Der Probant - Sonja Wolters - E-Book

Der Probant E-Book

Sonja Wolters

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Beschreibung

Andrij Sinjak geht keiner festen Arbeit nach, er widmet seine Zeit lieber den dunkelhaarigen, hellhäutigen jungen Mädchen. Sie erinnern ihn an seine längst verstorbene Mutter, die auf grauenvolle Weise zu Tode kam. Nun ist er auf der Suche nach der perfekten Frau... Er hat schon Einige kennen gelernt, aber die Richtige zu finden erweist sich als nicht sehr einfach! Zumal er einen ganz besonderen Typ Frau bevorzugt, hat er eine gefunden die seinem Vorbild nahe kommt, gibt es nur noch eines zu tun: Sie vor der Gefahr des Lebens zu schützen, der Gefahr vor untreuen Männern und ihren unmoralischen Vorstellungen. Er nimmt ihnen allen das Leben auf eine Art die unvorstellbar grauenvoll ist und sogleich viele Fragen aufwirft. Warum er das tut und welche unbeschreiblichen grausamen Qualen er in der Klinik für Psychiatrie erleiden musste, all das versuchen die Kommissare Frank Wenz und Hendrik Stadler zu ermitteln. Der Weg dahin ist lang, nervenaufreibend und gepflastert mit Sinjaks Opfern, die er offen in Hamburg verteilt liegen lässt. Die Untersuchungen der Kommissare führt sie nach Russland, in die Klinik von Professor Muratow, in der offenbar ungeklärte Vorkommnisse einfach unter den Teppich gekehrt werden. So auch Akten eines Patienten von Dr. Tihanow, der in der Klinik Leiter einer Station war. Als ein höchst gefährlicher Patient der unter Schizophrenie leidet einfach verschwindet, ohne das es jemand bemerkt, nimmt der Arzt sich das Leben. Andrij Sinjak hält alle Fäden zur Auflösung des Falls in den Händen...

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Seitenzahl: 234

Veröffentlichungsjahr: 2024

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1

Ein Wecker schrillte 6:30 Uhr.

Jean-Baptiste Tukur tastete nach dem Wecker, der auf dem Nachttisch stand und schaltete ihn aus. Mit einem wendigen Satz sprang er aus dem Bett streckt sich und öffnete das Fenster, das zu einem kleinen Balkon führte.

Er trat hinaus und atmete die frische Luft in kräftigen Zügen ein.

"Was für ein herrlicher Tag," dachte er.

Der frühe Morgen war auch schon um 6:30 Uhr vielversprechend, nicht nur dass der Tag schön zu werden versprach, nein, seine Frau Gabrielle kam heute endlich wieder nach Hause.

Nach Hause zu ihm!

Er hatte sie unendlich vermisst.

Gabrielle war vor fünf Wochen zu ihrer kranken Mutter Florence gefahren, um sich um sie zu kümmern. Gabrielle hätte es gerne gehabt, wenn ihre Mutter mit zu ihnen nach Bremen gekommen wäre, aber Florence wollte das auf keinen Fall, von ihrer Heimat weg, in ein anderes Land.

Nein, Frankreich war ihre Heimat und die Provence mit ihren herrlich duftenden Lavendelfeldern ihr Leben.

Vor einem Jahr waren Jean-Baptiste und Gabrielle Tukur nach Hamburg gezogen um dort ihren Traum zu verwirklichen und ein kleines Restaurant zu eröffnen. Sie hatten in ihrem Urlaub vor eineinhalb Jahren das kleine Restaurant gesehen, was zum Verkauf stand, und sich von Anfang an darin verliebt.

"Gabrielle" wie Jean-Baptiste das Restaurant liebevoll nach seiner Frau benannt hatte, lag an einem kleinen Teich mit einem herrlichen Garten, voller Rosenbüsche, duftendem Phlox und Katzenminze. Heute Nachmittag um 17:15 Uhr würde er sie vom Flughafen abholen. Jean-Baptiste war wie beflügelt, nach so langer Zeit seine Frau endlich wieder zu sehen.

Zwar hatten sie oft telefoniert, aber das war nicht das gleiche. Er liebte seine Frau so sehr, dass es ihn manchmal schmerzte und er, wenn er sie einige Zeit nicht sah, ihre Heimkehr kaum erwarten konnte. Und nun, nach der langen Zeit, war er aufgeregt wie ein Teenager vorm ersten Rendezvous.

2

Elke Sommerfeld saß alleine am Frühstückstisch und biss in ihr Hörnchen. Sie hatte heute frei und wollte mit ihrer Hündin Maja einen schönen Tag an der Alster verbringen. Elke arbeitete als technische Zeichnerin in der Firma ihres Vaters.

Vor drei Monaten hatte sie sich von ihrem Mann Eric getrennt und wegen unüberbrückbaren Differenzen die Scheidung eingereicht.

