Der Notarzt 319 - Karin Graf - E-Book

Der Notarzt 319 E-Book

Karin Graf

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ein Wiegenlied für Anton - Doch am nächsten Tag wacht der kleine Junge nicht mehr auf


Julia ist überglücklich, denn vor zwei Tagen hat sie einen bezaubernden kleinen Jungen zur Welt gebracht. Nun steht endlich die erste Nacht in ihrem eigenen Zuhause an.

Als Anton friedlich in seiner Wiege eingeschlafen ist, kann auch die erschöpfte Mutter ihre Augen nicht länger offen halten. Doch knapp zwei Stunden später wird sie ruckartig wach. Ein ungutes Gefühl hat sich in ihr breitgemacht und sie aufschrecken lassen, ohne dass sie sich erklären kann, woher ihre Unruhe stammt. Auf Zehenspitzen schleicht sie ins Kinderzimmer, um nach ihrem Schatz zu sehen. Hier ist alles ruhig. Aber als Julia näher an die Wiege herantritt, stockt ihr der Atem. Ihr Baby schläft gar nicht - es ist offenbar tot!
Panisch wählt sie den Notruf.

"Ein Rettungswagen ist in wenigen Minuten bei Ihnen", verspricht die Dame von der Notrufzentrale mit ruhiger Stimme. Doch nichts kann Julia beruhigen. Ihr Anton ist schneeweiß im Gesicht, die zarten Lippen ganz blau. Kann für den Kleinen überhaupt noch etwas getan werden? Die verzweifelte Frau weiß nur eines: Wenn ihr Junge stirbt, dann will auch sie nicht weiterleben ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 114

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

Ein Wiegenlied für Anton

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: FamVeld/iStockphoto

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-6570-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Ein Wiegenlied für Anton

Doch am nächsten Tag wacht der kleine Junge nicht mehr auf

Karin Graf

Julia ist überglücklich, denn vor zwei Tagen hat sie einen bezaubernden kleinen Jungen zur Welt gebracht. Nun steht endlich die erste Nacht in ihrem eigenen Zuhause an.

Als Anton friedlich in seiner Wiege eingeschlafen ist, kann auch die erschöpfte Mutter ihre Augen nicht länger offen halten. Doch knapp zwei Stunden später wird sie ruckartig wach. Ein ungutes Gefühl hat sich in ihr breitgemacht und sie aufschrecken lassen, ohne dass sie sich erklären kann, woher ihre Unruhe stammt. Auf Zehenspitzen schleicht sie ins Kinderzimmer, um nach ihrem Schatz zu sehen. Hier ist alles ruhig. Aber als Julia näher an die Wiege herantritt, stockt ihr der Atem. Ihr Baby schläft gar nicht – es ist offenbar tot!

Panisch wählt sie den Notruf.

„Ein Rettungswagen ist in wenigen Minuten bei Ihnen“, verspricht die Dame von der Notrufzentrale mit ruhiger Stimme. Doch nichts kann Julia beruhigen. Ihr Anton ist schneeweiß im Gesicht, die zarten Lippen ganz blau. Kann für den Kleinen überhaupt noch etwas getan werden? Die verzweifelte Frau weiß nur eines: Wenn ihr Junge stirbt, dann will auch sie nicht weiterleben …

Du meine Güte, war das ein Tumult!

Eine zehnköpfige Gästeschar drängt sich um das Bett der jungen Mutter, die in den sehr frühen Morgenstunden auf der Geburtsstation der Frankfurter Sauerbruch-Klinik ein Baby zur Welt gebracht hatte.

Es war ein entzückendes kleines Mädchen, das jetzt von Arm zu Arm weitergereicht, geherzt, geküsst, willkommen geheißen, mit entzückenden Kleidchen, Strampelhöschen, Rasseln und Teddybärchen beschenkt und offensichtlich von ganzem Herzen geliebt wurde.

Die zehn Besucher waren allerdings nur die Vorhut. Der zweite Teil der aufgeregten Großfamilie musste vorerst noch draußen auf dem Flur warten, denn das kleine Zweibettzimmer konnte so viele Besucher gar nicht aufnehmen.

Die junge Mutter wurde mit Glückwünschen, Blumensträußen und Geschenken nur so überschüttet. Der frischgebackene Papa vergoss ganze Sturzbäche aus Tränen, und man hatte beinahe das Gefühl, als könnte er sich nicht so recht entscheiden, ob er nun sein winzig kleines Mädchen oder seine Frau vor lauter Liebe aufessen sollte.

