Der neue Landdoktor 4 – Arztroman - Tessa Hofreiter - E-Book

Der neue Landdoktor 4 – Arztroman E-Book

Tessa Hofreiter

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Beschreibung

"Der neue Landdoktor" zeichnet sich gegenüber dem Vorgänger durch ein völlig neues Konzept aus. Es wird noch größerer Wert auf Romantik, Spannung und sich weiterdichtende, zum Leben erwachende Romanfiguren, Charaktere und Typen gelegt. Eines darf verraten werden: Betörend schöne Frauen machen dem attraktiven Landdoktor schon bald den Hof. Und eine wirkliche Romanze beginnt... "Ratet mal, was mir eben passiert ist!" Emilia Seefeld stürmte grußlos in die Küche und ließ sich auf einen Stuhl am gedeckten Abendbrottisch fallen. Ihre grauen Augen blitzten, also konnte es nur eine gute Überraschung gewesen sein. Unternehmungslustig schaute sie ihre Familie an. "Na? Nun ratet doch mal! "Du hast einen Mega-Popstar getroffen", schlug ihr Vater vor. "Papa!" Emilia verdrehte genervt die Augen. "Na, dann eben einen berühmten Filmstar!" Ihr Vater, der junge Doktor Seefeld, konnte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, seine Tochter ein wenig aufzuziehen. "Bitte? Ausgerechnet hier in Bergmoosbach?" Aus dem Mund der pubertierenden Vierzehnjährigen klang es, als lebte man an dem verschlafenen Ort, an dem sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. "Welcher Promi würden sich denn wohl schon hierher verirren!" "Hm, lass mich mal überlegen. Vielleicht dieser attraktive Grauhaarige, der vor kurzem diese ebenso schöne wie kluge Staranwältin geheiratet hat? Er ist doch der absolute Frauenschwarm." Ihr Vater zog sie immer noch auf, obwohl er wusste, wie leicht er damit einen Gewittersturm heraufbeschwören konnte. Den warnenden Blick seines eigenen Vaters beantwortete er mit einem verstohlenen Augenzwinkern. "Mensch, Papa, der ist doch voll alt!", stöhnte Emilia und verdrehte wieder angenervt die Augen. "Also bitte, sooo alt ist er nun auch wieder nicht. Dieser Mann ist keine zehn Jahre älter als ich!", entgegnete Sebastian Seefeld milde empört. "Sag ich doch, voll alt!", konterte Emilia.

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Der neue Landdoktor –4–

Glück im Doppelpack

Roman von Tessa Hofreiter

»Ratet mal, was mir eben passiert ist!« Emilia Seefeld stürmte grußlos in die Küche und ließ sich auf einen Stuhl am gedeckten Abendbrottisch fallen. Ihre grauen Augen blitzten, also konnte es nur eine gute Überraschung gewesen sein. Unternehmungslustig schaute sie ihre Familie an. »Na? Nun ratet doch mal!

»Du hast einen Mega-Popstar getroffen«, schlug ihr Vater vor.

»Papa!« Emilia verdrehte genervt die Augen.

»Na, dann eben einen berühmten Filmstar!« Ihr Vater, der junge Doktor Seefeld, konnte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, seine Tochter ein wenig aufzuziehen. »Bitte? Ausgerechnet hier in Bergmoosbach?« Aus dem Mund der pubertierenden Vierzehnjährigen klang es, als lebte man an dem verschlafenen Ort, an dem sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. »Welcher Promi würden sich denn wohl schon hierher verirren!«

»Hm, lass mich mal überlegen. Vielleicht dieser attraktive Grauhaarige, der vor kurzem diese ebenso schöne wie kluge Staranwältin geheiratet hat? Er ist doch der absolute Frauenschwarm.« Ihr Vater zog sie immer noch auf, obwohl er wusste, wie leicht er damit einen Gewittersturm heraufbeschwören konnte. Den warnenden Blick seines eigenen Vaters beantwortete er mit einem verstohlenen Augenzwinkern.

»Mensch, Papa, der ist doch voll alt!«, stöhnte Emilia und verdrehte wieder angenervt die Augen.