Sie konnte ihm seine Seitensprünge nicht mehr verzeihen, und als sie schließlich von ihm erfuhr, dass seine Liebschaft schwanger war, trennte sie sich endgültig von ihm.

Maja, die gemeinsame Boxerhündin, war nach der Trennung bei ihr geblieben. Darauf hatte Elke bestanden.

Diese drängte nun ihr Frauchen, indem sie nervös mit der Leine in der Schnauze durch die Wohnung lief.

"Ja, ja, ich komme ja schon," entgegnete sie mit vollem Mund der jetzt winselnden Hündin," ich muss mir nur noch die Jacke anziehen."

Sie ging zur Garderobe, schaute in den daneben hängenden Spiegel und sah sich forschend darin an.

Was sie sah gefiel ihr nicht.

Elke war groß und schlacksig, hatte keine weiblichen Rundungen.

Einen flachen Busen, keinen Po, wie sie fand, und Tailleschon gar nicht.

Das Gesicht war blass, ihre Nase viel zu groß und ihre Augen hatten eine wässrige Farbe.

Die Haare dagegen fand sie schön, die goldene Mähne fiel fast wie ein    Vlies über ihre Schultern bis tief ihren Rücken herab.

Das, dachte sie , und die Tatsache, dass ihr Vater ein Industrieller mit eigener Firma und Geld war, hatte Eric all die Jahre wohl bei ihr gehalten. Und die Aussicht, dass sie mal ein schönes Sümmchen erben würde.

Seine "Neue" hatte auch blondes Haar und erwartete jetzt ein Kind.

Sein Kind, das sie immer haben wollte, das er aber nie mit ihr wollte, bekam jetzt eine andere.

Die Boxerhündin stieß einen hohen Jaulton aus, der Elke daran erinnern sollte, dass sie endlich los wollten.

"Egal,"sagte Elke zu ihrem Bild im Spiegel.

"Wir haben ja noch uns, " sagte sie zu ihrem Hund gewandt und ging zur Tür.

Sie fröstelte, als sie ins Freie trat.

Es war über Nacht plötzlich erheblich kälter geworden. Sie öffnete die Kofferraumtür ihrer A- Klasse und ließ Maja hinein springen.

Der Motor brummte auf und Elke fuhr los.

Nach zwanzig Minuten hatte sie ihr Ziel erreicht, die wunderschöne Alster und ihre weitläufigen Spazierwege.

Maja sprang mit einem Satz aus dem Auto, die gestromte Hündin kannte den Weg und lief schon voraus.

"Hey Maja, nicht so weit. Maja hierrrr ,"rief Elke.

Doch der Boxer hörte nicht, ganz anders als es ihrer sonstigen Art entsprach, denn Maja war ein sehr gut erzogener Hund.

Erneut rief Elke Sommerfeld nach ihrem Vierbeiner.

Kein Erfolg.

Etwas war heute anders, der Boxer wirkte irgendwie nervös.

Schnüffelnd, mit der Nase am Boden, lief sie einer unsichtbaren Fährte nach.

Plötzlich, wie aus heiterem Himmel, sprang die Hündin mit einem riesigen Satz über einen am Boden liegenden Baum in den Wald hinein.

Elke war total perplex, so etwas hatte Maja noch nie gemacht. Weiter nach ihr rufend, bemühte sie sich durch das dichte Unterholz zu kommen.

Äste versperrten ihr den Weg, kleine Büsche machte ihr das schnelle Vorankommen unmöglich.

Von Maja keine Spur.

Elke stolperte über einen Stein, strauchelte und fiel zu Boden.

Einige Sekunden blieb sie liegen, etwas benommen tastete sie zu ihrer Stirn, wo sie einen stechenden Schmerz spürte.

Ein Ast hatte beim Sturz ihre Stirn gestreift und eine kleine blutende Wunde hinterlassen.

"Verdammter Mist," fluchte sie.

Als sie sich beim Aufstehen abstützen wollte, fasste ihre erdverschmierte Hand in irgendetwas matschiges.

"Auch das noch,"dachte sie," Hundescheiße."

Angeekelt zog sie ihre Hand zurück, warf einen Blick darauf und wollte sie sich gerade im nassen Gras abwischen, als sie mit starrem Blick feststellte, dass die vermeintliche Hinterlassenschaft gar keine war.

Elkes Herz klopfte bis zum Hals, ihre Atmung ging schneller.

Ganz langsam drehte sie den Kopf und schaute an ihrer Hand vorbei auf den Waldboden, wo nun auch Maja stand.

Ein Schrei drang durch den Wald, als Elke Sommerfeld entdeckte was da im Unterholz lag und was ihre Hündin neugierig beschnüffelte.

Eine nackte Frauenleiche mit aufgeschlitztem Bauch und neben ihr ein weiterer grotesker Anblick.

Die sorgsam zusammengelegte Kleidung der Frau.