„Du hast mir das schönste Geschenk gemacht, das ich jemals bekommen habe“, schluchzte er, die Hand seiner Frau festhaltend und immer wieder an seine Lippen drückend. „Ich werde euch beide bis ans Ende meiner Tage lieben, beschützen und auf Händen tragen. Das schwöre ich, so wahr ich hier stehe.“

„So ist es recht!“ Der Großvater des neugeborenen Mädchens, dem man es von Weitem ansah, wie stolz er auf seine stramme Enkelin war, drückte seinen Schwiegersohn an sich. „Ich weiß, dass du gut auf meine beiden Mädchen aufpassen wirst, du lieber Junge.“

„Bist du verrückt, Liebling?“ Die junge Mutter, die eben das kleine Päckchen öffnete, das ihr Mann ihr gegeben hatte, weinte vor Rührung. Dabei war es nur ein einfaches Goldkettchen mit einem herzförmigen Anhänger, das sie jetzt aus der Schmuckschachtel nahm.

Dennoch gebärdete sie sich so, als ob sie einen Diamanten im Millionenwert erhalten hätte.

„Du bist ja verrückt!“, hauchte sie noch einmal. „Das ist doch viel zu kostbar für mich. Wir werden jetzt jeden Cent zweimal umdrehen müssen, Schatz. Kinder sind doch heutzutage ein Luxus.“

„Da mach dir mal gar keine Sorgen, Kleines.“ Die frischgebackene Großmutter beugte sich mit dem Baby im Arm zu ihrer Tochter hinab und tätschelte ihr die Wange. „Schickt der Herr ein Häschen, dann gibt er auch ein Gräschen. So hat meine Großmutter das schon immer gesagt. Na, und wir sind ja auch noch da, Papa und ich. Wir lassen euch schon nicht verkommen.“

Julia schluchzte laut auf, und die Tränen liefen ihr über die Wangen. Es waren aber keine Freudentränen. Im Gegenteil. Sie hatte keinen Grund zur Freude. Sie war nämlich die andere. Die im zweiten Bett. Die, die niemand besuchte. Die, die niemand liebte. Die, die auch ein Baby bekommen hatte, über welches jedoch niemand vor lauter Freude außer Rand und Band geriet.

Ihr kleiner Junge war fast zur selben Zeit zur Welt gekommen wie das glückliche Mädchen, das so unglaublich herzlich empfangen wurde.

Ihren kleinen Jungen hieß jedoch niemand willkommen. Niemand brachte ihm süße Strampelhöschen und Spielsachen. Und niemand sagte so schöne Sachen wie eben das mit dem Häschen.

Obwohl Julia natürlich wusste, dass dieser Spruch schon lange keine Berechtigung mehr hatte, weil täglich tausende Häschen sterben mussten, für die es eben kein Gräschen gab, so war er zumindest gut gemeint und hatte etwas Tröstliches an sich.

Der leibliche Vater ihres Babys sah seinen neugeborenen Jungen nicht als das schönste Geschenk an, das er jemals bekommen hatte. Einen Super-GAU, so hatte Leon Hager es genannt, als er von der ungeplanten Schwangerschaft erfahren hatte.

Er hatte keine Blumen gebracht, als Julia ihn heute Morgen angerufen und ihm mitgeteilt hatte, dass er Vater eines wunderschönen kleinen Jungen geworden war. Und er war weit davon entfernt gewesen, sich zu freuen.

Er hatte ihr nur einen Brief zukommen lassen – von seinem Rechtsanwalt. Mit einem beigefügten Formular, das sie unterschreiben sollte. Mit diesem Formular sollte sie erklären, dass sie von einer Vaterschaftsklage gegen Leon Abstand nehmen und keinerlei Ansprüche und Forderungen an ihn stellen würde.

Das Schreiben endete mit einer bösen Drohung. Sollte sie die unterzeichnete Verzichtserklärung nicht innerhalb von vierzehn Tagen zurückschicken, würde man „gerichtliche Schritte gegen Sie einleiten, dafür sorgen, dass Ihnen das Kind wegen geistiger Labilität entzogen wird und Sie gegebenenfalls in eine Psychiatrische Klinik einweisen lassen“.

Die Sache mit dem Häschen hatte für Leon nämlich andersherum Gültigkeit. Der Herr oder wer auch immer hatte ihm einen beachtlichen Haufen Gräschen beschert. Mit dubiosen Bankengeschäften. Leon mochte sein Gräschen aber mit keinem Häschen teilen und hatte verlangt, dass Julia das Baby sofort wegmachen lassen solle.

Ein Kind hatte für Leon den Stellenwert einer Karrierebremse, und man musste zusätzlich noch eine Menge Geld an so einen unerwünschten Schreihals verschwenden, das man sonst gewinnbringend investieren könnte.

Es war schon irgendwie verrückt. Die nette Familie nebenan hatte offensichtlich nicht viel Geld. Dafür aber Liebe ohne Ende, wie man deutlich sehen konnte. Leon dagegen besaß Millionen, aber Liebe hatte er nicht einmal für zwei Cent.

