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Nach der Flucht des Autors nach Amerika erschienen seine beiden Romane "Der Pedlar" (1857) und dessen Fortsetzung "Das Vermächtnis des Pedlars (1859), die wohl seine bedeutendsten Leistungen genannt werden müssen. In ihnen schildert R. in spannender Weise "die Schicksale eines jungen Deutschen in Amerika; beide Romane sind durch die glücklich erdachten Motive und die ebenso glückliche Lösung der als unlösbar erscheinenden Verwickelungen von der höchsten Wirkung".
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Seitenzahl: 382
Veröffentlichungsjahr: 2012
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Der Pedlar
Otto Ruppius
Inhalt:
Otto Ruppius – Biografie und Bibliografie
Der Pedlar
Prolog.
Zwei Landhäuser.
Eine Spielhölle im Hinterwalde.
Das Weihnachtsfest.
Wiederfinden.
Schwüle Luft.
Ein Gewitter im Winter.
Eine Sklavenjagd.
Ein Mord.
Dringender Verdacht.
Im Gefängniß.
»Spät kommst du, doch du kommst.«
Der Pedlar.
Erklärungen und innere Kämpfe.
Die Entscheidung.
Der Pedlar, O. Ruppius
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
86450 Altenmünster, Loschberg 9
Deutschland
ISBN: 9783849634445
www.jazzybee-verlag.de
www.facebook.com/jazzybeeverlag
Geboren am 6. Februar 1819 zu Glauchau als der Sohn eines Beamten, der nach einigen Jahren nach Langensalza übersiedelte. Hier besuchte der Sohn die Schule und trat nach Beendigung der Schulzeit bei einem Kaufmann zu Erfurt in die Lehre. Er fand in seinem Berufe nicht die erhoffte Befriedigung, und als Vater und Prinzipal ihn zwingen wollten, seine auf das Schöngeistige gerichteten privaten Beschäftigungen gänzlich aufzugeben, verließ er den Ladentisch und ging 1838 unter die Soldaten. Bald rückte er zum Regimentsschreiber auf. In dieser Stellung zeichnete er sich nicht nur durch Pünktlichkeit und Pflichttreue, sondern auch dadurch aus, dass er die Leitung aller festlichen Arrangements in die Hand nahm und mit dem ihm eigenen geselligen Talent stets zu allseitiger Zufriedenheit durchführte. Daneben durfte er ungehindert seiner alten Neigung zur Schriftstellerei huldigen, und so entstand sein „Taschenbuch für den preußischen Infanteristen“ (1841). Aber auch das Soldatenleben befriedigte ihn auf die Dauer nicht. Er ging nach Beendigung seiner Dienstzeit nach Langensalza zurück, wurde Buchhändler und siedelte, nachdem er genügende Kenntnisse in seinem Fache gesammelt, 1845 nach Berlin über, wo er noch in demselben Jahre den „Norddeutschen Volksschriftenverein“ gründete und ein Jahr später sich verheiratete. Nach dem Ausbruch der Revolution 1848 erschien in seinem Verlage und von ihm redigiert „Die Bürger- und Bauernzeitung“. Infolge eines Artikels, den dieses Blatt über die Auflösung der preußischen Nationalversammlung (November 1848) gebracht, ward R. zu neunmonatlicher Festungshaft verurteilt, der er sich aber durch schleunige Flucht nach Amerika entzog (1849). Die Musik, die er von Jugend auf mit Dilettantenwärme getrieben, musste ihm hier zunächst eine Quelle des Erwerbes werden: er ließ sich als „Professor der Musik“ in Nashville (Tennessee) nieder, das er aber des ihm nicht zusagenden Klimas wegen kurz nach der Wiedervereinigung mit seiner Familie 1851 mit Louisville (St. Kentucky) vertauschte. Hier gelang es ihm, sich großen Ruf als Musiklehrer, als Konzertgeber, ja selbst als Orchesterdirigent zu erwerben und sich zu einigem Wohlstande emporzuschwingen. Da vernichtet eine Feuersbrunst sein Besitzthum und macht ihn wieder zum armen Manne. Er wandte sich 1853 nach Milwaukee (St. Wisconsin) und betrat nun wieder die schriftstellerische Laufbahn. Gleich sein erstes Erzeugnis, „Waldspinne. Ein Genrebild aus dem Südwesten“ (1856) machte ihn so vorteilhaft bekannt, dass er in die Redaktion der „New-Yorker Staatszeitung“ berufen ward. Doch kehrte er schon 1855 nach Milwaukee zurück und gründete hier das Unterhaltungsblatt „Westliche Blätter“, das er 1859 nach St. Louis (St. Missouri) verlegte. Inzwischen waren seine beiden Romane „Der Pedlar“ (1857) und dessen Fortsetzung „Das Vermächtnis des Pedlars (1859) erschienen, die wohl seine bedeutendsten Leistungen genannt werden müssen. In ihnen schildert R. in spannender Weise „die Schicksale eines jungen Deutschen in Amerika; beide Romane sind durch die glücklich erdachten Motive und die ebenso glückliche Lösung der als unlösbar erscheinenden Verwickelungen von der höchsten Wirkung“. Der amerikanische Bürgerkrieg drohte die Existenz Ruppius’ aufs neue zu gefährden. Da aber inzwischen in Preußen die Amnestie erfolgt war, so verließ R. mit seiner Familie den amerikanischen Boden und steuerte der Heimat zu. In Leipzig fand er als Mitarbeiter der „Gartenlaube“ eine lohnende Beschäftigung, da dieses Blatt eine Reihe seiner Erzählungen, Lebens- und Genrebilder aufnahm. Aber bald siedelte er nach Berlin über, trat mit Franz Duncker in Verbindung und gründete als literarisches Beiblatt zu dessen „Volkszeitung“ das noch jetzt erscheinende „Sonntagsblatt für Jedermann aus dem Volke“. Damit hatte er sich eine gesicherte Existenz geschaffen. Nur sollte er sie nicht lange genießen, da ein früher Tod ihn schon am 25. Januar 1864 von hinnen rief: in selten rastender Tätigkeit hatte er seine Kräfte erschöpft. Die Früchte dieser Tätigkeit waren in der Tat erstaunlich, da wir derselben noch folgende Werke verdanken: „Geld und Geist. Roman“ (1860) – „Der Prairie-Teufel. Roman“ (1861) – „Genrebilder aus dem amerikanischen Leben“ (1861) – „Im Westen. Erzählungen aus dem amerikanischen Leben“ (II, 1862) – „Aus dem deutschen Volksleben“ (II, 1862) – „Ein Deutscher. Roman aus der amerikanischen Gesellschaft“ (1862) – „Südwest. Erzählungen aus dem deutsch-amerikanischen Leben“ (1863) – „Zwei Welten. Roman“ (1868). Alle diese Arbeiten, die vorwiegend amerikanische Verhältnisse schildern, zeugen von einer reichen Erfindungs- und gewandten Darstellungsgabe. Die landschaftlichen Gemälde sind nicht nur mit lebhafter Phantasie, sondern auch mit kundiger Hand entworfen, die Charaktere und Tatsachen geschickt gruppiert; und wäre es R. vergönnt gewesen, noch einige Jahrzehnte schaffen zu können: er hätte sich für immer einen Platz in unserer Literatur gesichert. Eine Ausgabe seiner „Gesammelten Werke“ erschien 1874 in 6 Bänden und enthält noch verschiedene, früher hier und da zum Abdruck gelangte Erzählungen.