3

Kommissar Frank Wenz wurde zu einem Einsatz gerufen. Das war nun die dritte Leiche innerhalb kürzester Zeit und immer waren es junge Frauen, die ausgeweidet wurden. Alle waren zwischen 18 und 28 , eher klein und schlank, schwarzhaarig und blauäugig. Immer derselbe schreckliche Anblick.

"Was gibt`s?" wollte Wenz wissen.

"Immer das gleiche Schema, junge hübsche Frau, offenherzige Kleidung. " antwortete Hendrik Stadler.

Hendrik war seit drei Jahren Franks Kollege. Obwohl Frank mit 54 alles andere als glücklich war, so einen Grünschnabel als Kollegen zugeteilt bekommen zu haben, hatten ihm die drei Jahre Zusammenarbeit gezeigt, dass Hendrik Stadler trotz seiner Jugend viel souveräner mit seiner Arbeit umging, die oft viele Nachtschichten und wenig Schlaf beinhalteten, als andere Kollegen seines Alters, ganz zu schweigen von dem seelischen Druck.

Sie waren im Laufe der Zeit zusammengewachsen, was in diesem Beruf unverzichtbar war.

"Und...,"stockte Frank Wenz, was, was ist mit....?"

"Mit dem Uterus?" ergänzte Hendrik seinen Kollegen," wie in allen anderen Fällen. Innereien raus, Uterus fein säuberlich zurück gepackt. Hände über dem Bauchraum gefaltet, mit einem Gänseblümchenkranz zwischen den Fingern."

Frank musste schlucken, daran würde sich sein Magen nie gewöhnen. Der Geruch nach fortgeschrittener Verwesung nahm ihm den Atem. Er machte kehrt und winkte Hendrik zu mitzukommen.

"Was ist...?"grinste Stadler,"der Magen?"

Frank blieb ihm die Antwort schuldig.

"Was ist das schon wieder für ein Fall? Und nicht der kleinste Hinweis. Ich werde noch mal wahnsinnig," schnauzte Wenz.

Frank und Hendrik setzten sich in ihr Dienstfahrzeug.

"Die Spurensicherung ist da, die Leute von der Gerichtsmedizin sind unterwegs. Ich denke hier sind genug Leute."

Mit diesen Worten startete Frank den Wagen und fuhr Richtung Präsidium.

Vier Stunden später.

Die beiden Kommissare saßen an ihren Schreibtischen die sich gegenüber standen, so dass beide den Überblick auf die Wandtafel hatten.

Diese war über und über bedeckt mit den Fotos der drei gefundenen toten Mädchen, einer Landkarte, bespickt mit Fähnchen von dem Leichenfund und Wohnorten.

Alles war fein säuberlich beschriftet.

"Gehen wir nochmal alles durch," forderte Hendrik," was wissen wir? "

Frank rieb sich die Augen, er sah müde aus. In seinen Dienstjahren hatte er so allerhand gesehen und das zeichnete sich in seinem Gesicht ab.

Sein verbleibendes Haar war stark ergraut, er hatte es sich kurz abrasieren lassen. Noch nie hatte er Lust verspürt, sich modisch zu kleiden, was seine Ex-Frau immer bemängelt hatte. Er war der typische Vertreter seiner Generation, die auf Styling keinen Wert legte. Das passte nicht zu ihm, fand er.

Seine grauen Augen lagen tief in den Höhlen und waren rot umrandet. Seinen restliche Erscheinung passte nicht so richtig zu seinem müden Gesicht.

Frank war groß.

1,97 m machten ihn zu einer stattlichen Mann. Das hatte ihm schon oft geholfen, denn vor großen Menschen hatte man einen natürlichen Respekt.

Dazu kam seine muskulöse Erscheinung. Frank trieb täglich Sport.

Egal wie lang der Tag auch war, eine Stunde Laufen musste er immer.

Das machte seinen Kopf frei und der Sauerstoff, der durch seinen Körper gepumpt wurde, verlieh ihm neue Kraft und seinem Körper neue Energie. Der Kommissar trug gerne Jeans. Anzüge und Krawatten waren ihm verhasst. Zu unbequem für seine Arbeit und nicht zweckgemäß.

Jeans, sportliche Schuhe, Shirt oder Hemd. Das musste reichen, fand er.

Ein Blick auf Hendrik ließ ihn daran denken, wie er mit 27 war.

Gott, war das lange her, eine Ewigkeit..!

"Hey, hörst du mir zu ?"

Frank schrak aus seinen Gedanken auf.

"Entschuldige bitte. Die letzten Tage..., habe kaum geschlafen."

Es klopfte an der Tür und ohne ein Herein abzuwarten, trat eine Polizistin ein und reichte Stadler eine Mappe.

"Die Untersuchungsergebnisse des letzten Opfers," sagte sie und ging hinaus.

Hendrik nahm sie an sich, schlug die Mappe auf und fing an zu lesen. Seine smaragdgrünen Augen, die Frauen reihenweise in Hysterie verfallen ließen, flogen über den Text. Eine markante Narbe zierte seine linke Augenbraue und gab ihm irgendwie einen leicht verwegenen Ausdruck.

