Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch - Michael Ende - E-Book

Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch E-Book

Michael Ende

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Beschreibung

Der Kinderbuch Kult Klassiker von Bestseller Autor Michael Ende für alle Kinder ab 10 Jahren.

Silvester: Der geheime Zauberrat Beelzebub Irrwitzer und seine Tante, die Geldhexe Tyrannja Vamperl, haben ein Problem. Sie haben ihr Jahressoll an bösen Taten noch lange nicht erfüllt und es ist schon im wahrsten Sinne des Wortes fünf vor zwölf! Nur ein besonders gemeiner Plan kann ihnen jetzt noch helfen, sonst werden sie in die Hölle verbannt. Können sie mit Hilfe des satanarchäolügenialkohöllischen Wunschpunsches ihren Rückstand bis Mitternacht noch aufholen?

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Seitenzahl: 203

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Das Buch

Der Geheime Zauberrat Beelzebub Irrwitzer und seine Tante, die Geldhexe Tyrannja Vamperl, haben ein Problem: Ihr Soll an bösen Taten ist noch nicht erfüllt. Am Silvesterabend bekommen sie eine letzte Chance - ansonsten werden sie in die Hölle verbannt. Die Magier schmieden einen teuflischen Plan: mit Hilfe des satanarchäolügenialkohöllischen Wunschpunsches könnten sie ihren Rückstand bis Mitternacht aufholen. So beginnt ein Wettlauf mit der Zeit, denn den Spionen des hohen Rats der Tiere, Kater Maurizio und Rabe Jakob, bleiben nur wenige Stunden, um die Menschheit vor den bösen Folgen des Wunschpunsches zu bewahren.

»Das ist vielleicht von allen meinen Büchern das lustigste.«

Michael Ende

Der Autor

© Caio Garrubba

Michael Ende (1929-1995) hat in einer nüchternen, seelenlosen Zeit die fast verloren gegangenen Reiche des Phantastischen und der Träume zurückgewonnen. Er zählt heute zu den bekanntesten deutschen Schriftstellern und war gleichzeitig einer der vielseitigsten Autoren. Neben Kinder- und Jugendbüchern schrieb er poetische Bilderbuchtexte und Bücher für Erwachsene, Theaterstücke und Gedichte. Viele seiner Bücher wurden verfilmt oder für Funk und Fernsehen bearbeitet. Für sein literarisches Werk erhielt er zahlreiche deutsche und internationale Preise. Seine Bücher wurden in mehr als 40 Sprachen übersetzt und haben eine Gesamtauflage von über 35 Millionen Exemplaren erreicht.

Mehr über Michael Ende: www.michaelende.de

Der Verlag

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Viel Spaß beim Lesen!

An diesem letzten Nachmittag des Jahres war es schon ungewöhnlich früh stockdunkel geworden. Schwarze Wolken hatten den Himmel verfinstert und ein Schneesturm fegte seit Stunden durch den Toten Park.

Im Inneren der Villa Albtraum regte sich nichts – außer dem flackernden Widerschein des Feuers, das mit grünen Flammen im offenen Kamin brannte und das Zauberlabor in gespenstisches Licht tauchte.

Die Pendeluhr über dem Kaminsims setzte rasselnd ihr Räderwerk in Gang. Es handelte sich um eine Art Kuckucksuhr, nur dass ihr kunstvolles Spielwerk einen wehen Daumen darstellte, auf den ein Hammer schlug.

»Aua!«, sagte sie. »Aua! – Aua! – Aua! – Aua!«

Es war also fünf Uhr.

Für gewöhnlich machte es den Geheimen Zauberrat Beelzebub Irrwitzer immer ausgesprochen guter Laune, sie schlagen zu hören, aber an diesem Silvesterabend warf er ihr einen eher gramerfüllten Blick zu. Er winkte ihr mit einer lustlosen Handbewegung ab und hüllte sich in den Rauch seiner Pfeife. Mit umwölkter Stirn brütete er vor sich hin. Er wusste, dass ihm größere Unannehmlichkeiten bevorstanden, und zwar sehr bald, spätestens um Mitternacht – bei Jahreswechsel.