»Also bitte, sooo alt ist er nun auch wieder nicht. Dieser Mann ist keine zehn Jahre älter als ich!«, entgegnete Sebastian Seefeld milde empört.

»Sag ich doch, voll alt!«, konterte Emilia. »Kann ich bitte mal das Brot haben? Und wollt ihr nun endlich wissen, was los ist, oder interessiert euch das mal wieder nicht?«

»Natürlich wollen wir das, Emmchen«, sagte ihr Großvater beruhigend. Seinem Sohn warf er einen warnenden Blick zu. »Dein Papa hat doch nur Spaß gemacht.«

Emilia verdrehte gereizt die Augen. Sie war in einem Alter, in dem man Späßchen des eigenen Papas alles andere als witzig findet. Aber die ruhige Freundlichkeit ihres Großvaters glättete ihr gesträubtes Gefieder, und ihre gute Laune kehrte zurück. Sie strahlte übers ganze Gesicht. »Ich werde Brautjungfer!«

»Wie schön, Emmchen!«, rief Traudel Bruckner. Sie war viel mehr als nur die Haushälterin, sie war die gute Seele des Doktorhauses. »Und jetzt lass mich mal raten: Du wirst die Brautjungfer von Marie Höfer?«

»Ist das nicht genial? Ich war heute auf dem Ebereschenhof, und da haben sie und Ben mich gefragt, ob ich die Brautjungfer sein will.« Emilias kindliche Begeisterung brachte den ganzen Raum zum Leuchten. »Ich freu mich so, das wird bestimmt eine ganz, ganz tolle Hochzeit, und Marie wird wunderschön aussehen und Ben auch, und ich brauch unbedingt was Neues zum Anziehen, und was tut so eine Brautjungfer eigentlich?«, sprudelten ihre Fragen in die Runde.

Ihr Vater griff bedächtig nach den Salzflocken und streute sie über sein leckeres Tomatenbrot. »Tja, wie gut, dass wir unsere Traudel haben!«, meinte er. »Für das Protokoll in Sachen Brautjungfern fühle ich mich leider nicht zuständig.«

Traudel lächelte. »Du wirst die Braut begleiten, ihr beim Ankleiden helfen und bei der Trauung, wenn sie mit ihrem Mann die Ringe wechselt, den Brautstrauß halten. Du tust halt alles, was eine gute Freundin tut, damit es der Braut an ihrem Ehrentag gut geht. Ein schönes Kleid für dich ist Ehrensache, und es wird bestimmt viel Spaß machen, das gemeinsam mit Marie auszusuchen.

Und weißt du, warum es überhaupt den Brauch mit den Brautjungfern gibt? Früher glaubten die Menschen an böse Geister und wollten sich vor ihnen schützen, vor allem dann, wenn ein glückliches Ereignis stattfinden sollte. Das konnte nämlich leicht den Neid der bösen Geister wecken. Wenn jetzt also eine Hochzeit gefeiert wurde, dann musste die Braut von Jungfern in schönen Kleidern umgeben sein. Das würde den Geist verwirren, denn er konnte ja nicht erkennen, wer die eigentliche Braut war. So konnte er keinen Schaden anrichten und musste unverrichteter Dinge wieder abziehen.«

»Mann, was die Leute früher so alles geglaubt haben!«, meinte Emilia. »Da bin ich aber froh, dass wir heute leben!«

»Beim Stichwort glauben fällt mir übrigens noch etwas ein«, sagte Sebastian Seefeld ganz unschuldig. »Ich glaube, gehört zu haben, dass morgen eine Mathe-Arbeit geschrieben wird. Und ich glaube auch, gehört zu haben, dass dafür noch einiges zu lernen war?«

»So, Papa, jetzt hast du’s mir aber gegeben, was?« Herausfordernd blitzte Emilia ihren Vater an. »Weil ich auf dem Ebereschenhof war und über Brautjungferzeug geredet habe, anstatt Mathe zu lernen, gell? Ha! Da wirst du dich aber wundern! Ich hab nämlich Mathe gelernt! Mit Benjamin! Der ist Zimmermann, und als Zimmermann muss man sehr gut in Mathe sein!«, trumpfte sie auf.

