Der neue Dr. Laurin 19 – Arztroman - Viola Maybach - E-Book

Der neue Dr. Laurin 19 – Arztroman E-Book

Viola Maybach

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Beschreibung

Die sensible Nina Erichsen war erst vierzehn, als sie ihre noch sehr­ junge Mutter Valerie durch Krebs verloren hat. Seitdem ist sie mit ihrem Stiefvater Per, den ihre Mutter erst drei Jahre vor ihrem Tod geheiratet hatte, allein. Sie haben sich immer gut verstanden, aber jetzt, sechs Jahre später, verändert sich ihre Beziehung. Eines Tages begreift Per, dass seine Gefühle für Nina nicht länger väterlicher Natur sind. Sie ist ernster als andere ihres Alters; wenn er mit ihr zusammen ist, vergisst er regelmäßig, dass sie so viel jünger ist als er. Seine Erkenntnis macht ihn unglücklich. Was soll aus dieser Liebe werden? Nina sieht den Vater in ihm, was auch sonst? Er bittet sie, sich eine eigene Wohnung zu suchen – eine Bitte, die sie zutiefst verletzt. Sie fühlt sich weggestoßen und im Stich gelassen. Er ahnt nicht, dass Nina sich mit ähnlichen Gedanken plagt wie er. Bei einem Besuch in Leon Laurins gynäkologischer Sprechstunde bricht die Wahrheit aus ihr heraus. Leon bleibt ruhig und fragt sie, was an dieser Liebe so schlimm wäre. Doch ausgerechnet jetzt tritt eine frühere Freundin wieder in Pers Leben. "Guck mal, da drüben ist Per", sagte Cleo Anders. "Sieht aus, als hätte er den halben Laden leergekauft." Nina Erichsen folgte dem Blick ihrer Freundin. Sie schaffte es, mit gleichmütiger Stimme zu sagen: "Er will heute Abend kochen." Dabei schlug ihr das Herz bis zum Hals, und nicht zum ersten Mal fragte sie sich, was plötzlich mit ihr los war. Per Ziemer war ihr Stiefvater. Ihre Mutter und er hatten geheiratet, als Nina elf Jahre alt gewesen war, vor neun Jahren also. Zur großen Freude ihrer Mutter hatten sie sich von Anfang an gut vertragen, aber das war auch nicht schwer gewesen. Nina kannte kaum jemanden, der Per nicht mochte. Er war ein so liebenswerter, kluger Mann! Valerie Erichsen hatte ihrer Tochter erst zwei Jahre nach der Hochzeit erzählt, warum sie so lange gezögert hatte, Per zu heiraten. "Er ist ja noch jünger als ich, Nina, und ich weiß, wie das ist, wenn man zu früh Verantwortung übernehmen muss. Ich war schließlich erst siebzehn, als ich dich bekommen habe!" "Aber Per war schon fünfundzwanzig, als ihr geheiratet habt, Mami! So jung ist das ja nun auch wieder nicht." "So, findest du?" "Ja, das finde ich. Außerdem ist Per nicht wie andere Männer." "Da hast du allerdings recht, aber ich dachte trotzdem, dass er noch gar nicht wissen kann, ob er es ernst meint mit mir.

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Der neue Dr. Laurin – 19 –

Kann das wirklich Liebe sein?

Nina und Per wären ein ungewöhnliches Paar

Viola Maybach

»Guck mal, da drüben ist Per«, sagte Cleo Anders. »Sieht aus, als hätte er den halben Laden leergekauft.«

Nina Erichsen folgte dem Blick ihrer Freundin. Sie schaffte es, mit gleichmütiger Stimme zu sagen: »Er will heute Abend kochen.«

Dabei schlug ihr das Herz bis zum Hals, und nicht zum ersten Mal fragte sie sich, was plötzlich mit ihr los war. Per Ziemer war ihr Stiefvater. Ihre Mutter und er hatten geheiratet, als Nina elf Jahre alt gewesen war, vor neun Jahren also. Zur großen Freude ihrer Mutter hatten sie sich von Anfang an gut vertragen, aber das war auch nicht schwer gewesen. Nina kannte kaum jemanden, der Per nicht mochte. Er war ein so liebenswerter, kluger Mann!