Der Zauberer saß in einem geräumigen Ohrenbackensessel, den vor vierhundert Jahren ein handwerklich begabter Vampir eigenhändig aus Sargbrettern geschreinert hatte. Die Polster bestanden aus Werwolfsfellen, die freilich inzwischen schon ein bisschen schäbig geworden waren. Dieses Möbel war ein Familienerbstück und Irrwitzer hielt es in Ehren, obwohl er sonst eher fortschrittlich eingestellt war und mit der Zeit ging – jedenfalls, was seine berufliche Tätigkeit betraf.

Die Pfeife, aus der er rauchte, stellte einen kleinen Totenkopf dar, dessen Augen aus grünem Glas bei jedem Zug aufglühten. Die Rauchwölkchen bildeten in der Luft allerlei seltsame Figuren: Zahlen und Formeln, sich ringelnde Schlangen, Fledermäuse, kleine Gespenster, aber hauptsächlich Fragezeichen.

Beelzebub Irrwitzer seufzte tief, erhob sich und begann in seinem Labor auf und ab zu gehen. Man würde ihn zur Rechenschaft ziehen, dessen war er sicher. Aber mit wem würde er es zu tun bekommen? Und was konnte er zu seiner Verteidigung vorbringen? Und vor allem: Würde man ihm seine Gründe abnehmen?

Seine lange, knochendürre Gestalt steckte in einem faltenreichen Schlafrock aus giftgrüner Seide. (Giftgrün war die Lieblingsfarbe des Geheimen Zauberrates.) Sein Kopf war klein und kahl und sah irgendwie verschrumpelt aus, wie ein vertrockneter Apfel. Auf seiner Hakennase saß eine mächtige, schwarzrandige Brille mit blitzenden Gläsern, die so dick waren wie Lupen und seine Augen unnatürlich vergrößerten. Seine Ohren standen vom Kopf ab wie Henkel von einem Topf und sein Mund war so schmal, als wäre er ihm mit einem Rasiermesser ins Gesicht geschnitten worden. Alles in allem war er nicht gerade der Typ, zu dem man auf den ersten Blick Vertrauen fassen würde. Aber das störte Irrwitzer nicht im Geringsten; er war noch nie ein geselliger Zeitgenosse gewesen. Er zog es vor, möglichst für sich zu bleiben und im Verborgenen zu wirken.

Einmal hielt er in seiner Wanderung inne und kratzte sich nachdenklich auf der Glatze.

»Wenigstens das Elixier Nummer 92 müsste heute unbedingt noch fertig werden«, murmelte er, »wenigstens das. Wenn mir nur nicht der verdammte Kater wieder dazwischenkommt.«

Er trat zum Kamin.

In den grünen Flammen stand auf einem eisernen Dreifuß ein gläserner Kessel, in dem ein gewisses Süppchen vor sich hin köchelte, das ziemlich ekelerregend aussah: schwarz wie Teer und glibberig wie Schneckenschleim. Während er prüfend mit einem Bergkristallstab in dem Zeugs herumrührte, lauschte er gedankenverloren auf das Brausen und Winseln des Schneesturms, der an den Fensterläden rüttelte.

Das Süppchen würde leider noch eine ganze Weile vor sich hin blubbern müssen, ehe es ausgekocht war und gehörig transmutierte.

Sobald das Elixier erst einmal fertig war, würde es ein völlig geschmackloses Mittelchen ergeben, das man in jede Speise und jedes Getränk mixen konnte. Alle Leute, die es zu sich nahmen, würden fortan fest daran glauben, dass alles, was aus Irrwitzers Produktion stammte, dem Fortschritt der Menschheit diente. Der Zauberer hatte vor, es schon bald nach Neujahr an alle Supermärkte der Stadt zu liefern. Dort sollte es unter dem Namen »Muntermanns Diät« verkauft werden.

Aber noch war es nicht so weit. Die Sache brauchte Zeit – und das war eben der wunde Punkt.

