Ein dreister Überfall - Viola Maybach - E-Book

Ein dreister Überfall E-Book

Viola Maybach

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Beschreibung

Diese Serie von der Erfolgsschriftstellerin Viola Maybach knüpft an die bereits erschienenen Dr. Laurin-Romane von Patricia Vandenberg an. Die Familiengeschichte des Klinikchefs Dr. Leon Laurin tritt in eine neue Phase, die in die heutige moderne Lebenswelt passt. Da die vier Kinder der Familie Laurin langsam heranwachsen, möchte Dr. Laurins Frau, Dr. Antonia Laurin, endlich wieder als Kinderärztin arbeiten. Somit wird Antonia in der Privatklinik ihres Mannes eine Praxis als Kinderärztin aufmachen. Damit ist der Boden bereitet für eine große, faszinierende Arztserie, die das Spektrum um den charismatischen Dr. Laurin entscheidend erweitert. Der junge Mann stieß einen Schmerzensschrei aus, als ihn Alina Braunmühls Tasche traf, die sie sich mit Schwung über die Schulter hatte hängen wollen, während sie im Laufschritt über den Gehweg eilte. Die Tasche war leider nicht auf ihrer Schulter, sondern im Gesicht des Mannes gelandet. Sie drehte sich erschrocken zu ihm um und sah, dass er sich eine Hand schützend über das linke Auge hielt. »Meine Güte, ich bitte vielmals um Entschuldigung, ich habe einfach nicht aufgepasst. Habe ich Sie verletzt?« Sie sah, dass sein Auge tränte, als er die Hand sinken ließ, um nach einem Taschentuch zu suchen. Er versuchte trotzdem zu lächeln. »Geht schon«, sagte er. »Aber Sie sollten wirklich besser aufpassen, bevor Sie ernsthaft Unheil anrichten.« »Ich weiß«, sagte sie zerknirscht, »solche Dinge passieren mir leider öfter. Ich bin in Gedanken, und zack, schon habe ich wieder etwas angerichtet. Komischerweise passiert mir das nie, wenn ich arbeite, nur im Privatleben.« Sie zögerte kurz. »Zeigen Sie mal Ihr Auge her. Vielleicht müssen Sie zum Arzt.« »Arzt bin ich selbst«, erwiderte er, »wenn auch kein Augenarzt. Aber keine Sorge, ich kann schon beurteilen, ob ich in Behandlung muss oder nicht.

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Der neue Dr. Laurin – 17 –

Ein dreister Überfall

Alina gehen die Augen auf

Viola Maybach

Der junge Mann stieß einen Schmerzensschrei aus, als ihn Alina Braunmühls Tasche traf, die sie sich mit Schwung über die Schulter hatte hängen wollen, während sie im Laufschritt über den Gehweg eilte. Die Tasche war leider nicht auf ihrer Schulter, sondern im Gesicht des Mannes gelandet.

Sie drehte sich erschrocken zu ihm um und sah, dass er sich eine Hand schützend über das linke Auge hielt. »Meine Güte, ich bitte vielmals um Entschuldigung, ich habe einfach nicht aufgepasst. Habe ich Sie verletzt?«

Sie sah, dass sein Auge tränte, als er die Hand sinken ließ, um nach einem Taschentuch zu suchen. Er versuchte trotzdem zu lächeln. »Geht schon«, sagte er. »Aber Sie sollten wirklich besser aufpassen, bevor Sie ernsthaft Unheil anrichten.«

»Ich weiß«, sagte sie zerknirscht, »solche Dinge passieren mir leider öfter. Ich bin in Gedanken, und zack, schon habe ich wieder etwas angerichtet. Komischerweise passiert mir das nie, wenn ich arbeite, nur im Privatleben.« Sie zögerte kurz. »Zeigen Sie mal Ihr Auge her. Vielleicht müssen Sie zum Arzt.«

»Arzt bin ich selbst«, erwiderte er, »wenn auch kein Augenarzt. Aber keine Sorge, ich kann schon beurteilen, ob ich in Behandlung muss oder nicht. Ich würde sagen, das ist gerade noch einmal gut gegangen.«