Valerie Erichsen hatte ihrer Tochter erst zwei Jahre nach der Hochzeit erzählt, warum sie so lange gezögert hatte, Per zu heiraten. »Er ist ja noch jünger als ich, Nina, und ich weiß, wie das ist, wenn man zu früh Verantwortung übernehmen muss. Ich war schließlich erst siebzehn, als ich dich bekommen habe!«

»Aber Per war schon fünfundzwanzig, als ihr geheiratet habt, Mami! So jung ist das ja nun auch wieder nicht.«

»So, findest du?«

»Ja, das finde ich. Außerdem ist Per nicht wie andere Männer.«

»Da hast du allerdings recht, aber ich dachte trotzdem, dass er noch gar nicht wissen kann, ob er es ernst meint mit mir. Und mit dir. Und was er sich mit uns beiden auflädt. Mit fünfundzwanzig Jahren eine elfjährige Tochter zu bekommen ist nicht gerade einfach, und ich wollte nicht noch einmal so etwas erleben wie mit deinem Vater.«

An dieses Gespräch erinnerte sich Nina sehr gut. Sie hatte es immer toll gefunden, eine so junge Mutter zu haben, und dann hatte sie sogar einen noch jüngeren Stiefvater bekommen! Ihre Freundinnen und Freunde waren samt und sonders neidisch gewesen. Ihren leiblichen Vater kannte sie nicht, sie hatte, nach allem, was sie von ihrer Mutter über ihn gehört hatte, auch nie das Bedürfnis gehabt, ihn kennenzulernen.

Aber kurze Zeit nach diesem Gespräch war Valerie krank geworden und dann, mit nur einunddreißig Jahren, an Krebs gestorben. Da hatte ihre Hochzeit mit Per gerade erst drei Jahre zurückgelegen.

Per und Nina waren also alleingeblieben, achtundzwanzig und vierzehn Jahre alt, vereint in tiefer Trauer um die Ehefrau und Mutter. Per hatte sich rührend um seine Stieftochter gekümmert, gemeinsam hatten sie das Leben ohne Valerie zu bewältigen gelernt. Sie waren, so hatte es einmal jemand ausgedrückt, ein gutes Team geworden.

Aber etwas begann sich zu verändern, und noch wusste Nina nicht, wie sie die Veränderung benennen sollte. Sie wusste nur, dass sie diese unheimlich fand, weil sich etwas zu verschieben begann, das bislang im Gleichgewicht gewesen war.

»Erwartet ihr Gäste?« Cleo kicherte. »So beladen, wie er ist, hat er mindestens zehn Personen eingeladen. Ich bin leider nicht dabei.«

»Ich dachte, du bist verabredet heute Abend? Per hätte sicher nichts dagegen, wenn du mitkämst zum Essen.«

»Nein, nein, ich habe nur Spaß gemacht, vergiss es. Ich gehe mit Abdel ins Kino.«

»Na, dann.« Nina warf ihrer Freundin einen prüfenden Blick zu. Sie war froh, dass sich das Gespräch allmählich von Per wegbewegte. »Abdel und du, wird das was?«

Cleo schüttelte entschieden die blonden Locken. »Auf keinen Fall.«

»Wieso nicht? Er ist doch nett!«

»Nett schon, aber mehr wie ein Kumpel. Ich bin null in ihn verliebt. Und ich glaube, er ist auch nicht in mich verliebt. Aber wir haben Spaß, wenn wir zusammen sind.«

Per war verschwunden mit seinen Einkäufen, zum Glück. Er kochte sehr gut und auch gerne. Wenn er so viel einkaufte, hatte er sich offenbar vorgenommen, ein großes Menü zuzubereiten.

Sie hatten sich eigentlich immer viel zu erzählen gehabt, aber seit neuestem gab es manchmal längere Gesprächspausen, eine Art Schweigen, die Nina als bedrückend empfand. Dann suchte sie verzweifelt nach einer Geschichte, die sie ihm erzählen konnte, nur damit sie sich nicht länger anschwiegen. Sie konnte sich diese Veränderung nicht erklären. Früher hatte es solche Probleme nicht gegeben.

