E-Book 41-45 - Michaela Dornberg - E-Book

E-Book 41-45 E-Book

Michaela Dornberg

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Beschreibung

Im Sonnenwinkel ist eine Familienroman-Serie. Schauplätze sind der am Sternsee gelegene Sonnenwinkel und die Felsenburg, eine beachtliche Ruine von geschichtlicher Bedeutung. Mit Michaela Dornberg übernimmt eine sehr erfolgreiche Serienautorin, die Fortsetzung der beliebten Familienserie "Im Sonnenwinkel". Michaela Dornberg ist mit ganzem Herzen in die bezaubernde Welt des Sonnenwinkels eingedrungen. Sie kennt den idyllischen Flecken Erlenried und die sympathische Familie Auerbach mit dem Nesthäkchen Bambi. Michaela Dornberg ist mit gn. anzem Herzen in die bezaubernde Welt des Sonnenwinkels eingedrungen, sie kennt die so sympathische Familie des Professors Auerbach mit dem Nesthäkchen Bambi inzwischen schon besser als jeder andere. Die geliebte kleine Bambi wird in den neuen Romanen für besondere Furore sorgen, und eine erfrischend engagierte junge Ärztin wird den Sonnenwinkel gehörig aufmischen. E-Book 1: E-Book 2: E-Book 3: E-Book 4: E-Book 5:

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Der neue Sonnenwinkel – Box 8 –

E-Book 41-45

Michaela Dornberg

Ein Unglück kommt selten allein

Doch Inge Auerbach behält die Nerven

Eigentlich hatte Pamela Auerbach sich auf ihr Fahrrad geschwungen, um sich ihren Frust abzustrampeln. Sie war sauer, dass sie vergebens in Hohenborn in ihrer Schule gewesen war. Mehr noch ärgerte sie, dass niemand es für nötig gehalten hatte, die Schülerinnen und Schüler zu informieren. Sie waren schließlich bis mittags bereits in der Schule gewesen, und das am Nachmittag sollte ein Ersatzunterricht für viele ausgefallene Chemiestunden sein. Und nun war der ebenfalls ins Wasser gefallen. Also wirklich, bei ihrem Schwager Fabian wäre so ein Schlendrian nie passiert. Schade, dass nicht er der Direktor am Hohenborner Gymnasium war.

Sie war extra auf einen Seitenweg abgebogen, um niemandem zu begegnen, um schneller fahren zu können. Und nun das hier! Pamela gingen sehr viele Gedanken durch den Kopf.

Was sollte sie jetzt tun?

Es ignorieren, einfach so tun als habe sie nichts gesehen und weiterfahren?

Schon wollte sie wieder auf ihr Fahrrad steigen, als sie es sich doch anders überlegte. Sie stellte ihr Fahrrad an den Stamm einer alten, dicken Eiche, dann ging sie auf das in einem Gebüsch liegende andere Fahrrad zu. Sie kannte es, es war auch nicht zu übersehen mit seiner knallblauen Farbe und den darauf gemalten pinkfarbenen Blumen. Und sie kannte die Besitzerin. Sie mochte beides nicht, das auffallende Fahrrad nicht und dessen Besitzerin auch nicht.

Doch darum ging es jetzt nicht. Es beschäftigte sie eine ganz andere Frage. Wieso lag das Fahrrad im Gebüsch, ausgerechnet hier am Sternsee, den die Besitzerin abscheulich fand und in dessen Nähe sie auch überhaupt nicht wohnte.

Sollte sie nicht doch einfach so tun, als habe sie nichts gesehen und weiterfahren?

Nein, es ging nicht. Da waren einfach zu viele Ungereimtheiten. Bei diesem Fahrrad handelte es sich um ein eigens angefertigtes Designerstück, und die Blumen hatte eine Künstlerin draufgemalt, die für ihre Blumenstillleben berühmt war.

So ein Fahrrad schmiss man nicht einfach ins Gebüsch! Und wieso hier, abseits des Hauptweges, der in der Regel von den Leuten genutzt wurde. Es war alles sehr merkwürdig.

Pamela ging noch einmal zu dem Fahrrad, wollte es aus dem Gebüsch ziehen, doch dann ließ sie es bleiben. Sie glaubte zwar nicht, dass da etwas Schlimmes dahintersteckte, aber sollte es ein Tatort sein, so wusste sie, dass man an dem nichts verändern sollte.

Jetzt ging die Fantasie wirklich mit ihr durch, dachte sie beinahe belustigt. Auf jeden Fall war ihre schlechte Laune weg.

Es gab ja noch eine ganz einfache Erklärung, schoss es ihr durch den Kopf. Die Besitzerin des Fahrrades war sehr unbeliebt, sie war eingebildet, kam sich als etwas Besonderes vor, dabei war sie dumm wie Brot, denn sonst wäre sie nicht schon zweimal sitzen geblieben und hätte Ehrenrunden gedreht. Es konnte doch sehr gut sein, dass jemand ihr einen Streich spielen wollte und das Fahrrad hierhergebracht hatte. Das würde auch erklären, warum es auf einem Seitenweg im Gebüsch lag.

Dieser Gedanke erleichterte Pamela ungemein. Dennoch rief sie mehrmals: »Rautgundis?«

Das würde die, sollte sie sich irgendwo in der Nähe aufhalten, ungemein ärgern. Sie hieß so nach ihrer Großmutter, der sie ihren ganzen Wohlstand zu verdanken hatte. Rautgundis fand ihren Namen grässlich, bestand darauf, nur Gundi genannt zu werden. Doch alle am Gymnasium wussten, wie man dieses hochnäsige Ding ärgern konnte. Und das wollte Pamela jetzt. Die neue Bluse, die ihre Mama für sie genäht hatten, fanden alle toll. Sie hatte Rautgundis ebenfalls gefallen, denn ihrem Gesicht hatte man den Neid angesehen. Statt sich mit ihr zu freuen, hatte sie die Bluse heruntergemacht als das Machwerk einer Hausfrau. Ihre Mutter war eine begnadete Schneiderin, das sagte die Frau im Stoffladen auch immer. Und selbst wenn, warum war es schlecht, wenn Hausfrauen etwas nähten?

Rautgundis war eine dumme Nuss, aber jetzt kam Pamela alles ein wenig merkwürdig vor.

Als auf ihr Rufen keine Reaktion kam, versuchte sie es erneut, sie ging in das Gebüsch hinein.

Nichts!

Ja, es musste so gewesen sein, jemand wollte Rautgundis einen Streich spielen und hatte das Fahrrad hierhergebracht. Sie war zwar nicht mit ihr in einer Klasse, doch auf dem Schulhof würden sie sich sehen, und dann würde sie diesem arroganten Mädchen sagen, wo sie ihr Fahrrad finden würde. Und Rautgundis würde kochen vor Wut.

Für einen Augenblick überlegte Pamela, bei ihr anzurufen und ihr das jetzt schon zu erzählen. Dann entschied sie sich dagegen. Sollte sie ruhig noch ein wenig schmoren.

Sie lief noch einmal zur anderen Seite, wiederholte ihr Rufen, und weil keine Reaktion kam, ging sie zurück, warf einen letzten Blick auf das auffällige Fahrrad, dann nahm sie ihres vom Baumstamm weg, doch sie fuhr nicht weiter. Dazu war ihr die Lust vergangen. Sie fuhr zurück.

Sie überlegte, wer Rautgundis wohl diesen Streich gespielt hatte? Da fielen ihr viele Namen ein. Es gab nur ein paar Mädchen und Jungen, die sich um Rautgundis versammelten, und das nicht, weil sie die mochten, sondern weil die sich ihre Gefolgschaft erkaufte.

Eines fragte sie sich dennoch.

Warum hatte man das Fahrrad ausgerechnet an den See gebracht? Um sie zu ärgern, hätte es doch auch gereicht, es irgendwo in Hohenborn zu verstecken. Beispielsweise im Park oder so.

Steckte doch etwas anderes dahinter?

Pamela hielt an. Sollte sie noch einmal zurückfahren, noch mal rufen? Das hatte sie doch getan. Außerdem konnte sie sich nicht vorstellen, dass Rautgundis selbst mit dem Fahrrad in den Sonnenwinkel gekommen war, an einen Ort, den sie nicht mochte. Pamela konnte sich auch durchaus vorstellen, warum das so war. Hier konnte sie nicht herumstolzieren mit ihrer aufreizenden Kleidung, niemand würde sie bewundern. Rautgundis war nicht nur dumm, sie war auch ausgesprochen eitel.

So, und jetzt genug davon. Sie mochte das Mädchen nicht, und dafür beschäftigte sie sich viel zu sehr mit ihr.

Rautgundis und ihr dämliches Fahrrad konnten ihr gestohlen bleiben. Designerrad hin oder her, sie würde sich auf dieses Blümchending niemals setzen, das wäre ihr peinlich.

Pamela radelte nach Hause, stellte ihr Fahrrad in die Garage, weil sie es heute ganz gewiss nicht mehr benutzen würde.

Ihre Mutter war noch immer mit ihren Kreuzworträtseln beschäftigt und blickte ganz erstaunt auf, als sie ihre Tochter sah.

»Du bist schon zurück, Pamela?«, erkundigte sie sich. »Dann kann dein Frust ja nicht so groß gewesen sein.«

Pamela zögerte.

Sollte sie ihrer Mutter das mit dem Fahrrad erzählen?