Roman aus dem amerikanischen Leben
Es war an einem Abende in der Mitte des Septembers 1849, als unter den Bäumen des Parks vor City-Hall in New-York ein junger Mann lässig auf einer der dort angebrachten Bänke ruhte. Er hatte den Strohhut abgenommen und das volle dunkle Haar der Abendluft preisgegeben. Die Sommerkleidung, die er trug, war sauber und von elegantem Schnitte und das strohgelbe seidene Halstuch, über welches zwanglos der blendend weiße Kragen fiel, stach gefällig von seinem leicht gebräunten, kräftigen Halse ab. Eine fein geschnittene Nase, mit dem schwarzen, wohlgepflegten Schnurrbarte darunter und den regelmäßig gezeichneten Brauen darüber, gaben seinem Gesichte einen Anstrich von Noblesse, während die zwei Furchen an der Nasenwurzel und das leicht in die Höhe gezogene Kinn ihm den Charakter einer festen Bestimmtheit aufdrückten.
Seine Augen hatten bisher planlos über alle die Gestalten, welche geschäftig den Platz durchkreuzten, hinweg geschweift; in diesem Augenblicke aber waren sie plötzlich auf einem Punkte haften geblieben, der sein besonderes Interesse zu erregen schien. Vom Broadway aus war eine der fashionable gekleideten Damen, wie sie diesen Theil der Stadt bevölkern, in den Park getreten und bog jetzt in einen Seitenweg ein, der dicht an dem Sitze des jungen Mannes vorüberführte.
»Da ist sie wahrhaftig wieder, und dies ist heute der dritte Abend, an dem sie um dieselbe Zeit kommt!« brummte der Dasitzende vor sich hin. »Wäre ich eitel, so könnte ich denken, ich hätte eine Eroberung gemacht!«
Die Dame näherte sich. Unter dem eleganten Hut sah ein frisches, kokettes Gesicht hervor und den kleinen aufgeworfenen Mund umspielte ein Lächeln der Befriedigung, als sie den Inhaber der Bank bemerkte. Ihr Schritt zögerte, als sei sie ungewiß, was zu thun; doch wie in raschem Entschlusse trat sie plötzlich heran und wandte sich mit einigen halblauten Worten an den jungen Mann. Der war überrascht aufgesprungen, denn er konnte nur in peinlicher Verlegenheit den Kopf schütteln; er wußte wohl, was er höre, sei englisch, aber er verstand bis jetzt noch kein Wort davon. Ein neues Lächeln umspielte den hübschen Mund vor ihm – sie ließ die Augen prüfend über sein Gesicht laufen, fast etwas zu dreist, wie es ihm scheinen wollte; als sich jetzt aber die Schritte eines Dritten der Bank näherten, wandte sie sich mit einem »Beg your pardon, Sir!« weg und ging davon.
Der Andere sah ihr kopfschüttelnd nach, bis ihn ein Schlag auf die Achsel aus seiner Verwunderung riß.
»Guten Abend, Herr von Helmstedt, wie geht's Hochdenen?« klang die Stimme des Angekommenen, der indessen in seinem abgetragenen, bis an den Hals zugeknöpften Rocke und dem alten schwarzen Hute, der schon theilweise der Krempe untreu geworden war, einen auffallenden Contrast mit dem Ersteren bildete. »Ich sehe, Sie bewundern die schöne Natur in allen ihren Branchen,« setzte er hinzu, mit dem Kopfe nach der forteilenden Frauengestalt hindeutend, »es sollte mir leid thun, wenn ich gestört hätte!«
»Hat nichts zu sagen,« erwiderte Jener und nahm seinen früheren Platz ein, »ich möchte mich nur todtärgern, daß ich so ein Dummkopf im Englischsprechen bin. Ueber zwei Monate schon treibe ich mich hier herum und kann noch nicht einmal eine einzige Frage verstehen!«
»Ich habe Ihnen das vom Anfange an prophezeit,« sagte der neue Gefährte, indem er sich mit der aristokratischen Nachlässigkeit eines Berliner Gardelieutenants auf die Bank warf, »Sie wollen aber von meiner Methode, schnell und gründlich in die Geheimnisse der Sprache zu dringen, nichts wissen. Apropos! Haben sie nicht eine Cigarre bei sich? Ich war heute zufällig etwas zu derangirt, um mir neuen Vorrath kaufen zu können, und ich vermisse lieber eine Mahlzeit, als meine gewöhnliche Cigarre.«
Helmstedt hatte ihm schon sein Etui hingehalten, aus welchem sich der Andere bediente, hierauf in seiner sich bescheiden verbergenden Weste ein Schwefelholz suchte und bald mit der Miene eines Kenners den blauen Rauch in die Luft blies. »Ja,« fuhr er dann behaglich fort, »ich bin doch kaum achtzehn Monate länger hier als Sie, aber ich kann wirklich sagen, daß ich in den meisten New-Yorker Verhältnissen vollkommen zu Hause bin, und meine augenblickliche Lage würde auch eine bessere sein, hätte ich in den letzten Monaten nicht positives Malheur gehabt. Erstlich hatte meine letzte Freundin, deren Wohnung ich theilte, die seltsame Marotte, daß ich ihr Geld nicht zum Spiele verwenden solle – und als ich ihr darin nicht willfahren konnte, finde ich mich am Morgen nach einer etwas wilden Nacht allein in dem vollkommen ausgeräumten Quartiere, verlassen von dem tollen Mädchen und von allen Existenzmitteln. Ich gehe nun nothgedrungen in ein Boardinghaus, werde aber hier schon nach der ausgebliebenen Zahlung für die erste Woche freundlich ersucht, Raum zu machen, und gegen alles Gesetz werden mir auch noch meine Habseligkeiten inne behalten. Die Wirthe werden jetzt wirklich jeden Tag gemeiner und illiberaler. Indessen,« fuhr er fort, zwei wohlgelungene Ringel in die Luft blasend, »ich habe bereits wieder Aussichten; es ist merkwürdig, wie hier ein nobles Air geliebt wird!«
Helmstedts Augen überliefen bei diesen Worten die äußere Erscheinung seines Gefährten und er konnte ein halb sarkastisches Lächeln nicht unterdrücken.