Sebastian, der selbst gern mit seiner Tochter arbeitete, guckte etwas sparsam. Sein Vater klopfte ihm liebevoll auf den Arm und meinte: »Der Punkt geht an Emilia, mein Sohn.«

Der junge Arzt seufzte. »Ihr habt wohl recht. Ich muss halt noch lernen, dass mein kleines Mädchen jetzt ein großes Mädchen ist und viele Dinge alleine auf die Reihe bringt, ohne dass ich dafür sorgen muss.«

»Och, Papa, gib nicht auf, du machst das schon ganz toll! Manchmal.« Emilia warf ihm ein Kunsthändchen zu und widmete sich dann wieder mit Hingabe den aufgebratenen Knödeln auf ihrem Teller. »Hmm, lecker, Traudel. Niemand kocht so gut wie du!«

*

So sehr man sich im Doktorhaus über die Nachricht gefreut hatte, dass Emilia Brautjungfer werden sollte, so wenig Begeisterung löste das in einem anderen Haus, nur wenige Straßen entfernt, aus. In der Wohnung über dem Friseursalon Glamour lag knisternde Spannung in der Luft! Lisa Ecker, die selbsternannte Starfriseurin von Bergmoosbach und angebliche beste Freundin Maries, beklagte sich lang und breit, weil eine andere als Brautjungfer ausgewählt worden war. Auch die Vorstellungen der Braut hinsichtlich der Kleidung wurden wild kritisiert: »Dirndl und Flechtfrisur, was du für einen Geschmack hast!«

»Einen guten!«, antwortete Marie selbstbewusst und lachte glücklich. »Den habe ich doch wohl in der Auswahl meines Lebensgefährten bewiesen.«

Lisa nickte und versuchte, ihren Gesichtsausdruck unter Kontrolle zu halten. Sie würde niemals verstehen können, was den attraktiven Benjamin Lauterbach an diese Langweilerin band! Und sie würde sich auch niemals damit abfinden!

In der Vergangenheit hatte Lisa bereits versucht, durch geschicktes Reden Maries Zweifel an dieser neuen Liebe zu schüren und eine Trennung zu erreichen. Während Lisa den attraktiven Benjamin früher für sich selbst beanspruchte, hatte sie inzwischen erkannt, dass er sich niemals für sie interessieren würde. Deshalb ging es ihr nur noch darum, aus purer Bosheit die glückliche Beziehung zu zerstören. Mit einer Mischung aus falscher Freundlichkeit, Dreistigkeit und Geduld beobachtete sie das junge Paar und spann ein dunkles Netz, mit dem sie die Liebe von Marie und Ben zu Fall bringen wollte.

*

Leuchtender Sonnenschein geleitete das Brautpaar durch seinen Hochzeitstag. Als Marie fertig geschmückt vor dem Spiegel stand, konnte sie kaum an das glauben, was sie dort sah. Diese junge Frau, strahlend vor Glück und erfüllter Liebe, sollte sie sein?

Die junge Frau trug ein wadenlanges Dirndl in wunderschön harmonierenden Grün- und Lila-Tönen. Dezente weiße Doppelpünktchen, die in den Stoff eingewebt waren, unterstrichen das traditionelle Aussehen des Kleides. Miederhaken und Kette aus feinem Silber verzierten das Oberteil. Die festliche Eleganz dieses Dirndls wurde durch einen eleganten Stehkragen unterstrichen, der sich um Maries zarten Nacken schmiegte. Vervollständigt wurde das Kleid durch eine weiße Dirndlbluse aus feinster Baumwolle mit zierlichen Spitzenkanten.

Ihre dunklen Haare waren in einer Flechtfrisur sanft aus dem Gesicht geführt und im Nacken zu einem weichen, lockigen Knoten zusammengesteckt. Winzige cremefarbene Rosenblüten schimmerten zwischen den einzelnen Haarsträhnen.

»So ist es richtig, gell, Mama? So hast du es dir für mich gewünscht«, flüsterte Marie. Sie schickte ein Lächeln hinauf zu ihren Eltern in die Ewigkeit. »Ich weiß, dass ihr heute bei mir seid.«

Dann griff sie nach ihrem Brautstrauß, einem kleinen, wunderhübschen Kunstwerk aus cremefarbenen Rosen, zartem Frauenmantel, grünem Blattwerk und grünen Brombeeren, die erst kurz davor standen, ihren tiefdunklen Farbton zu entwickeln. Alles passte perfekt zu den Farben ihres Dirndls.