Nein, so wichtig war es nun auch wieder nicht. Sollte ihre Mama nur ihre Rätsel machen. Sie ging an den Kühlschrank, holte sich etwas zu trinken, dann bemerkte sie: »Ich gehe hinauf in mein Zimmer und höre etwas Musik.«

Sagte es, verschwand, Inge Auerbach blickte ihrer Jüngsten ein wenig irritiert hinterher.

Was war mit Pamela los? Da stimmte etwas nicht. Und hatte es nicht ausgesehen, als habe sie ihr etwas sagen wollen? Nein!

Inge erinnerte sich an die Worte ihrer Mutter, die immer wieder sagte, sie solle damit aufhören, sie glaube immer, die Flöhe husten zu hören.

Inge seufzte, legte ihren Stift aus der Hand, griff nach ihrer Kaffeetasse, um etwas zu trinken. Es traf zu, sie machte sich wirklich Sorgen um alles, und das meistens vergebens.

Pamela war jung, in einem Alter, in dem man sich manchmal selbst im Wege stand. Sie hatte einfach keine Lust gehabt, um den See zu radeln. Was für Hannes gut war, das musste es nicht für Pamela sein. Die beiden hatten war eine besonders enge Bindung zueinander, doch sie waren schon sehr verschieden.

Hannes …

Der hatte sich nur kurz gemeldet, dass er gut in Brenlarrick angekommen sei, dass es ihm gut gehe und dass er es kaum erwarten könne, mit seiner Arbeit zu beginnen.

Tischler wollte er werden, und da machte es keinen Unterschied ob Möbel- Kunst- oder ein anderer Tischler.

Er studierte wieder nicht.

Inge war da zwar nicht so militant wie ihr Werner, der für Hannes eine akademische Laufplan geplant hatte, doch gefallen würde es ihr schon. Aber des Menschen Wille war sein Himmelreich, und ihr Jüngster machte eh, was er wollte. Da unterschied er sich gewaltig von seinen Geschwistern. Vielleicht lag es wirklich daran, dass er ein Sonntagskind war.

Ehe sie anfing zu grübeln, wandte Inge sich lieber wieder ihrem Kreuzworträtsel zu. Sie kaufte sich regelmäßig Rätselhefte und hatte den Ehrgeiz, alle Rätsel zu lösen, ohne auf den Seiten mit den Lösungen nachzusehen.

Wo hatte sie aufgehört? Ach ja, da … ›italienisches Reisgegericht‹, das war einfach, das musste natürlich Risotto heißen. Bald war sie wieder vertieft, es störte sie nicht einmal die Musik, die jetzt durchs Haus hämmerte.

*

In ihrem schönen Zimmer angekommen, schloss Pamela erst einmal das Fenster, denn im Garten tobten Luna und Sam herum, die wahrscheinlich gerade einen Schmetterling verbellten.

Pamela liebte ihre Luna über alles, doch mittlerweile hatte sie auch Sam in ihr Herz geschlossen, und ihr ging das Herz auf, wenn sie das Zweigestirn in schwarz und weiß sah.

Und ihr Herz ging noch immer auf beim Anblick ihres Zimmers. Nachdem Hannes ihr angeboten hatte, in sein bisheriges Zimmer zu ziehen, weil er sich bei seinen Besuchen im Elternhaus mit einem Gästezimmer begnügen würde, hatte sie natürlich sofort zugegriffen, nachdem sie zuvor ziemlich traurig gewesen war, weil das ja bedeutete, dass Hannes niemals mehr für immer in den Sonnenwinkel zurückkehren würde.

Pamela drehte die Musik laut, warf sich auf ihr Bett, Hannes hatte ihr die CD geschenkt, und die Musik war auch supercool. Jetzt konnte sie die nicht genießen, weil sie immer wieder an das auffällige Fahrrad denken musste.

Und wenn nun Rautgundis doch etwas geschehen war?

Das Fahrrad gehörte eindeutig ihr, und wo das war, konnte die Besitzerin nicht weit sein.

Ihre Gedanken drehten sich im Kreis.

Sie war sauer auf sich selbst. Warum war sie überhaupt vom Hauptweg abgebogen? Andernfalls hätte sie dieses dämliche Fahrrad nicht gesehen und müsste sich jetzt keine Gedanken machen. Ausgerechnet um das Mädchen, das sie von der ganzen Schule am wenigsten mochte. Die hatte vielleicht überhaupt noch nicht bemerkt, dass ihr Fahrrad weg war, die saß jetzt bei Calamini, aß Eis und würde hämisch darüber lachen, wenn sie wüsste, dass diese Pamela Auerbach sich ihretwegen Gedanken machte.

Pamela sprang hoch, sie machte die Musik aus.

Was sollte sie jetzt bloß tun?

Noch mal zu der Stelle fahren, an der das Fahrrad im Gebüsch lag?

Doch wozu sollte das gut sein, sie war herumgelaufen, hatte mehr als nur einmal gerufen.

Sie versuchte, sich für die Deutschklausur vorzubereiten, keine Chance. Ihre Gedanken flatterten durcheinander wie ein aufgescheuchter Bienenschwarm.

Dass das Fahrrad dort lag, das war nicht normal, denn der Sternsee war nicht die Rennstrecke von Rautgundis.

Wäre sie doch bloß nicht mit ihrem Fahrrad zum See gefahren, dann wäre ihr alles erspart geblieben, dann müsste sie sich keine Gedanken machen.

Irgendwann hielt Pamela es in ihrem Zimmer nicht länger aus, sie polterte hinunter.

Ihre Mutter machte noch immer Kreuzworträtsel. Wäre Pamela nicht so mies drauf, hätte sie jetzt gelacht. Wenn sie einmal damit begann, dann rätselte ihre Mama wirklich bis zur Selbstaufgabe.

»Auch keine Lust auf Musik, mein Mädchen?«, erkundigte Inge sich. »Vielleicht Lust auf Kakao? Auf Himbeereis, selbst gemacht, mit ganz viel Sahne?«

Normalerweise liebte Pamela beides, diesmal kam eine Antwort, sie setzte sich hin.

»Mama, ich muss dir was sagen«, ihre Stimme klang leise und irgendwie bedrückt. Sofort legte Inge den Stift beiseite, schaute ihre Jüngste an.

Pamela zögerte erst noch ein wenig. Im Grunde genommen war doch nichts passiert. Im Gebüsch am See lag ein Fahrrad. Da musste man keine Staatsaktion draus machen.

Sie entschloss sich, es ihrer Mutter doch zu erzählen.

»Mama, es muss keine Bedeutung haben, doch dieses Fahrrad ist so was wie ein Heiligtum für Rautgundis, mit dem gibt sie an. Wieso liegt es im Gebüsch? Ausgerechnet am Sternsee, den sie öde findet?«

Natürlich hoffte Pamela darauf, jetzt von ihrer Mutter beruhigt zu werden. Das Gegenteil war der Fall.

»Pamela, es ist gut, dass du mir das jetzt erzählt hast. Wir fahren jetzt am besten gemeinsam zum See zu der Stelle, an der das Fahrrad liegt, ja?«

Pamela hatte zwar auf eine andere Antwort gehofft, doch irgendwie war sie erleichtert, dass ihre Mutter das jetzt in die Hand nahm.

Sie hatte zwar vorgehabt, ihr Fahrrad an diesem Tag nicht mehr zu bewegen, doch kurze Zeit später radelte sie neben ihrer Mutter her. Und gäbe es nicht diesen Hintergrund, dann würde es sogar Spaß machen.

Ihre Sorge, jemand könne inzwischen das Fahrrad gestohlen haben, war unbegründet. Es lag noch immer im Gebüsch, auch Inge fasste es nicht an. Sie gingen beide in verschiedene Richtungen auf die Suche, riefen ihren Namen. Nichts geschah.

»Wir rufen im Elternhaus von Rautgundis an, und wenn sie nicht daheim ist, rufen wir die Polizei«, entschied Inge, und Pamela ärgerte sich, dass sie nicht von selbst auf den Gedanken gekommen war.

Es dauerte eine ganze Weile, bis sich jemand meldete, dann wurde Inge gesagt, dass die Herrschaften für zwei Tage verreist seien und Gundi mit ihrem Fahrrad das Haus verlassen habe, um zu einer Freundin zu fahren, bei der sie vielleicht sogar übernachten wolle.

Inge bedankte sich. Sehr viel schlauer waren sie jetzt nicht, auf jeden Fall konnten sie sich von der Theorie verabschieden, jemand habe das Fahrrad hierher gebracht, um dem Mädchen einen Streich zu spielen.

»Wir rufen die Polizei an«, entschied Inge, die auf einmal ein sehr komisches Gefühl hatte. Vermisstenmeldungen ging man normalerweise nicht direkt nach, erst nach vierundzwanzig Stunden. Doch sie stand noch immer mit dem reizenden und tüchtigen Polizeihauptkommissar in Verbindung, seit sie vor gefühlten Ewigkeiten nicht nur eine Einbrecherbande daran gehindert hatte, im Sonnenwinkel ans Werk zu gehen. Nicht nur das, sie hatte den Hauptübeltäter zur Strecke gebracht, nachdem der zuvor versucht hatte, sie umzubringen.

Henry Fangmann meldete sich direkt, und Inge war sehr erleichtert, von ihm zu hören, dass er vorbeikommen würde. Sie sollten auf ihn warten, nichts anrühren. Es waren Worte, wie man sie aus Filmen kannte.

Pamela fiel ihrer Mutter um den Hals.

