wesens, das ihn erwartet und in das Auge zu sehen wagt; wenn Sie Zeuge von dem Entsetzen aller andern Geschöpfe wären, die bei der Annäherung des Alleinherrschers zittern, beben und wehklagen, dann erst würden Sie wissen was ein Löwe ist. Töten kann man ihn, besiegen niemals. Jedes Mal, wenn ich einen Löwen erlegt habe, zu dem Toten trete und die Elfenbeinzähne, die ebenholzschwarzen Klauen und die so wohl gebauten Glieder sehe, die es ihm möglich machen, in einem Sprunge einen Raum von fünfundvierzig Fuß zurückzulegen, schlage ich die Hände übereinander, fühle fast Reue und Gewissenspein und frage mich: Hattest du, Zwerg, denn auch das Recht, dem Riesen das Leben zu nehmen?“

„Gleichwohl treten Sie ihm ohne Unruhe entgegen?“

„Allerdings, weil Unruhe die große Gefahr noch vergrößern würde, aber alle Willenskraft muss ich zusammennehmen, um der Unruhe und Besorgnis Herr zu werden.“

„Was fühlen Sie? Ich frage noch einmal.“

„Ich bin, wie Sie selbst recht gut wissen, von ruhigem, selbst sanftem Temperament. Gewöhnlich schlägt mein Puls sechzig bis siebzigmal in der Minute, sobald aber ein Araber zu mir kommt und sagt: ‚Gérard, da und da ist ein Löwe und die Leute dort erwarten dich‘, befällt mich gleichsam das Fieber und ich denke an nichts als an den Löwen, der Puls fängt an sich zu heben und macht fünfundsiebzig bis achtzig Schläge in der Minute. Ich setze mich dann nur noch, wenn ich mich vor Mattigkeit nicht mehr aufrechterhalten kann, ich schlafe schlecht und fahre jeden Augenblick aus dem leichten Schlummer auf und dies dauert so fort bis ich dem Löwen selbst gegenüberstehe. Da scheint augenblicklich jede Aufregung in mir aufzuhören, wie der Gang des Räderwerkes einer Uhr stehen bleibt, wenn man den Pendel berührt; die Notwendigkeit ruhig zu sein, das Gefühl der Selbsterhaltung, und die Größe der Gefahr legt gleichsam die Hand auf mein Herz und hält sein Schlagen ein. Ich habe dann einen Augenblick des höchsten Genusses. Dieser Genuss, so kurze Zeit er auch währt, ist ein goldener Rahmen, der das Bild meines ganzen Lebens umschließt. Diesen Genuss habe ich während ich auf den Löwen ziele und ich ziele auf ihn, sobald ich ihn sehe. Kommt er bis auf fünfzehn Schritte heran, so ist er verloren. Seit ich vertrauter mit ihm geworden bin, lasse ich wohl auch ein paarmal eine gute Gelegenheit zum Schießen vorübergehen, um den Genuss zu verlängern. Endlich drücke ich ab und ich bin gerettet, sobald ich mein Fleisch von den Klauen nicht zerreißen, meine Knochen unter den gewaltigen Zähnen nicht knacken fühle. Da suche ich durch den Pulverdampf hindurch zu sehen . . Der Löwe ist entweder tot oder er sucht mich, oder er geht langsam fort . . Niemals flieht der Löwe. Ist er tot, was selten geschieht – von meinen fünfundzwanzig Löwen fielen nur vier auf den ersten Schuss –, ist er tot, so warte ich bis die Todeszuckungen ganz aufgehört haben, was lange dauert, denn das Tier ist so stark, dass es selbst dem Tode zu schaffen macht; rührt er sich nicht mehr, so bin ich ruhig, denn der Löwe ist viel zu stolz, als dass er täuschen könnte wie ein Fuchs oder Wolf, ich trete also näher und betrachte ihn, wie er majestätisch und immer noch anmutig auf der blutgetränkten, zerkratzten Erde liegt; ich fühle, wie gesagt, fast Gewissensbisse. Wäre es so kalt, dass das Thermometer zehn Grad unter Null zeigte, bin ich doch wie im Schweiß gebadet; meine Nerven und Muskeln spannen sich mit einem Mal ab, eine allgemeine Mattigkeit überfällt mich und ich suche einen Stein, um mich darauf setzen zu können. – Ist er aus den ersten Schuss nicht tot, so lasse ich sofort den zweiten folgen, lege die Büchse bei Seite, greife nach der zweiten, die schussfertig neben mir liegt und schieße bis der Löwe fällt. – Geht er verwundet fort, so gehe ich auch, weil ich weiß, dass ich ihn am andern Morgen tot oder vom Blutverlust doch sehr geschwächt finden werde. Der verwundete Löwe ist ein zu gefährlicher Gegner als dass der Mensch, der Schwächling, ihm zu folgen wagen dürfte. Ich kehre im Fieber in mein Zelt zurück; ich schlafe nicht; ich fahre bei jedem Geräusch auf; bei dem ersten Tagesgrauen bin ich auf den Beinen und warte in der ängstlichsten Spannung auf die Berichte, welche mir meine Kundschafter zu bringen haben.“ –