»Ich schwöre Ihnen, in Zukunft passe ich besser auf!«

»Das sollten Sie unbedingt. Aber natürlich schulden Sie mir etwas. Sagen wir: einen Kaffee?«

»Mindestens«, erwiderte sie. »Jetzt gleich? Ich hätte Zeit, ich bin nämlich auf dem Heimweg.«

»Deshalb hatten Sie es so eilig?«

»Ehrlich gesagt, ja. Etwas essen, die Füße hochlegen, es mir gemütlich machen. Aber das kann ich auch nach unserem Kaffee machen. Kommen Sie, ich kenne ein schönes Café, ganz hier in der Nähe. Da können Sie sich erholen. Meine Güte, ich darf gar daran denken, dass ich Ihnen beinahe ein Auge ausgeschlagen hätte.«

»Das ist übertrieben, würde ich sagen.«

Gleich darauf saßen sie in dem Café, sie spendierte ihm auch noch ein Stück Kuchen, sie fand, das war sie ihm schuldig. Er erhob keine Einwände.

»Ich bin Sven Bremer«, sagte er, als die Bedienung mit ihrer Bestellung zum Tresen zurückkehrte.

»Dr. Bremer«, erwiderte sie mit einem Lächeln. »Alina Braunmühl. Was für ein Arzt sind Sie?«

»Neurologe«, antwortete er.

»Wow! Einen Neurologen habe ich noch nie umgerannt.«

»Wie sagt man immer? Einmal ist immer das erste Mal. Erzählen Sie mir von sich. Was machen Sie beruflich?«

»Ich bin Floristin.« Sie grinste ihn an. »Gärtnerin aus Leidenschaft. Es ist mein absoluter Traumberuf, aber er hat leider auch seine Schattenseiten. Noch haben wir Hilfe für den Großmarkt, meine Chefin und ich, aber wenn man das selbst macht, muss man sehr früh aufstehen. Außerdem müssen die Blumen ja kühl gehalten werden, also hält man sich ständig in kalten, feuchten Räumen auf, das ist leider nicht gesund.«

»Und was tun Sie, um nicht ständig krank zu sein?«

»Ich ziehe mich warm an, ich bleibe in Bewegung, ich treibe Sport, ich freue mich, wenn meine Kundinnen und Kunden glücklich sind. Freude ist ziemlich wichtig für die Gesundheit, aber das wissen Sie als Arzt ja besser als ich.«

Er lächelte, erwiderte aber nichts, sondern rührte nachdenklich in seinem Kaffee. Er sah sympathisch aus mit seinen braunen Haaren und den braunen Augen, und sie fand, dass er sehr nett reagiert hatte auf ihre Unachtsamkeit. Es gab andere, die hätten sie ungespitzt in den Boden gerammt. Aber natürlich hatte sie auch seine bewundernden Blicke gesehen. Dass sie nicht gerade hässlich war, hatte ihr vermutlich auch geholfen, ihn milde zu stimmen. Sie hatte sich schon oft gewundert, wie viel Wert andere Menschen auf Äußerlichkeiten legten und wie sehr ihre Reaktionen davon bestimmt wurden.

»Vielleicht war es Schicksal, dass Sie mich umgerannt haben«, sagte er in diesem Augenblick. »Wir wären uns ja sonst nicht begegnet. Ich möchte nicht aufdringlich sein, aber ich fände es sehr schön, wenn ich Sie auch einmal zu einem Kaffee einladen dürfte.«

Alina hatte die Ablehnung schon auf der Zunge, aber dann fragte sie sich, was gegen ein weiteres Treffen sprach. Er hatte sie nicht beschimpft wegen ihrer Unachtsamkeit, sondern verständnisvoll reagiert, wirkte sympathisch und hatte einen interessanten und respektablen Beruf. Sie war zwar nicht auf der Suche nach einem Mann, aber deshalb konnte sie ja trotzdem mit einem netten und freundlichen Unbekannten einen Kaffee trinken, daraus erwuchs schließlich keinerlei Verpflichtung.