Als es an der Tür klopfte, drehte sie sich tief ausatmend zu ihrem Mann um und schaute ihm lächelnd entgegen. Benjamin war sprachlos von ihrem Anblick. Dieses wunderschöne Wesen war seine Frau! Die Frau, mit der er sein Leben teilte, seine Gefährtin am Tag und in der Nacht. Und die Hüterin ihres größten Schatzes: Sie trug ihr Kind unter dem Herzen.

Er konnte nichts gegen die Tränen tun, die in ihm aufstiegen. Der Gedanke, dass sie jetzt eine Familie waren, berührte ihn in der Tiefe seiner Seele. Er nahm ihre Hand und schaute sie mit einem Blick an, in dem sein ganzes Herz lag.

»Sind wir bereit, Marie?«, fragte er leise.

Seine tiefe, zärtliche Stimme und sein vertrauensvoller Blick hüllten Maries ganzes Wesen ein, und sie antwortete: »Ja, wir sind bereit, Benjamin!«

Seite an Seite gingen sie die Treppe hinunter zu den wartenden Freunden. Eine niedliche, aufgeregte Brautjungfer geleitete sie zu der mit Blumen geschmückten Kutsche, und der Brautzug setzte sich in Bewegung.

*

Abends erstrahlten auf dem Ebereschenhof Haus und Garten im Licht vieler Kerzen. Die Gäste saßen an weiß gedeckten Tischen oder bewegten sich zwanglos zwischen den Räumen innen und dem duftenden Garten. Es wurde getanzt und gelacht, man hielt zwei, drei herzliche Reden auf das Glück des Paares, dessen Liebe und Verbundenheit mit Händen zu greifen war. Sowohl Marie als auch Ben hatten keine nahen Familienangehörigen mehr und freuten sich von Herzen über den Kreis der Freunde, die ihnen Familie geworden waren.

Benedikt Seefeld tanzte wie ein Brautvater mit Marie, die er gerührt anschaute. »Wo ist denn nur die Zeit geblieben? Es war doch gerade erst gestern, dass du hier geboren wurdest und später als kleines Mädchen an der Hand der Mutter in meine Praxis getrippelt kamst.«

»Ja, die Zeiten ändern sich«, lächelte Marie ihren väterlichen Freund an. »Und vieles bleibt gleich. Du weißt ja, Benedikt. Es dauert gar nicht mehr lange, und dann kommt wieder ein kleines Mädchen oder ein kleiner Bub an der Hand der Mutter in eure Praxis.«

»Ich freue mich sehr für euch!« Der ältere Mann strahlte übers ganze Gesicht. »Ihr könnt es sicher kaum erwarten. Wann ist es denn soweit?«

»Na ja, ein bisschen Zeit haben wir noch«, sagte sie und schaute hinunter auf ihren Bauch, der sich so schön und verheißungsvoll unter ihrem seidenen Schürzenband wölbte. »Zur Adventszeit wird es wohl kommen.«

»Jetzt, da du es sagst …«, schmunzelte Benedikt. »Ich als alter Arzt hätte es eigentlich erkennen müssen. Wo hatte ich nur meine Augen?«

»Dirndl sind eben sehr kleidsam mit ihren weiten Röcken und Schürzen«, lachte Marie. Sie tanzte aus den Armen Benedikt Seefelds in die seines Sohnes Sebastian und von ihm wieder an die Seite ihres Mannes. Mit allen Sinnen genoss sie ihren Ehrentag und war die strahlende Königin dieses Festes.

