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Ein zufälliges Treffen mit einem neuen Nachbarn öffnet dem Autor sowie den Lesern den neuen unerwarteten Horizonten und zeigt nicht nur der Prozess der Schöpfung der gut bekannten Theaterstücke von einem absolut ungewöhnlichen Blickwinkel, sondern prägt die Leser die weitere Suche fortzusetzen, um den echten Autor vielen bekannten Werken selbst zu finden.
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Seitenzahl: 35
Veröffentlichungsjahr: 2022
Viktor Silbermann
Der Nachbar
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Der Nachbar
Impressum neobooks
„Der Spätherbst in Berlin hat gewöhnlich noch einige schöne Tage. Die Sonne tritt freundlich aus dem Gewölk hervor, und schnell verdampft die Nässe in der lauen Luft, welche durch die Straßen weht. Dann sieht man eine lange Reihe, buntgemischt - Elegants, Bürger mit der Hausfrau und den lieben Kleinen in Sonntagskleidern, Geistliche, Jüdinnen, Referendare, Freudenmädchen, Professoren, ... usw. durch die Linden nach dem Tiergarten ziehen.“
So beginnt sich eine der schönsten und unverständlichsten Erzählungen, die irgendwann in deutscher Sprache veröffentlicht wurden.
Heute, 200 Jahre später gab es auch einen schönen sonnigen spätherbstlichen Tag in Berlin, ich ging aber nicht in solcher langen buntgemischten Reihe (Bürger mit den Hausfrauen und den lieben Kleinen in Sonntagskleidern, Jüdinnen, Professoren usw.) durch die Linden nach dem Tiergarten. Und das freundliche Sonnenlicht genoss ich allein und nur durch das offene Fenster. Ich saß bei diesem offenen Fenster und guckte in den Oxford-Band mit den englischen Texten der Shakespeares Theaterstücke. Der Band war auf dem Theaterstück „Der Kaufmann von Venedig“ geöffnet, ich guckte in den Text, konnte ihn aber nicht lesen. Ich dachte über heutige Begegnung in unserem Fahrstuhl...
Tatsache ist, dass einer der Eigentümer in unserem Hause seine Wohnung an der obersten Etage verkaufte. Dies geschah vor über sechs Monaten. Zuerst hörten wir alle nur die Geräusche der Renovierung aus dieser Wohnung, das ist aber eine übliche Sache vor jedem Einzug, überraschend für uns war, dass niemand aus den „alten“ Eigentümern den neuen Besitzer auch danach gesehen hat. Schon bei traditioneller Eigentümerversammlung sah man ihn auch nicht, für ihn stimmte unser Verwalter per seine Vollmacht. Und heute habe ich ihm absolut unerwartet in unserem Fahrstuhl begegnet.
Zuerst lenkte ich keine Aufmerksamkeit auf den mittelgroßen Mann in langem Mantel, als wir beide den Aufzug betraten. Ich bemerkte ihn, als er den Knopf des obersten Stockwerks nach einer kleinen Verzögerung drückte. Es bedeutete von nichts, jeder kann in die jede Etage zu Besuch gehen und nicht genau wissen, wo der richtige Knopf ist. Deswegen drückte ich nach ihm den Knopf meines 4. Stocks auch. Plötzlich, als der Fremde das Buch mit dem Titel „William Shakespeare. The Plays“ in meiner Hand sah, wandte er sich an mich auf Englisch:
- Hallo, Sir, Sie mögen Englisch lesen?
Vor Erstaunen nickte ich nur verblüfft, unfähig, etwas zu sagen. Aber in diesem Moment erreichte der Aufzug meine Etage. Ich hatte gerade noch Zeit, „Alles Gute“ auf Englisch zu sagen, „Wünsche ich Ihnen auch“ als Antwort zu hören und verließ den Fahrstuhl. Und jetzt versuchte ich, genau aus diesem Band Shakespeares „Der Kaufmann von Venedig“ zu lesen, aber stattdessen tauchte dieser ungewöhnliche Mensch vor meinen Augen immer auf. Wir beide trugen die Schutzmasken gegen Corona-Virus, also konnte ich ihn nicht genau einsehen. Das Einzige, woran ich mich erinnern konnte, waren seine schulterlangen Haare und ein dunkler Mantel, der meiner Meinung nach zu lang war. Seine Stimme gab auch keinen Hinweis auf sein Alter.
...Meine Gedanken wurden durch das Klopfen auf die Eingangstür unterbrochen. Ich kam zur Tür, guckte in den Türspion und war starr von Staunen. Vor der Tür stand der Mensch aus dem Aufzug in demselben Mantel und auch mit der Schutzmaske. Meine Maske hing am Türgriff, ich zog sie aufs Gesicht an und öffnete die Tür. Der Abend trat in seine gesetzlichen Rechte ein, es war dunkel auf dem Treppenabsatz und ich sah nur die Silhouette des Fremden. Er sprach mich immer wieder auf Englisch an.
- Entschuldigen Sie, bitte, dass ich Sie störe. Ich bin Ihr neuer Nachbar. Ich verstehe, dass meine Neugier absolut unanständig aussieht, ich konnte mich aber nicht zähmen, als ich bemerkte, dass Sie jetzt das Theaterstück „Der Kaufmann von Venedig“ lesen, nicht wahr?
- Woher wissen Sie das? - das war alles, was ich sagen konnte.