»O, Sie verziehen den Mund über mein jetziges Derangement,« fuhr der Redende gemessen fort, »was wollen Sie aber, lieber Freund? In einiger Zeit sind Sie vielleicht genau in demselben Zustande, ohne aber die Mittel zu besitzen, sich zu helfen, wie ich es kann. Sie verschleudern jetzt Zeit und Geld, um hier eine Stellung für Sie zu finden, wie sie gar nicht existirt. Sie leiden an derselben Krankheit, woran jährlich Hunderte von gebildeten jungen Deutschen hier zu Grunde gehen. Hacken und graben mögen sie nicht, ein Handwerk versteht Keiner, nach dem Westen zu gehen fürchten sie sich und nun suchen sie noch Stellungen als Ladendiener, Schreiber, Lehrer oder dergleichen, ohne auch nur das Haupterforderniß, das Verständniß der Landessprache, zu besitzen. Das dauert so lange, als das mitgebrachte Geld vorhält, und die Hoffnungen schwinden erst, wenn der Credit im Boardinghause gekündigt wird. Dann folgt noch eine kurze Zeit des Straßenelends und Mancher, der nicht den moralischen Muth hat, als letztes Mittel zur Hacke zu greifen oder Knecht auf einer Farm zu werden, macht seiner Noth durch einen Sprung in den North-River ein Ende. Welche Hilfsmittel haben Sie denn, Verehrter, wenn Ihre jetzigen Baaria zu Ende gehen und sich nicht ein ganz besonderer Zufall Ihnen entgegenwirft? Man denkt in der Regel nicht eher an die trübe Zeit, bis sie ins Zimmer herein sieht.«
Helmstedts Gesicht war nachdenklich geworden. »Sie malen schwarz, Seifert,« sagte er nach einer Weile; »ich habe mir indessen schon manche Freunde erworben, die mir ihre Hilfe zugesagt, und ich denke, ich will doch wenigstens den Anfang zu einer Existenz gewinnen, ehe ich ganz auf dem Trockenen sitze. Uebrigens,« fuhr er lebendiger fort, »haben Sie denn so große Resourcen? Sie scheinen mir den Prediger zu machen und auch in eigener Person die abschreckenden Beispiele darzustellen.«
»Durchaus fehlgeschossen,« erwiderte der Andere ernsthaft und schnippte die Asche von seiner Cigarre. »Ihre Freunde werden Ihnen nichts nützen, sondern Sie im Gegentheil früher ruiniren, da sie Ihnen das Geld durchbringen helfen. Trauen Sie darin meiner Erfahrung. Was meine geringe Person aber betrifft, so sollen Sie gleich anderer Meinung werden. – Sie wissen, ich mußte Deutschland meiner Ueberzeugungen und einiger zufälliger Schulden wegen verlassen, brachte indessen noch so viel baares Kapital hierher, um für einige Monate mich sorglos in das hiesige Treiben stürzen zu können. Ohne Selbstlob muß ich sagen, daß ich bald die Verhältnisse richtig beurtheilen lernte, besonders da das unglückliche Ende zweier Bekannten mich mit der Nase auf die rechte Erkenntniß stieß. Ich beschloß, vor allen Dingen Amerikaner zu werden, besuchte nur amerikanische Trinklokale und hatte bald vermöge meines offenen Beutels einen Kreis von ›first rate boys‹ als Freunde um mich. Sie rechneten es sich zur Ehre, mich bei ihren verschiedenen Freundinnen einzuführen und schon nach dem ersten Champagner-Supper und einigen splendiden Landpartien, die ich veranstaltete, rissen sich die Mädchen um den ›Grafen‹, unter welchem Titel ich allgemein passirte, und der Graf hatte Tag und Nacht überall freien Eintritt. Innerhalb der ersten drei Monate schon sprach ich perfect englisch und war au fait in den New-Yorker Geheimnissen – es gibt keine besseren Lehrer für Beides als zärtliche Mädchen und flotte Jungen. Vier Wochen später war indessen auch mein Geld zu Ende, meine Freunde zogen sich bis auf wenige zurück, wie ich es erwartet, meine Freundinnen aber konnten den ›nobeln Grafen‹ nicht so schnell entbehren. Jede wollte mich jetzt zu ihrem besonderen Galan haben, um mich zu ernähren und auf der Straße mit mir Staat zu machen. Ich verbrachte ein Jahr in wahrer Schmetterlingsexistenz, von einer Blume zur andern flatternd. Da mußte ich die Thorheit begehen, mich von einer neu angekommenen Creolin für längere Zeit fesseln zu lassen und dadurch die ganze Zahl meiner übrigen Herrinnen gegen mich aufzuregen – die Folge davon sehen Sie in meiner jetzigen Lage, wie ich Ihnen vorhin mittheilte. Indessen hat das nichts zu sagen. Mehrere gute Hotels, die in meiner Bildung und Attitude, verbunden mit einer gründlichen Kenntniß der Stadt, ein brauchbares Werkzeug für sich erkannten, haben mir schon früher Vorschläge machen lassen; indessen habe ich mich erst heute entschlossen eine dieser Anerbietungen anzunehmen, da diese mir eine bestimmte Aussicht für die Zukunft gibt. Ich werde morgen abschließen und hoffe bestimmt in zwei Jahren mein eigenes gutfundirtes Etablissement zu besitzen.«
»Und in welcher Eigenschaft werden Sie dort sein?« fragte Helmstedt, den Kopf in die Hand stützend.
»In einer rein menschenfreundlichen!« antwortete Seifert und warf das letzte Endchen seiner Cigarre weg. »Ich werde erstens den ankommenden Fremden zu einem guten Hotel verhelfen, zweitens aber ihr Beistand in allen Verlegenheiten des Fleisches oder Geldbeutels, überhaupt in allen Dingen sein, die nicht in das öffentliche Geschäftsleben hineinpassen.«
»Das heißt einfach, Sie werden Runner, Kuppler, Wuchergehilfe und dergleichen werden.«
»Was wollen Sie, lieber Freund? Wir sind in Amerika und jedes geldbringende Geschäft ist achtungswürdig – nur die Dummheit wird hier gebrandmarkt. Uebrigens können Sie unter unseren Upper Tens Manchen finden, der mit nichts Besserem angefangen hat, und ich habe eine gewaltige Achtung vor diesen Leuten.«
Helmstedt drückte mit einem tiefen Athemzuge die Hand vor die Augen. »Wo logiren Sie denn, Seifert, seit Sie Ihr Boardinghaus verlassen haben?« fragte er nach einer Weile, als wolle er das eingetretene Schweigen unterbrechen.
»Vorläufig im Hotel Park!« war die Antwort.
»Hotel Park? Wo ist das?«
»Kennen Sie das größte und interessanteste Hotel New-Yorks nicht!? Sie sind wirklich noch weit zurück. Sehen Sie, so weit der grüne Rasen und die Bäume um uns reichen, erstreckt sich Hotel Park und Nachts können Sie das große und kleine Unglück beider Hemisphären hier einquartirt finden, hier, wo kein Schlafgeld verlangt wird. Dort hinter City-Hall, zwischen zwei ausgezeichnet schönen Bäumen, kann ich Ihnen mein bisheriges Schlafzimmer zeigen. Schade nur, daß nebenbei nicht auch für die nöthigen Mahlzeiten gesorgt ist. Morgen indessen hoffe ich das Versäumte nachholen zu können, denn mich verlangt gewaltig danach, und falls Sie mich heute Abend mit einer Einladung zum Supper beehren sollten, würde ich es gern annehmen!«
Helmstedt richtete sich aus seiner gebückten Stellung in die Höhe.
»Ich gestehe Ihnen ehrlich,« sagte er nach einer Pause, »daß ich nicht geglaubt hätte, einen Deutschen von Ihrer Erziehung sich so wohlgefällig im Schlamme seiner Erniedrigung wälzen zu sehen. Sagen Sie mir nur, finden Sie denn nicht selbst Ihr Leben unter aller Würde schmutzig und gemein?«
Seifert zog ein halb lächelndes, halb nachdenkliches Gesicht, langte nach dem auf der Bank liegenden Etui und zündete sich eine neue Cigarre an.