Auch Lisa hatte sich für die Hochzeitsfeier geschmückt, nur wie so oft, kannte sie dabei kein Maß. Sie trug ein hautenges Kleid aus schimmerndem dunkelrotem Stoff, das ihre üppigen Kurven wirklich äußerst knapp umschloss. Seitlich war das Kleid fast bis zur Hüfte geschlitzt, und es hatte einen tiefen Ausschnitt. Ihr blondiertes Haar umspielte in wilden Locken und Wellen ihre nackten Schultern. Statt der üblichen riesigen Creolen trug sie lange Ohrgehänge aus funkelndem Strass, die bei jeder Kopfbewegung verführerisch über ihren Hals streiften. Die Augen hatte sie tiefschwarz betont, und ihr Schmollmund leuchtete mit dem Rot ihres Kleides um die Wette. Sie trank zu viel, und im Laufe des Abends wurden ihr Gang und ihre Art zu tanzen immer sinnlicher. Freigiebig verteilte sie Küsse und Umarmungen, was von den anderen Gästen teils amüsiert, teils missbilligend wahrgenommen wurde.

»Meine Güte, trägt dieses verrückte Huhn überhaupt Unterwäsche unter ihrem roten Fummel?«, murmelte Traudel, als sie mit einem Teller voller Schmankerln am Buffet neben ihrer Freundin stand.

»Glaub mir, das willst du nicht wirklich wissen«, meinte diese augenzwinkernd.

Traudel nickte ein wenig geistesabwesend. Sie beobachtete Lisa, die gerade neben Marie stand und freundschaftlich ihren nackten Arm um die Schultern der Braut legte. Im Dämmerlicht wirkte es für einen Augenblick so, als gleite eine hautfarbene Schlange um den Hals der jungen Frau.

»Marie, was für ein schönes Fest du hast!«, flötete Lisa. »Es ist wirklich, wirklich toll, obwohl es so viel kleiner und bescheidener ist als damals deine Hochzeit mit Fabian, gell?«

Marie beschloss, diese Taktlosigkeit zu überhören. »Es freut mich, dass es dir gefällt«, antwortete sie und befreite sich aus der Umarmung ihrer Freundin. »Ich sehe dort drüben die Fanny, bei der hab ich heute noch gar nicht gesessen. Ich gehe mal rüber zu ihr.«

Lisa stand nur einen Augenblick allein und nahm sich gerade ein frisch gefülltes Sektglas, als eine sehr tiefe und warme Männerstimme neben ihr fragte: »Na, Lisa, amüsierst du dich gut?«

»Ah, der glückliche Bräutigam!«, gurrte Lisa. Sie lächelte mit feucht glänzenden Lippen. Ihr Blick glitt anzüglich über Gesicht und Körper des Mannes. Sie seufzte tief. Was für ein außerordentlich gut aussehender und attraktiver Kerl dieser Benjamin Lauterbach war!

Ein ausgesprochen männliches Gesicht mit blau-grünen Augen, glänzenden dunkelblonden Haaren und einem sinnlichen Mund, der von einem gepflegten Bart gerahmt wurde. Ben war sehr groß und breitschultrig, man sah seinem durchtrainierten Körper an, dass er schwere Arbeit gewohnt war. Dennoch wirkte der Mann nicht schwerfällig; im Gegenteil, seine Art, sich zu bewegen, erinnerte an die geschmeidige Kraft eines eleganten Raubtiers.

Lisa seufzte erneut, und ihre Augen verschleierten sich. Diese vollen, männlichen Lippen zu küssen, sich mit diesem prachtvollen Körper im Rhythmus der Liebe bewegen zu können… und das nur für die hausbackene Marie mit ihrer Flechtfrisur und dem spießigen Dirndl, was für eine Verschwendung! Was würde sie, Lisa, mit diesem herrlichen Kerl an ihrer Seite hermachen! Im Bergmoosbacher Alltag hätte sie mit diesen angesehenen Jungunternehmer an ihrer Seite und im Bett jede Menge Spaß. Die Art von Spaß, die er mit seinem schwangeren Frauchen jetzt bestimmt vermisste. Man sollte …

»Lisa? Ist dir nicht gut? Du schaust ein wenig … weggetreten aus«, sagte Ben und trat einen Schritt zur Seite. Lisas Hand, die eben noch unter sein Jackett hatte schlüpfen und über seine Brust streichen wollen, fiel ins Leere. Ben schüttelte lachend den Kopf. »Mir scheint, du hast genug für heute, Lisa! Wir sollten schauen, dass wir dich nach Hause bekommen.«

»Ich hab noch lange nicht genug, und das weißt du genau!«, flüsterte sie heiser. Sie schaute ihm nicht in die Augen, sondern ihr gieriger Blick saugte sich an seinen Lippen fest.

