Der Notarzt 328 - Karin Graf - E-Book

Der Notarzt 328 E-Book

Karin Graf

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Beschreibung

Wie buchstabiert man "Liebe"? - Verzweifelt versucht Bastian, seine Legasthenie zu verbergen


Bastian kennt von klein auf die ganzen Vorurteile, denen man als Legastheniker begegnet. Immer wieder hat er zu hören bekommen, er sei faul, dumm oder irgendwie "behindert". Nur auf seinen alleinerziehenden Vater konnte er sich stets verlassen. Der wusste nämlich von Anfang an ganz genau, dass sein Sohn dafür andere Talente hatte, wie zum Beispiel eine überragende mathematische Begabung.

Doch Bastians Vater ist inzwischen gestorben, und der junge Mann muss sich nun allein durchs Leben schlagen. Er hat sich seinen großen Traum verwirklicht und ein Astronomie-Studium aufgenommen. Seine mündlichen Leistungen sind brillant, aber vor den schriftlichen Prüfungen graut es ihm. Was, wenn ihm jemand auf die Schliche kommt und erkennt, dass der Student kaum schreiben und nur sehr mühsam lesen kann?

Auch die Sache mit den Frauen gestaltet sich schwierig. Bisher ist jede nähere Bekanntschaft an seiner Rechtschreibschwäche gescheitert. Doch nun ist in der Uni diese wunderschöne Studentin aufgetaucht, und plötzlich kann Bastian nur noch an sie denken. Ob es irgendwie möglich ist, diese wunderbare Frau für sich zu gewinnen?
Aber ausgerechnet an dem Tag, an dem er seine Traumfrau erobern will, bricht Bastian in der Notaufnahme der Frankfurter Sauerbruch-Klinik zusammen ...

***

Dr. Peter Kersten ist oft Retter in letzte Minute. In der Unfallchirurgie der Sauerbruch-Klinik kämpft er Tag für Tag um das Leben von Unfallopfern, aber auch um Freundschaften und für die Liebe.
Egal ob bei dramatischen Operationen, mitreißenden Schicksalsschlägen oder den eigenen Sehnsüchten nach Liebe und Zuneigung: Es steht viel auf dem Spiel!

Genießen Sie alle 14 Tage eine neue, bewegende Geschichte um den Notarzt.
Jede Folge ist in sich abgeschlossen und kann unabhängig von den anderen Folgen der Serie gelesen werden.

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Seitenzahl: 113

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Inhalt

Cover

Impressum

Wie buchstabiert man „Liebe“?

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Wavebreakmedia/iStockphoto

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-7163-5

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Wie buchstabiert man „Liebe“?

Verzweifelt versucht Bastian, seine Legasthenie zu verbergen

Karin Graf

Bastian kennt von klein auf die ganzen Vorurteile, denen man als Legastheniker begegnet. Immer wieder hat er zu hören bekommen, er sei faul, dumm oder irgendwie „behindert“. Nur auf seinen alleinerziehenden Vater konnte er sich stets verlassen. Der wusste nämlich von Anfang an ganz genau, dass sein Sohn dafür andere Talente hatte, wie zum Beispiel eine überragende mathematische Begabung.

Doch Bastians Vater ist inzwischen gestorben, und der junge Mann muss sich nun allein durchs Leben schlagen. Er hat sich seinen großen Traum verwirklicht und ein Astronomie-Studium aufgenommen. Seine mündlichen Leistungen sind brillant, aber vor den schriftlichen Prüfungen graut es ihm. Was, wenn ihm jemand auf die Schliche kommt und erkennt, dass der Student kaum schreiben und nur sehr mühsam lesen kann?

Auch die Sache mit den Frauen gestaltet sich schwierig. Bisher ist jede nähere Bekanntschaft an seiner Rechtschreibschwäche gescheitert. Doch nun ist in der Uni diese wunderschöne Studentin aufgetaucht, und plötzlich kann Bastian nur noch an sie denken. Ob es irgendwie möglich ist, diese wunderbare Frau für sich zu gewinnen?