So schilderte Gérard selbst seine Empfindungen im Kampfe mit dem Löwen; jetzt mögen die Leser versuchen, in welche fieberhafte Aufregung das Lesen seiner Erzählungen von den Kämpfen mit dem König der Wälder sie versetzt.

.

Leipzig, Juli 1855.

A. Diezmann.

Erstes Kapitel: Der Löwe und seine Lebensweise.

Jedermann weiß, dass der Löwe zu dem Katzengeschlecht gehört und selbst die ausgezeichnetsten Naturforscher, die über dieses Tier schrieben, behandelten dasselbe, als könne man es stets am hellen Tage beobachten; nicht einer von ihnen hat von seinem Nachtleben erzählt, obgleich dieses sein eigentliches Leben ist.

Diese Lücke will ich auszufüllen versuchen, indem ich dem Löwen von seiner Geburt an schrittweise bis zu seinem Tode folge und ich werde mich freuen, wenn ich durch Mitteilung meiner Beobachtungen die falschen Vorstellungen beseitige, die man noch immer über den „König der Tiere“ hegt.

Die Paarung der Löwen und Löwinnen findet gewöhnlich zu Ende des Januars statt. Da bei dem Zahnen eine ziemliche Zahl Löwinnen stirbt, so gibt es wohl ein Drittel mehr „Herrn“ als „Damen“ und die letzteren sind sehr gesucht. Nicht selten wird in der Zeit des Werbens eine Schöne von drei oder vier Courmachern begleitet, welche ihr auf Tritt und Schritt folgen und fortwährend einander in den Haaren liegen, bis ihr die Sache langweilig wird und sie, im Ärger darüber, dass die Galane sich untereinander um ihretwillen nicht umbringen, mit ihnen zu einem großen, alten Löwen wandert, dessen Kraft sie schätzen lernte als sie ihn brüllen hörte. Die Liebhaber folgen ihr keck bis zu dem bevorzugten Nebenbuhler. Von langen Verhandlungen ist nie die Rede und das Resultat solcher Begegnungen zu jeder Zeit sicher.

Der alte Löwe, der von den drei kecken Unerfahrenen angefallen wird, empfängt sie ohne sich zu rühren; mit dem Ersten gewaltigen Bisse erwürgt er den einen, mit dem Zweiten zermalmt er dem andern ein Bein und der Dritte kann froh sein, wenn er mit einem Auge davonkommt und das andere an der Klaue des Siegers zurücklässt.

Ist das Feld rein, so schüttelt das edle Tier die Mähne, die zum Teil wohl davonfliegt, dann streckt er sich demütig bei der Löwin aus, die ihm, als erstes Pfand ihrer Zuneigung, mit schmeichelnden Blicken die Wunden leckt, die er im Kampfe um sie erhalten hat.

Treffen unter solchen Umständen zwei völlig ausgewachsene Löwen aufeinander, so geht es anders zu. Ein Araber erzählte von dem Kampfe zweier solcher Löwenrivalen, den er unfreiwillig mit angesehen. Er befand sich in einer schönen Mondscheinnacht auf dem Anstande auf Hirsche und war der größeren Sicherheit wegen auf eine Eiche gestiegen, die mitten auf einer lichten Stelle im Walde, nahe an einem Fußpfad, stand. Gegen Mitternacht sah er eine Löwin mit einem Löwen ankommen, der bereits die vollständige Mähne hatte. Die Löwin verließ den Fußpfad und legte sich unter der Eiche nieder. Der Löwe blieb auf dem Wege stehen und schien zu horchen. Bald ließ sich in weiter Ferne ein Brüllen hören und sogleich antwortete die Löwin darauf. Der Löwe aber, ihr Begleiter, brüllte so gewaltig, dass der Jäger auf der Eiche vor Entsetzen sein Gewehr fallen ließ und sich an die Äste anklammern musste, um nicht selbst herunter zu fallen.