»Ich bin so froh, dass ich dir alles gesagt habe und du direkt alles in die Hand genommen hast. Es kann wirklich nicht schaden, allerbeste Kontakte zu unseren Freunden und Helfern zu haben. Gut, dass du Herrn Fangmann kennst, sonst hätte doch niemand sofort reagiert. Und weißt du was, wenn wir nach Hause kommen, dann hätte ich doch sehr gern ein Himbeereis mit Sahne. Ich finde, auf diesen Schreck habe ich das auch verdient … Ich mag diese Rautgundis wirklich nicht leiden, doch ich will auch nicht, dass ihr etwas passiert ist. Mama, ihr ist doch nichts passiert, oder?«

Inge strich ihrer Tochter beruhigend über die üppigen braunen Locken.

»Ich glaube nicht, doch darum müssen wir uns jetzt keinen Kopf mehr zerbrechen, bei Kriminalhauptkommissar Fangmann ist alles in besten Händen.«

Es dauerte nicht lange, da traf der auch ein, und umsichtig wie er war, hatte er auch Verstärkung mitgebracht. Die Männer hörten sich noch einmal an, was Pamela und ihre Mutter zu sagen hatten.

»Das war sehr klug von dir«, lobte er Pamela. »Man kann nicht aufmerksam genug sein.«

Pamela und ihre Mutter konnten gehen, die Männer berieten sich. Offensichtlich wollten sie schon jetzt mit der Suche beginnen.

Ein wenig gruselig war es schon, obwohl die Polizeibeamten nicht einmal Uniformen trugen.

Hoffentlich war Rautgundis nichts passiert. So schlimm, dass man ihr nur das Schlechteste wünschen konnte, war sie nun auch wieder nicht. Ein paar gute Seiten hatte sie schon. Auf jeden Fall nahm Pamela sich etwas ganz fest vor. Wenn Rautgundis wieder gesund und unversehrt in die Schule kam, würde sie das Mädchen fortan ebenfalls nur noch Gundi nennen. So, doch nun freute sie sich erst einmal auf das Himbeereis von ihrer Mama mit ganz viel Sahne …

*

Manchmal wünschte Roberta sich, aus einem bösen Traum zu erwachen in eine heile Welt, in der alles in Ordnung war. Leider erfüllten sich manche Wünsche nicht, und das war jetzt einer davon.

In ihrem Beruf als Ärztin erlebte sie alle menschlichen Höhen und Tiefen, kam mit Freude und Leid in Verbindung. Da warf sie niemals etwas aus der Bahn, da konnte sie mit allem sehr gut umgehen. Doch es war alles ganz, ganz anders, wenn man selbst betroffen war.

Seit Solveig, Lars’ Schwester, zu ihr gekommen war, um ihr ganz schonend beizubringen, dass Lars in der Arktis verschollen war und alle Suchaktionen nach ihm und seinen beiden Begleitern mittlerweile abgebrochen worden waren, hatte für sie die Welt sich aufgehört zu drehen, war sie in ein ganz tiefes Loch gefallen. Seitdem funktionierte sie nur noch, und sie wunderte sich manchmal selbst, dass ihr keine ärztlichen Fehler unterliefen. Da half ihr auf jeden Fall ihre Berufserfahrung.

Noch merkte niemand etwas, weil niemand etwas wusste. Klar wurde darüber geredet, dass da eine Frau im kleinen Haus war, gewiss hatten die ganz Neugierigen mitbekommen, dass Sachen abtransportiert wurden. Zum Glück wurde das ganze Getratsche an sie nicht herangetragen, doch es war bloß eine Frage der Zeit, da würde auch sie etwas dazu sagen müssen. Niemandem im Sonnenwinkel war verborgen geblieben, dass sie und Lars Magnusson ein Paar waren.

Lars …

Sie musste nur an seinen Namen denken, und schon hatte sie mit ihrer Selbstbeherrschung zu kämpfen, und wenn sie die Ringe, mit denen er ihre Zukunft, ihr gemeinsames Leben, besiegeln wollte, in der Nähe ihres Herzens spürte, glaubte sie den Verstand zu verlieren.

Lars hatte sie heiraten wollen, dazu hatte er die Ringe bereits gekauft!

Er hatte zu ihr ins Doktorhaus ziehen wollen, in dem sie als Mann und Frau, und später gewiss auch mit Kindern, leben wollte.

Ein Wunschtraum wäre für sie in Erfüllung gegangen, und es zerriss sie beinahe, wenn sie daran dachte, dass der Traum ihres Lebens sich nun nie erfüllen würde.

Lars war in der Arktis verschollen …

Die Suchaktion nach ihm und seinen beiden Begleitern war ergebnislos abgebrochen worden …

Roberta war nicht dumm, und auch wenn sie sich geradezu verzweifelt wünschte, man möge ihn irgendwo finden, er möge auftauchen, weil man an der falschen Stelle gesucht hatte …

Das war alles Wunschdenken, die Realität sah ganz anders aus. Sie musste beginnen, sich damit abzufinden, dass sie Lars nie mehr in ihrem Leben treffen würde und ebenso musste sie sich damit abfinden, dass es kein Grab gab, an dem sie um ihn weinen, an dem sie mit ihm sprechen konnte.

Lars Magnusson mit seinen unglaublich blauen Augen war aus ihrem Leben verschwunden, und eigentlich passte es zu ihm, dass es auf eine so spektakuläre Weise geschehen war. Roberta wurde den Gedanken nicht los, warum es ihn noch einmal in die Arktis getrieben hatte. Mit seinem Buch über die Eisbären und deren Lebensraum hatte er große Erfolge gefeiert, hatte sogar einen begehrten Preis dafür bekommen. Mehr ging eigentlich nicht.

Was hatte er da gesucht? Was war ihm so wichtig gewesen, dass er dafür die Vulkane in Island vergessen hatte und die scheuen Highland-Tiger in Schottland?

Sie musste damit aufhören, sich diese Fragen immer wieder zu stellen. Sie würde keine Antwort darauf erhalten. Eines war nur ganz gewiss – die Arktis, die er liebte, die ihm große Erfolge beschert hatte, die war ihm zum Verhängnis geworden.

Die Mittwochsprechstunde hatte sie irgendwie hinter sich gebracht, und Roberta war froh, dass keine Hausbesuche anlagen.

Dass es einmal so weit kommen würde, hätte sie nicht für möglich gehalten. Aus einer Ärztin beinahe aus Besessenheit war eine geworden, die funktionierte, die gewissenhaft ihre Pflichten tat.

Sie klappte die letzte Krankenakte zu, ihre tüchtige Ursel Hellenbrink war bereits gegangen. Natürlich wusste die Bescheid, und es zerriss sie beinahe, wenn sie ihre verehrte Chefin in diesem Zustand sah. Das Schicksal war manchmal wirklich ungerecht. Warum musste das ausgerechnet dieser Frau passieren, die unermüdlich den Menschen half, für sie da war?

Natürlich sprach sie das nicht aus, doch Roberta spürte, wie sehr Ursel sich bemühte, ihr das Leben ein wenig leichter zu machen.

Bei allem Elend konnte Roberta froh sein, dass sie jemanden wie Ursel hatte. Doch auch Alma und vor allem ihre Freundin Nicki waren rührend um sie bemüht. Nicki war sofort gekommen, und sie war geblieben, obwohl der Sonnenwinkel nicht so ihr Ding war. Vor allem verdiente sie während der Zeit hier kein Geld, und sie wollte von Roberta auch nichts annehmen.

Und das war es. Neben ihrem großen Schmerz um den Verlust der Liebe ihres Lebens kamen die Schuldgefühle wegen Nicki hinzu. Anfangs war sie wie betäubt gewesen, und es war schön, jemanden wie Nicki an ihrer Seite zu haben, eine Person, die ihr vertraut war, die sie kannte, vor der sie keine Geheimnisse hatte, die sie auffing. Mit Nicki war sie schon durch dick und dünn gegangen, an deren Seite hatte sie ihre unschöne Scheidung von Max sehr viel besser überstanden. Ach Gott, Max, damals hatte sie sehr gelitten, doch gegen das, was sie derzeit empfand, war es nicht viel mehr gewesen als ein Spaziergang durch einen Rosengarten.

Lars …

Mit den Gedanken an ihn schlief sie ein, mit den Gedanken an ihn wachte sie auf, und wenn sie dann auf die Fotos blickte, die sie überall aufgestellt hatte und die beinahe schon wie ein Museum wirkten, nahm es ihr den Atem, dann zerriss es sie vor lauter Schmerz, und dennoch wusste, sie, dass es irgendwie weitergehen würde. Es ging immer weiter.

Sie versuchte, sich von allen Gedanken an Lars zu befreien.

Das Leben ging weiter.

Kurz entschlossen verließ sie endgültig die Praxisräume, ging nach nebenan in ihre Wohnräume. Früher hatte sie sich immer darüber gefreut, wie angenehm es war, dass Arbeits- und Privaträume so dicht beieinander lagen. Heute konnte sie sich überhaupt nicht mehr freuen, sie fühlte sich erloschen, abgestorben, alles war ihr egal.

Alma war bereits seit dem frühen Morgen unterwegs, sie und ihr Chor wollten einem Jubilar ein Ständchen bringen und waren alle auch zu der Feier eingeladen worden. Es war schön, dass Alma fest in ihrem Leben etabliert war, und Roberta wollte nicht mehr daran denken, wie es gewesen war, als sie sich kennengelernt hatten. Nein, zurückblicken, das brachte nichts, und sie war noch nicht in der Lage, sich Almas Schicksal als Beispiel zu nehmen. Auch an dem Spruch – wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her. Tröstliche Worte, doch die konnte sich nur jemand ausdenken, der sich nicht in der Lage befand, in der alles ringsum erloschen war.