»Warum nicht?«, fragte sie also. »Wieder hier?«

»Ich kann Sie doch von der Arbeit abholen«, schlug er vor.

Das würde Fritz mitbekommen und garantiert auch dieses Mal wieder ein Haar in der Suppe finden. Leider hatte er bislang meistens Recht behalten. Aber dann dachte sie trotzig: Und wenn schon!

»Gern«, sagte sie.

Als sie sich kurz darauf voneinander verabschiedeten, waren sie für den kommenden Donnerstag verabredet.

*

Drei Wochen später verzog Fritz Höcker in seinem Kiosk das Gesicht, als er Sven Bremer vor dem Blumenladen auftauchen sah. Dr. Sven Bremer, Alinas neuen Verehrer. Er konnte den Kerl nicht leiden, von Anfang an war das so gewesen.

»Was ist los?«, fragte sein Freund Bastian Kraus, der mit dem Rücken zum Blumenladen stand und Sven Bremer daher noch nicht gesehen hatte.

»Alinas neuer Verehrer ist wieder da. Jetzt ist sie ihren blöden Freund endlich los, da steht schon der nächste vor der Tür, und wenn du mich fragst: Der ist auch nicht besser als der vorige. Ich weiß nicht, wie sie es schafft, immer solche Typen aufzugabeln.«

Bastian drehte sich gemächlich um. Der junge Arzt blickte in die andere Richtung, so war es meistens. Er wusste, dass Fritz und Alina gute Freunde waren, aber er war noch nie von sich aus zum Kiosk gekommen, um ein paar Worte mit Fritz zu wechseln. Er tat immer so, als sähe er ihn nicht. Alina hatte ihn bislang erst ein einziges Mal mitgeschleppt, um ihren besten Freund und ihren neuen Verehrer miteinander bekannt zu machen. Dabei war es geblieben.

»Du kannst ihn nicht leiden, weil du in Alina verknallt bist«, stellte Bastian gemütlich fest. »Du würdest jeden Freund von ihr schlecht machen.« Bastian arbeitete als Schreiner in der Werkstatt seiner Eltern, die er eines Tages übernehmen würde. Er war ein guter Kunde von Fritz und irgendwann ein ebenso guter Freund geworden.

»Das ist nicht wahr!«, widersprach Fritz heftig, obwohl er wusste, dass Bastian Recht hatte. Ja, er war in Alina verliebt und als sie sich von ihrem letzten Freund getrennt hatte, der ein richtiges Weichei gewesen war und sich von seiner Mutter noch die Wäsche hatte waschen lassen – mit zweiunddreißig! – hatte er gehofft, Alina werde endlich erkennen, dass er der einzig Richtige für sie war. Einige Male waren sie damals abends gemeinsam um die Häuser gezogen, aber dann war Dr. Sven Bremer aufgetaucht. Er wäre dem Mann am liebsten an die Gurgel gegangen.

»Natürlich ist es wahr«, sagte Bastian. »Anderen kannst du erzählen, was du willst, aber mir musst du nichts vormachen.«

»Auch wenn ich in sie verliebt bin, kann ich andere Menschen trotzdem noch beurteilen, und ich sage dir: Er passt nicht zu ihr, und ich kann ihn nicht leiden. Er ist nicht echt«, sagte Fritz.

Ein Kunde kam und verlangte Zigaretten und eine Zeitung. Fritz begrüßte ihn mit Namen und reichte ihm das Verlangte. »Bis morgen, Fritz«, erwiderte der Mann und eilte davon.

Fritz kannte alle Stammkunden seines Kiosks mit Namen, und er merkte sich jede Geschichte, die sie ihm erzählten. Das war, unter anderem, das Geheimnis seines Erfolgs. Er hatte den Kiosk von seinem Opa übernommen, der es ähnlich gehalten hatte. Seine Eltern waren nicht begeistert gewesen von seiner Entscheidung.