Aber ausgerechnet an dem Tag, an dem er seine Traumfrau erobern will, bricht Bastian in der Notaufnahme der Frankfurter Sauerbruch-Klinik zusammen …

Jeder halbwegs gute Notarzt sollte wissen, dass es einen großen Unterschied macht, ob ein sogenannter „kleiner Mann“ in die Notaufnahme eingeliefert wird, den die Welt sowieso nicht braucht, oder ein bedeutender Wirtschaftsmagnat.

Von diesem ungeschriebenen Gesetz war zumindest Karl-Heinz Stieglitz felsenfest überzeugt. Und obwohl er bei seiner Einlieferung am frühen Morgen in die Notaufnahme der Frankfurter Sauerbruch-Klinik praktisch im Sterben lag, hatte er doch noch genug Energie, um Dr. Peter Kersten, der von dieser Regel nichts wusste – oder besser gesagt, nichts wissen wollte –, eines Besseren zu belehren.

„Holen Sie augenblicklich den Chefarzt!“, befahl der einundsiebzigjährige Mann mit matter Stimme. „Ich dulde es nicht, dass ein drittklassiger, junger Schnösel Hand an mich legt. Sie wissen wohl nicht, wer ich bin!“

„Ein sehr kranker Mann, würde ich sagen“, erwiderte der Leiter der Notaufnahme gelassen.

Peter hatte es längst aufgegeben, solche und ähnliche Bemerkungen persönlich zu nehmen. Unter den Reichen und Mächtigen waren dankbare Patienten ungefähr so häufig zu finden wie ein Diamant in einem Schotterhaufen.

„Das ist eigentlich auch schon alles, was ich wissen muss“, fügte er noch hinzu. „Alles andere ist jetzt nicht so wichtig.“

„Sie ahnungsloser, kleiner …!“, brauste der Patient auf. Er wollte es zumindest, doch ein heftiger Übelkeitsanfall streckte ihn auf die Behandlungsliege im Schockraum nieder.

Schwester Annette konnte ihm gerade noch eine Auffangschale unterhalten, ehe er sich in einem Schwall übergab.

Jens Jankovsky, der junge Sanitäter der Notaufnahme, fasste den Mann, der nach eigenen Angaben viel zu wichtig war, um zu sterben, an beiden Schultern und richtete seinen Oberkörper auf, damit er nicht an seinem eigenen Erbrochenen ersticken konnte.

Jeder andere leidende Mensch hätte jetzt vermutlich etwas kleinere Brötchen gebacken. Jeder andere wäre froh gewesen, wenn ihm wenigstens irgendwer ein wenig Linderung verschafft hätte. Egal wer. Nicht so Karl-Heinz Stieglitz.

„Den Chefarzt rufen! Dalli! Ich befehle es!“, krächzte er und schlug die Hand der jungen Pflegerin weg, die ihm den Mund abwischen wollte. „Nennen Sie ihm meinen Namen. Ich bin sicher, er hat schon von mir gehört und wird sofort kommen.“

„Prof. Weidner führt gerade eine sehr komplizierte Herzoperation an einem Kind durch“, erwiderte der Leiter der Notaufnahme kopfschüttelnd. „Er steht bestimmt noch zwei bis drei Stunden lang im OP. Ich fürchte, so lange können Sie in Ihrem Zustand nicht mehr warten.“

„Ein Kind!“ Der Patient lachte verächtlich auf. „Sorgt ein Kind vielleicht für den Weltfrieden? Stellt es Tausende Arbeitsplätze zur Verfügung? Steigert es das Bruttoinlandsprodukt? Nein? Ich schon! Kinder gibt es wie Sand am Meer. Die Welt braucht jedoch Männer wie mich.“

Er wedelte Dr. Kersten mit einer herrischen Geste weg.

„Na los! Informieren Sie den Chefarzt! Ich habe mir sagen lassen, dass er ein äußerst intelligenter und fähiger Mann ist. Er wird wissen, wie man Prioritäten setzt!“

„Was soll ich tun, Peter?“ Oberschwester Nora, die nun schon seit einigen Minuten mit den Elektroden der Überwachungsgeräte in der Hand neben der Liege stand, sich jedoch nicht traute, den randalierenden Patienten zu verkabeln, warf dem Notarzt einen ratlosen Blick zu.