Je näher der Löwe, der sich zuerst und in der Ferne hatte hören lassen, zu kommen schien, umso eifriger antwortete die daliegende Löwin, während ihr Liebhaber wütend hin und her lief, als wolle er sagen: „Schon gut; er mag nur kommen; er wird sehen wie ich ihn empfange.“ 

Nach etwa einer Stunde erschien ein schwarzer Löwe am Ende der Lichtung. Die Löwin erhob sich sofort um ihm entgegenzugehen, ihr Begleiter erriet diese ihre Absicht, jagte an ihr vorüber und stürzte sich auf den ihn bereits erwartenden schwarzen Nebenbuhler.

Sie sprangen aufeinander und stürzten gleichzeitig nieder. Der Kampf währte lange und war grauenhaft für den unfreiwilligen Zuschauer. Während die Knochen knackten unter ihren gewaltigen Zähnen, rissen sie einander zugleich mit den Klauen den Leib auf und das Brüllen dabei, bald dumpf bald laut, verriet ihre Wut und ihre Schmerzen.

Gleich im Beginne des Kampfes hatte sich die Löwin auf den Bauch gelegt, um zuzusehen und so lange er dauerte gab sie durch Wedeln mit dem Schweif zu erkennen, wie sehr sich ihre Eitelkeit geschmeichelt fühlte, dass zwei solche Löwen um ihretwillen sich umbrächten.

Als der Kampf vorüber war, ging sie langsam und vorsichtig zu den beiden Toten, um sie zu beriechen, dann wanderte sie stolz hinweg, ohne die Gefallenen eines Blickes zu würdigen.

So treu sind sie alle und vorzugsweise scheinen sie sich gern einen vollerwachsenen starken Löwen auszusuchen, der sie von den zudringlichen jüngeren befreit, deren fortwährende erfolglose Kämpfe sie langweilen. Sobald aber ein noch stärkerer erscheint, ist er stets willkommen. 

Einen besseren Charakter hat er, der Löwe, der die einmal erwählte Gefährtin nie verlässt und eine Liebe, eine Fürsorge und Aufmerksamkeit gegen sie zeigt, die eines besseren Loses würdig wären.

Sobald das Löwenpaar den gewöhnlichen Aufenthalt verlässt, geht die Löwin stets voraus; beliebt es ihr stehen zu bleiben, so folgt der Löwe ihrem Beispiel. Kommen sie in die Nähe einer Herde, wo sie ihr Abendmahl suchen wollen, so legt die Löwin sich gemächlich nieder, während der Löwe mutig vordringt und das Beste, was er erlangen konnte, zu ihr bringt. Er sieht dann mit schmunzelndem Behagen zu, wie sie es sich schmecken lässt, während er wachsam besorgt ist, dass dabei nichts sie störe oder beunruhige. Erst wenn sie sich gesättigt hat, denkt er auch daran, seinen Hunger zu stillen. Kurz, sowohl in der „Zeit der jungen Liebe“, als in der ernsten Ehe behandelt er sie mit aller erdenklichen Aufmerksamkeit.

Fühlt die Löwin, dass ihre Zeit gekommen ist (zu Ende des Dezembers), so sucht sie eine schwer zugängliche Schlucht, um ihre Jungen zur Welt zu bringen. Es sind meist zwei, ein männliches und ein weibliches, oft nur eins, sehr selten drei. In den ersten Tagen nach der Geburt weicht die Mutter keinen Augenblick von den Jungen und der Vater muss für ihre Bedürfnisse sorgen. Erst nach drei Monaten, nach dem Zahnen, dem, wie schon gesagt, viele Löwinnen erliegen, entwöhnt die Mutter ihre Jungen, indem sie sich täglich einige Stunden von ihnen entfernt und ihnen sorgsam klein zerrissenes Schaffleisch gibt.