»Du hast doch was im Kopf!«, hatte sein Vater geschimpft. »Lern ein ordentliches Handwerk, das ernährt dich mit Sicherheit. Stattdessen setzt du dich in Opas Kiosk, hast nie Freizeit, keine Sicherheit, keinen Urlaub. Du hast doch gesehen, wie er sich sein Leben lang abgerackert hat, das kann doch nicht dein Ziel sein, Junge!«

Aber Fritz war bei seiner Entscheidung geblieben, wobei er nicht vorhatte, den Kiosk sein Leben lang zu betreiben. Aber ihm war nichts eingefallen, was er lieber getan hätte, jedenfalls zurzeit nicht. Vielleicht würde er ihn verpachten, wenn er etwas genauer wusste, was er mit seinem Leben anfangen wollte, aber gerade jetzt war es das, was er machen wollte. Er hatte das Sortiment erweitert, im Sommer ein paar Tische und Stühle aufgestellt, und er bot jetzt auch Kleinigkeiten zum Essen an. Es war mehr Arbeit, sicher, aber das machte ihm nichts aus. Er war sechsundzwanzig Jahre alt, hatte schon eine Weltreise hinter sich, als Rucksacktourist, und jetzt war er dabei, sich eine Existenzgrundlage zu schaffen. Seinen Opa jedenfalls hatte er glücklich gemacht, als er ihm gesagt hatte, er werde seinen Kiosk übernehmen, und darüber freute er sich noch immer, denn mittlerweile war sein Opa verstorben.

»Ich finde auch, dass Sven Bremer seltsam ist«, gab Bastian zu. »Er hat etwas Verklemmtes an sich. So, als müsste er immer an sich halten, dass ihm nicht aus Versehen etwas herausrutscht, was er auf jeden Fall für sich behalten will. Er ist nicht locker.«

Fritz warf ihm einen überraschten Blick zu. »Genau!«, sagte er. »Ich hätte das nicht so beschreiben können, aber es stimmt. Leider scheint Alina das anders zu sehen.«

»Warum sagst du ihr nicht einfach, dass du in sie verliebt bist? Vielleicht würde sie dann feststellen, dass sie auch in dich verliebt ist.«

»Quatsch! Sie ist nicht in mich verliebt, das ist doch offensichtlich. Ich bin wohl einfach nicht ihr Typ.«

Bastian betrachtete seinen Freund, dessen störrische blonde Haare immer vom Kopf abstanden, der leuchtend blaue Augen hatte und einen breiten Mund, der sich oft und gern zum Lächeln verzog. Viele Frauen himmelten ihn an, er hatte schon einige Freundinnen gehabt, aber seit Alina im Blumenladen nebenan arbeitete, war es um ihn geschehen, und er hatte keine andere Frau mehr angesehen.

Bastian verstand ihn. Alina war etwas ganz Besonderes: Ihre italienische Mutter hatte ihr das südländische Aussehen vererbt, die fast schwarzen Augen und die dichten dunklen Haare, die sie lang trug. Sie war eine temperamentvolle Schönheit, die überdies hart arbeiten konnte und ein außergewöhnliches Geschick für Blumensträuße, Kränze und Gestecke besaß. Seit sie bei Dora angestellt war, ging es mit dem Laden deutlich bergauf.

Und natürlich, dachte Bastian nicht ohne Ironie, waren unter den Kunden sehr viele Männer. Er war sicher, dass die meisten versuchten, mit Alina zu flirten. Na ja, so wie die meisten Frauen versuchten, mit Fritz zu flirten, nicht nur die jüngeren.

»Trotzdem«, sagte er, »wenn du eine Chance bei ihr haben willst, musst du ihr sagen, was du empfindest. Sie ist ja schließlich keine Hellseherin.«

Fritz schüttelte den Kopf. »Das ist der falsche Weg«, sagte er eigensinnig. »Glaub mir, sie muss von selbst darauf kommen, dass ihr Glück praktisch nebenan wohnt.«

Bastian grinste. »Jetzt wirst du auch noch poetisch.«

Eine Kundin kaufte zwei Illustrierte und eine Tüte Lakritz. »Bis morgen, Susi«, sagte Fritz.