Sie selbst war freilich schon immer eher ruhig und zurückhaltend gewesen. Aber in vertrauter Umgebung, mit Menschen, die sie gernhatte, konnte sie auch ausgelassen und fröhlich sein. Jedenfalls war es ihr bis vor Kurzem nie schwergefallen, während der gemeinsamen Mahlzeiten mit Per zu reden. Sie fragte sich, ob es eher an ihr lag oder an ihm.

Per unterrichtete an einem Gymnasium Deutsch und Englisch, er war ein sehr beliebter Lehrer, was Nina nicht wunderte. Er bemühte sich um jede Schülerin, jeden Schüler, und er hatte für ihre Nöte immer ein offenes Ohr. Außerdem bereitete er sich gründlich auf seinen Unterricht vor. Dass er darüber hinaus auch noch gut aussah mit seinen dichten braunen Locken und den schönen dunklen Augen, tat seiner Beliebtheit sicherlich keinen Abbruch. Manchmal erzählte er von Liebesbriefen, die er in der Jackentasche fand, aber er machte sich nie darüber lustig, sondern überlegte sich, wie er damit umgehen sollte, ohne die Absenderin zu kränken oder zu demütigen. Auch im Netz fanden sich gelegentlich anonyme Liebesbriefe an ihn.

»Was ist los?«, wollte Cleo wissen. »Du bist so still. Hast du Ärger, von dem ich nichts weiß?«

Nina riss sich zusammen. Sie wollte nicht über Per reden, nicht einmal mit Cleo. Vielleicht später einmal, wenn sie etwas klarer sah, so dass sie zumindest erklären konnte, was sich zwischen ihr und ihrem Stiefvater verändert hatte. »Nichts ist los«, behauptete sie und hoffte, dass sie überzeugend klang. »Ich bin bloß müde.«

Cleo nickte, das konnte sie verstehen. Sie machten beide eine Ausbildung zur Physiotherapeutin, dabei hatten sie sich auch kennengelernt und waren schnell Freundinnen geworden. Die Ausbildung war ziemlich fordernd, sie waren oft müde.

»Ich muss los«, sagte Cleo eine halbe Stunde später. »Ich will noch mal nach Hause, bevor ich mich mit Abdel treffe. Und dir wünsche ich ein tolles Essen mit deinem Stiefpapa.«

Sie verabschiedeten sich mit einer Umarmung voneinander, dann eilte Cleo beschwingt davon, während Nina den Heimweg bedeutend langsamer antrat. Sie besah sich etliche Schaufenster so gründlich, als überlegte sie, die betreffenden Läden zu betreten und etwas zu kaufen. Dabei nahm sie kaum wahr, was sie sah, sondern sie war in Gedanken bereits zu Hause, bei Per. Während er in der Küche arbeitete, gab es keine Probleme, die traten erst auf, wenn sie einander am Esstisch gegenübersaßen. Sie konnte ihm ja nicht einmal mehr unbefangen in die Augen sehen! Manchmal kam es ihr so vor, als säße ihr ein attraktiver fremder Mann gegenüber, der eine starke Anziehungskraft auf sie ausübte.

Das war natürlich blanker Unsinn, aber so ungefähr fühlte es sich für sie an, und das erschreckte sie.

Sie kam an der Kayser-Klinik vorbei, dort hatte sie in zwei Wochen einen Termin in der gynäkologischen Sprechstunde von Herrn Dr. Laurin, der die Klinik auch leitete. Sie fragte sich, ob es möglich wäre, mit ihm über ihre Gefühle zu sprechen. Dr. Laurin war ein guter Zuhörer. Sie hatte mit ihm schon öfter über ihre Mutter gesprochen, die er gekannt hatte. Jedes dieser Gespräche war hilfreich und tröstlich gewesen.

Nur: Was sollte sie ihm eigentlich sagen? Dass sie plötzlich Herzklopfen bekam, wenn sie ihren Stiefvater sah? Unmöglich, das würde sie niemals über die Lippen bringen!