Ben runzelte irritiert die Stirn. Selbst wenn man einen kleinen Schwips in Rechnung stellte – das hier ging entschieden zu weit.

»Wir haben auch noch gar nicht genug getanzt«, gurrte Lisa, schlang die Arme um seinen Hals und schmiegte sich schamlos an seinen Körper. Sie wiegte sich im Takt der Musik und beobachtete Ben aus halb geschlossenen Augenlidern.

Jetzt gelang es ihm kaum noch, seinen Ärger zu beherrschen. Mit einem harten Griff befreite er sich aus Lisas Umarmung und schob die Frau ein gutes Stück von sich weg. »Es reicht!«, sagte er böse. »Du gehst jetzt besser!«

Lisa kicherte und schwankte leicht in dem harten Griff, mit dem er ihre Handgelenke umfasst und sie auf Abstand hielt.

»Ist alles in Ordnung?« Wie aus dem Boden gewachsen stand Traudel plötzlich neben der jungen Frau in ihrem billigen Fummel.

»Upsi, das war wohl ein bisschen zu viel Sekt für mich«, kicherte Lisa.

»Scheint so!«, antwortete Ben. Er wollte eine Szene auf seiner Hochzeit vermeiden, aber es war deutlich, dass er Lisas Benehmen nicht weiter höflich umgehen würde. Wenn es sein musste, würde er sie vor die Tür setzen!

Die lebenserfahrene Traudel hatte die Situation sofort richtig eingeschätzt. Sie nickte Ben zu und fasste energisch nach Lisas Arm. »Du gehörst ins Bett!«, sagte sie entschieden.

Lisa kicherte wieder. »Da sagst du was, ehrenwerte Traudel. Was meinst du, hier gibt’s doch bestimmt ein Gästezimmer? Ob ich vielleicht hier ins Bett gehen kann?« Ihr Blick glitt von Ben zu Marie, die mit einem der Freunde tanzte, und blieb provozierend an dem gewölbten Bauch haften. »Eure Hochzeitsnacht würde ich ja nicht mehr groß stören!«, fügte sie anzüglich hinzu.

Am liebsten hätte Traudel ihr einen Klaps auf ihr loses Mundwerk gegeben! »Es reicht!«, sagte sie scharf. »Du fährst sofort!«

»Ja, wie denn, du selbst ernannter Wachhund!«, erwiderte Lisa mit ätzendem Spott. »Du willst doch nicht verantworten, dass ich mich jetzt hinters Steuer setze?«

»Ich fahre!«, antwortete Traudel knapp.

Sie verstaute Lisa auf dem Rücksitz ihres Wagens und setzte sich vorn neben Emilia, die müde, aber mit glänzenden Augen von der Hochzeit schwärmte. »Ach, Traudel«, seufzte das Mädchen, »glaubst du, wenn ich mal heirate, wird es auch so schön wie bei Marie und Ben?«

Ehe Traudel antworten konnte, meldete sich Lisa von der Rückbank zu Wort. »Was, du willst nicht die ganz große Show? Mit weißem Kleid, das mit Strass bestickt ist, und meterlanger Schleppe und Schleier und einem Blumengebinde, das dir bis zu den Füßen reicht?«

»Nee! Ich will doch keine Glitzershow, ich will eine richtig schöne Hochzeit! Eine mit Herz und Stil, eben in der Art wie heute«, antwortete Emilia verträumt.

Gutes Kind!, dachte Traudel und griff liebevoll nach der Hand des Mädchens. »Du wirst deine Traumhochzeit bekommen, Emmchen, verlass dich drauf!«

Der Rest der Fahrt verlief schweigend, jede der drei Frauen hing ihren eigenen Gedanken nach. Vom Streckenverlauf her hätte Traudel eigentlich Lisa zuerst bei sich absetzen können, aber sie fuhr einen kleinen Umweg über das Doktorhaus. »Leg dich schon schlafen, Emmchen, in ein paar Minuten bin ich wieder da. Ich bringe nur eben noch Lisa nach Hause«, sagte sie.