Der Geheime Zauberrat legte die Pfeife weg und ließ seinen Blick durch das Halbdunkel des Labors schweifen. Der Widerschein des grünen Feuers zuckte über die Berge von alten und neuen Büchern, in denen all die Formeln und Rezepte standen, die Irrwitzer für seine Experimente brauchte. Aus den dunklen Ecken des Saales blinkten geheimnisvoll Retorten, Gläser, Flaschen und spiralige Röhren, in denen Flüssigkeiten aller Farben stiegen und fielen, tropften und dampften. Außerdem gab es Computer und elektrische Geräte, an denen fortwährend winzige Lämpchen flimmerten oder die leise Summ- und Piepstönchen von sich gaben. In einer finsteren Nische schwebten geräuschlos und beständig rot und blau leuchtende Kugeln auf und nieder und in einem kristallenen Behälter wirbelte Rauch, der sich in gewissen Abständen zur Form einer glimmenden Gespensterblume zusammenzog.

Irrwitzer war, wie schon gesagt, durchaus auf der Höhe der modernen Entwicklung, ja er war ihr in mancher Hinsicht ein gutes Stück voraus.

Nur mit seinen Terminen war er rettungslos im Rückstand.

Ein leises Hüsteln ließ ihn aufschrecken.

Er fuhr herum.

In dem großen alten Ohrenbackensessel saß jemand.

Aha, dachte er, es geht los. Jetzt nur nicht klein beigeben!

Nun ist ein Zauberer – und ganz besonders einer von Irrwitzers Schlag – natürlich daran gewöhnt, dass allerhand absonderliche Kreaturen bei ihm erscheinen, oft auch unangemeldet und ungerufen; aber das sind dann für gewöhnlich Geister, die den Kopf unterm Arm tragen, oder Unholde mit drei Augen und sechs Händen oder Drachen, die Feuer spucken, oder sonst irgendwelche Monstrositäten. So etwas hätte den Geheimen Zauberrat absolut nicht erschreckt, er war damit vertraut, es war sein ganz alltäglicher oder allnächtlicher Umgang.

Aber dieser Besucher hier war ganz anders. Er sah so normal aus wie irgendein Mann von der Straße – geradezu unheimlich normal. Und das brachte Irrwitzer aus der Fassung.

Der Kerl trug einen korrekten schwarzen Mantel, einen steifen schwarzen Hut auf dem Kopf, schwarze Handschuhe und er hielt eine schwarze Aktentasche auf den Knien. Sein Gesicht war völlig ausdruckslos, nur sehr bleich, fast weiß. Seine farblosen Augen standen etwas vor, er glotzte, ohne zu blinzeln. Er hatte keine Augenlider.

Irrwitzer gab sich einen Ruck und trat auf den Besucher zu.

»Wer sind Sie? Was wollen Sie hier?«

Der andere ließ sich Zeit. Er starrte sein Gegenüber ein Weilchen aus kalten Glubschaugen an, ehe er mit tonloser Stimme erwiderte: »Habe ich das Vergnügen mit dem Geheimen Zauberrat Professor Doktor Beelzebub Irrwitzer?«

»Sie haben das Vergnügen. – Und?«

»Erlauben Sie gütigst, dass ich mich vorstelle.«

Ohne sich aus dem Sessel zu erheben, lüpfte der Besucher ein wenig seinen Hut; für einen Augenblick wurden auf seinem glatten weißen Schädel zwei kleine, rötliche Höcker sichtbar, die wie Eiterbeulen aussahen.

»Mein Name ist Made – Maledictus Made, wenn Sie gestatten.«

Der Zauberer war noch immer entschlossen sich nicht beeindrucken zu lassen.

»Und was gibt Ihnen das Recht, mich zu belästigen?«

»Oh«, sagte Herr Made, ohne zu lächeln, »wenn Sie mir die Bemerkung gestatten, mein Herr – eine so törichte Frage sollten gerade Sie nicht stellen.«

Irrwitzer knetete seine Finger, dass sie knackten.