Nicki wartet bereits auf sie.

»Du bist spät dran, Roberta, und ich hoffe, du bist nicht böse, dass ich schon mal gegessen habe. Ich konnte Alma dazu überreden, für uns Kohlrouladen zuzubereiten, und ich wollte eigentlich nur mal probieren. Doch dann war es um mich geschehen, ich konnte nicht anders, ich musste anfangen zu essen.«

»Ich habe eh keinen Hunger«, sagte Roberta, »ich will nur etwas trinken.«

Nicki blickte ihre Freundin ganz betrübt an. So ging es jeden Tag, Roberta war nur noch ein Schatten ihrer selbst. Doch was sollte sie machen? Sie konnte sie nicht zwingen zu essen.

»Du weißt nicht, was dir entgeht, Roberta, die Kohlrouladen sind so was von lecker, da kann man sich reinlegen.«

Trotz ihres Elends musste Roberta lächeln, so war sie, ihre Freundin Nicki.

»Also gut, damit du Ruhe gibst, werde ich ebenfalls etwas essen«, gab Roberta schließlich nach, »aber ich nehme mir das lieber selber, weil du es sonst zu gut mit mir meinst.«

Nicki atmete sichtlich erleichtert auf.

»Und weil es so lecker ist und ich so etwas so schnell nicht mehr bekommen werde, esse ich eine zweite Portion.«

Nicki tat sich noch einmal ganz ordentlich etwas auf ihren Teller, dann blickte sie betrübt auf das, was Roberta sich genommen hatte. Es war nicht einmal eine Kinderportion. Aber besser wenig als überhaupt nichts.

Nicki aß voller Behagen, Roberta stocherte in ihrem Essen herum und zwang sich, wenigstens ein wenig zu essen, weil sie die Blicke ihrer Freundin spürte und die nicht bekümmern wollte.

Als sie nach den Essen einen Kaffee tranken, sagte Roberta: »Nicki, es macht mir ein schlechtes Gewissen, dass du immer noch hier bei mir bist, statt deiner Arbeit nachzugehen. Ich weiß nicht, wie ich es ohne deine Hilfe geschafft hätte, doch jetzt komme ich allein zurecht.«

Nicki blickte ihre Freundin zweifelnd an, weil sie sich das nicht vorstellen konnte. Andererseits stimmte es schon, niemand konnte Roberta den Schmerz nehmen, der wegen des Verlustes ihres Lebensmenschen in ihr tobte. Aber sie jetzt allein lassen?

Roberta nahm sich zusammen, bot all ihre Kraft auf, Nicki davon zu überzeugen, dass sie wirklich allein klarkommen würde.

Nicki zögerte.

»Nicki, du kannst auch für mich da sein, wenn du wieder daheim bist. Ich weiß doch, dass ich dich Tag und Nacht anrufen kann, es liegen keine Welten zwischen uns, du kannst schnell zu mir kommen, ich ganz schnell zu dir fahren. Und dann gibt es all die anderen Kommunikationsmöglichkeiten, mit denen man ständig in Verbindung sein kann. Ich merke immer mehr, dass es etwas mit mir macht, dich hier festzuhalten mit dem Wissen, dass du kein Geld verdienen kannst, aber dass du auch von mir nichts annehmen möchtest.«

Roberta blickte ihre Freundin an.

»Nicki, es würde mir viel leichter machen zu wissen, dass du wieder in dein altes, gewohntes Leben zurückkehrst. Es ist ja nicht nur die Arbeit, du hast schließlich auch ein Privatleben, und dein Freund Pete …«

Roberta wurde sofort von Nicki unterbrochen.

»Wegen Pete musste du dir überhaupt keine Sorgen machen, liebste Freundin. Er ist nicht mein Freund, nicht einmal so etwas wie ein Lebensabschnittsgefährte …, mit Pete habe ich wirklich nicht mehr als unverbindlichen Spaß, weil er so anders ist, so unkompliziert, weil er nichts erwartet. Und wenn er weiterzieht, dann werde ich ihm keine einzige Träne nachweinen. Vielleicht ist er ja auch schon weg, wer weiß.«

Roberta stellte ihre Tasse ab.

»Heißt das, dass er überhaupt nicht weiß, dass du hier bei mir bist?«, erkundigte Roberta sich ganz erstaunt.

Nicki schüttelte den Kopf, konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen.

»Nein, das weiß Pete nicht. Wozu auch? Ich sagte bereits, dass das mit ihm unverbindlich ist. Ich bin nicht in ihn verliebt. Die Nikola Beck von früher wäre vermutlich voll auf ihn abgefahren. Du weißt doch, wie ich drauf war, in jeder Männerbekanntschaft sah ich meinen Mr Right und war furchtbar enttäuscht, dass sie alle nach den Werbewochen doch nicht mehr als ein Frosch waren. Man kann manche Frösche unentwegt küssen, und doch wird aus ihnen kein Prinz.« Sie wurde wieder ernst.

»Roberta, ich glaube, das, was du mit deinem Lars …«, sie wollte sagen, erlebt hast, besann sich jedoch und fuhr fort: »Lars und dich verbindet die ganz große Liebe, von der wir alle träumen und die wir leider selten erleben.«

Roberta blickte nachdenklich auf den Kaffeelöffel, den sie in der Hand hielt und mit dem sie herumspielte. Dann nickte sie.

»So richtig bewusst geworden ist es mir erst jetzt, da ich ihn verloren habe.« Ihre Stimme klang schmerzerfüllt, sie war dem Weinen nahe.

Natürlich wusste Nicki, dass es aller Wahrscheinlichkeit auch so war, doch manchmal musste man zu etwas greifen, was dem anderen wenigstens vorübergehend half, ihm ein wenig Hoffnung machte.

»Roberta, so etwas möchte ich aus deinem Munde nicht hören. Wo ist die Frau geblieben, die stets sagt, dass man die Hoffnung nicht aufgeben soll? Solange man ihn nicht gefunden hat, lebt Lars für mich. Und ich kann nur wiederholen, dass er sich in der Arktis auskennt wie in seiner Westentasche, dass er auch an einem anderen Ort sein kann, und wenn …«

Diesmal war es Roberta, die ihre Freundin unterbrach.

»Nicki, lass es gut sein, ich weiß, dass du mir helfen möchtest. Wenn du falsche Hoffnungen in mir erweckst, dann tust du das nicht. Nein, nein, ich fühle es, Lars ist nicht mehr am Leben, und es gab genug Vorzeichen, die darauf hindeuteten, der schwarze Vogel auf meinem Auto, als ich aus seinem Haus kam, die Uhr, die stehen geblieben war. Das habe ich dir doch alles erzählt.«

»Hast du, du hast allerdings vergessen, dass du normalerweise an einen solchen Hokuspokus, wie du das immer nennst, nicht glaubst, das ist meine Domäne. Und weil ich mich da so gut auskenne, sage ich, dass du dir da etwas vorgaukelst, weil du es so haben möchtest. Das Haus steht allein am See, umgeben von Bäumen. Da ist es nicht verwunderlich, dass sich ein Vogel auch mal auf einem Autodach niederlässt. Und dass eine Uhr mal stehen bleibt, das ist auch normal. Dafür gibt es eine ganz einfache Erklärung. Bei dem, was du alles am Hals hast, wirst du vergessen haben, die Uhr wie üblich aufzuziehen. Schaff dir endlich eine automatische Uhr an, die läuft lange, ehe die Batterie ihren Geist aufgibt.«

Ach, die Nicki, die hatte für alles eine Erklärung, dabei war Roberta ganz tief in ihrem Inneren davon überzeugt, dass auch Nicki nicht daran glaubte, dass Lars Magnusson noch am Leben weilte. In der Arktis konnte man sich nicht wie in einem Wald verlaufen.

Roberta war froh, ihre Freundin davon endgültig zu überzeugen, dass sie jetzt allein zurechtkommen würde. Nicki würde also am nächsten Morgen abfahren, doch den Tag wollten sie noch gemeinsam miteinander verbringen, und abends würden sie in den ›Seeblick‹ gehen. Nicki war noch nicht dort gewesen, seit die nette Julia Herzog für ihr Restaurant den Stern bekommen hatte. Anfangs war es für Nicki schwierig gewesen, in den ›Seeblick‹ zu gehen, weil da immer überall Roberto präsent gewesen war, dem sie sehr lange nachgetrauert hatte, obwohl sie es gewesen war, die gegangen war.

Es war vorbei. Mit Roberto Andoni hatte sie eine wunderbare Zeit verbracht, doch wenn sie sich ansah, wie, wo und mit wem er jetzt lebte, wusste sie, dass das mit ihnen nicht auf Dauer gegangen wäre. Sie war kein Familienmensch, und offensichtlich war das für Roberto wichtig. Sie musste es gespürt haben, dass es für sie keinen gemeinsamen Weg gab. Doch als er dann seine neue Liebe präsentiert hatte, war sie sauer gewesen, hatte es nicht haben wollen. Menschen und ihre Gefühle konnten manchmal so kompliziert sein. Davon konnte sie ein Lied singen, schließlich hatte es nach Roberto weitere Lieben gegeben, alle ohne Happy End. Nein, es war gut so, erst einmal für sich allein zu leben, mit einem netten Nachbarn, einer unverbindlichen Affäre.