"Hier,"sagte er und fuhr sich mit der Hand durchs dunkelbraune Haar, "die blauen Kontaktlinsen, die die erste Leiche trug, bekommt man in jedem beschissenen Fachhandel."

Frank rieb sich abermals die Augen.

"Alle Frauen haben schwarze Haare, alle Frauen sind sexy gekleidet, jung, klein, hübsch. Ein wenig Lolita. Gefaltete Hände über dem Bauch...., soll es aussehen als ob sie beten? Gänseblümchenkranz....,"sagte Hendrik fast zu sich selbst," warum legt er die Bekleidung so säuberlich zusammen?"

"Da gibt sich einer richtig Mühe, alles in Szene zu setzen," entgegnete Wenz.

"Aber warum legt er sie versteckt ab, warum nicht offensichtlich?"

Hendrik stand auf und goss sich Kaffee ein.

"Willst du auch?" wollte er wissen.

Frank winkte ab.

"Er legt sie nicht in der Öffentlichkeit ab, weil es ihm nicht um Anerkennung oder Ruhm geht, das ist nicht sein Ziel. Der Täter hat sein eigenes Regiebuch."

"Ja, "sagte Hendrik und kratzte sich am Dreitagebart.

"Er legt mehr Wert auf das Drumherum, wie ein Ritual ..." fuhr Frank fort.

Eine lange Pause entstand.

Hendrik ergriff das Wort.

"Lass uns für heute Feierabend machen, es ist schon spät. Ich habe Irma versprochen, mit ihr Essen zu gehen. Wir müssen sowieso die Autopsie und Spusi abwarten."

Frank nickte zustimmend und fragte:"Wie kannst du jetzt nur ans Essen

denken, nach so einem Anblick?"

"Hm, ich habe Hunger und es geht zu Jean-Baptiste! Willst du vielleicht mitkommen?"

"Nein danke, ich krieg keinen Bissen runter. An dir ist ein Pathologe verloren gegangen, mein Freund, mit so einem Magen. Ich bleib noch ein bisschen hier und geh nochmal den Fall durch."

"Aber nicht zu lange, sonst bekomme ich noch ein schlechtes Gewissen. Im Ernst, mach bald Schluss, du kannst Schlaf gebrauchen!"

Ein kurzes:"Ja," kam aus Franks Mund.

4

Jean-Baptiste wartete nervös auf den Flug 739, in dem sich seine Frau Gabrielle befand. Wenn Jean-Baptiste nervös war, zupfte er immer an seinem Ohrläppchen.

Tukur hatte dunkelblondes Haar und entsprach optisch eher nicht der Vorstellung eines Franzosen. Er war mittelgroß, breitschultrig, hatte einen kurzen Hals. Seine Figur war gedrungen, aber kompakt. Sein Kopf hatte eine markante, vielleicht etwas klobige Form. Manchmal fragte er sich, was seine Frau Gabrielle an ihm fand.

Sie hatte auf diese Frage geantwortet:"Alles an dir passt zu mir."

Der Flug wurde aufgerufen.

Die ersten Passagiere strömten in die Flughafenhalle. Jean-Baptiste streckte den Hals.

Da war sie!

Langes schwarzes Haar, ein Teint wie Elfenbein. Locker trug sie eine überdimensionale Tasche über der Schulter. Große Creolen, die im Sonnenlicht an ihren Ohren blitzten, die rahmenlose Sonnenbrille auf ihrer kleinen, feingeschnitten Nase.....

Tukurs Herz schlug bis zu Hals, mit großen Schritten ging er auf sie zu. Als sie ihn sah, trat ein Strahlen in ihr Gesicht, das sie aussehen ließ wie aus einer anderen Welt, fand er.

"Hey, Cherie,"rief Gabrielle und fing zu laufen an, dabei rutschte die riesige Tasche von ihrer Schulter und fiel zu Boden, so dass sich der Inhalt auf den Boden des Flughafens ergoss.

Beide bückten sich und schaufelten schnell den Inhalt zurück in die Tasche.

"Für mich,?"fragte Jean- Baptiste und hielt ein kleines Päckchen in der Hand.

"Pscht,"flüsterte Gabrielle Tukur und legte einen Finger auf seine Lippen, was ihn zum Schweigen brachte.

"Erst zu Weihnachten."

Noch auf dem Boden hockend, sahen sie sich tief in die Augen.

"Ich habe dich so vermisst !" hauchte Gabrielle.

"Ich dich auch," gab er zur Antwort.

Sie küssten sich zärtlich.

Als beide endlich im Auto saßen, nachdem sie gefühlte 2    Stunden auf das Gepäck warten mussten, fragte sie:" Wollen wir ins Restaurant? Ich habe einen Riesenhunger. Das Essen an Bord war ungenießbar. Grigorij hätte das Essen verflucht und den Koch erschlagen!"