»Kommen Sie etwa von …?«

»Ganz recht«, bestätigte der Mann, »von dort.«

Dabei wies er mit dem Daumen nach unten.

Irrwitzer schluckte trocken und schwieg.

Der andere fuhr fort: »Ich komme im persönlichen Auftrag Seiner Höllischen Exzellenz, Ihres hochverehrten Gönners.«

Der Zauberer versuchte ein erfreutes Lächeln vorzutäuschen, aber seine Zähne schienen plötzlich zusammenzukleben. Nur mit Mühe brachte er heraus: »Welche Ehre!«

»Das ist es, mein Herr«, antwortete der Besucher. »Ich komme vom Herrn Minister der Äußersten Finsternis höchstselbst, seiner Exzellenz Beelzebub, dessen Namen tragen zu dürfen Sie die unverdiente Auszeichnung genießen. Meine Wenigkeit ist nur ausführendes Organ der untersten Kategorie. Wenn ich meinen Auftrag zur Zufriedenheit seiner Exzellenz ausgeführt haben werde, dann darf ich hoffen bald befördert zu werden – vielleicht sogar zum Quälgeist mit eigenem Ressort.«

»Glückwunsch, Herr Made«, stammelte Irrwitzer, »und worin besteht Ihr Auftrag?« Sein Gesicht spielte jetzt ein wenig ins Grünliche.

»Ich bin«, erklärte Herr Made, »ausschließlich in amtlicher Funktion hier, sozusagen als Gerichtsvollzieher.«

Der Zauberer musste sich räuspern, seine Stimme klang belegt.

»Aber was – bei allen schwarzen Löchern des Universums – was wollen Sie denn bei mir? Etwa pfänden? Da muss ein Irrtum vorliegen.«

»Man wird sehen«, meinte Herr Made.

Er zog ein Dokument aus seiner schwarzen Aktentasche und hielt es Irrwitzer hin.

»Dieser Vertrag ist Ihnen doch zweifellos bekannt, verehrter Herr Zauberrat. Sie selbst in persona haben ihn seinerzeit mit meinem Chef geschlossen und eigenhändig unterzeichnet. Er besagt, dass Ihnen vonseiten Ihres Gönners außerordentliche Machtbefugnisse in diesem Jahrhundert eingeräumt werden – wirklich ganz außerordentliche Machtbefugnisse über die gesamte Natur und auch über Ihre Mitmenschen. Er besagt aber andererseits, dass Sie sich verpflichten bis zu jedem Jahresende, direkt oder indirekt, zehn Tierarten auszurotten, gleich ob Schmetterlinge, Fische oder Säugetiere, ferner fünf Flüsse zu vergiften oder fünfmal ein und denselben Fluss, des Weiteren mindestens zehntausend Bäume zum Absterben zu bringen und so weiter und so fort, bis zu den letzten Punkten: jährlich mindestens eine neue Seuche in die Welt zu setzen, an der Menschen oder Tiere oder auch beide zugleich krepieren. Und letztens: Das Klima Ihres Landes so zu manipulieren, dass die Jahreszeiten durcheinandergeraten und entweder Dürreperioden oder Überschwemmungen entstehen. – Sie sind dieser Verpflichtung im abgelaufenen Jahr nur zur Hälfte nachgekommen, mein verehrter Herr. Das findet mein Chef sehr, sehr bedauerlich. Er ist – fast möchte ich sagen – ungehalten. Sie wissen, was das bei Seiner Exzellenz bedeutet. Wollten Sie etwas erwidern?«

Irrwitzer, der schon mehrfach versucht hatte den Besucher zu unterbrechen, sprudelte hervor: »Aber das alte Jahr ist doch noch nicht um! Du liebes Dioxinchen, es ist doch erst Silvesterabend. Ich habe noch Zeit bis Mitternacht.«

Herr Made starrte ihn mit lidlosem Blick an.