»Ich freue mich, Julia Herzog wieder zu treffen, es ist zu bewundern, wie sie das mit dem Stern durchgezogen hat.«

Roberta bestätigte es, sagte nichts dazu, dass Julia einen hohen Preis dafür gezahlt hatte, nämlich den Verlust ihrer Liebe. Es war vermutlich wirklich so, dass man nicht alles im Leben haben konnte. Vielleicht wurde man dann zu übermütig.

»Machen wir einen Spaziergang zum See?«, wollte Roberta wissen, doch das lehnte Nicki sofort ab.

»Roberta, tue dir das jetzt nicht an. Du weißt nicht, ob sie bereits mit den Abbrucharbeiten des Hauses begonnen haben, und willst du dir die Trümmer ansehen? In dir sind Trümmer genug, da müssen keine mehr hinzukommen. Was hältst du von einem kleinen Ausflug nach Hohenborn? Ich könnte ein Paar neue Sneakers ganz gut gebrauchen, und mit dir an meiner Seite weiß ich, dass ich nicht maßlos werde und alles kaufe, was mir passt. Du kennst mich doch.«

Das traf zu, Nicki konnte wirklich schnell man die Übersicht verlieren.

»Das ist eine gute Idee, Schuhe benötige ich zwar nicht, aber ich werde mir ein paar Bücher kaufen.«

Nicki seufzte.

»Sag mal, warum kannst du eigentlich nicht mal etwas ganz Unvernünftiges tun?«

Jetzt musste Roberta sogar ein wenig lächeln, und das ließ für einen Augenblick die Düsternis aus ihrem Gesicht verschwinden.

»Du, ich weiß nicht, ob es unbedingt vernünftig ist, sich neue Bücher zu kaufen, wenn ein ganzer Stapel davon noch ungelesen ist.«

Dem konnte Nicki nicht widersprechen, doch sie käme auch niemals in Versuchung, sich so viele Bücher zu kaufen, wie Roberta es regelmäßig tat. Sie las zwar auch ganz gern, doch meistens waren es Fachbücher, in die sie sich vertiefte.

»Okay, liebste Freundin, passen wir also aufeinander auf, du bremst mich, wenn ich meinem Schuhtick frönen will, und ich lasse nicht mehr als zwei, drei Bücher zu.«

Roberta war sich nicht ganz sicher, ob sie das einhalten würden, aber auf jeden Fall freute sie sich, mit Nicki nach Hohenborn zu fahren. Das war eine schöne Abwechslung, und später konnten sie sich im alten Wiener Kaffeehaus ein wenig ausruhen und auf jeden Fall die köstliche Sachertorte genießen, von der selbst Alma zugeben musste, sie so nicht hinzukriegen.

*

Der Sternsee hatte schon ganz beachtliche Ausmaße, doch so groß war er nun auch wieder nicht, dass man tagelang suchen musste, ehe man etwas fand. Und das schon überhaupt nicht, wenn erfahrene Polizeibeamte am Werk waren.

Polizeihauptkommissar Fangmann hatte dafür gesorgt, dass direkt eine Suchaktion gestartet worden war, und es gab auch recht schnell ein Ergebnis.

Man fand Rautgundis, aber an einer ganz anderen Stelle des Sees als ihr Fahrrad.

Und leider war sie tot!

Das war etwas, was auch erfahrenen Polizeibeamten an die Nieren ging, wenn sie einen so jungen Menschen tot auffanden, der noch sein ganzes Leben vor sich gehabt hätte.

Wenn man diesen Job machte, dann musste man seine Gefühle vollkommen ausschalten. Und das taten die Männer, sie riefen die Spurensicherung, den Arzt. Für sie war alles Routine.

Nachdem alles erledigt war, bestand für ihn dazu überhaupt keine Verpflichtung, doch Kriminalhauptkommissar Fangmann fuhr zu der Villa der Auerbachs. Er kannte Inge Auerbach, schätzte sie sehr, und sie war es schließlich auch gewesen, die ihn angerufen hatte.

Er klingelte an der Villa, und als Inge den Polizisten erblickte, dankte sie insgeheim dem Himmel, dass Pamela mit einer großen Portion Himbeereis für sie zu den Großeltern gegangen war, weil sie der Meinung gewesen war, dass die diese Köstlichkeit auch unbedingt probieren sollten. Ja, so war sie, ihre Pamela mit ihrem großen Herzen.

Inge spürte sofort, dass Henry Fangman keine guten Nachrichten brachte, dazu war er zu ernst.

Sie bat ihn ins Haus, bot ihm einen Kaffee an, den er dankbar annahm. Er hätte auch Kuchen haben können, doch den bot Inge ihm jetzt nicht an. Er war nicht zu einem gemütlichen Plausch gekommen.

Weil er nicht direkt etwas sagte, übernahm sie das.

»Das Mädchen ist tot, nicht wahr?«

Er nickte.

Und Inge überlegte jetzt schon fieberhaft, wie sie das ihrer Tochter beibringen sollte.

Sie konnte kaum zuhören, als der Kommissar ihr alles erzählte.

»Und die armen Eltern sind unterwegs und haben von nichts eine Ahnung.«

Da erklärte er ihr allerdings, dass man die Eltern erreicht hatte, dass sie sofort zurückkommen wollten und dass dann direkt jemand zu ihnen gehen würde.

So wie er das sagte, erkannte Inge, dass er nicht zum ersten Male in einer solchen Situation war, und sie wusste, dass sie seinen Job nie machen könnte.

»Und ist sie …, ist sie …«, Inge konnte das Wort kaum aussprechen, weil es so grauenvoll war, »ermordet«, er nahm es ihr ab, indem er sagte: »Noch kann man nicht sagen, ob es ein Unfall oder ein Tötungsdelikt war. Das wird die Obduktion zeigen.«

Das mit der Obduktion sagten sie in jedem Krimi im Fernsehen, im wahren Leben also ebenfalls. Sie wunderte sich, dass ihr jetzt etwas so Banales durch den Kopf ging. Das tat sie jetzt vermutlich zu ihrem eigenen Schutz, um nicht in Tränen auszubrechen. Sie kannte das Mädchen nicht einmal persönlich, und den Erzählungen ihrer Tochter nach musste diese Rautgundis eine ziemliche Zicke gewesen sein. Es hatte immer wieder Zwischenfälle gegeben, und Pamela hatte sich aufgeregt. Das alles zählte jetzt überhaupt nicht. Angesichts des Todes trat alles andere in den Hintergrund, und Inge wollte sich nicht in die Lage der anderen Eltern hineinversetzen. Wenn ihr das passiert wäre …

Nein!

An so etwas wollte sie gar nicht erst denken, so etwas durfte nicht passieren, dann konnte man sie direkt in die Psychiatrie bringen. Keinem ihrer Kinder, ihrer Enkelkinder, durfte etwas zustoßen, auch denen nicht, die jetzt im fernen Brasilien lebten und zu denen sie keinen Kontakt mehr hatte, haben durfte.

Der Kriminalbeamte trank seinen Kaffee aus, bedankte sich bei Inge, sagte, dass er nun zu seiner Dienststelle müsse.

»Ich dachte nur, dass Sie das wissen sollten«, sagte er zum Abschied. »Ich bin überzeugt davon, dass Sie es Ihrer Tochter auf schonende Weise beibringen werden. Und sie erfährt es besser aus Ihrem Munde anstatt zufällig von irgendwem.«

Nur das nicht! Mit zufälligen Offenbarungen hatten sie ihre Erfahrungen gemacht, und das durfte niemals noch einmal passieren.

Inge bedankte sich bei ihm, brachte ihn bis zur Tür, und sie hatte noch nicht einmal seine Kaffeetasse weggeräumt, als Pamela hereingestürmt kam.

»Mama, du glaubst überhaupt nicht, was das mit dem Himbeereis ausgelöst hat, Omi und Opi haben sich ein Bein abgefreut, und sie haben das Eis sofort gegessen, und ich soll dir ausrichten, dass sie dafür immer zu haben sind.«

Dann wechselte sie das Thema. »Sag mal, war das eben dieser nette Polizist?«, erkundigte sie sich.

Der Kelch ging nicht an ihr vorüber!

Inge hatte gehofft, sich auf das Gespräch mit Pamela irgendwie vorbereiten zu können. Es ging nicht. Aber andererseits: Konnte man solche Gespräche überhaupt vorbereiten?

»Ja, das war Herr Fangmann«, bestätigte sie und bemühte sich, ihrer Stimme einen leichten Klang zu geben.

Aber Pamela ließ sich davon nicht ablenken.

»Und wollte man Rautgundis einen Streich spielen und hat deren Fahrrad zum See gebracht?«

Ach, wenn es doch bloß so wäre!

Wie sollte sie bloß beginnen?

Pamela dauerte das Schweigen ihrer Mutter zu lange.

»Hat man, Mama?« Pamelas Stimme klang beinahe ungehalten.

Es hatte keinen Sinn, es hinauszuzögern.

»Setz dich erst einmal, mein Kind«, forderte Inge ihre Tochter auf, und die folgte der Bitte ihrer Mutter mit recht gemischten Gefühlen.

Mein Kind, setzen, so etwas bekam sie in der Regel nur zu hören, wenn sie etwas Unangenehmes erfahren sollte.

Pamela hatte ganz weiche Knie und sie wünschte sich insgeheim von ganzem Herzen, dass nichts davon wahr sein würde, was ihr gerade durch den Kopf schoss.