Sie verlangsamte ihre Schritte abermals. Noch war sie nicht bereit, die Wohnung zu betreten, die Per und sie sich teilten. Sie brauchte noch ein bisschen Zeit für sich.

*

Per wusste genau, warum er beschlossen hatte, an diesem Abend aufwändig zu kochen: Er musste sich vor dem Gespräch, das er mit Nina zu führen gedachte, ablenken, sonst würde er nur tatenlos in der Wohnung herumlaufen und die Sätze, die er sagen wollte, unablässig in seinem Kopf wiederholen. Er wollte aber ruhig, abgeklärt, freundlich und bestimmt wirken – und möglichst normal. Leider fühlte er sich nicht so, im Gegenteil. Er fühlte sich niedergeschlagen, unglücklich, verwirrt. Er überlegte sogar, ob er psychologische Hilfe in Anspruch nehmen sollte, denn etwas stimmte ja ganz offensichtlich nicht mit ihm.

Wie sonst hätte es passieren können, dass er sich in seine eigene Stieftochter verliebt hatte? Nina war zwanzig, er war vierunddreißig. Er hatte dieses Mädchen mit aufgezogen und die Kleine geliebt wie seine eigene Tochter. Und er hatte Valerie geliebt, Ninas Mutter. Aber Valerie war vor sechs Jahren gestorben, und in diesen sechs Jahren war Nina zu einer beeindruckenden jungen Frau herangewachsen. Sie war nicht länger das Kind, das überglücklich gewesen war, auch endlich einen Papa zu haben, noch dazu einen so jungen, unternehmungslustigen. Sie war erwachsen, und jetzt liebte er nicht mehr ihre Mutter, die nicht mehr lebte, sondern sie.

Zuerst hatte er versucht, sich einzureden, dass er seine Stieftochter jetzt natürlich anders liebte als zuvor, eben weil sie kein Kind mehr war. Natürlich liebte man eine erwachsene Tochter anders als ein kleines Mädchen, aber er hatte nur versucht, sich selbst etwas vorzumachen. Die Wahrheit war: Er liebte Nina überhaupt nicht mehr wie eine Tochter, sondern wie eine junge, begehrenswerte Frau.

Er hatte lange gebraucht, bis er sich das eingestehen konnte, und jetzt, da er sich selbst nichts mehr vormachte, empfand er seine Gefühle als Unrecht. Auch wenn sie nicht seine leibliche Tochter war, so hatte er sie doch in den Jahren vor Valeries Tod immer nur als Tochter gesehen. Sie war sein Kind. Dieses Kind durfte er nicht so lieben, wie er es jetzt tat. Er durfte Nina nicht begehren. So sah er das, aber er kam gegen seine Gefühle nicht an. Wenn er nur daran dachte, dass sie jemals erfahren könnte, wie es in ihm aussah, wurde ihm übel. Sie würde ihn verachten und wahrscheinlich nie wieder ein Wort mit ihm sprechen.

Deshalb musste er heute dieses schwierige Gespräch mit ihr führen und dabei unbedingt freundlich, aber vor allem bestimmt auftreten. Sie würde seinen Wunsch nicht verstehen und nach den Gründen fragen. Das war sein Schwachpunkt, er wusste es. Die Gründe klangen vorgeschoben – aus einem einfachen Grund: weil sie es waren, denn was wirklich hinter seinem Wunsch steckte, konnte er ihr ja nun einmal nicht sagen.

Er versah das Huhn mit der Füllung, die er zuvor hergestellt hatte, band es zu und bepinselte es mit einer Öl-Kräutermischung, bevor er es in den Ofen schob. Nina würde bald kommen. Eigentlich hätte sie längst zu Hause sein sollen. Wahrscheinlich war sie aufgehalten werden.

Er war dabei, die Suppe zu würzen, als er hörte, wie sie die Wohnungstür öffnete. Er wappnete sich für das, was kommen würde, atmete noch einmal tief durch und wandte sich ihr zu, als sie von der Tür her sagte: »Hallo, Per, tut mir leid, dass es etwas später geworden ist.«

»Nicht so schlimm«, antwortete er, »ich hatte genug zu tun. Du kommst genau zur rechten Zeit. Hoffentlich hast du guten Appetit mitgebracht.«

Sie nickte und trat näher, während sie schnupperte. »Huhn?«, fragte sie.