»Vom Standpunkte des deutschen Moralprincips aus mögen Sie Recht haben!« – sagte er dann; »ich huldige aber durchaus der Zweckmäßigkeits-Theorie, der einzig in Amerika anwendbaren, und sobald nur der Erfolg am Ziele lohnt, ist die Art des Weges dahin, ob schmutzig oder trocken, ziemlich gleichgiltig. Ich kann Ihre Indignation vollständig verstehen, denn Sie sind noch ein Kind für Amerika; Sie werden mich aber anders beurtheilen, wenn Sie später denselben Grundsatz nicht allein im Geschäftsleben, sondern auch in allen Branchen unserer Staatsmaschine durchgeführt finden. – Jetzt lassen Sie uns aber das bewußte Supper zu uns nehmen, denn ich fühle wirklich einen wahren Wolfshunger.«
Sie erhoben sich und verließen den Platz, Seifert fortwährend schwatzend, Helmstedt mit widerwilligem Gesichte neben ihm hergehend. –
Am Abend des nächsten Tages saß der junge Mann wieder auf seinem alten Platz, ohne aber dem regen Treiben vor seinen Augen einen Blick zu schenken. Sein bewölktes Gesicht war zur Erde niedergewandt. Das Bild von dem Schicksale so manches jungen Deutschen, das Seifert Tags vorher vor ihm aufgerollt, hatte mehr Eindruck auf ihn gemacht, als er sich selbst gestehen wollte; er hatte noch denselben Abend sein Geld durchgezählt und mit Schrecken die bedeutende Abnahme desselben wahrgenommen; er hatte den Morgen darauf die Runde bei allen seinen Bekannten gemacht, um ein klares Bild von den Aussichten zu erhalten, die er habe; – aber die ganze Beute, die er heimbrachte, war: daß für den Augenblick keine passende Stellung für ihn aufzutreiben sei, daß sich aber gewiß mit der Zeit etwas finden würde, daß sich solche Angelegenheiten eben nicht zwingen ließen und abgewartet werden müßten, und daß er nur den guten Muth nicht verlieren solle. Helmstedt aber sah die Sache heute anders an als gestern und erblickte schon die Zeit vor sich, wo er, aller Existenzmittel baar, dieselben Vertröstungen werde hören müssen. Er erkannte die dringende Nothwendigkeit, selbst und energisch zur Gründung einer Existenz Hand anzulegen, aber wie? Er war preußischer Referendar gewesen, hatte sich während der verunglückten Revolution mit dem Staate und seiner Familie entzweit und war mit der letzten Unterstützung, die ihm die väterliche Hand gereicht, ohne Plan, aber wohlgemuth nach dem Lande der Freiheit gegangen. Er hatte gerade nicht mehr gelernt, als sein Brodstudium und eine allgemeine Bildung erforderten; alle praktischen Kenntnisse, um hier fortzukommen, fehlten ihm gänzlich. Je mehr er seine Fähigkeiten prüfte, je mehr erkannte er die Richtigkeit von Seiferts Bemerkung in diesem Punkte. Zum Lehrer an einer höheren deutschen Anstalt fehlten ihm die gründlichen Kenntnisse, als niederer Schulmeister hätte er kaum gewußt, wie zu beginnen – das war indessen doch etwas zu Erreichendes. Zum Ladendiener oder Buchhalter mangelte ihm jeder Begriff der Sache und er verstand kein Englisch; an einer Zeitung beschäftigt zu werden, war aus denselben Gründen gar keine Aussicht. Er konnte ziemlich Clavier spielen, aber wie viele brodlose Musiklehrer hatte er schon getroffen! – Schulmeister also! Aber wie dahin gelangen? Er wollte sich morgen erkundigen und von früh bis Abends danach auf den Beinen sein.
So weit war er in seinen Gedanken gekommen, als ein verdunkelnder Körper vor seinen gesenkten Kopf trat – er blickte auf und sah gerade in das Gesicht der Dame von gestern, die mit demselben neckischen Lächeln ihr Auge auf ihm ruhen ließ. Unruhig, in eine neue Sprachverlegenheit zu gerathen, sprang er auf, aber im reinsten Deutsch hörte er die Frage: »Heißen Sie nicht August von Helmstedt?«
»Ja, – zu Befehl – jawol heiße ich so!« antwortete er etwas verblüfft und starrte die Fragerin an, – »mit wem habe ich die Ehre –«
»Keine besondere Ehre!« erwiderte diese und zeigte lachend ihre schönen Zähne. »Kennen Sie mich wirklich nicht, Herr ›August‹ ich heiße Pauline Peters.«
»Pauline – meine kleine Nachbarin aus der Friedrichsstraße?« rief Helmstedt halb erstaunt, halb ungläubig.
»Gerade dieselbe, die aber während der Zeit ziemlich groß geworden ist.«
»Aber um Gottes willen, Fräulein, was hat Sie denn nach New-York geführt?«
»O lassen Sie doch das Fräulein weg!« rief sie mit einem halb schmollenden, halb bittenden Ausdruck, »sind wir denn nicht Duzfreunde gewesen? Und wenn Sie sonst nichts hier hält, so geben Sie mir Ihren Arm, lassen Sie uns einen Spaziergang machen und plaudern – ich bin so glücklich, daß ich einmal wieder einen Bekannten aus früherer Zeit gefunden habe!«
Ehe noch Helmstedt recht wußte wie, hatte er schon den halben Park an des Mädchens Seite durchschritten und fühlte ihren Arm leicht wie eine Feder in dem seinen liegen, aber gerade diese leise Berührung ging ihm durch alle Nerven; er sah in ihr frisches Gesicht und hatte doch eigentlich noch kein Wort von ihrem Geplauder bis hierher gehört.
»Aber sagen Sie mir doch nur für's Allererste, wie Sie nach New-York kommen!« begann er wieder, »sind denn Ihre Eltern auch hier?«
Ein Schatten zog über das Gesicht seiner Begleiterin und als sie die Augen nach ihm hob und wieder senkte, war der Ausdruck darin ein so ganz von ihrem frühern neckischen Blick verschiedener, daß der junge Mann seine Frage fast bereute. Ein wunderbarer Reiz aber lag in der leichten Beweglichkeit ihrer Züge, welche die kleinste Seelenregung wiederzuspiegeln schienen.
»Meine Eltern sind ja schon drei Jahre todt; sie starben in der Choleraperiode,« sagte sie augenscheinlich gedrückt. »Sie waren damals schon längst aus Ihrem elterlichen Hause. Ich mußte unter fremde Leute gehen und schlimme Zeiten durchmachen; ich war wirklich mehr zur ›Gräfin‹ geboren, – wie Sie in früheren Jahren oft meinten, wenn Sie mir recht was Schönes sagen wollten,« und ein lächelnder, schelmischer Sonnenblitz brach aus ihrem Auge, das sie einen Moment zu ihrem Begleiter aufschlug, »meine Hände waren für schwere Arbeit zu dünn und zu klein, und um den ganzen Tag am Nähtische zu sitzen, hatte ich zu viel elastisches Gummi in mir – es war wirklich eine ganz unglückselige Geschichte. Endlich erhielt eine Freundin von mir, die sich auch am Nähtische schon halb den Rücken zerbrochen hatte, von einem Bruder hier in New-York das Geld zur Reise nach Amerika gesandt, und im Briefe dabei stand eine so wundervolle Schilderung über das Leben und die Stellung der Frauen hier, daß ich Alles, was noch vom Nachlaß meiner Eltern übrig war, zusammenraffte und kurz entschlossen mitreiste.«
»Und so leben Sie jetzt bei den Verwandten Ihrer Freundin?«
»Nicht mehr; die Familie ist ins Land gezogen und ich wollte New-York nicht verlassen. – Ich stehe jetzt hier ziemlich allein.«
Helmstedts Auge überflog die reiche, fashionable Kleidung des Mädchens und ein unangenehmer Gedanke dämmerte in ihm auf, der aber nicht zur vollen Macht kommen wollte, als er einen Blick in ihr Gesicht warf, dessen rosige, weiche Züge trotz des koketten Schelmes, der daraus hervorguckte, noch mit dem unberührten Duft der Jungfräulichkeit überhaucht zu sein schienen.