»Übermorgen erst wieder – morgen ist mein Fastentag, da gibt es kein Lakritz.«

»Dann bis übermorgen.«

Susi lächelte Bastian zu, bevor sie ging.

»Sie mag dich«, stellte Fritz fest.

»Ich weiß«, seufzte Bastian, »aber sie ist echt nicht mein Typ. Und jetzt gehe ich, Alter, bis morgen vorm Kino.«

Bastian ging, und Fritz warf einen weiteren bösen Blick zum Blumenladen hinüber, dessen Tür sich in diesem Moment öffnete. Alina kam heraus und wurde von Sven Bremer mit einer etwas steifen Umarmung empfangen. Er sagte etwas, sie schüttelte den Kopf, dann drehte sie sich um und winkte Fritz zu.

Er winkte zurück, aber schon griff Sven nach ihrem Arm und zog sie mit sich.

Fritz seufzte. Zum Glück kam gleich darauf die nächste Kundin und lenkte ihn ab.

*

»Ist es Ihnen so recht, Frau Hartmann?«, fragte Alina Braunmühl, als sie ihrer Kundin den Rosenstrauß zeigte, den sie gerade für sie gebunden hatte – weiße Rosen mit zartem Grün.

Die Augen der alten Dame leuchteten auf. »Der Strauß ist wieder wunderschön, Frau Braunmühl. Bei Ihnen sieht man immer, dass Sie Ihre Arbeit lieben. Außerdem sind Sie eine Künstlerin.«

»Jetzt übertreiben Sie aber. In Papier, wie immer? Oder in Folie?«

»Nein, nein, wie immer. Was bekommen Sie?«

Nachdem Frau Hartmann bezahlt und den Laden verlassen hatte, kam Alinas Chefin, Dora Gerber, nach vorne in den Verkaufsraum. Sie hatte Büroarbeiten erledigt – alles, was mit Blumen zu tun hatte, überließ sie mehr und mehr ihrer Angestellten. Dora litt unter Rheuma. Langes Stehen, Bücken, schweres Heben, all das fiel ihr schwer. Für den Einkauf auf dem Großmarkt hatte sie zwei Hilfen engagiert, alles andere hatte nach und nach Alina übernommen. Dora machte keinen Hehl daraus, dass sie Alina als ihre Nachfolgerin ansah.

»War das Frau Hartmann, die gerade gegangen ist?«

»Ja, sie hatte sich ja dieses Mal weiße Rosen gewünscht.«

»Ich habe den Strauß gesehen, er war außergewöhnlich schön.«

»Oh, danke!«, sagte Alina, erfreut über dieses Lob. »Ich gebe mir bei Frau Hartmann immer besonders viel Mühe, ich mag sie einfach gern.«

Dora lächelte. »Sie mag dich auch gern.«

»Meinst du, sie kauft jede Woche einen Strauß, nur weil sie Blumen liebt?«

»Nur? Was ist das denn für eine Einstellung?«, rief Dora. »Blumen können das Herz erfreuen und einem den Tag verschönern. Vielleicht ist Frau Hartmann allein und braucht so eine kleine Freude.«

»Kann sein«, sagte Alina nachdenklich. »Ich traue mich nicht, sie danach zu fragen, obwohl wir uns ja immer ein bisschen unterhalten, wenn sie kommt. Aber ich möchte ihr nicht zu nahetreten. Ich habe jedenfalls immer den Eindruck, dass sie die Blumen nicht für sich kauft.«

»Vielleicht erzählt sie es dir eines Tages von sich aus.«

Dora ließ sich auf einen Hocker hinter dem Tresen sinken. Sie sah blass aus.

»Ich koche uns einen Tee, was hältst du davon?«, fragte Alina. Es war ihr schon vorher aufgefallen, dass ihre Chefin nicht gut aussah, sie hatte sicher wieder starke Schmerzen.

Dora nickte dankbar, also verschwand Alina in der kleinen Teeküche hinter dem Arbeitsraum, in dem sie die Sträuße für die Kundschaft banden und kehrte wenig später mit zwei dampfenden Bechern zurück.