Der Rächer - Émile Zola - E-Book

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Émile Zola

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Beschreibung

Wenn Jacques Damour in Numéa den leeren Horizont anstarrte, stieg die Vergangenheit vor ihm auf, der während des Deutsch-Französischen Krieges spontan gebildete revolutionäre Pariser Stadtrat, der gegen den Willen der konservativen Zentralregierung versuchte, Paris nach sozialistischen Vorstellungen zu verwalten, das Elend der Belagerung, die Wut der Commune, welche ihn soweit fortgeschleudert hatte. Währen der Barrikadenkämpfe wir sein Sohn Eugen erschossen und er fasst den Entschluss ihm zu rächen. Er selbst wird von den Regierungstruppen gefangen genommen und deportiert. Später für tot erklärt. Seine Frau heiratet wieder. Er fühlte sich nicht gerührt durch diese Erinnerungen, aber da sie immer wieder auftauchten, ermatteten und verdüsterten sie seinen Geist.

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Seitenzahl: 64

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Émile Zola

Der Rächer

Impressum

Texte:             © Copyright by Émile Zola

Umschlag:      © Copyright by Gunter Pirntke

Übersetzer: © Copyright by Unbekannt

Verlag:

Das historische Buch, Dresden / Brokatbookverlag

Gunter Pirntke

Mühlsdorfer Weg 25

01257 Dresden

[email protected]

Inhalt

Impressum

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

1. Kapitel

Wenn Jacques Damour in Numéa den leeren Horizont anstarrte, stieg die Vergangenheit vor ihm auf, das Elend der Belagerung, die Wut der Commune, welche ihn soweit fortgeschleudert hatte. Er fühlte sich nicht gerührt durch diese Erinnerungen, aber da sie immer wieder auftauchten, ermatteten und verdüsterten sie seinen Geist.

Im sechsundzwanzigsten Jahre hatte sich Jacques verheiratet, mit einem großen schönen Mädchen von neunzehn Jahren, Felicie geheißen, der Nichte einer Obsthändlerin von Villette, bei welcher er zur Miete gewohnt hatte.

Er war Ciseleur und verdiente täglich gegen zwölf Francs; sie war Näherin gewesen; aber bald nach ihrer Heirat bekam sie einen Knaben, und ihre ganze Zeit ging daraus, den Kleinen zu ernähren und die Wirtschaft zu besorgen.

Eugen wuchs kräftig und munter auf. Neun Jahre später kam ein Mädchen zur Welt, und dieses, Louise, blieb lange schwach und kränklich, sodass sie viel Geld für den Arzt und Apotheker ausgeben mussten, um das Kind am Leben zu erhalten. Trotzdem war die Ehe keine unglückliche.

Damour machte oft blauen Montag, aber auch da blieb er vernünftig. Wenn er zu viel getrunken hatte, legte er sich ruhig in sein Bett, und ging den andern Morgen wieder zur Arbeit, indem er sich selbst sagte, dass er zu Nichts lange.

Mit zwölf Jahren stellte man Eugen an den Schraubstock. Der Junge konnte kaum lesen und schreiben, aber er verdiente schon seinen Unterhalt. Felicie, die immer nett und sauber war, führte das Hauswesen mit Klugheit und Umsicht, ein wenig »zu sparsam«, meinte der Vater, denn sie gab ihnen mehr Gemüse als Fleisch zu essen, um einige Sous für den Fall eines Unglücks bei Seite zu legen.

Das waren ihre besten Zeiten. Sie wohnten in Ménilmontant in einer kleinen Straße. Die Wohnung hatte vier Räume — eine Stube für Vater und Mutter, eine für Eugen, ein Speisezimmer, wo die Schraubstöcke aufgestellt waren und das auch als Küche diente, dann ein kleines Gemach für Louise — und lag im Hinterhof eines kleinen Gebäudes; aber sie hatten doch Luft, denn die Fenster gingen auf einen Bauhof und von früh bis spät hörten sie das Gerassel der Wagen, die dort Schutt und alte Bretter abluden.

Als der Krieg ausbrach wohnten sie bereits zehn Jahre in demselben Haus. Felicie näherte sich den Vierzigern, aber sie war jung geblieben, ein wenig stark, mit runden Schultern und Hüften, die sie zur schönsten Frau des Quartiers machten.

Jacques dagegen vertrocknete neben ihr, und trotzdem sie nur acht Jahre voneinander trennten, schien er doch viel älter. Louise war jetzt außer Gefahr und gesund, aber noch immer zart; in ihrer Magerkeit glich sie mehr dem Vater, während der neunzehnjährige Eugen die schlanke Taille und den breiten Rücken von seiner Mutter geerbt hatte.

Sie lebten sehr einfach, mit Ausnahme der gewissen Montage, wo der Vater und der Sohn sich im Wirtshause verspäteten. Felicie war ärgerlich über das viele Geld, das da vergeudet wurde. Es geschah sogar zwei oder dreimal, dass sie sich schlugen; aber das hatte nicht die geringsten Folgen. Es war lediglich die Schuld des Weines, sonst galten sie als eine ausgezeichnete Familie. Man führte sie als Muster auf, wenn man Jemandem ein Beispiel geben wollte.