Der Löwe, der erwachsen sehr ernst wird, bleibt sehr ungern oder gar nicht bei seinen Jungen, die ihn durch ihr Spielen belästigen. Um in ungestörter Ruhe zu bleiben, sucht er sich einen besonderen Aufenthalt, doch stets in der Nähe, um im Notfalle zum Schutze der Seinigen herbeikommen zu können.

Die Araber, welche wissen, wo junge Löwen liegen, weil sie erstens eine trächtige Löwin gesehen haben und dann das geraubte Vieh immer nach einer Richtung hin fortgeschleppt wird, benutzen die Zeit, in welcher die Jungen von der Mutter entwöhnt werden, um sie wegzunehmen.

In dieser Absicht lauern sie Tage lang auf einem Hügel oder auf einem Baume, von wo aus sie das Lager erblicken können und sobald sie sehen, dass die Löwin sich entfernt, auch überzeugt sind, dass der Löwe nicht bei den Jungen ist, schleichen sie sich vorsichtig zu denselben hin, wickeln sie in ihren Burnus, damit sie keinen Laut von sich geben können und tragen sie so Reitern zu, die am Waldsaume warten, um mit den jungen Löwen vor sich, den Räubern derselben hinter sich, in gestrecktem Galopp sogleich davon zu jagen. Ein solches Unternehmen ist gefährlich und ich will nur folgendes Beispiel erzählen:

Im März des Jahres 1840 hatte eine Löwin in dem Walde El Guela im Gebirge Meziun, im Lande der Zerdezah, geworfen. Die Jungen sollten geraubt werden und am Morgen des verabredeten Tages fanden sich je dreißig Männer aus zwei Nachbarstämmen an dem Sammelplatze ein.

Nachdem diese sechzig Araber das Gebüsch rings umstellt hatten, schrien sie zu wiederholten Malen und da sie darauf die Löwin nicht zum Vorscheine kommen sahen, drangen sie weiter vor und nahmen die jungen Löwen weg.

Lärmend traten sie die Rückkehr an, da sie von der Mutter nichts mehr zu fürchten zu haben glaubten, als der Scheich Sedek, der ein wenig hinter den Seinigen zurück war, die Löwin aus dem Gebüsche heraus und gerade auf sich zukommen sah.

Er rief sogleich seinen Neffen Mezaoud und seinen Freund Ali ben Braham, die ihm auch zu Hilfe eilten. Die Löwin fiel nicht den Scheich an, der zu Pferde war, sondern den Neffen, der zu Fuß ging. 

Der junge Mann ließ sie herankommen und drückte dann sein Gewehr ab.

Das Gewehr versagte.

Mezaoud warf rasch die Waffe von sich und hielt der Löwin den linken Arm vor, um den er seinen Burnus gewickelt hatte. Die Löwin packte den Arm und zermalmte ihn unter ihren Zähnen; der mutige junge Mann aber ergriff unterdes, ohne einen Schritt zurückzuweichen oder einen Schmerzenslaut hören zu lassen, das Pistol, das er unter dem Burnus trug, schoss der Löwin zwei Kugeln in den Leib und nötigte sie so ihn loszulassen.

In demselben Augenblicke aber stürzte sie sich auf Ali ben Braham, der ihr vergeblich eine Kugel in den Rachen jagte; er wurde an beiden Achseln gepackt und niedergerissen und verdankte seine Rettung nur dem Tode der Löwin, die auf ihm verendete. Doch war ihm die rechte Hand zerbissen und ein Stück Fleisch über den Rippen weggerissen worden.

Ali ben Braham lebt noch, aber verstümmelt, Mezaoud dagegen starb vierundzwanzig Stunden nach dem Abenteuer an seinen Wunden.

Sind die Löwen vier bis fünf Monate alt, so begleiten sie ihre Mutter bis an den Saum des Waldes, wohin der alte Löwe ihnen die Beute bringt.

Sind sie ein halbes Jahr alt geworden, so verlässt die ganze Familie, und zwar stets in einer sehr finsteren Nacht, das Lager und von diesem Augenblicke an ziehen sie fortwährend umher bis sie sich von den Alten trennen müssen.