Peter zuckte mit den Schultern.

„Wenn Herr Stieglitz sich von uns nicht untersuchen lassen möchte – wir können ihn nicht dazu zwingen.“

Er beugte sich seufzend über den alten Mann, der sich offenbar selbst für so wertvoll hielt, dass nur der Chefarzt persönlich ihn anfassen durfte.

„Ich rufe oben im OP an und leite Ihre Forderung an Prof. Weidner weiter. Und da er …“

„Na endlich!“, fiel ihm der Patient schroff ins Wort. „Ich werde ihm dann sagen, dass Sie meinem Befehl nicht unverzüglich nachgekommen sind! Das hat böse Konsequenzen für Sie.“

„Und da er ein Kind in Lebensgefahr ganz bestimmt nicht im Stich lassen und herunterkommen wird“, fuhr Peter ruhig und gelassen fort, „werden wir Sie anschließend in die Städtische Klinik überstellen lassen. Ich bin recht zuversichtlich, dass der dortige Chefarzt sehr viel kooperativer ist.“

„Unterstehen Sie sich!“ Abermals bäumte sich Herr Stieglitz empört auf, und abermals warfen ihn Schmerzen, Schwindel und Übelkeit auf die Liege zurück. „Der dortige Chefarzt soll ein Vollidiot sein. Ein Nichtskönner, der es nur durch Protektion bis nach oben geschafft hat.“

Es dauerte eine Weile, bis Peter Kersten von dem Telefonat zurückkam. Die Herzoperation, die der Chefarzt durchführte, befand sich gerade in einer sehr heiklen Phase. Eine Pflegerin hatte mit jeder Frage und jeder Antwort zwischen Haustelefon und OP-Tisch hin- und herlaufen müssen.

Natürlich hatte Prof. Lutz Weidner die dreiste Forderung des Patienten rundweg abgelehnt. Aber der Name „Stieglitz“ war ihm geläufig gewesen, und immerhin wusste Peter jetzt, mit wem er es zu tun hatte.

Nein, Herr Stieglitz war nicht etwa der Kaiser von China. Er war der Generaldirektor eines großen Unternehmens der SVI-Industrie. Sicherheit und Verteidigung. Um das Kind beim Namen zu nennen – Herr Stieglitz machte in Kriegsgerät.

„In etwa drei Stunden, wenn er seine Operation vollendet hat, sieht Prof. Weidner sehr gerne nach Ihnen. Bis dahin müssen Sie entweder mit mir Vorlieb nehmen oder sich in eine andere Klinik begeben“, stellte Peter den Patienten vor vollendete Tatsachen.

„Meinetwegen!“, grummelte der alte Mann unwillig. Man konnte ihm deutlich ansehen, dass er über die Zurückweisung des Chefarztes geschockt war.

„Na los!“, fuhr er die Oberschwester unwirsch an, die auf das Okay von Dr. Kersten wartete. „Glotzen Sie nicht ihn an! Ich gebe hier die Befehle!“

„Verkabeln und die Vitalwerte ermitteln“, ordnete der Leiter der Notaufnahme seufzend an.

Während Schwester Annette mit spitzen Fingern das Hemd des Patienten aufknöpfte, damit die Oberschwester die Elektroden auf seiner Brust befestigen konnte, entnahm Peter ihm eine Blutprobe. Er übergab die drei Röhrchen dem Sanitäter.

„Sofort ins Labor, Jens. Ich möchte ein großes Blutbild haben. Harnstoff, Harnsäure und Kreatinin will ich sofort wissen“, fügte er noch hinzu, weil er bereits einen bestimmten Verdacht hatte.

Nora Lechner sog zischend die Luft ein, als die Vitalwerte auf dem großen Monitor angezeigt wurden.