Inge ließ sich Zeit, erzählte, dass man sich direkt auf die Suche gemacht hatte.

Pamela winkte ab.

»Mama, das weiß ich doch«, sagte Pamela voller Ungeduld. »Was ist los?«

Inge konnte es nicht länger hinauszögern, sie erzählte ihrer Tochter, was sie von Herrn Fangmann erfahren hatte und was ihr seither nicht mehr aus dem Kopf ging.

»Die Obduktion in der Gerichtsmedizin wird zeigen, ob es sich um einen Unfall oder«, sie zögerte, weil es ungeheuerlich war, es auszusprechen, »Mord handelt.«

So, nun war es heraus, und man hätte jetzt eine Stecknadel hören können, wenn die zu Boden fiel, so still war es zwischen Mutter und Tochter.

Aus dem Garten hörte man nur das spielerische Gebell von Luna und Sam, die an irgendetwas offensichtlich viel Spaß zu haben schienen.

Rautgundis war tot …

Das war etwas, was nur sehr schwer in ihren Kopf hinein wollte, denn der Tod war etwas so Endgültiges. Sie wollte sich nicht damit beschäftigen, wollte es nicht wahrhaben.

»Mama, wieso war sie überhaupt am See? Sie fand den Sonnenwinkel und alles, was dazugehört, spießig. Das hat sie mir mehr als nur einmal gesagt. Da geht man doch nicht an einen derartigen Ort. Und wieso war sie nicht bei ihrem Fahrrad?«

Inge erhob sich, ging zu ihrer Tochter, nahm sie behutsam in ihre Arme.

»Pamela, ich kann dir nichts dazu sagen, ich weiß ebenso wenig wie du, und deswegen sollten wir uns jetzt nicht in Mutmaßungen ergehen. Die Polizei wird alles herausfinden, und ich denke, Herr Fangmann wird mir auch das berichten. Bis dahin müssen wir warten.«

Es war still zwischen ihnen, Pamela krallte sich an ihrer Mutter fest.

»Das hat sie nicht verdient«, murmelte sie irgendwann.

Inge strich ihr über die wilden Locken.

»Ein solches Schicksal hat niemand verdient«, sagte Inge leise.

Sie konnte nicht mehr sagen, denn ganz offensichtlich hatten Luna und Sam von ihrem Spiel genug, sie kamen auf die Terrasse gerannt und begehrten bellend Einlass.

Inge konnte überhaupt nicht sagen, wie sehr sie das jetzt freute. Luna wurde von Pamela über alles geliebt, und sie hatte auch Sam sehr in ihr Herz geschlossen. Die beiden kamen jetzt wie gerufen.

Inge ließ ihre Tochter los, ging zur Terrassentür, öffnete die, Luna und Sam schossen herein, begrüßten zuerst sie, dann schenkten sie Pamela ihre ganze Liebe, indem sie sie schwanzwedelnd begrüßten, als hätten sie sie schon Ewigkeiten nicht mehr gesehen, leckten Pamela Hände und Füße.

Sie war abgelenkt, und Inge dankte insgeheim dem Himmel. Dafür hatten die Tiere eine kleine Belohnung verdient, später. Zuerst sollte Pamela sich mit ihnen beschäftigen. Und danach würde sie hoffentlich nicht wieder von dem tragischen Zwischenfall anfangen, der ihr so sehr zu Herzen ging. Wem nicht, man musste schon das Gemüt eines Fleischerhundes haben, wenn man von so etwas nicht berührt war. Ob ein Mensch sympathisch oder unsympathisch gewesen war, das zählte in solchen Augenblicken nicht.

Hoffentlich war es kein Mord, dachte Inge, als sie sich wieder auf ihren Platz setzte und ihren Kaffee trank. Der war zwar mittlerweile kalt geworden, doch das machte nichts.

Sie hoffte, Pamela würde sich nicht weiter mit diesem Thema beschäftigen. Doch was machte sie denn? Es ließ sie nicht los, vor allem musste sie fortwährend an die armen Eltern denken. Man konnte sich nicht ausmalen, das konnte niemand, wie denen wohl zumute war, wenn sie von dem Tod ihres Kindes erfuhren.

Pamela kniete mittlerweile zwischen den Hunden, und Luna und Sam waren außer sich vor Freude. Spürten sie, dass die Person, die sie so unendlich liebten, traurig war? Es musste wohl so sein, denn so liebevoll hatte Inge die beiden Labradore noch nie zuvor gesehen.

*

Es war ihr letzter Tag, und Roberta hatte es ja auch so gewollt, doch ein bisschen unbehaglich war ihr schon zumute. Nicki in der schlimmsten Zeit ihres Lebens an ihrer Seite zu haben, hatte ihr viel Kraft gegeben. Und es graute ihr vor den einsamen Abenden und den noch einsameren langen Nächten, in den sie ihren Gedanken ausgeliefert war, die sich nur um eines kreisten und das war Lars.

Natürlich ließ sich Roberta das nicht anmerken, denn sonst würde Nicki bleiben, ganz gleichgültig, ob sie dadurch noch mehr finanzielle Ausfälle hatte und keine Anschlussaufträge.

Sie hatten in Hohenborn beide viel Geld ausgegeben, und keine hatte die andere zurückgehalten. Geredet wurde vorher viel. Auf jeden Fall war Roberta für eine kurze Zeit abgelenkt gewesen, und das war es schon wert.

Und nun befanden sie sich auf dem Weg zum ›Seeblick‹, den sie zu Fuß zurücklegten, einmal, weil Bewegung immer gut war, außerdem wollten sie an ihrem letzten gemeinsamen Abend von dem köstlichen Wein trinken, den Julia in ihrem Restaurant kredenzte. Den Abend mit Mineralwasser oder alkoholfreiem Bier zu verbringen, wäre nicht gerade prickelnd.

Sie wunderten sich, dass auf dem großen Parkplatz alles besetzt war, obwohl es noch recht früh war und man normalerweise etwas später in ein Restaurant zum Essen ging.

Julias Befürchtungen, wegen des ihr verliehenen Sterns mit den Gästen Probleme zu bekommen, hatte sich also nicht bewahrheitet. Das Gegenteil war eingetreten, war man vorher gern in den ›Seeblick‹ gegangen, so war es jetzt geradezu ein Muss. Es freute Roberta ungemein, die ja hautnah mitbekommen hatte, wie die arme Julia anfangs um das Überleben zu kämpfen hatte.

»Na hoffentlich bekommen wir überhaupt einen Platz«, bemerkte Nicki, »guck dir an, wie viele Autos hier stehen, und ­eines ist beeindruckender als das andere. Die Schicki-Mickis scheinen den ›Seeblick‹ zu ihrem Lieblingsrestaurant auserkoren zu haben. Das ist kein gutes Zeichen.«

Das verstand Roberta nicht so ganz.

»Wie kommst du darauf? Sie haben halt mitbekommen, wie gut man hier essen kann und welch aufmerksame Wirtin Julia ist.«

Nicki seufzte.

Irgendwie bekam ihre Freundin wirklich nicht alles mit.

»Roberta, irgendwie sind die Schicki-Mickis wie Zugvögel, sie fliegen irgendwo ein, wenn ein anderes Restaurant eröffnet, ziehen sie weiter.«

Roberta atmete erleichtert auf.

»Ich glaube, das tangiert Julia nicht. Sie hat sich einen Kreis von Stammkunden aufgebaut, und ich bin überzeugt davon, dass die ihr die Treue halten werden.«

Sie hatten das Restaurant erreicht, es war wirklich bis auf den letzten Platz besetzt.

Obwohl Julia viel zu tun hatte, sowohl im Service als auch in der Küche gebraucht wurde, ließ sie es sich nicht nehmen, die beiden Frauen zu begrüßen.

»Wir hätten wohl vorher anrufen sollen«, bemerkte Nicki nach der Begrüßung und nachdem sie sich im Restaurant umgesehen hatte. »Wird wohl nichts mit einem Abend im ›Seeblick‹.

Das sah Julia nicht so.

»Du glaubst ja wohl nicht, dass ich euch wieder gehen lasse, ihr bleibt, und wenn ich euch in meinem eigenen Wohnzimmer oben platzieren müsste. Aber da hinten der Fensterplatz wird gleich frei, die Herrschaften haben bereits bezahlt, und ansonsten könnt ihr euch an den Katzentisch neben der Theke setzen, der normalerweise für mich und das Personal frei ist.«

Sie blickte Roberta an.

»Du kennst das ja schon, hast bereits bei meinem Vorgänger an diesem Tisch gesessen.«

Sie mussten nicht weiter darüber diskutieren, denn am Fenstertisch die beiden Herrschaften standen tatsächlich auf und machten sich bereit zu gehen.

Wenn sich bloß alle Probleme so leicht lösen ließen!

Nicki hatte Angst, jemand könne ihnen zuvorkommen, deswegen ging sie direkt auf den Tisch zu und machte eine launige Bekehrung: »Das ist aber nett, dass Sie den Tisch für uns frei machen.«

Die Frau machte ein leicht pikiertes Gesicht, doch der Mann ging auf Nickis scherzhaften Ton ein: »Wenn ich gewusst hätte, dass Sie kommen, wären wir noch nicht gegangen, sondern hätten gern Ihre Gegenwart genossen.«

Nicki lachte den Mann an, sagte jedoch nichts, um nicht noch mehr Öl ins Feuer zu gießen. Die Frau warf ihr einen bitterbösen Blick zu, ehe sie ihren Mann anzischte: »Hubert, wir gehen.«

Hubert warf Nicki einen bedauernden Blick zu, dann folgte er seiner Frau, die sich vergebens gesorgt hatte. An Hubert wäre Nicki niemals interessiert gewesen, auch nicht, wenn er der einzige Mann der ganzen Welt wäre.