Sind die Löwen acht Monate bis ein Jahr alt, so fangen sie an, die Schafe oder Ziegenherden anzufallen, die am Tage in die Nähe ihres Aufenthaltes kommen. Bisweilen wagen sie sich sogar an die Rinder, aber sie sind in diesem Alter noch so ungeschickt, dass sie zehn Rinder verwunden, ehe sie eins totmachen können und der alte Löwe helfen muss.

Erst wenn sie zwei Jahre alt sind, können sie ein Pferd, ein Rind, ein Kamel mit einem einzigen Bisse in die Gurgel töten und über die sechs Fuß hohen Hecken springen, welche die Herden schützen sollen.

In dem Alter von einem Jahr bis zu zwei Jahren werden sie den Bewohnern der Umgegend wahrhaft verderblich, denn die Löwenfamilie tötet nicht bloß, um sich von der Beute zu sättigen, sondern um töten zu lernen. Es begreift sich leicht, wie kostspielig eine solche Lehrzeit für diejenigen sein muss, welche die Gegenstände zu liefern haben, an denen die jungen Löwen lernen.

Aber, fragt man vielleicht, warum lassen die Araber durch die Löwen solchen Schaden sich zufügen und machen nicht Jagd auf dieselben? Man lese nur das nächste Kapitel.

Sind die Löwen drei Jahre alt, so verlassen sie ihre Alten, um sich zu paaren und die letzteren sorgen für eine neue Familie.

Ausgewachsen sind die Löwen erst mit acht Jahren. Dann haben sie ihre ganze Kraft erlangt und der Löwe, der um ein Drittel größer ist als die Löwin, hat die Mähne vollständig erhalten. Die Löwen, die wild leben, vergleiche man durchaus mit den ausgearteten nicht, welche man in den Menagerien sieht. Die letzteren sind sehr jung geraubt worden und haben weder die Muttermilch, noch die freie Luft, noch auch eine gesunde, reichliche Nahrung gehabt. Die Folge davon ist ein schwächlicher Wuchs, eine krankhafte Hagerkeit, ein trauriger Blick und der Mangel an voller Mähne, kurz ein Zustand, in dem sie von ihres Gleichen in der Freiheit gänzlich verleugnet werden würden.

In Algier gibt es drei Arten Löwen: den schwarzen, den gelbrötlichen und den grauen, welche bei den Arabern el adrea, el asfar und el zarzuri heißen.

Der schwarze Löwe, der viel seltener vorkommt als die beiden anderen Arten, ist etwas kleiner, aber stärker an Kopf, Schultern, Hüften und Beinen. Sein Fell hat die Farbe der dunkelbraunen Pferde bis zur Schulter, wo die lange und dichte Mähne beginnt, welche ihm ein nichts weniger als beruhigendes Aussehen gibt.

Seine Stirn ist eine Vorderarmlänge (eine Elle) breit, der Körper von der Nasenspitze bis zur Schweifwurzel fünf Ellen lang1, die Schwere seines Körpers wechselt von 550 bis 600 Pfund. Die Araber fürchten diesen Löwen mehr als die beiden andern und sie haben Recht.

Statt umherzuschweifen wie der fahle und der graue Löwe, sucht der schwarze sich einen guten Aufenthalt und bleibt da bisweilen dreißig Jahre. Selten geht er in die Ebene hinunter, um die Duars anzugreifen, dagegen lauert er abends den Rinderherden auf, wenn sie an den Bergen hinunterziehen und tötet oft vier bis fünf Stück, um das Blut zu saufen.

Im Sommer, wenn die Tage lang sind, verlässt er sein Lager mit Sonnenuntergang und begibt sich an einen Weg, der über das Gebirge führt, um auf einen Reiter oder Fußgänger zu warten, die sich verspätet haben.

Ich kenne einen Araber, der bei einem solchen Zusammentreffen vom Pferde stieg, diesem den Sattel und Zaum abnahm, damit forteilte und das Pferd Preis gab, das vor seinen Augen erwürgt wurde. So geht es aber nicht immer und Reiter und Fußgänger entkommen selten, wenn sie einem schwarzen Löwen begegnen.

Der fahle und der graue Löwe unterscheiden sich von einander nur durch die Farbe der Mähne, sind etwas größer aber weniger stark. Mit Ausnahme des oben Erwähnten haben sie gleichen Charakter und gleiche Lebensweise.