»Sie stehen allein hier, Fräulein?« fragte er nach einer augenblicklichen Pause, aber die leise Veränderung in seinem Tone schien ihr Alles, was in ihm vorging, verrathen zu haben. »Ja, fast allein, Herr von Helmstedt,« erwiderte sie und blickte ihn ernst und voll an, »aber ich will Ihnen zweierlei sagen: Erstens genießt die Frau hier zu Lande einen ganz merkwürdigen Schutz, wenn sie sich nur selbst schützen will, und zweitens können Sie, ohne Sorge, Ihre Ehre zu gefährden, sich mit mir in den Straßen New-Yorks zeigen!«
»Aber Fräulein –«
»Aber Herr von Helmstedt! Warum nennen Sie mich ›Fräulein‹, warum legen Sie einen solchen Gespensterton in Ihre Frage, ob ich allein stehe, und verderben mir meine ganze Freude, Sie wieder zu sehen? Ich bin doch nicht an vier hintereinanderfolgenden Tagen durch den Park gegangen, nur um sicher zu werden, ob Sie es auch wirklich seien, der auf die Bank dort gebannt schien, wie der trauernde Genius dort unten im Marbleshop auf dem Grabstein, den Niemand kaufen will, und habe Sie endlich zweimal angeredet – damit Sie alle Kindererinnerungen, die mich zu Ihnen trieben, vergessen und mich zuerst vorsichtig und bedächtig ins Gebet nehmen sollen, welche Stellung ich hier einnehme?«
»Aber liebe Pauline, es ist mir ja doch nicht eingefallen –«
»Gut, Herr August, ich bin jetzt schon zufrieden – sagen Sie mir nun aber auch, wollen Sie wol heute Abend den Thee mit mir nehmen? – ich meine in meiner Wohnung, wir werden ganz allein sein!«
»Ja – von Herzen gern!« erwiderte Helmstedt, dem bei dieser Einladung zehn verschiedene Vorstellungen durch den Kopf schossen und eine eigenthümliche Befangenheit in ihm erzeugten – als er sie aber anblickte, traf er auf ein so feuchtes, inniges Auge, welches zu ihm aufschaute, daß er ihren Arm fester an sich zog, ohne sich von den ihn durchkreuzenden Gefühlen Rechenschaft zu geben.
Sie hatten Broadway erreicht und diesen eine Strecke verfolgt, ohne daß die lebhafte Passage ihnen viel Worte erlaubt hätte; jetzt aber bog Helmstedts Begleiterin in eine Seitenstraße ein. »Wir haben noch ein gutes Stück bis zu meiner Wohnung,« sagte sie, »aber lassen Sie uns den Weg durch eine der stilleren Avenues nehmen – und jetzt sagen Sie mir doch nur mit zwei Worten, was Sie nach New-York gebracht? Ich hörte noch in Berlin, daß Sie Ihr Examen bestanden und beim Kammergericht eingetreten waren; das ist etwa ein und ein halbes Jahr her und ich habe mir in den letzten Tagen fast den Kopf wirre gedacht, was sie aus Ihrer Carriere nach Amerika hat werfen können. Hätte mich der Schnurrbart nicht unsicher gemacht – 's ist schon so lange her, daß ich Sie zum letzten Male gesehen – so hätte ich Sie schon am ersten Abend angesprochen.«
Helmstedt fühlte sich von der naiven Theilnahme, die sich in jedem Worte des Mädchens aussprach, warm und wohlthuend berührt, für ihn hatte aber die Zeit der früheren Bekanntschaft so fern gelegen, daß ihre plötzliche Erneuerung eine vollständige Ueberrumpelung für ihn gewesen war, zwischen der kleinen Pauline und dem blühenden Mädchen an seiner Seite, das sich bei ihren letzten Worten eben fester an seinen Arm gehangen, fand er keine Verbindungsglieder, und trotz allem Wollen konnte er sich nicht bis zur völligen Unbefangenheit hinaufarbeiten. Er erzählte ihr in kurzen Worten, was ihn nach New-York gebracht, daß er eben dabei sei, sich nach irgend einer neuen Lebensstellung umzusehen, und ihr Auge hatte dabei unverwandt an seinem Gesichte gehangen. »Aber Sie verstehen noch kein Englisch, August!« sagte sie, als er eine Pause machte, »und im niedersten deutschen Leben, wo Sie das etwa entbehren könnten, wollen Sie doch nicht anfangen?«
»Ich denke, ich bewerbe mich irgendwo um eine Schulmeisterstelle!«
»Um – um eine Schulmeisterstelle?« wiederholte seine Begleiterin, die plötzlich ihren Schritt anhielt und in ein Lachen ausbrach, so hell und klar wie Silber. »Sie, August, Schulmeister? – aber seien Sie nicht böse, ich konnte mir wahrhaftig nicht helfen!« sagte sie weitergehend, augenscheinlich bemüht, ihre lustige Laune zu bändigen; »wie um Gottes willen sind Sie denn auf die Idee gekommen?«
»Ja, wie!« erwiderte Helmstedt, und trotz aller sorgenvollen Gedanken, die plötzlich wieder vor seine Seele traten, hätte ihn beinahe das Lachen seiner Gefährtin angesteckt. »Wissen Sie vielleicht etwas anderes für mich?«
»Aber Sie sind doch Jurist,« erwiderte sie, ernster werdend, »warum gehen Sie nicht zuerst als Schreiber zu einem Advocaten und lernen, was Ihnen hier noch Noth thut, halten nachher Reden, werden bekannt, bekommen dadurch tüchtige Praxis oder lassen sich in ein paar Jahren zu irgend einem Amte wählen? Wenn ich ein Mann wäre, ich würde in Amerika gar nichts anderes als Advocat!«
»Aber ich verstehe ja noch nicht einmal ein Wort Englisch!«
»Well, das ist bald gelernt. Sie nehmen sich für ein paar Monate einen Lehrer und halten sich von aller deutschen Gesellschaft fern. Stehe ich auch allein, so habe ich doch einen Freund, der Sie in die beste amerikanische Gesellschaft bringen kann – ich weiß, August, daß es gerade Ihnen unter den Amerikanern gar nicht fehlen kann, wenn Sie nur wollen!«
Helmstedt antwortete nicht sogleich, aber sein Gesicht verrieth einen ganzen Berg trüber Gedanken. »Sie sind ein liebes, gutes Kind, Pauline,« sagte er nach einer Weile, »aber mit dem Plane ist es nichts.«
»Aber der Grund?«
»Weil's – weil's eben nicht geht. Hätte ich zwei Monate, die ich bereits in New-York verlebt, nach Ihren Ideen genutzt, so hätte ich diese vielleicht verfolgen können, – jetzt ist es zu spät!«
Das Mädchen sah ihm einen Augenblick forschend ins Gesicht, dann schien ihr plötzlich ein Verständniß aufzugehen, das sich wie ein Sonnenschein über ihre Züge verbreitete. »Dort ist meine Wohnung,« begann sie nach einer kurzen Pause, »wir wollen dort weiter über die Sache reden, vielleicht läßt sich trotz aller Unmöglichkeiten doch ein Ausweg finden.« Helmstedt sah das strahlende Lächeln in ihrem Gesichte, aber er begriff es nicht, wie ihm das ganze Mädchen und ihre Verhältnisse ein Räthsel waren.