Wie auch immer, um die beiden musste Nicki sich wirklich keine Gedanken machen, sie hatten nicht nur einen Tisch, sondern einen sehr schönen dazu, von dem aus man einen großen Teil des Restaurants überblicken konnte. Und so entging Nicki auch nicht, dass einer der Männer eines in der Nähe stehenden Tisches sie keck anflirtete.

Er hatte Pech, er passte nicht in ihr Beuteschema, und selbst wenn, wäre sie nicht darauf eingegangen, der Abend gehörte Roberta, nicht einmal ein gekröntes Haupt hätte heute eine Chance bei ihr, wobei das kein so guter Vergleich war, denn mit dem Adel hatte Nicki es nicht so.

Endlich kam Roberta, und sie saß noch nicht einmal richtig, als ein Gruß aus der Küche zu ihnen gebracht wurde, natürlich serviert mit Champagner.

Voller Wohlgefallen bemerkte Nicki aus einem Seitenwinkel, dass der Mann, der sie gerade noch angeflirtet hatte, ein wenig irritiert war und sich jetzt vermutlich den Kopf darüber zermartert, welche VIPs sie wohl waren.

Doch danach interessierte sie nicht mehr, was ringsum geschah. Sie und Roberta unterhielten sich angeregt, sie hatten sich immer etwas zu sagen.

Julia nahm sich zwischendurch Zeit, zu ihnen an den Tisch zu kommen, sich mit ihnen zu unterhalten. Sie ließ sich nichts anmerken, doch Nicki fragte sich insgeheim, ob sie den Verlust ihrer Liebe Daniel bereits weggesteckt hatte. Nicki konnte sich noch sehr gut daran erinnern, wie glühend sie Julia beneidet hatte, ihren Mr Right gefunden zu haben. Alles hatte sich so traumhaft angehört, vielleicht zu traumhaft. Für das wahre Leben brauchte man einen Partner auf Augenhöhe, mit dem man reden, mit dem man lachen konnte. So wie es bei Roberta und Lars gewesen war.

Es war eine große Liebe, verweht vom Wind …

Nein!

Daran wollte sie augenblicklich nicht denken, auch nichts mehr erwähnen. Roberta hatte gerade ein Lächeln gezeigt, das war immerhin ein kleiner Lichtblick.

»Ich glaube, meinem guten Jens würde es hier auch gefallen«, bemerkte Nicki, die nicht wusste, warum sie das jetzt erwähnt hatte, es war ihr irgendwie in den Sinn gekommen. Und wenn sie geahnt hätte, wie ihre Freundin darauf reagierte, hätte sie es gewiss gelassen.

»Bring ihn doch einfach mal mit«, sagte Roberta, und Nicki verdrehte die Augen.

»Roberta, Jens ist mein Nachbar.«

»Er ist auch ein Freund, schon vergessen?«

Nicki trank etwas von dem wirklich köstlichen Rotwein, dann sagte sie: »Roberta, er hat seine Liebschaften, ich habe meine. Gut, vielleicht redet man normalerweise nicht darüber, dass wir es tun, liegt einzig und allein an unserer wirklich guten Nachbarschaft. Es käme mir niemals in den Sinn, Jens mit in den Sonnenwinkel zu bringen und in den ›Seeblick‹. Er weiß vieles von mir, über mich, alles muss er nicht wissen.«

Julia kam zu ihnen an den Tisch und sagte vergnügt: »Die Männer von dem Tisch dort drüben würden euch sehr gern kennenlernen, und sie zermartern sich gerade den Kopf, wo sie euch schon mal gesehen haben. Doch den Zahn habe ich ihnen direkt gezogen, indem ich ihnen sagte, die Privatsphäre meiner Gäste sei mir heilig. Sie halten euch also für wichtig.«

»Na klar«, fiel Nicki in das Lachen mit ein, »wir genießen bei dir ja auch eine besondere Behandlung, bekommen Köstlichkeiten serviert, kaum dass wir sitzen, dazu Champagner, und du kommst ebenfalls häufig an unseren Tisch, das weckt nicht nur Begehrlichkeiten, sondern macht auch neugierig.«

»Ich würde niemals etwas von meinen Gästen preisgeben«, sagte Julia, »außerdem, was soll es denn, von dir Nicki, weiß ich, dass du von selbst einen Kontakt hergestellt hättest, wärest du an einem der Männer interessiert, und du, Roberta, du hast deinen Lars, der sich hoffentlich bald wieder darauf besinnt, welchen Schatz er hier hat.«

Das hätte jetzt nicht passieren dürfen. Doch Julia hatte ja auch überhaupt keine Ahnung. Ihr konnte man keinen Vorwurf machen.

Robertas mühsam aufgebaute Fassade fiel in sich zusammen.

»Habe ich etwas Verkehrtes gesagt?«, wollte Julia wissen. »Es war doch nur eine vorü­bergehende Trennungszeit zwischen euch vereinbart, eine Auszeit. Die muss doch jetzt vorüber sein. Hat er …, ich meine …, hat er dich verärgert …, oder hat er … gar Schluss gemacht?«

Natürlich war Julia die mit Roberta vorgegangene Veränderung nicht unbemerkt geblieben.

Roberta war nicht in der Lage, etwas zu sagen, sie rang mühsam nach Fassung, Nicki übernahm das: »Nein, er hat nicht Schluss gemacht, da gibt es schon etwas, doch ich glaube, es ist nicht der rechte Augenblick, dir das jetzt zu erzählen, Julia.«

»Aber ich …«

Roberta unterbrach sie.

»Julia, du hast nichts falsch gemacht. Ich bin derzeit nicht gut drauf, und Nicki hat recht, es gibt etwas zu erzählen, doch nicht jetzt und hier. Du wirst es erfahren, ja? Wenn es dir nichts ausmacht, dann würde ich jetzt gern gehen. Es ist spät, und Nicki reist morgen früh wieder ab.«

Julia wurde an einen anderen Tisch gerufen, entschuldigte sich.

»Dumm gelaufen«, meinte Nicki ein wenig traurig, doch Roberta schüttelte den Kopf.

»Nein, Nicki, ich muss lernen, damit umzugehen und darf nicht zusammenbrechen, wenn man bloß Lars’ Namen erwähnt. Ich kann jetzt wirklich nicht länger bleiben. Es tut mir leid für dich.«

Nicki beruhigte ihre Freundin sofort.

»Muss es nicht, Roberta. Wir haben köstlich gegessen und getrunken, uns unterhalten. Und es ist wirklich schon ziemlich spät. Außerdem habe ich keine Lust, von einem dieser Typen wirklich noch angemacht zu werden. Manche Männer sind so von sich eingenommen, dass sie nicht begreifen, dass man nichts von ihnen will.«

Julia kam zurück zu ihnen, entschuldigte sich noch einmal. Roberta wollte bezahlen, doch damit war Julia nicht einverstanden.

»Ihr wart nicht hier, als es die kleine Feier anlässlich der Sternverleihung gab, ihr seid von mir herzlich eingeladen.«

Roberta wollte sich zieren, doch Nicki bedankte sich, sie war sich sicher, dass jetzt ein Herumgeeiere Julia beleidigt hätte.

Sie verabschiedeten sich voneinander, verließen das Lokal, begleitet von Julia und den Blicken der Männer.

Julia erwähnte das Thema nicht mehr, doch das taten Roberta und Nicki auch nicht. Sie waren ziemlich schweigsam, doch es war kein unangenehmes Schweigen, sie kannten sich sehr gut, und so etwas kam öfters vor.

Roberta wurde bewusst, wie instabil sie war, dass sie die Fassung verlor, wenn sie an Lars nur dachte. Sie bedauerte, dass Solveig abgereist war, doch sie würden in Verbindung bleiben, und sollte sich eine Neuigkeit ergeben, würde Roberta sie sofort erfahren.

Nicki dachte an ihre Heimfahrt, und sie wunderte sich, dass ihr dabei auch ihr Nachbar Jens in den Sinn kam. Wenn sie ehrlich war, dann freute sie sich, ihn zu sehen, und das mehr noch als Pete zu treffen.

Das mit Lars hatte sie mehr mitgenommen als gedacht, es lastete auf ihr, und Nicki wusste nicht, ob sie wieder zu der unbeschwerten Leichtigkeit zurückfinden würde, die sie mit Pete verband.

Sie erreichten eine Stelle des Sees, an der das Ufer nicht mit Gestrüpp und Bäumen bewachsen war. Ohne sich miteinander abgesprochen zu haben, blieben die beiden Frauen stehen, um das sich ihnen bietende Bild zu genießen.

Das Wasser des Sees zeigte sich in allen Grünschattierungen bis hin zu tiefem Schwarz, und ein halb von den Wolken versteckter Mond spiegelte sich in dem sich kräuselnden Wasser, weiß und kalt. Es war eine Szenerie, die unwillkürlich an ein Gemälde von Caspar David Friedrich erinnerte, es war faszinierend, unwirklich und ein wenig bedrohlich zugleich. Man hörte nur das Wasser, wenn es in beinahe monotoner Gleichmäßigkeit am Ufer anschlug, ansonsten war es still.