"Das habe ich mir gedacht," schmunzelte Tukur," es war schon verwunderlich, dass du so lange deine Küche allein gelassen hast. Aber Grigorij hat dich würdig vertreten."

"Bitte....?"witzelte sie," würdig vertreten? Hat mich keiner vermisst, nicht mal die kleinste Maus oder die winzigste Küchenschabe?"

"Sie haben dich alle vermisst, vor allem ich. Ich habe es kaum ausgehalten!"

Bei diesen Worten bog er in einen kleinen Tannenweg ein.

"Was hast du vor?"

"Lass dich überraschen."

5

Da saß er, auf einer Bank im Zoo Hamburg und beobachtete die Pinguine. Wie diese kleinen Anzugträger gierig den Fisch verschlangen, so wie er die kleinen, zarten jungen Dinger verschlang.

Sie umbrachte, so wie sie es brauchten.

Aber nicht jede war so wie er sie brauchte, nein....!

Er, nur er, wusste ganz genau wie sie sein mussten.

Die Erste war ihm sofort aufgefallen.

Am Kiosk, wie sie da stand mit dem Gänseblümchen im Haar.

Nummer zwei war besser, viel besser.

Aber nicht perfekt. Er hatte ja genug Zeit, um die Richtige zu finden. Vor einer langen, langen Ewigkeit fing es an, immer und immer wieder ging er alles im Kopf durch. Allein und in der Klinik, in der er einige Zeit gewesen war.

Jetzt aber war alles wieder in Ordnung!

Er war sozusagen entlassen worden.

Einen tiefen letzten Schluck aus seiner Coladose nehmend, blickte er auf, zerdrückte sie und warf sie zielsicher in den Abfallkorb. Nicht daneben, nein, hinein.

Der Unrat auf der Straße oder irgendwo anders machte ihn wahnsinnig.

Er wurde ganz hektisch, wenn irgendetwas nicht so in Ordnung war, wie er es für richtig hielt.

Heutzutage warfen alle alles weg.

McDonaldstüten, Plastikflaschen oder Kaugummi, Zigarettenkippen. Und überall wird hingerotzt. Jedes Mal, wenn er so etwas sah, würde er am liebsten dem Verschmutzer die Hand abhacken oder dem Speier die Zunge abschneiden.

Früher wurden Diebe so bestraft.

Auch wenn diese Subjekte keine Diebe waren, im weitesten Sinne waren sie      dennoch    Übeltäter.

Nur die kleinen Damen mit schwarzem seidigen Haar und zarter, heller Haut, die erinnerten ihn an "Sie".

Die Frau in seinem Leben, die ihn schon vor so vielen, vielen Jahren verlassen hatte.

Jeden Dienstag ging er, dessen Namen im wirklichem Leben Andrij war, der aber überhaupt nicht zu ihm passte, fand er, so dass er sich einen passenden aussuchen musste, in den Hamburger Zoo.

Andrij - so heißt jeder.

Nein, er brauchte einen Namen, der zu ihm und seinem    "ICH" passte.

Und der Name war Leo.

Leo der Löwe, der König der Tiere, König der Menschen, der Welt.

Dem alle Tribut zollten, ihn verehrten, aber auch fürchteten.

Sein sehniger, kräftiger Körper war von Narben übersät.

Er hegte und pflegte ihn, das hatte die Frau in seinem Leben, die er immer vergöttert hatte, aber nicht mehr da war, geliebt.

Mittwoch, jeden Mittwoch, ohne Ausnahme ging Leo zum Freiklettern.

Er war ein wendiger und guter Kletterer.

Donnerstag zum Schwimmen, Leo der Löwe schwamm immer 40 Bahnen.

Freitags ging er ins Altenheim.

Samstag und Sonntag ging er arbeiten.

Einer Beschäftigung nach.

Einer Beschäftigung als Kartenabreißer im Kino.

Diesen Job hatte er erst seit kurzem und er gefiel ihm nicht. Es war eines Löwen nicht würdig, Karten annehmen, Karten abzureißen, den Gästen die Plätze zuzuweisen. Und am Ende der Vorstellung den Kinosaal auszufegen. Überall Popkorn auf den Sitzflächen, am Boden, Trinkbecher etc. .

Dieser Müll, achtlos weggeworfen, machte ihn rasend. Er bekam Schweißausbrüche, Beklemmungen. Seine Hände wurden schwitzig.

Sein ganzer Körper wurde anders, alles fing irgendwie zu hämmern und zu pochen an. Sein Schädel fühlte sich an wie ein Presslufthammer, das Blut pulsierte.

Montags aber war sein freier Tag, wo die schwarzhaarigen jungen Damen manchmal ihr Leben ließen.

Montag, der schönste Tag der Woche!!

6

Der Himmel wurde dunkel, die Wolken zogen sich zu.

Eisregen prasselte auf den Boden.