»Zweifellos, und gedenken Sie …«, er schaute kurz nach der Uhr, »in diesen wenigen verbleibenden Stunden alles das nachzuholen, mein Herr? Tatsächlich?«

»Selbstverständlich!«, bellte Irrwitzer heiser. Doch dann ließ er plötzlich den Kopf hängen und murmelte kleinlaut: »Nein, unmöglich.«

Der Besucher stand auf und trat an eine Wand nahe dem Kamin, wo säuberlich gerahmt alle Urkunden über die Titel des Geheimen Zauberrats hingen. Wie die meisten seinesgleichen legte Irrwitzer größten Wert auf solche Titel. Auf einer Urkunde stand beispielsweise »M.A.S.K.« (Mitglied der Akademie der Schwarzen Künste), auf einer anderen »Dr.h.c.« (Doctor honoris causa), auf einer dritten »Pr.Doz.a.I.« (Privatdozent für angewandte Infamie) und auf einer weiteren »M.d.B.« (Mitglied der Blocksbergnacht) und viele andere mehr.

»Also hören Sie mal«, sagte Irrwitzer, »lassen Sie uns doch vernünftig reden. Es liegt wirklich nicht an meinem bösen Willen, der ist in ausreichendem Maße vorhanden, glauben Sie mir.«

»Wirklich?«, fragte Herr Made.

Der Zauberer trocknete sich mit einem Schnupftuch den kalten Schweiß von der Glatze.

»Ich werde das alles so bald wie möglich nachholen. Darauf kann Seine Exzellenz sich verlassen. Sagen Sie ihm das bitte.«

»Nachholen?«, fragte Herr Made.

»Ach verdammt noch mal«, rief Irrwitzer, »es sind eben Umstände eingetreten, die es mir unmöglich machten, meine vertraglichen Pflichten rechtzeitig zu erfüllen. Ein kleiner Aufschub und alles kommt wieder in Ordnung.«

»Umstände?«, wiederholte Herr Made, während er weiterhin ohne sonderliches Interesse die Urkunden studierte. »Welche Umstände?«

Der Zauberer trat dicht hinter ihn und redete auf den steifen schwarzen Hut ein.

»Sie wissen doch vermutlich selbst, was ich in den letzten Jahren geleistet habe. Das war weit mehr als meine vertragliche Pflicht.«

Herr Made drehte sich um und richtete seinen glasigen Blick auf Irrwitzers Gesicht.

»Sagen wir, es war ausreichend – soso lala.«

In seiner Angst wurde der Geheime Zauberrat zunehmend geschwätziger, bis er sich schließlich sogar verhaspelte: »Man kann eben einfach keinen Vernichtungskrieg führen, ohne dass der Feind es früher oder später bemerkt. Gerade wegen meiner besonderen Leistungen fängt die Natur jetzt an sich zur Wehr zu setzen. Sie bereitet sich darauf vor, zurückzuschlagen – sie weiß nur noch nicht genau, gegen wen. Die Ersten, die anfingen rebellisch zu werden, waren natürlich die Elementargeister, die Gnomen, Zwerge, Undinen und Elfen – sie sind ja die Schlauesten. Es hat mich enorme Anstrengung und viel Zeit gekostet, alle diejenigen einzufangen und unschädlich zu machen, die etwas über uns herausgefunden hatten und unseren Plänen gefährlich werden konnten. Vernichten kann man sie ja leider nicht, weil sie unsterblich sind, aber ich konnte sie einsperren und durch meine Zauberkräfte völlig lähmen. Es ist übrigens eine sehenswerte Sammlung – dort draußen im Korridor, falls Sie sich selbst überzeugen wollen, Herr Larve …«

»Made«, sagte der Besucher, ohne der Einladung zu folgen.

»Wie? Ach so, ja – Herr Made, natürlich. Entschuldigen Sie.«

Der Zauberer brachte ein kleines nervöses Lachen zustande.

»Die übrigen Elementargeister haben es mit der Angst bekommen und sich in die entlegensten Winkel der Welt zurückgezogen. Die sind wir also los.