„Nimm ruhig die Rosen, Mama. Ich habe dafür ja euch alle, und sie hat scheinbar niemanden“, hörte Julia die junge Frau im Nebenbett flüstern. Sie hob abwehrend eine Hand hoch, als die füllige Mutter ihrer Bettnachbarin mit einem wunderschönen Rosenstrauß auf sie zukam.

„Nein, um Himmels willen, die kann ich doch nicht annehmen. Die sind doch für …“ Sie brach ab und schaute nach nebenan. „Entschuldige bitte, ich weiß deinen Namen noch gar nicht. Ich bin Julia.“

„Sarah. Hi!“

„Die werden Sie aber annehmen müssen“, erwiderte die rundliche Frau mit dem mütterlichen, lachenden Gesicht. „Die kommen nämlich von ganzem Herzen, und so ein Geschenk darf man nicht zurückweisen.“

Sie nahm die leere Vase, die eine Pflegerin vorsorglich auf Julias Nachtschränkchen gestellt hatte, füllte sie in dem kleinen Bad, das zum Zimmer gehörte, mit Wasser und stellte die Blumen hinein.

„Kommt Ihre Familie erst spä …“, begann sie zu fragen, brach aber sofort ab, als sie sah, wie bei Julia sofort wieder die Tränen zu kullern begannen. „Mein Gott, was für ein süßer kleiner Junge!“, rief sie stattdessen entzückt aus und beugte sich über das Baby, das in Julias Arm lag, die großen blauen Augen weit geöffnet hatte und den lustigen Auflauf interessiert zu beobachten schien. „Ich will ja nicht unverschämt sein, aber … ob ich ihn mal ganz kurz halten dürfte?“

„Bitte!“, rief Julia beinahe flehend aus. Auch ihr Baby sollte das Gefühl haben, dass da viele Menschen waren, die sich über seine Ankunft freuten.

„Danke! Keine Sorge, ich habe sieben Kinder großgezogen, und keinem ist jemals etwas Schlimmeres passiert als ein paar Schrammen am Knie. Ich passe gut auf Ihren Schatz auf.“

Behutsam hob die fremde Frau den kleinen Jungen hoch und trug ihn die drei Schritte weit zu den anderen Besuchern.

„Hat schon jemals jemand einen so süßen kleinen Prinzen gesehen? Ist er nicht einfach vollkommen? Wer weiß, vielleicht werden sie später einmal dicke Freunde oder sogar ein Paar, unsere Lilly und Ihr …?“

„Ich habe … ich weiß … er hat noch keinen …“, stammelte Julia verlegen. Sie hatte noch gar keine Zeit dazu gehabt, sich über einen Namen Gedanken zu machen.

In den letzten Wochen vor der Geburt war so viel vorzubereiten gewesen, dass sie gar nicht mehr gewusst hatte, wo ihr der Kopf stand. Und dann hatte sie, offen gestanden, auch ein bisschen damit gerechnet, dass Leon zur Besinnung kommen würde, wenn das Baby erst einmal da war, und sie solche wichtigen Entscheidungen wie die Namensgebung gemeinsam treffen könnten.

Jetzt sah sie zu, wie ihr kleiner Sohn – genauso wie Lilly zuvor – von Arm zu Arm weitergereicht, bewundert, geküsst und in einer zum Teil völlig unverständlichen Babysprache betüdelt wurde. Jetzt wurde auch er von einem ganzen Begrüßungskommando offiziell willkommen geheißen. Dieses eine Mal wenigstens.

Es brach ihr das Herz, wenn sie sich vorstellte, wie andere Kinder zu ihren Geburtstagen von vier Großeltern, etlichen Tanten, Onkeln, Cousins und Cousinen bejubelt wurden, während ihr namenloser kleiner Spatz nur ein einstimmiges „Happy Birthday“ von seiner Mutter zu hören bekommen würde.

Sie konnte jetzt schon seine traurigen Augen sehen, wenn er zusehen musste, wie andere Kinder an ihrem ersten Schultag von zig Leuten mit viel Tamtam, unbändigem Gelächter und gutmütigen Neckereien bis vor ihr Klassenzimmer eskortiert wurden, während ihm nur seine einsame Mutter nachwinkte.

„Er sieht ein bisschen dem kleinen Anton von Katrin und Heinz ähnlich. Nur ist er noch viel, viel hübscher“, meinte eine junge Frau, die aufgrund der Ähnlichkeit Sarahs Schwester sein musste.

„Anton, der Name gefällt mir.“ Julia wischte ihre Tränen mit dem Handrücken weg, zog die Nase hoch und lächelte. „Anton. Ja, so soll er heißen.“

„Seht nur, er lächelt!“, rief die junge Frau entzückt aus und verfiel sofort wieder in die völlig sinnlose, aber so unglaublich wohltuende Babysprache. „Gefällt dir Anton? Ja? Möchtest du so heißen? Ja? Möchtest du? Oh ja, ja, ja, das willst du wohl, du süßer kleiner Goldschatz!“

Die herzliche Großfamilie blieb bis Mittag. Und von nun an wurden Julia und Anton in den fröhlichen Tumult miteinbezogen, ganz so, als ob sie zur Familie gehörten.