Gabrielle und Jean- Baptiste Tukur rannten so schnell wie sie konnten zu ihrer Hütte hinüber. Bis auf die Haut durchnässt schloss Jean-Baptiste die Tür auf. Lachend traten die beiden ein,und Tukur ging ins Bad um ein Handtuch zu holen.

"Komm ich rubbel dich ab," grinste er.

Ein Melodie ertönte, Tukur griff in die Hosentasche und holte das Handy heraus.

"Jean-Baptiste," meldete er sich.

Ein tiefes Schnaufen trat aus seinem Mund.

"Ja...,ja."

Eine Pause entstand, wo Jean-Baptiste nur schweigend am Telefon zuhörte.

"Okay, bin gleich da!"

Er klappte das Handy mit einem zornigen Gesichtsausdruck zu.

"Ich muss noch einmal ins Restaurant, es tut mir leid. Sebastian ist wieder mal nicht gekommen. Wir müssen uns echt überlegen ob er noch tragbar ist für uns, das geht so nicht weiter! Das Restaurant ist voll und wer fehlt....?"

Traurig sah Gabrielle ihn an.

"Ich habe mich so auf unseren Abend gefreut” seufzte sie," haben wir keine Aushilfe?"

"Irma hat ihren freien Tag, sie hat drei Wochen durchgearbeitet und Tim ist krank. Grippe. Oh Cherie, es tut mir so leid!"

Mit diesen Worten nahm er seine Frau in die Arme.

" Ich weiß, ich weiß...! Hau ab, um so schneller bist du wieder da. Ich nehme ein Bad und warte auf dich," lächelte Gabrielle gestellt und löste sich aus der Umarmung.

Jean-Baptiste warf ihr noch eine Kusshand zu und zog dann die schwere Haustür hinter sich ins Schloss.

Sie ging ins Bad, drehte den Wasserhahn der Wanne auf und ließ Lavendelöl        hinein laufen, die sie aus Frankreich mitgebracht hatte.

"Ein wenig Heimat,"dachte sie.

Während das Wasser einlief, ging Gabrielle in das Wohnzimmer, schaltete das Licht an und den Fernseher ein.

Die Nachrichten liefen.

Der Nachrichtensprecher berichtete mit betroffenem Gesicht über die drei Morde an den jungen Frauen.

Aufmerksam hörte sie zu.

"Die Polizei tappt im Dunkeln," tönte es aus dem Fernseher," trotz intensiver Bemühungen hat sie noch keinen konkreten Verdacht. Die Polizei bittet die Bevölkerung, vor allem junge Frauen, vorsichtig zu sein und nicht mit fremden Personen mitzugehen. Und jetzt zum Wetter..."

Garielle schaltete den Fernseher wieder aus, sah sich um und nahm die Zeitung, die sie am Flughafen gekauft hatte, aus der Tasche.

"Da bist du ja," sagte sie leise zu sich selbst.

Im Bad drehte sie den Hahn der vollgelaufene Wanne zu, zog sich die nassen Sachen aus und glitt ins Wasser. Die wohlige Wärme durchströmte ihren ausgekühlten Körper. Dampf stieg auf.

Gabrielle nahm einen Schluck Wein aus dem Glas, das sie sich zwischendurch eingegossen hatte und blätterte die Zeitung auf. Gleich auf der ersten Seite schlug ihr die Meldung entgegen die sie gesucht hatte.

Die reißerische Schlagzeile stach ihr ins Auge:

"Sind jetzt alle schwarzhaarigen Frauen in Gefahr?"

stand da in dickgedruckten Buchstaben. Als Gabrielle mit dem Lesen fertig war, überkam sie eine Gänsehaut, und ein Schauer durchfuhr ihren Körper bis in die Fußspitzen.

"Mein Haar ist auch schwarz," flüsterte sie und tauchte ins Wasser ein.

7

In der Leichenhalle des Hamburger Autopsiesaales standen Frank und Hendrik    zusammen mit drei weiteren Personen, davon war einer der Dienststellenleiter, Ernst Klein sowie, der Forensiker Thomas Steinwaller und die Rechtsmedizinerin Marina Sovolski.

Schon beim Eintreten in den Autopsiesaal drehte sich wieder der Magen von Frank.

Der Kommissar stand einen Schritt hinter den dreien am Autopsietisch.

"Was haben wir?" fragte der Einsatzleiter Ernst Klein.

Marina Sovolski schlug mit einer Bewegung das Leichentuch zurück.

"Ihr Name ist Charlotte Bunner. Das haben wir anhand der Vermisstenkartei herausgefunden," erklärte die Pathologin.

Alle vier Männer erschraken, Frank ging noch einen Schritt zurück.

"Oh mein Gott, das war ein Wahnsinniger!" keuchte Hendrik.