Aber inzwischen haben nun schon die Tiere Verdacht geschöpft. Sie haben einen Hohen Rat einberufen und der hat entschieden geheime Beobachter in alle Himmelsrichtungen zu schicken, um die Ursache des Übels zu finden. Und leider habe ich auch so einen Spion im Haus – seit etwa einem Jahr. Es handelt sich um einen kleinen Kater. Glücklicherweise ist er nicht gerade der Klügsten einer. Er schläft jetzt, falls Sie ihn besichtigen wollen. Er schläft übrigens sehr viel – und nicht nur von Natur aus.«

Der Zauberer grinste.

»Ich habe dafür gesorgt, dass er nichts von meiner wirklichen Tätigkeit bemerkt. Er ahnt nicht einmal, dass ich weiß, wozu er hier ist. Ich habe ihn fett gefüttert und verhätschelt, deshalb glaubt er, ich sei ein großer Tierfreund. Er vergöttert mich geradezu, der kleine Schwachkopf. Aber Sie werden verstehen, verehrter Herr Larve …«

»Made!«, sagte der andere, diesmal schon ziemlich scharf.

Sein fahles Gesicht wurde nur von den unruhigen Flammen des Kaminfeuers beleuchtet und sah jetzt äußerst ungemütlich aus.

Der Zauberer knickte förmlich zusammen.

»Verzeihung, Verzeihung«, er schlug sich mit der Hand vor die Stirn, »ich bin etwas zerstreut, das kommt vom Stress. Es war ziemlich nervenaufreibend, meine Vertragspflichten zu erfüllen und gleichzeitig diesen Spion im eigenen Haus ständig zu täuschen. Denn wenn er auch einfältig ist, so hat er eben doch sehr gute Augen und Ohren – wie alle Katzen. Ich musste unter äußerst erschwerten Umständen arbeiten, wie Sie zugeben werden. Vor allem kostete es mich leider Zeit, viel Zeit, verehrter Herr – eh –«

»Betrüblich«, unterbrach ihn Herr Made, »wirklich sehr betrüblich. Aber das alles ist Ihr Problem, mein Bester. Am Vertrag ändert das wohl kaum etwas. Oder sehe ich das falsch?«

Irrwitzer krümmte sich.

»Glauben Sie mir, ich hätte diesen verdammten Kater ja längst gern viviseziert, ihn lebendig am Spieß gebraten oder auf den Mond gekickt, aber das würde ganz sicher den Hohen Rat der Tiere alarmieren. Dort weiß man doch, dass er hier bei mir ist. Und mit Tieren ist sehr viel schwerer fertig zu werden als mit Gnomen und ähnlichem Gelichter – oder gar mit Menschen. Mit Menschen gibt es kaum Schwierigkeiten, aber haben Sie schon mal versucht eine Heuschrecke oder ein Wildschwein zu hypnotisieren? Nichts zu machen! Und wenn sich auf einmal alle Tiere der Welt, die größten und die kleinsten, zusammentäten und gemeinsam auf uns losgingen – da würde kein Zaubermittel mehr helfen! Darum ist äußerste Vorsicht geboten! Erklären Sie das bitte Seiner Höllischen Exzellenz, Ihrem verehrten Herrn Chef.«

Herr Made nahm seine Aktentasche vom Sessel auf und wandte sich dann wieder dem Zauberer zu.

»Es liegt nicht in meinem Aufgabenbereich, Erklärungen zu übermitteln.«

»Was soll das heißen?«, schrie Irrwitzer. »Das muss Seine Exzellenz doch einsehen. Es liegt doch in seinem eigenen Interesse. Ich kann schließlich nicht hexen. Das heißt, ich kann es schon, aber es gibt Grenzen, vor allem zeitliche, auch für mich. Und wozu denn überhaupt diese schreckliche Eile? Die Welt wird sowieso bald zugrunde gehen, wir sind doch auf dem besten Wege, da kommt es doch auf ein, zwei Jährchen früher oder später nicht mehr an!«

»Es soll heißen«, nahm Herr Made Irrwitzers erste Frage mit eisiger Höflichkeit auf, »dass Sie nun gewarnt sind. Punkt Mitternacht, bei Jahreswechsel, kehre ich hierher zurück. So lautet mein Auftrag. Wenn Sie bis dahin Ihr vertragliches Soll an Übeltaten nicht erfüllt haben sollten …«