Ueber einen von Bäumen beschatteten grünen Vorplatz, von der Straße durch ein eisernes Gitter abgeschlossen, schritt ihm das Mädchen nach einem kleinen, im eleganten »Cottagestile« gebauten Hause voran. Sie sprang behend die Außentreppe hinauf, zog die Klingel und eine Mulattin, knapp und Zauber gekleidet, öffnete. Sie machte der Eintretenden eine Meldung in englischer Sprache, von der Helmstedt aber nur die Worte: »Ihr Onkel ist hier gewesen, Miß Peters!« verstehen konnte, er sah aber, wie das Gesicht seiner Jugendfreundin ein schnelles Roth überflog, das indessen schon wieder verschwunden war, als sie sich nach ihm wandte. »Lassen Sie uns hinaufgehen,« sagte sie, »es ist gemüthlicher dort als in dem steifen Parlor; sobald der Thee fertig ist, wird uns Mary rufen.«
Sie schritten die elegante, mit dicken Teppichen belegte Treppe nach einer Vorhalle hinauf, aus welcher Helmstedt in ein Zimmer trat, das eine Empfindung in ihm hervorbrachte, als werde er mit einer weichen, duftigen Decke umhüllt. Die Luft war von jenem unbeschreiblichen Wohlgeruch geschwängert, der das Eigenthum der Bekleidung jeder wahren Dame zu sein scheint; die schweren Gardinen ließen die Helle nur gebrochen ins Zimmer fallen, und die Anordnung der Meubles, der weichen Divans und niederen Ruhesessel gaben in Gemeinschaft mit dem schweren Fußteppiche, der keinen Schritt hören ließ, dem Zimmer einen Charakter von wunderbarer Heimlichkeit. Helmstedt hatte noch nie den Comfort des amerikanischen Südens gesehen, wie er sich hier darbot, und als seine Begleiterin ihm mit einem Lächeln den Hut aus der Hand nahm, dann sich des ihrigen entledigte, Mantille und Handschuhe bei Seite that, mit einem kurzen Blick in den Spiegel die Haare zurückstrich und nun die kleine Hand hinstreckend auf ihn zutrat, wollte ihn das Gefühl einer entnervenden Aufregung überkommen, wie sie ihm bis jetzt vollkommen fremd war.
»Sie wohnen allein hier, Pauline?« fragte Helmstedt, nur leise die dargebotene Hand zwischen die seine nehmend.
»Mary und ihr schwarzer Mann haben das Basement inne,« erwiderte sie, ihm ruhig ins Gesicht sehend – »und das sind zwei Dienstboten treu wie Bulldoggen. Mr. Morton, dem das Haus gehört und der Zeitweise ein paar Zimmer hier oben einnimmt, hat sie erst vor drei Monaten aus Alabama mit herausgebracht. Mr. Morton ist nämlich ein alter Herr, den ich Onkel nenne,« setzte sie mit einem neuen Anflug von Röthe hinzu ohne indessen das Auge zu senken, »ich werde Ihnen die Verhältnisse noch ganz ausführlich und ohne Verhör erzählen, – jetzt aber haben wir von andern Angelegenheiten zu reden und deshalb setzen Sie sich einmal hierher!« Sie deutete auf einen der Divans dicht an seiner Seite – und Helmstedt saß in dem weichen Polster, das sich von allen Seiten seinem Körper anschmiegte, mit einem Gefühle, halb aus Behagen und halb aus einer Unruhe gemischt, von der er sich selbst keine Rechenschaft geben konnte; das Mädchen aber hatte einen der niederen Sessel ohne Rücklehne herangezogen, saß zu seinen Füßen und sah mit einem stillen warmen Blick zu ihm auf. »Sagen Sie nur erst einmal, August,« begann sie und legte ihren Arm auf seine Knie, »sind Sie noch immer so stolz wie früher?«
»Stolz – ich?«
»Daß jede angebotene Hilfe wie eine Beleidigung, wie ein Zweifel an Ihrer eigenen Kraft von Ihnen aufgenommen wird – Sie waren wenigstens als wilder Junge so und Sie haben gerade noch denselben Zug zwischen den Augen!«
»Nun, und wenn ich nun noch so wäre?«
»Hören Sie einmal, August – nicht wahr, Ihnen fehlt weiter nichts als das Geld, um hier wieder Ihre alte Carriere einzuschlagen? Wenigstens habe ich das errathen!«
»Nun?«
»Und wenn Sie nun Jemand dadurch glücklich machen können, daß Sie seine Hilfe annehmen, würden Sie sie zurückstoßen? – halt, warten Sie erst!« rief sie aufspringend, als Helmstedt Miene machte sich zu erheben, und faßte seine beiden Arme, »August, wir sind doch Freunde aus der Kindheit und wenn mir irgend ein Glück widerfahren wäre, so hätt's nicht größer sein können, als das, Sie wiederzusehen – ich habe ein Recht, Ihnen zu helfen; nicht wahr, Sie schlagen mir's nicht ab, da ich's kann?« Ihr Blick wurzelte in dem seinen mit einer Innigkeit, die ihm bis tief ins Herz drang.