Als die Preußen auf Paris marschierten und die schreckliche Arbeitslosigkeit begann, hatten sie mehr als zweitausend Francs in der Sparkasse. Das war genug für einen Arbeiter, der zwei Kinder erzogen hatte. Die ersten Monate der Belagerung waren nicht zu hart für die Damours. Man aß noch Weißbrot und Fleisch in dem Raum, in welchem die Schraubstöcke still standen.

Gerührt durch das Elend ihres Nachbarn, eines hungernden Malers, welchen man im Hause Berru nannte, forderten sie diesen obendrein noch auf, manchmal mit ihnen zu speisen; und bald kam er früh und abends. Er war ein lustiger Vogel, der es verstand, die Leute zum Lachen zu bringen, und es gelang ihm schließlich sogar, Felicie milde zu stimmen, obwohl diese mit Unruhe und Entrüstung die größten und besten Bissen in diesen breiten Mund verschwinden sah.

Abends spielte man Karten und schimpfte auf die Preußen. Der sehr patriotische Berru sprach von unterirdischen Gängen in der Umgebung von Paris, durch welche man bis nach Châtillon und Mantretaut gelangen könne, um dort die feindlichen Batterien in die Luft zu sprengen.

Dann fiel er über die Regierung her, ein Haufe von Feiglingen, welche Heinrich V. zurückbringen und Bismarck die Thore von Paris öffnen wollten. Er zuckte mit den Schultern über diese republikanische Regierung, die nur aus Verrätern bestand. Ah! Die Republik! Und die Ellenbogen auf dem Tisch, seine kurze Pfeife im Munde, erklärte er Damour sein Regierungssystem, Freiheit, Brüderlichkeit und Reichtum für Alle, Gerechtigkeit und Gleichheit Oben und Unten.

»Wie im Jahre 93« fügte er entschieden hinzu, ohne recht zu wissen, was er sagte. Damour blieb ernst. Auch er war Republikaner, weil er seit seiner Kindheit immer gehört hatte, dass mit der Republik für die Arbeiter der Tag des Triumphes anbrechen werde, das allgemeine Glück. Aber er hatte keine bestimmte Vorstellung davon, wie das eigentlich geschehen sollte.

Er begeisterte sich und glaubte bestimmt, dass, wenn ganz Paris, die Männer, die Frauen und die Kinder, die Marseillaise singend, nach Versailles ziehen würden, man die Preußen schlagen, sich mit der Provinz vereinigen und eine Volksregierung gründen würde, die einem jeden Bürger sichere Renten zahlen müsste.

»Nimm Dich in Acht,« sagte Felicie oft voll Misstrauen, »es wird ein schlechtes Ende nehmen mit Deinem Berru. Gib ihm zu essen, wenn es Dir Vergnügen macht, aber seinen Kopf lasse ihn allein aufs Spiel setzen.«

Auch sie wollte die Republik. Ihr Vater war im Jahre 1848 auf den Barrikaden gefallen. Anstatt dass diese Erinnerung ihr Denken jedoch verwirrte, machte es sie nur vernünftig. Wäre sie das Volk, sagte sie, so würde sie die Regierung schon zu zwingen wissen, gerecht zu sein; sie würde ihr zeigen, wie man klug und entschlossen handelt.

Die Gespräche Berrus ärgerten und beängstigten sie, sie traute ihm nicht. Auch bemerkte sie, dass Damours Wesen unter dem Einfluss des Malers sich veränderte und die Art und Weise, wie er jetzt sprach, gefiel ihr gar nicht. Aber nach weniger gefiel ihr die glühende Aufmerksamkeit und Düsterkeit, mit welcher Eugen den Worten Berrus lauschte.

Abends, wenn Louise auf dem Tische eingeschlafen war, saß er mit verschränkten Armen da, die Augen starr auf den Maler gerichtet, langsam ein Glas Branntwein schlürfend.

Berru brachte immer eine außerordentliche Neuigkeit aus Paris mit, von diesen Verrätern, die vom Montmartre aus Zeichen mit den Deutschen wechselten, Säcke mit Mehl und Fässer mit Pulver die Seine hinunter schwimmen ließen, um die Stadt früher zu übergeben.

»Ist das ein Geklatsche!« sagte Felicie zu ihrem Sohn, wenn Berru fort war. »Lass Dir den Kopf nicht von ihm verdrehen, Du! Du weißt, dass er lügt.«

»Ich weiß, was ich weiß,« gab ihr Eugen zur Antwort.

Zu Anfang des Dezembers hatten die Damours ihre Ersparnisse aufgezehrt. Zehnmal im Tage kündigte man eine Niederlage der Preußen in der Provinz an und beteuerte, dass die Befreiung von Paris nicht mehr lange auf sich warten lassen werde.

Das Ehepaar war darüber nicht erstaunt, sie hofften unaufhörlich, dass nun die Arbeitszeit wieder beginnen werde.

Felicie wirkte wie Wunder. Man lebte von Tag zu Tag von dem Schwarzbrote, welches sie zugeteilt erhielten, und welches nur die kleine Louise nicht vertragen konnte. Damour und Eugen ließen sich richtig, wie es die Mutter vorher gesagt hatte, die Köpfe verdrehen.