»Was dann?«

»Dann«, sagte Herr Made, »werden Sie, Herr Zauberrat, höchstpersönlich von Amts wegen – gepfändet. Ich wünsche einen recht vergnügten Silvesterabend.«

»Warten Sie!«, rief Irrwitzer. »Nur ein Wort noch, bitte, Herr Larve – eh – Herr Made …«

Aber der Besucher war verschwunden. Der Zauberer sank auf seinen Lehnstuhl nieder, nahm die dicke Brille ab und schlug beide Hände vors Gesicht. Wenn Schwarzmagier weinen könnten, dann hätte er es jetzt wohl getan. Aber aus seinen Augen rieselten nur ein paar trockene Salzkörnchen.

»Was nun?«, krächzte er. »Bei allen Testen und Torturen, was nun?«

Zauberei – gleich, ob gute oder böse – ist durchaus keine einfache Angelegenheit. Die meisten Laien glauben zwar, es genüge schon, irgendeine geheime Hokuspokus-Formel zu murmeln, äußerstenfalls gehöre vielleicht noch ein Zauberstab dazu, mit dem man ein bisschen herumfuchtelt wie ein Kapellmeister – und fertig sei die Verwandlung oder Erscheinung oder sonst was.

Aber so ist das eben nicht. In Wirklichkeit ist jede Art von magischer Handlung ungeheuer kompliziert; man braucht dazu ein enormes Wissen, eine Unmenge von Zubehör, Material, das meist sehr schwer zu beschaffen ist, und tagelange, manchmal monatelange Vorbereitung. Dazu kommt noch, dass die Sache immer höchst gefährlich ist, denn schon der kleinste Fehler kann völlig unabsehbare Folgen haben.

Beelzebub Irrwitzer lief mit wehendem Schlafrock durch die Zimmer und Korridore seines Hauses, auf der verzweifelten Suche nach einem Mittel zu seiner Rettung. Dabei wusste er selbst nur zu gut, dass es schon für alles zu spät war. Er stöhnte und seufzte wie ein unseliger Geist und führte gemurmelte Selbstgespräche. Seine Schritte hallten durch die Stille des Hauses.

Den Vertrag konnte er nicht mehr erfüllen, es ging ihm jetzt nur noch darum, die eigene Haut zu retten, sich irgendwie oder irgendwo vor dem höllischen Gerichtsvollzieher zu verstecken.

Gewiss, er konnte sich verwandeln, zum Beispiel in eine Ratte oder einen biederen Schneemann – oder in ein Feld von elektromagnetischen Schwingungen (wodurch er dann allerdings auf allen Fernsehschirmen der Stadt als Bildstörung zu sehen sein würde), aber er wusste genau, dass er damit den Abgesandten seiner Höllischen Exzellenz nicht täuschen konnte. Der würde ihn in jeder Gestalt erkennen.

Ebenso aussichtslos war es, irgendwohin zu fliehen, weit fort, in die Wüste Sahara oder an den Nordpol oder auf die Bergspitzen Tibets, denn räumliche Entfernungen spielten für diesen Besucher überhaupt keine Rolle. Einen Augenblick lang dachte der Zauberer sogar daran, sich im Münster der Stadt hinter dem Altar oder auf dem Turm zu verstecken, aber er verwarf das sofort wieder, denn es schien ihm keineswegs sicher, dass höllische Amtspersonen heutzutage noch irgendwelche Schwierigkeiten haben, dort nach Belieben ein und aus zu gehen.

Irrwitzer eilte durch die Bibliothek, wo in vielen Reihen übereinander uralte Folianten und nagelneue Nachschlagewerke standen. Er überflog die Titel auf den Lederrücken der Bücher. »Abschaffung des Gewissens – ein Lehrgang für Fortgeschrittene« stand da oder »Leitfaden für Brunnenvergiftung« oder »Enzyklopädisches Lexikon der Flüche und Verwünschungen«, aber nichts, was ihm in seiner bedrängten Lage nützen konnte.