Die Leiche war übersät mit tiefen schwarzen und rotumrandeten Stichen, der bläulich umrandete Unterbauchraum wies einen breiten Schnitt quer von links nach rechts auf. Es waren tiefe und weniger tiefe Stiche, über und über am gesamten Körper, die einen grauenvollen Eindruck hinterließen.

"Was ist das für ein Monster, der so etwas tut?"

Ernst Klein schluckte und bedeckte die Frauenleiche wieder, mit angewidertem und mitleidigem Gesicht zugleich.

"Die Leiche ist in einem fortgeschrittenerem Verwesungsstadium als die anderen beiden. Ich würde sagen, sie ist das erste Opfer. Die Schnitte sind noch viel gröber und unpräziser, vor allem die tiefen Schnitte im Bauchraum. Der Uterus ist auch beschädigt."

Marina beschrieb diese Dinge wie selbstverständlich, der Tod anderer war ihre Arbeit und diese beherrschte sie sehr gut.

"Was meinen Sie?" wollte Hendrik wissen.

"Er weist kleine Schnitte auf, die wohl beim Heraustrennen passiert sind. Die beiden anderen Leichen, die wir gefunden haben, weisen eine viel bessere, fast chirurgische Schnitttechnik auf."

Frank hielt sich die Hand vor den Mund.

"Wie meinen Sie das? Dass er quasi dazu gelernt hat?!" fragte Hendrik.

"So könnte man das auch sagen, zumindest ist er besser geworden.

Und wir haben noch etwas."

Marina zeigte mit einer Handbewegung zu ihren Kollegen.

"Die Leiche ist nicht von Natur aus schwarzhaarig. Die Haare wurden gefärbt, unser Opfer ist rothaarig. Die schwarze Haarfarbe gibt es leider in jedem herkömmlichen Handel zu kaufen. Keine Fingerabdrücke und keine Rückstände unter den Nägeln, keine Haaren oder Hautpartickel, keine Fasern vom Täter. Nichts!“ brachte sich Steinwaller ein.

„Die Leiche ist wie die Anderen gewaschen worden, mit Rosenseife. Hier auch wieder die gleiche Lotion von der Firma Sunlight, die es schon seit Jahren auf dem Markt gibt."

"O.k., und was gibt es jetzt Neues? Was ist mit den Schnitten um den Bauchraum herum? Die hatten die anderen doch nicht," wollte Frank wissen.

"Stimmt. Sie sind wahllos und unterschiedlich tief,"antwortete Marina.

"Irgendeine Idee warum?" fragte Klein.

"Das könnte viele Gründe haben. Zorn, Enttäuschung, vielleicht kannte er sie und wollte sich wegen irgendetwas rächen oder nur mal testen, wie es sich anfühlt, in Menschenfleisch zu schneiden."

Steinwaller ergriff erneut das Wort:" Kommen wir zu der neuen Entwicklung, etwas was die anderen Opfer nicht hatten!"

"Und?!" wollte Klein wissen.

Eine kleine Pause entstand, die nur einige Sekunden andauerte, sich aber wie eine Ewigkeit anfühlte.

"Was ist, Steinwaller?" forderte Frank den Kollegen auf.

"Dazu lassen Sie uns nach oben gehen. Es laufen noch Untersuchungen. Meine Herren."

Der Forensiker wies zur Tür.

Die vier Männer verabschiedeten sich von der Rechtsmedizinerin und eilten mit raschen Schritten aus dem Autopsiesaal den langen, weiß gefliesten Gang entlang, der aus dem unteren Bereich des Gebäudes führte.

Keiner der Männer wollte länger als nötig    hier unten bleiben.

Frank stöhnte:" Komm gleich nach."

Er bog ab und rannte mit der Hand vor dem Mund los, riss die Tür auf, die zu den Toiletten führte und erbrach sich.

Schnaufend schritt er zum Waschbecken hinüber, spülte sich den Mund und wusch sein Gesicht.

Langsam tropfte das Wasser an seinem Gesicht herab. Frank schaute auf und sah in den Spiegel, er wischte mit der Hand das restliche Wasser aus seinem müden Gesicht, seine Augen brannten wie Feuer.

"Du siehst scheiße aus!" sagte er zu seinem Spiegelbild.

Der Kommissar drehte sich auf dem Absatz um und ging hinauf.                                                                                           

8

Der nächste Morgen.

Jean-Baptiste stand mit einer Pyjamahose bekleidet auf dem kleinen Balkon seines Schlafzimmers und rieb mit Daumen und Zeigefinger an der Nasenwurzel.

Er hatte wieder diese mörderischen Kopfschmerzen.

Sanft umarmte Gabrielle ihn von hinten und schloß ihre Arme um seine Brust.

"Hast du wieder Kopfschmerzen?!" fragte sie, " du bist gestern sehr spät nach Hause gekommen. Schau wie müde du aussiehst, bleib doch heute zu Hause Cherie, hm."

"Nein, das geht nicht. Heute ist Mittwoch, die neuen Weine werden geliefert," entgegnete er.