Es dauerte eine ganze Weile, ehe sie sich wieder in Bewegung setzten. War es der bewegende Augenblick von eben, oder wäre es ohnehin fällig geworden, auf jeden Fall ergriff Roberta das Wort, sie fasste nach Nickis Hand, hielt sie fest.

»Nicki, ich werde dir auf ewig dankbar sein für das, was du wieder für mich getan hast. Das hat mir geholfen. Es ist sehr tröstlich zu wissen, dass du da bist, wenn man dich braucht.«

Nicki wurde ganz verlegen, doch das konnte zum Glück jetzt niemand sehen.

»Dafür sind Freundinnen da«, murmelte sie.

Damit war Roberta nicht einverstanden.

»Nein, Nicki, es ist mehr, uns verbindet wirklich etwas ganz Besonderes. Warum soll es tiefe, seelische Verbindungen eigentlich zwischen Männern und Frauen geben? Für mich bist du mein Seelenmensch, meine allerbeste Freundin. Nicki, ich bin unendlich froh, dass es dich gibt.«

Jetzt eine dumme Bemerkung zu machen, das wäre fatal, doch etwas sagen musste Nicki. »Danke, Roberta, es ist schön, dass du es so siehst, mir geht es nicht anders. Wenn man miteinander so eng befreundet ist wie wir, dann gibt es ein ständiges Geben und Nehmen, und da rechnet man auch nicht auf. Ich mag überhaupt nicht daran denken, wie oft du mich aufgerichtet, mir Trost gespendet hast, für mich da warst.«

Das traf zu, gewiss.

»Nicki, das kann man nicht vergleichen. Wenn bei mir etwas passiert, dann knallt es voll rein, die Scheidung von Max und jetzt das mit Lars, und auch als das mit Kay passierte, warst du für mich da. Ich habe dich auf jeden Fall intensiver in Anspruch genommen, doch das müssen wir jetzt nicht aufrechnen, weil unsere Freundschaft sehr viel mehr ausmacht, als sich gegenseitig zu trösten.«

Nicki nickte, wusste nicht, ob Roberta das jetzt mitbekommen hatte, musste sie nicht, weil sie sich ohne Worte verstanden. Und weil das so war, legten sie den Rest des Weges bis zum Doktorhaus schweigend zurück, gingen ihren Gedanken nach, die in sehr unterschiedliche Richtung gingen. Auch das war in Ordnung, schließlich waren sie unterschiedlich, wie man unterschiedlicher nicht sein konnte.

*

Den wöchentlichen Bauernmarkt im Sonnenwinkel besuchte jeder gern, sei es, um Waren von hoher Qualität einzukaufen oder einfach, um ein Schwätzchen zu halten. Zu den Schwätzchen-Halterinnen gehörten Inge Auerbach und deren Mutter Teresa von Roth nicht, doch sie liebten den Bauernmarkt, kauften dort gern ein.

Heute hatte es sich so ergeben, dass sie zufällig gemeinsam unterwegs waren. Teresa wollte sich auf jeden Fall einen bunten Blumenstrauß kaufen, Inge brauchte Obst, und dann wollte sie sich inspirieren lassen. Sie gehörte nicht zu den Frauen, die wöchentliche Einkaufs- und Kochpläne aufstellten, sondern entschied sich gern spontan.

Da beide Damen im Sonnenwinkel bekannt waren, ließ es sich nicht vermeiden, hier und da ein paar Worte zu wechseln oder wenigstens zu grüßen.

Die größte Klatschtante der Siedlung war verstummt, nachdem sie Falschinformationen mit fatalen Folgen verbreitet hatte. Doch es gab immer wieder Frauen, die es einfach nicht lassen konnten, sich über alles und jeden auszulassen.

Neuestes Gesprächsthema im Sonnenwinkel war natürlich der Tod des Mädchens. Da Rautgundis nicht hier wohnte und man keine genauen Informationen bekam, brodelte natürlich die Gerüchteküche.

Weil Inge unbedingt ein paar Süßkartoffeln kaufen wollte, blieb es nicht aus, dass sie stehen blieben, und während Inge kaufte, bekam Teresa ungewollt mit, worüber die in der Nähe stehenden Frauen schwatzten. Sie beschloss, es einfach zu ignorieren, doch dann ging es einfach nicht mehr.

Inge wollte zwar weitergehen, doch Teresa rief: »Warte einen Moment, ich muss da etwas richtigstellen.«

Was redete ihre Mutter da?

Dann sah sie, wie die energisch auf die Frauen zuging, sich einfach in deren Gespräch einmischte.

»Was reden Sie da eigentlich für einen Unsinn? Es ist nicht einmal sicher, dass es ein Kapitalverbrechen ist oder ob es sich um einen tragischen Unfall handelt. Die Obduktionsergebnisse sind nicht bekannt. Und Sie wollen den Leuten von Herrn van Beveren einen Mord anlasten. Unabhängig davon, dass so etwas Rufmord ist und gerichtlich geahndet werden kann, ist es absoluter Unsinn. Denken Sie doch mal nach, die Männer sind auf der Baustelle von früh bis spät beschäftigt, leisten schwere körperliche Arbeit. Und dann fährt vermutlich in seiner Pause, wann sonst, jemand nach Hohenborn, gabelt dort eine Schülerin auf, lockt sie an den Sternsee, um sie zu ermorden. Merken Sie eigentlich nicht, was für einen bodenlosen Unsinn Sie da verzapfen?«

Inge glaubte, im Erdboden zu versinken, die Frauen waren auf einen Schlag verstummt, starrten die feine adelige Dame an.

»Sie finden doch ebenfalls nicht richtig, was da oben passiert«, wandte eine der Frauen ein.

Teresa nickte.

»Es ist richtig, ich war ursprünglich dagegen, habe Unterschriften gesammelt. Mittlerweile habe ich meine Meinung geändert, nichts lässt sich aufhalten, und es werden ja tatsächlich Arbeitsplätze für die Region geschaffen, und es werden Materialien aus der Region verbaut. Doch selbst wenn ich meine Meinung nicht geändert hätte, wäre ich jetzt eingeschritten. Sie wissen, dass es für eine Dame aus der Siedlung bereits unangenehme Folgen hatte, Unwahrheiten zu verbreiten. Haben Sie daraus nichts gelernt? Hören Sie auf, unschuldige Menschen zu beschuldigen, Lügen zu verbreiten. Wenn Sie viel Zeit haben, mit der Sie nichts anfangen können, fahren Sie nach Hohenborn, gehen Sie ins Tierheim, dort werden händeringend freiwillige Helferinnen gesucht.«

Sie blickte sie nacheinander an, und auf Inge wirkte ihre Mutter derzeit wie eine Rachegöttin, die mit einem flammenden Schwert auf die Erde gekommen war.

»Sollten mir noch einmal solche haltlosen Lügen zu Ohren kommen, dann zeige ich Sie wegen Verbreitung von Unwahrheiten an, das schwöre ich Ihnen.« Sie nickte ihnen zu. »Guten Tag, meine Damen.«

Dann wandte sie sich ihrer Tochter zu, die Frauen stoben auseinander.

»Mama, was war das denn?«

»Ich sagte doch, dass ich etwas richtigstellen musste«, bemerkte Teresa. Sie sah Inges Blick. »Inge, jetzt keine Maßregelungen, ich bin kein Kind, bin nicht senil und weiß recht gut, was ich tue. Ich hasse es wie die Pest, wenn schwatzsüchtige Frauen Unwahrheiten erfinden, weil sie sonst nichts zu sagen haben.«

»Mama, hat das jetzt etwas mit deiner neu entdeckten Sympathie für Piet van Beveren zu tun? Du kannst nicht haben, wenn jemand negativ über das Projekt da oben spricht.«

Teresa richtete sich in voller Größe auf, ihr Gesicht bekam einen leicht arroganten Ausdruck.

»Ich kann nicht haben, wenn jemand dummes Zeug redet, und wenn es dann noch um das Schicksal eines toten jungen Mädchens geht, dann hört es bei mir ganz auf. So etwas schlachtet man nicht auf so hässliche Weise aus.«

Ihre Mutter hatte ja recht. Hätte sie das nicht in einem anderen Tonfall sagen können? Sie war eine großartige Frau, und Inge hätte auch überhaupt keine andere Mutter haben wollen.

Doch manchmal kehrte sie die adelige Gutsbesitzerstochter heraus, dabei lag das gefühlte Ewigkeiten zurück. Alles hatte sich verändert, die Vergangenheit war tot, und sie konnten froh sein, eine so erfüllende Gegenwart zu haben.

»Gehen wir jetzt zu dem Obstbauern?«, wollte Inge wissen, »oder möchtest du zuerst zum Blumenhändler?«

»Mir ist die Lust vergangen«, bestimmte Teresa, »ich klinke mich aus und statte Sophia einen kleinen Besuch ab. Kauf mal in Ruhe deine Sachen ein, und geh nicht immer den Weg des geringsten Widerstandes, mein Kind. Was gesagt werden muss, muss gesagt werden, da macht man kein Läppchen drum.«

Nach diesen Worten ließ sie Inge einfach stehen, und die blickte ihrer Mutter ein wenig bedröppelt nach. Es stimmte ja, diese Frauen hätten einen solchen Unfug nicht erzählen dürfen.

Doch Inge war da anders als ihre Mutter, sie hätte sich nicht eingemischt, sie hätte es einfach ignoriert.