Das Leben des Löwen zerfällt in zwei ganz verschiedene Teile, die ihn gewissermaßen zu zwei verschiedenen Tieren machen, und zu vielen falschen Angaben über ihn verleitet haben. Diese beiden Teile sind der Tag und die Nacht. Am Tage pflegt er sich in den Wald, fern von jedem Geräusch, zurückzuziehen, um ungestört zu schlafen und zu verdauen.

Weil einmal jemand am Tage ungefährdet mit einem Löwen zusammentraf, den die Fliegen oder die Sonnenhitze von seiner Lagerstelle vertrieben, den der Durst au einen Bach führte, der noch halb im Schlafe war und durchaus nicht hungerte, hat man behauptet, der Löwe falle den Menschen nicht an. Allerdings, der Löwe tötet nicht um zu töten, er tötet um zu leben und sich zu verteidigen, wenn er angegriffen wird.

In einem Lande wie Algier, das fast buchstäblich von Herden bedeckt ist, fühlt der Löwe niemals am Tage Hunger. Die Eingeborenen, welche dies wohl wissen, pflegen deshalb wohlweislich zu Haufe zu bleiben, sobald der Löwe sein Lager verlässt, und wenn sie in der Nacht reisen müssen, tun sie es nie zu Fuß oder allein.

Wenn der Löwe einer größeren Anzahl Menschen begegnet, so glaubt er stets, Plünderer vor sich zu haben und er folgt ihnen, um seinen Anteil von der Beute zu erhalten, wie man in dem Kapitel über die Löwenjagd finden wird.

Ich für meinen Teil erkläre, dass ich zwar ziemliche Gleichgültigkeit in dem Gesicht einiger Löwen bemerkte, die ich gegen Abend traf, dagegen bei allen, die mir in der Nacht vorkamen, sehr feindselige Gesinnungen fand.

Ich bin fest davon überzeugt, dass ein einzelner Mensch bei einem solchen Zusammentreffen rettungslos verloren ist und deshalb entferne ich mich in dem Gebirge in der Nacht nie von meinem Zelt, ohne die Büchse bei mir zu haben.

Ich kenne eine große Anzahl Fälle aus der neuesten Zeit, dass Araber von Löwen zerrissen und aufgezehrt worden sind, will aber nur den nachstehenden erzählen, weil er allen Eingeborenen von Konstantine bekannt ist und unter höchst dramatischen Umständen vorkam.

Es war einige Jahre vor der Eroberung Konstantine's durch die Franzosen. Unter den Personen, von denen die Gefängnisse überfüllt waren, befanden sich auch zwei zum Tode Verurteilte, zwei Brüder, welche am nächsten Tage hingerichtet werden sollten. Sie waren Räuber, von denen man außerordentliche Kraft- und Mutbeweise erzählte. Der Bey, welcher ihr Entkommen fürchtete, ließ sie so fesseln, dass ein Bein von jedem in einen Eisenring genietet wurde.

Wie es zugegangen, weiß niemand, allen aber ist bekannt, dass das Gefängnis leer war, als der Nachrichter erschien, um die Verurteilten abzuholen.

Nachdem die beiden Brüder, die entkommen waren, vergebens sich bemüht hatten, den Eisenring, der sie zusammenfesselte, zu öffnen oder zu zersprengen, gingen sie querfeldein, um von niemandem gesehen zu werden und mit niemand zusammenzutreffen.

Den Tag über hielten sie sich unter Felsen versteckt, abends wanderten sie weiter. 

Mitten in der Nacht stießen sie auf einen Löwen.

Anfangs warfen sie mit Steinen nach ihm und schrien aus Leibeskräften, um ihn zu verscheuchen, aber das Tier, das sich vor sie hingestreckt hatte, rührte sich nicht von der Stelle. Da Schimpfwort? und Drohungen nichts halfen, so versuchten sie es mit Bitten, aber der Löwe sprang gegen sie an, warf sie nieder und verzehrte sofort den Älteren neben dem Bruder, der sich nicht rührte und sich totstellte. Als er an das Bein kam, welches durch den Eisenring festgehalten wurde und den Widerstand fühlte, biss er es über dem Knie ab.