»Pauline, Sie wären im Stande, mich zu einer Thorheit zu bewegen, – aber lassen Sie das!« sagte er und drückte sie sanft auf ihren Sitz zurück. »Sie gehen Ihren Weg und ich den meinigen, die beide wahrscheinlich ganz verschiedene Richtungen nehmen. Ich habe kein Recht, nach dem Ihrigen zu fragen, auf dem Sie meiner nicht bedürfen –«
»Aber ich will Ihnen Rechenschaft geben!« rief sie leidenschaftlich aufspringend – »ich weiß, was du denkst, August, aber es ist nicht so, und du sollst noch Alles erfahren – sei jetzt gut gegen mich, wie du's früher warst – 's ist eine glänzende Einöde, in der ich hier lebe; aber an dem Tage, an welchem ich dich in dem Parke sitzen sah, war mir's, als blühe ein ganzes Paradies in mir auf! sei kein gefühlloser Bär, August,« rief sie, als Helmstedt sich erheben wollte und legte ihre beiden Arme auf seine Schultern, »ich will ja nichts, als daß du mich ein klein wenig lieb haben sollst – ein ganz klein Bischen nur, denn dann wirst du mir's nicht verweigern, daß ich dir helfe und daß ich dich lieb haben darf wie mein Leben!« Sie hatte seinen Kopf zwischen ihre Hände genommen, Helmstedt fühlte einen brennenden Kuß auf seinen Lippen, dann aber hatte sie sich umgedreht, war nach dem Fenster gegangen und brach dort in ein krampfhaftes Weinen und Schluchzen aus. Helmstedt sprang auf, von zehn widerstreitenden Empfindungen bestürmt. »Pauline, seien Sie kein Kind!« sagte er und wollte sie in seinen Arm nehmen, aber sie wand sich leicht los, trat in die Vertiefung des nächsten Fensters und war in kurzem Kampfe bald ihrer Aufregung Herr geworden. »'S ist schon gut, August,« sagte sie mit einem Lächeln in Thränen sich umkehrend; »ich bin eine Närrin, aber seien Sie mir nicht bös darüber!«
»Sie sind ein leidenschaftliches Kind, Pauline, und haben mir noch nicht einmal Zeit zu einem einzigen Worte gelassen!« erwiderte Helmstedt und nahm ihre Hand zwischen die seinigen. »Sehen Sie, es läuft nun einmal gegen mein Gefühl, von irgend Jemand, sei es Bruder oder Freund, eine Unterstützung anzunehmen, wo meine eigenen Hilfsmittel noch nicht vollständig erschöpft sind und ich will mir lieber aus den untersten Klassen herauf eine Laufbahn durch meine eigene Kraft öffnen, als einen bequemeren Anfang der zufälligen Hilfe Anderer zu verdanken haben. Ich bin nun einmal so, Pauline!«
Sie nickte still mit dem Kopfe. »Aber, gesetzt den Fall, Sie hätten eine reiche Braut, die Sie liebten,« sagte sie nach einer kurzen Weile, »würden Sie sich auch von der nicht Ihren Weg erleichtern lassen?«
»Ich glaube nicht, daß, wenn ich selbst nicht viel Geld hätte, ich jemals ein reiches Mädchen zu meiner Braut machen könnte.«
»Supper is ready!« rief die Mulattin durch die halbgeöffnete Thür.
»Lassen Sie uns hinunter zum Abendbrode gehen!« sagte das Mädchen mit einem trüben Blicke und wollte ihre Hand aus der des jungen Mannes ziehen; dieser hielt sie aber mit kurzem Drucke fest. »Verstehen Sie mich nicht falsch, Pauline,« sagte er, »aber ich meine, es ist besser, wenn ich nach Hause gehe, wir sind Beide zu aufgeregt, ich sehe Sie ein andermal wieder!«
»Ich will Ihnen zu nichts mehr zureden,« erwiderte sie mit gedrückter Stimme, »ob wir uns so bald wiedersehen werden, weiß ich auch nicht; Mr. Morton ist angekommen und hat über mich zu bestimmen. Aber um Eins bitte ich Sie, August! Wenn einmal eine Zeit kommen sollte, wo Ihre eigene Kraft die Hindernisse hier im Lande nicht mehr bändigen kann und wo eine helfende Hand nicht mehr gegen Ihre Ehre ist, so vergessen Sie nicht, daß Sie hier trotz Ihres Stolzes eine warme Freundin haben, wärmer – als Sie es verdienen!« Sie schlug einen Moment das Auge überquellend zu ihm auf, dann machte sie ihre Hand los und ging mit abgewendetem Gesicht ins Nebenzimmer. Helmstedt sah ihr nach und schwankte, ob er ihr folgen solle – langsam nahm er aber endlich seinen Hut und verließ das Haus. Er ging die Straße hinab, Broadway zu, aber er war in einem Zwiespalt mit sich selbst, den er umsonst auszugleichen suchte. Bald erschien er sich wie ein Narr, der mit dem Fuße die Rosen wegstößt, die auf seinen Weg fallen – bald kam ein Gefühl von Genugthuung, wie nach einer überwundenen Versuchung über ihn – bald trat der Eindruck, den das duftige Zimmer und das blühende Mädchen an seinem Halse auf ihn gemacht, wie ein Traum vor seine Seele, daß er stillstehen und sich noch einmal nach dem Hause umsehen mußte. »'S ist besser so!« brummte er endlich, mit der Hand über die Stirne streichend, und verfolgte die Straße weiter.
An der Ecke von Broadway stand, einen Korb voll kleiner Toiletten-Gegenstände zum Verkauf um den Hals gehangen, ein Junge mit ausgeprägt jüdischen Zügen. Ein wild gewordenes Pferd mit einem Wagen hinter sich kam prasselnd die Straße herab, und in dem augenblicklichen Gedränge, das durch die flüchtenden Fußgänger auf dem Seitenwege entstand, wurde dem kleinen Verkäufer der Korb vom Halse gerissen, und alle Herrlichkeiten darin über das Pflaster gestreut. Der Bube versuchte weinend seine Sachen wieder zusammen zu lesen und vor den Tritten der Passirenden zu schützen, und Helmstedt, der den ganzen Jammer des jungen Herzens mitfühlte, trat rasch hinzu, um aus dem Bankerott retten zu helfen, was wöglich. Als aber in dem wieder gefüllten Korbe, der jetzt ein Chaos von zerbrochenen Seifenstücken und in den Schmutz getretenen Allerhands bot, sich die ganze Größe des Unglücks zeigte und der Knabe nach einem trostlosen Blicke darauf in ein bitteres Schluchzen ausbrach, klopfte ihm Helmstedt in einer Aufwallung des Mitgefühls auf den schwarzen Krauskopf. »Heule nicht, Bub, das Malheur wird sich ja noch gut machen lassen!« sagte er. »Weißt du, wo Williamstreet ist? Komm morgen früh mit deinen Sachen hin. Hier hast du meinen Namen und die Nummer.« Er warf ihm seine Karte in den Korb und ging mit einem »Vergiß nicht!« von den großen Augen des Knaben gefolgt, rasch weiter, da sich bereits ein Haufen Neugieriger um sie versammelt hatte. Er hatte eben angefangen seinen Schritt wieder zu mäßigen, als er in dem Durcheinander der Fußgänger einen Menschen neben sich bemerkte, der eine Weile gleichen Schritt mit ihm hielt und ihn seitwärts betrachtete. »Bitt' um Verzeihung, Sie sind wol ein Deutscher?« begann er endlich. Helmstedt wandte den Kopf, und zwischen einem grauen Barte blickten ihn eine gebogene Nase und zwei kleine lebhafte Augen an, in denen der Jude nicht zu verkennen war. »Yes Sir! das bin ich,« erwiderte Helmstedt und wandte den Blick nach einem der Schaufenster, um einer weiteren Unterhaltung zu entgehen. »Sie sind wol noch nicht lange im Lande?« war die zweite Frage. »No Sir!« antwortete der Angeredete kurz und ging rasch weiter. »Darf man fragen, was Sie für ein Geschäft haben?« Helmstedt warf auf den zudringlichen Frager einen kurzen, messenden Blick und antwortete nicht. »Ich meinte es nicht bös, junger Herr – ich dachte nicht, daß Sie stolz wären – bitt' um Verzeihung!« – und damit blieb der aufgedrungene Begleiter zurück. Helmstedt schüttelte etwas verwundert den Kopf, hatte aber bald die kurze Scene in der wieder auftauchenden Erinnerung an die eben durchlebte Zusammenkunft vergessen. Erst als er sein Boardinghaus in Williamstreet und sein bereits dunkel gewordenes Zimmer erreicht hatte, trat die Sorge für die Zukunft wieder mit Macht vor seine Seele. Er fühlte keinen Appetit zum Abendbrod, warf sich auf sein Bett und ließ die Gedanken durch seinen Kopf streichen. Seit dem Lachen des neckischen Mädchens über seine Schulmeisteridee kam ihm diese, wenn er sich mit seinem ganzen Wesen hineindachte, selbst so absurd vor, daß er sie gar nicht mehr ansehen mochte und als aufgegeben über Bord warf – aber was dann? Wollte er nicht die ordinärsten Handlangerdienste verrichten, so war »Englisch können« der einzige Schlüssel zur Verwerthung seiner etwaigen Kenntnisse, – aber wenn er auch den Rest seines Geldes zum Studium der Sprache anwandte, wer gab ihm die Versicherung, daß er dann sogleich eine Stellung finden, oder daß auch nur sein Geld hinreichen würde, bis er so fix und fertig sei, wie er's für nothwendig hielt? Er sprang vom Bette, schloß seinen Koffer auf und begann wieder sein Geld durchzuzählen und zu berechnen. Nahm er einen guten Lehrer, so konnte er noch zwei, bei äußerster Einschränkung drei Monate leben; das langte weder hinten noch vorn, und doch mußte etwas geschehen, wenn er nicht auf gut Glück hin seine Mittel zu Ende gehen lassen wollte.