„Hypertonie! Hundertsiebzig systolisch und hundertfünf diastolisch. Kardiale Dysrhythmie. Der Kohlendioxidpartialdruck des Bluts ist viel zu niedrig. Wir haben es mit einer respiratorischen Alkalose zu tun.“

„Hören Sie auf der Stelle damit auf, mit unverständlichen Begriffen um sich zu werfen!“, bellte der Patient. „Sprechen Sie gefälligst so, dass ich es auch verstehe!“

„Sie haben einen sehr bedenklichen Bluthochdruck“, übersetzte Peter die Angaben der Oberschwester. „Hundertsiebzig zu hundertfünf. Sie haben eine Herzrhythmusstörung, und Sie haben zu wenig CO² im Blut. Das ist eine Folge Ihrer zu raschen Atmung. Und die weist wiederum auf eine Störung in der Lunge hin.“

Peter zog das Stethoskop von seinem Nacken.

„Ein bisschen aufrichten, bitte, Schwester Annette.“

Sichtlich ungern – sie hatte Angst vor seinem herrischen Geschrei – beförderte die junge Pflegerin Herrn Stieglitz in eine sitzende Position.

„Das hört sich ganz nach einem Lungenödem an“, stellte der Notarzt fest. „Wassereinlagerungen in der Lunge“, fügte er rasch erklärend hinzu, bevor der Mann sich wieder aufregen konnte.

„Woher kommt das?“, verlangte Herr Stieglitz zu wissen.

„Das müssen wir erst in weiteren Untersuchungen genau abklären“, erwiderte Peter ruhig. „Aber alles, was ich bisher gesehen habe, deutet für mich auf eine Niereninsuffizienz hin. Das heißt, dass die Nieren nicht mehr korrekt arbeiten.“

„Reden Sie doch keinen Blödsinn!“, fuhr der Patient ihn grob an. „Ich gehe einmal jährlich zur Vorsorgeuntersuchung. Bis jetzt waren meine Nieren immer tadellos in Ordnung!“

„Tja, das ist leider das Problem bei einer chronischen Niereninsuffizienz. Sie entwickelt sich schleichend. Man kriegt nichts davon mit. Wenn sich die ersten Symptome bemerkbar machen, ist es meistens auch schon zu spät.“

„Und wie gedenken Sie, mich zu heilen, sollte sich Ihre Diagnose bestätigen?“

„Ich fürchte, in diesem Fall bliebe Ihnen nichts anderes übrig, als regelmäßig zur Dialyse zu gehen. Entweder einmal pro Woche oder im schlimmsten Fall täglich.“

„Als ob ich für so einen Schwachsinn Zeit hätte!“, empörte sich Karl-Heinz Stieglitz. „Ich bleibe ein paar Tage hier und lasse mir eine neue Niere implantieren. So wird es gemacht!“

Peter lachte trocken auf.

„Es wäre schön, wenn das so schnell ginge. Die Wartezeit auf ein Spenderorgan beträgt derzeit mindestens fünf Jahre.“

„Sie haben mir vorhin wohl nicht zugehört! Ich bin nicht irgendwer, der sich brav hinten anstellt! Wartelisten haben für mich keine Gültigkeit!“

„Wie Sie meinen!“ Peter Kersten hatte nun wirklich keine Lust dazu, dieselbe Diskussion noch einmal von vorne zu beginnen.

Was die zentrale Organbank anbelange, war er sich ziemlich sicher, dass da mit klangvollen Namen oder Schmiergeld nichts zu machen war. Herrn Stieglitz würde wohl nichts anderes übrigbleiben, als – „wie ein kleiner Mann, den die Welt nicht braucht“ – zu warten, bis er an der Reihe war.

***

Nach der dritten gemeinsamen Nacht war es Bastian Valenta eigentlich schon klar, dass Natascha nicht unbedingt die Frau war, mit der er den Rest seines Lebens verbringen wollte. Dazu war sie ihm ein bisschen zu oberflächlich. Und die Hellste war sie auch nicht gerade.

Aber sie war sehr hübsch und eigentlich auch recht amüsant. Zumindest dann, wenn man nicht versuchte, sich mit ihr über irgendein tiefgründiges Thema zu unterhalten.