Er hastete weiter von Raum zu Raum.

Die Villa Albtraum war ein riesiger, finsterer Kasten, außen voller windschiefer Türmchen und Erker, innen voller verwinkelter Zimmer, krummer Gänge, wackeliger Treppen und spinnwebverhangener Gewölbe – genau so, wie man sich ein richtiges Zauberhaus vorstellt. Irrwitzer selbst hatte einstmals die Pläne zu diesem Haus entworfen, denn in architektonischer Hinsicht war sein Geschmack ganz konservativ. In Stunden guter Laune pflegte er die Villa oft sein »gemütliches kleines Heim« zu nennen. Aber von solchen Scherzen war er im Augenblick weit entfernt.

Er befand sich jetzt in einem langen, finsteren Korridor, an dessen Wänden in hohen Gestellen Hunderte und Tausende von großen Einmachgläsern standen. Es war die Sammlung, die er Herrn Made hatte zeigen wollen, und die er sein »Naturkundemuseum« nannte. In jedem dieser Gläser befand sich ein gefangenes Elementargeistchen. Da gab es alle Sorten von Zwergen, Heinzelmännchen, Koboldchen und Blumenelfen, daneben Undinen und kleine Nixen mit bunten Fischschwänzchen, Wassermännlein und Sylfen, sogar ein paar Feuergeisterchen, Salamander genannt, die sich in Irrwitzers Kamin versteckt gehalten hatten. Alle Behälter waren säuberlich etikettiert und mit der genauen Bezeichnung des Inhalts und dem Datum des Fangs beschriftet.

Die Wesen saßen vollkommen reglos in ihren Gefängnissen, denn der Zauberer hatte sie unter Dauerhypnose gesetzt. Er pflegte sie nur jeweils aufzuwecken, um seine grausamen Experimente an ihnen zu machen.

Übrigens gab es darunter auch ein besonders scheußliches kleines Monster, ein sogenanntes Büchernörgele, im Volksmund auch Klugscheißerchen oder Korinthenkackerli genannt. Diese kleinen Geister verbringen normalerweise ihr Dasein damit, dass sie an Büchern herumnörgeln. Es ist bisher noch nicht eindeutig erforscht, wozu es solche Wesen überhaupt gibt, und der Zauberer hielt sich dieses nur, um durch längere Beobachtung dahinterzukommen. Er war ziemlich sicher gewesen, dass es sich irgendwie für seine Zwecke verwenden ließ. Aber jetzt interessierte es ihn auch nicht mehr. Nur aus Gewohnheit klopfte er im Vorübergehen mit dem Fingerknöchel da und dort an die Glaswand eines Behälters. Nirgends regte sich etwas.

Schließlich gelangte er zu einem bestimmten kleinen Erkerzimmer, auf dessen Tür stand:

KAMMERSÄNGER MAURIZIO DI MAURO.

Der kleine Raum war mit allem ausgestattet, was eine verwöhnte Katze sich an Luxus nur wünschen kann. Da gab es mehrere alte Polstermöbel, um daran die Krallen zu schärfen; überall lagen Wollknäuel und anderes Spielzeug herum; auf einem niedrigen Tischchen stand ein Teller mit süßer Sahne und mehrere andere mit lauter verschiedenen appetitlichen Häppchen; es gab sogar einen Spiegel in Katzenhöhe, vor dem man sich putzen und dabei selbst bewundern konnte, und als Krönung des Ganzen ein behagliches Körbchen in Gestalt eines kleinen Himmelbetts mit blauen Sammetpolstern und Vorhängen.

In diesem Bettchen lag zusammengerollt ein dicker kleiner Kater und schlief. Das Wort dick ist vielleicht nicht ganz ausreichend, in Wirklichkeit war er kugelrund. Da sein Fell dreifarbig war – rostbraun, schwarz und weiß – sah er eher aus wie ein lächerlich geflecktes, prall ausgestopftes Sofakissen mit vier ziemlich kurzen Beinchen und einem jämmerlichen Schwanz.