»Halloh, Herr von Helmstedt, so einsam im Halbdunkel?« rief Seifert, der in diesem Augenblick zur Thür hereintrat, »delibrirend? O! Cassa machend – Ausgezeichnetes Geschäft! – aber lassen Sie sich nicht stören!« fuhr er fort, als Helmstedt das noch offen liegende Geld in die Börse zurückstrich, sie im Koffer verbarg und diesen zuschlug, »ich wollte Ihnen im Vorübergehen nur einen guten Abend wünschen!« Helmstedt sah auf und hätte kaum den früheren Menschen in ihm wiedererkannt; ein flotter, modischer Frack saß wie angegossen um ihn, über die weiße Weste fiel eine goldene Kette, das Fischbeinstöckchen schlug die enganschließenden Beinkleider und auf dem wohlfrisirten Haare saß keck ein feiner Kastor.
»Mit Ihnen ist ja eine merkwürdige Veränderung vorgegangen!« sagte Helmstedt, ihn musternd, und es war ihm, als nehme seine Erscheinung eine Sorge von ihm, die noch über die Ausführung seiner eben gefaßten Entschlüsse auf ihm gelastet. »Kommen Sie her und nehmen Sie Platz!«
»Meinen Sie mich oder meinen Frack, dem diese Ehre zum ersten Mal widerfahren soll?« lachte Seifert, »aber ich hoffe, Sie werden Scherz verstehen,« setzte er hinzu, als er das Blut in Helmstedts Gesicht steigen sah, »ich habe dieselbe Frage schon an zehn Bekannte gerichtet, die mich heute zum ersten Male wiedererkennen wollten.«
»Vielleicht hätte sie auch bei mir gepaßt,« erwiderte Helmstedt, und machte einen Stuhl von den darauf liegenden Kleidungsstücken frei, »wenn Sie mir nicht erst gestern von Ihren verschiedenen Anstellungen erzählt hätten, wozu natürlich eine entsprechende Livree gehört. Also setzen Sie sich ohne Sorge um ein Mißverständniß.«
»Fein revanchirt, beißend revanchirt,« sagte Seifert mit einem Lächeln, dessen Deutung schwer gewesen wäre, »aber Sie wissen, wir differiren in einzelnen Punkten, und darum lassen Sie uns die Streitaxt begraben.«
»Sie kommen mir eigentlich gerade recht,« begann Helmstedt, sich auf seinen Koffer niederlassend und die Stirn in die Hand stützend, »ich möchte mir ein paar Fragen an Sie erlauben. Haben Sie wol die Dame genau gesehen, mit der ich sprach, als Sie mich gestern im Park trafen?«
»Mir entgeht Derartiges nicht leicht,« sagte der Besucher und lehnte sich auf seinen Stuhl zurück, »und ich gestehe Ihnen, daß mich Ihr Glück einigermaßen frappirt hatte.«
Helmstedt hob den Kopf. »Davon ist nicht die Rede. Ich möchte nur wissen, ob Sie das Gesicht in Ihren Kreisen einmal irgendwo vor die Augen bekommen haben?«
»Das heißt – erlauben Sie,« lachte Seifert, »in dem Falle hätte ich mir andere Bemerkungen gegen Sie und Ihre stillen Vergnügungen erlaubt, ich habe nicht einmal einen Zweifel in mir laut werden lassen, so fremd war mir die Erscheinung.«
Helmstedt ließ den Kopf wieder in die Hand sinken. »Seifert, ich glaube, Sie haben Recht, ich muß amerikanische Gesellschaft suchen – aber wie?« begann er nach einer Weile wieder, »ich möchte zuerst aus diesem Hause heraus und mich kopfüber unter das englisch-sprechende Publikum stürzen!«
»Spät kommt die Erkenntniß, aber sie kommt!« declamirte der Andere, »und ich gratulire Ihnen zu dem Entschlusse, wenn er auch wahrscheinlich nur in einem Paar hellen Augen wurzelt, die übrigens die besten Lehrmeister abgeben! Lassen wir aber Ihre vernünftige Stimmung nicht verstreichen, ich denke, wir fangen mit dem Kopfübersturz gleich heute Abend an.«
»Je eher, je lieber,« erwiderte Helmstedt, sich erhebend, »aber lassen Sie mich Eins sagen, Seifert, bringen Sie mich nicht an Orte, gegen die ich nun einmal grundsätzlich einen Widerwillen habe. Sie werden gewiß irgendwo muntere, aber anständige Gesellschaft wissen und ich will's Ihnen doppelt danken, wenn Sie diese Rücksicht für mich nehmen!«
»Werde Ihr jungfräuliches Gefühl möglichst zu schonen wissen! Lassen Sie sehen. Heute Abend sind Sie mein Gast bei einem Familien-Supper – fünf bis sechs noble junge Leute, einige Damen – das macht den Anfang, morgen werde ich Ihnen ein amerikanisches Boardinghaus, für Ihren Zweck vorzüglich geeignet, zuweisen, und dann findet sich das Uebrige.«
»Aber, lieber Freund, ich will nicht extravagiren, meine Mittel sind so geschmolzen, daß ich mich einschränken muß so viel als möglich!«
Seifert zuckte die Achseln. »Richten Sie sich ein wie Sie wollen,« sagte er, »einmal gehen Sie doch zu Ende und die Hauptfrage bleibt nur, auf welche Weise der möglichste Nutzen daraus zu ziehen ist. Aber wir verstehen uns darin nicht, und ich will Ihnen auch nie eher wieder einen Rath geben, als bis Sie mich bestimmt darum bitten. Jetzt wollen Sie amerikanisches Leben und die Sprache kennen lernen, gut, ich bin Ihr Mann, im Uebrigen folgen Sie Ihrem eigenen Gutdünken.«
»Und um welche Zeit findet Ihr Supper statt?« fragte der Andere, seine Stirne reibend.