Eine Frau zum Heiraten suchte er sowieso nicht. Noch nicht. Dazu war er mit einundzwanzig noch viel zu jung. Bevor er an die Gründung einer Familie dachte, wollte er erst einmal sein Studium beenden und einen Job finden. Beides war in seiner Lage nicht so einfach zu bewerkstelligen und würde vermutlich etwas länger dauern, als bei normalen Menschen.

Es war acht Uhr morgens, als ihn das Piepsen seiner Armbanduhr weckte. Da er wusste, dass Natascha – die in der Kosmetikabteilung eines großen Warenhauses arbeitete – heute frei hatte, stand er leise auf, um sie nicht zu wecken. Er duschte kurz, kleidete sich an und überlegte dann, ob er ihr eine Nachricht hinterlassen sollte.

Er hinterließ nicht gerne etwas Schriftliches. Nie. Nirgendwo. Er hatte sich im Laufe der Jahre bereits etliche gute Ausreden zurechtgelegt, mit denen er sich davor drückte, in der Öffentlichkeit etwas schreiben oder lesen zu müssen.

Brille vergessen, Daumen verstaucht, schwere Sehnenscheidenentzündung und so weiter. Für Notfälle hatte er sogar stets einen kleinen Vorrat Gipsbandagen zu Hause, die man nur in Wasser einweichen musste, um sich damit selbst einen professionell aussehenden Handgips anlegen zu können.

Aber in diesem Fall ließ sich eine schriftliche Nachricht wohl nicht umgehen. Es war schließlich nicht gerade die feine Art, einfach so sang- und klanglos zu verschwinden.

Also gut. Warum nicht? Natascha wusste ja darüber Bescheid, was mit ihm los war, und hatte offensichtlich kein Problem damit. Sie hatte nur „Ist ja voll cool!“, gesagt, als er neulich ein Geständnis abgelegt hatte.

Er riss eine Seite aus seinem dicken Collegeblock, in dem er sich während der Vorlesungen Notizen machte, die außer ihm wohl niemand entziffern konnte, weil sie in einer fremden Sprache abgefasst waren, die nur er allein beherrschte. Dann legte er sich im Kopf den Text zurecht, den er schreiben wollte.

Liebe Natascha, musste früher gehen, habe um neun eine Vorlesung. Wenn du willst, können wir uns um sieben irgendwo treffen. Rufe dich am Nachmittag an. Liebe Grüße, Bastian.

Das war der Text, den er zu schreiben beabsichtigte. Was jedoch am Ende dabei herauskam, war …

Leide Naschta, nus te frürgehn hade unuen ein Fohrles. Wenn bu will zt gönen wir ums un seiden Uhr an Adenb irwogend treffn. Rufbich an Nachttimag am. Leide Krüse, bein Bastian.

Bastian brauchte für diese wenigen Zeilen eine gute Viertelstunde. Er legte den Zettel in Nataschas kleiner Küche auf die Kaffeemaschine. Dort würde sie ihn ganz sicher finden, denn dorthin führte sie gleich nach dem Aufwachen ihr erster Weg.

Er hatte sich große Mühe gegeben, um keine Fehler zu machen. Ob es ihm gelungen war, das konnte er leider nicht beurteilen. Er konnte es nur hoffen. Mit dem Schreiben war das nämlich so eine Sache. Er hatte es nie richtig gelernt.

Bastian war kein Analphabet. Er war auch nicht dumm. Er war Legastheniker. LRS – Lese- und Rechtschreibschwäche, so nannte man das. Diese Bezeichnung traf jedoch seiner Meinung nach nicht ganz den Kern der Sache, denn es handelte sich um keine Schwäche. Es handelte sich schlicht und einfach um die Unmöglichkeit, diese Aufgabe zu bewerkstelligen.

Es war nicht einfach so, dass er sich Buchstaben, Wörter und Rechtschreibregeln nicht merken konnte. So, wie manche Leute ein Gedicht oder Jahreszahlen oder chemische Formeln nicht im Kopf behalten können.