Am Nachmittag kamen sie alle wieder, und da war es für sie schon völlig selbstverständlich, die mitgebrachten Geschenke und ihre liebevolle Zuwendung gerecht zwischen Sarah, Julia, Lilly und Anton aufzuteilen.

Eigentlich hätte Julia das Missverständnis aufklären sollen. Die Leute, von denen sie inzwischen wusste, dass sie von einem Bauernhof in der näheren Umgebung Frankfurts kamen und Lechner hießen, glaubten offensichtlich, dass sie hier eine bitterarme Alleinerzieherin vor sich hatten.

Das stimmte aber nicht. Julia hatte mit ihren vierunddreißig Jahren bereits eine beachtliche Karriere hingelegt. Sie war drauf und dran gewesen, zur Direktorin einer der großen Frankfurter Banken ernannt zu werden.

Beim Bekanntwerden ihrer bevorstehenden Mutterschaft war die Beförderung natürlich sofort zurückgezogen worden. Das war auch der Grund, warum niemand sie besuchen kam.

Ihre Eltern, ihre Schwester und ihr Bruder hatten nicht verstanden, wie sie so dämlich sein konnte, die Karriere, für die sie so hart gearbeitet hatte, einem Kind zu opfern. Auch dass sie sich deswegen von einem der reichsten Männer der Stadt getrennt hatte, kreideten sie ihr als schweren Charakterfehler an und gingen ihr seither – nach etlichen sehr üblen Streitgesprächen – konsequent aus dem Weg.

Aber auch in ihrem bisherigen Job als Stellvertreterin des amtierenden Direktors verdiente sie eine beachtliche Summe, und so konnte sie auch alleine sehr gut für Anton sorgen. Finanziell zumindest.

Doch sie schwieg, denn sie mochte nicht riskieren, dass diese einfachen Menschen sich vielleicht befangen zurückzogen, wenn sie wussten, dass sie es hier mit einer wohlhabenden Karrierefrau zu tun hatten. Dass sie sich dann womöglich nicht mehr trauten, ihr die Wangen zu tätscheln, ihr übers Haar zu streicheln, ihr selbst gestrickte Socken über die kalten Füße zu ziehen und ihre Hand zu halten.

Sie nahm sich fest vor, den Lechners ihre unglaubliche Nächstenliebe, die ihr so guttat, irgendwann später irgendwie zu vergelten.

Jetzt aber ließ sie sich einhüllen in den Trost, in die Fröhlichkeit und die Geborgenheit dieser einfachen Leute, die mit einer Selbstverständlichkeit die Rolle von Julias Familie übernahmen, die zwar lauter kluge und karriereorientierte Köpfe hervorgebracht, aber menschlich so jämmerlich versagt hatte.

***

Es war nicht ungewöhnlich, dass Prof. Lutz Weidner, der Chefarzt der Frankfurter Sauerbruch-Klinik, Briefe erhielt, die weder frankiert noch abgestempelt waren.

Es kam gar nicht so selten vor, dass Patienten die Hauspostfächer benutzten, die für die interne Kommunikation unten in der großen Eingangshalle installiert waren, um sich auf diesem Weg anonym über irgendetwas zu beschweren, einen Arzt oder eine Pflegerin besonders lobend zu erwähnen oder dem einen oder anderen Arzt sogar ein Trinkgeld zukommen zu lassen.

Wenn der Klinikchef diese Trinkgelder nicht zurückgeben konnte, weil kein Absender auf dem Umschlag stand oder der betreffende Patient die Klinik bereits verlassen hatte, so deponierte er das Geld in einer ausrangierten Zigarrenkiste.

Das meiste davon gab er für seine kleinen Langzeitpatienten auf der Kinderstation aus, deren Eltern es sich nicht leisten konnten, bei ihren Besuchen Geschenke mitzubringen.

Wenn er sah, dass eines der Kinder nach der Besuchszeit sehnsüchtig zuguckte, wie die anderen ihre Geschenke auspackten, dann sauste er meistens persönlich in die große Eingangshalle hinunter und kaufte Püppchen, Comichefte, Süßigkeiten und was an den Kiosks sonst noch so alles angeboten wurde.

Er finanzierte mit dem Geld auch kleine Feste, wenn eines seiner Sorgenkinder Geburtstag hatte, oder er lud Clowns und Zauberer ein, um beispielsweise krebskranke Kinder wenigstens hin und wieder für eine Stunde ihre Schmerzen vergessen zu lassen.