"Jean- Baptiste, dass schaffen wir auch ohne dich. Pierre ist ein sehr guter Sommelier. Cherie, bitte sei vernünftig und ruh dich aus. Du wirst noch gebraucht!"

Den Rest des Satzes hauchte sie in sein Ohr, streichelte zärtlich über seine Brust und glitt hinab.

Jean-Baptiste drehte sich um und hob sie hoch, warf sie auf das Bett und fing an, ihre nackten Schenkel zu küssen. Gabrielle stöhnte leise und hielt sich an der Metallumrahmung des Bettes fest.

Tukurs Kopfschmerzen explodierten plötzlich. Es fühlte sich an, als ob jemand mit einem Messer in seinem Kopf herumstach. Immer und immer wieder.

Schmerzerfüllt stöhnte er auf und hielt den Kopf in beiden Händen.

"Jean-Baptiste, was ist mit dir?" fragte Gabrielle erschrocken.

Behutsam streichelte sie seinen Kopf.

Zusammengerollt lag er auf dem Bett und kniff die Augen vor Schmerzen zu.

"So, jetzt ist Schluss, ich rufe den Arzt!"

Gabrielle wollte gerade vom Bett aufstehen, als Jean-Baptiste sie zum Stoppen brachte.

"Nein...., es ist schon wieder gut! Ich lege mich hin und schlafe ein bisschen,    bin wahrscheinlich doch ein wenig überarbeitet. Ich verspreche dir, dass ich zum Doc gehe, wenn es nicht besser wird."

"Versprochen?!"

"Versprochen!"

Er versuchte zu lächeln, aber es misslang.

Gabrielle gab ihm einen Kuss auf die Stirn.

"Schlaf ein bisschen," sagte sie und während sie aus dem Schlafzimmer ging wante sie sich noch mal zu ihm.

"Ich ruf nachher an. O.k.?"

"O.k.,"antwortete er, drehte sich um und schlief sofort ein.

Wirre Träume quälten ihn.

Träume von Spritzen, die lange Nadeln hatten; eine Person, die er nicht erkennen konnte, rannte auf einer Wiese mit Blumen von ihm weg. Dann wieder weiß geflieste Wände, ein langer Gang mit vielen Türen, die mit kleinen Schildern versehen waren, die er nicht entziffern konnte.

Sie waren mit einer fremde Sprache beschriftet.

Schreiend erwachte er.

Jean-Baptiste richtete sich auf, Schweiß rann an ihm herab.

Und wieder diese Kopfschmerzen, dazu kam ein pelziger Geschmack auf seiner Zunge.

Er atmete schwer und ließ sich wieder zurück auf das Kopfkissen sinken.

9

Leo schloss die Tür zu seinem Haus auf, das weit ab von der Stadt in einem Wäldchen lag.

Das Haus war alt und früher einmal gehörte es zu einer Gärtnerei.

Die Gärtnerei gab es schon lange nicht mehr, nur noch das alte Gewächshaus erinnerte an längst vergangene Zeiten. Es war umrangt von Efeu und wildem Wein, die Scheiben teilweise erhalten, teilweise zerbrochen. Drinnen standen viele Töpfe, ein großer Arbeitstisch mit Orchideenerde, viele Blumensamen und hinten in einer Ecke war ein Beet, säuberlich gepflegt und darin wuchsen kleine weißgelbe Gänseblümchen.

Leo der Löwe bewohnte das Haus erst seit kurzem.

Vor zwölf Monaten hatte er die Klinik verlassen und beim Spaziergang das alte Gebäude entdeckt. Schnell hatte er sich mit der Hausbesitzerin, einer alten Dame angefreundet. Als sie ihr Haus verließ, um in ein Seniorenstift zu ziehen, hatte sie leichten Herzens Leo das Gebäude überlassen, der nun bemüht war, alles wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu bringen.

Das Wohnhaus war zu seiner Zufriedenheit gesäubert und instandgesetzt. Seit Monaten putzte er fein säuberlich jede Ritze, schrubbte den Boden, polierte die Fliesen und nun musste er noch die Scheiben im Gewächshaus austauschen.

Leo ging durch den ehemaligen Verkaufsraum, der eigentlich noch wie ein solcher aussah. Dutzende von Orchideensorten: Phalaenopsis, Cattleyen, Oncidien, Dendropien, Zygopetalien und Ascocentren schmückten den Raum. Und zwischen diesen anmutigen königlichen Pflanzen, blühten hier und da, klein, fast schüchtern, Gänseblümchen.

Er atmete tief ein.

Orchideen hatte "Sie", die nicht mehr da war, geliebt.

"Sie" die nicht mehr da war, gestorben war.

Immer, wenn die Männer kamen, brachten sie Orchideen mit, als Geschenk.

Und vom Geld der Männer kaufte sie immer Lebensmittel ein und für ihn pflücke sie Gänseblümchen, diese flocht sie dann zu einem Kranz, den Andrji dann trocknete.