»Ja, gefülltes Huhn mit Süßkartoffelpüree, davor eine Suppe, die Nachspeise verrate ich noch nicht.«

»Gibt es einen Grund dafür, dass du so aufwändig gekocht hast?«

Er zögerte, aber nur kurz. Sie jetzt anzulügen wäre mit Sicherheit ein Fehler, also sagte er: »Ja, ich muss etwas mit dir besprechen. Aber das heben wir uns für später auf. Zuerst erzähl mir, was du heute erlebt hast. Das Huhn braucht noch eine Dreiviertelstunde, aber mit der Suppe können wir bald anfangen.«

Sie kam seiner Aufforderung nach, alles wirkte ganz normal. Per entspannte sich allmählich. Vielleicht lief der Abend ja besser als befürchtet.

*

Leon Laurin begab sich ins Untergeschoss der Klinik, um seinem Schwiegervater den ersten Besuch an seinem neuen ›Arbeitsplatz‹ abzustatten. Professor Dr. Joachim Kayser, der die Kayser-Klinik seinerzeit gegründet und die Leitung schließlich an Leon übertragen hatte, war vor Wochen in der Klinik aufgetaucht und hatte erklärt, er brauche etwas zu tun. Und er hatte auch schon eine Idee gehabt, was das sein könnte: Er wollte das Archiv mit den Patientenakten auf den neuesten Stand bringen, also digitalisieren.

Leon war angetan gewesen von der Idee, denn bisher hatte sich niemand dieser Arbeit annehmen wollen, weil es immer so viel Wichtigeres zu tun zu geben schien. Und auch ohne solche zusätzlichen Aufgaben waren natürlich alle mehr als ausgelastet.

Daraufhin war unten, in einem recht kleinen Raum neben dem Archiv, Joachim Kaysers Büro eingerichtet worden, mit allem, was er für die Arbeit brauchte, und heute war der Tag, an dem er seine Arbeit aufgenommen hatte.

Er klopfte und trat ein, nachdem jemand von drinnen etwas geantwortet hatte.

»Ach, du bist es«, begrüßte der Professor seinen Schwiegersohn. »Das geht ja hier zu wie im Taubenschlag. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viele Leute schon bei mir vorbeigekommen sind, um sich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, dass der ehemalige Klinikchef jetzt tatsächlich im Keller sitzt und eine Arbeit erledigt, die bisher jede Sekretärin abgelehnt hat.«

Er klang bei seinen Worten ziemlich vergnügt, fand Leon. Aber er hatte sich diese Arbeit ja auch selbst ausgesucht.

»Darf ich dir einen Kaffee anbieten? Wie du siehst, hat man mich mit einer ziemlich guten Kaffeemaschine ausgerüstet. Überhaupt kann ich nur sagen, dass meine Ausstattung hier unten großzügiger ausgefallen ist, als ich es erwartet hätte.«

»Für den Klinikgründer war uns kein Aufwand zu groß.« Leon lächelte breit bei diesen Worten. »Ich nehme gern einen Kaffee, zumal diese beiden Sesselchen sehr gemütlich aussehen. Setzt du dich einen Moment zu mir oder hast du zu viel zu tun?«

»Zehn Minuten kann ich erübrigen, aber dann will ich Ruhe zum Arbeiten haben. Ich brauche noch ein Schild ›Bitte nicht stören‹, das ich bei Bedarf an die Tür hängen kann. Sonst bilden sich alle, die gerade nichts zu tun haben, ein, sie könnten mal auf einen Schwatz bei mir hereinschauen, und ich komme mit meiner Arbeit nicht weiter. So habe ich mir das nicht vorgestellt. Niemand soll denken, dass ich nur in die Klinik komme, um die Zeit totzuschlagen.«

»Ich wüsste nicht, wer das denken könnte«, erwiderte Leon. »Sehr gut, dein Kaffee.«