Der Satsuma-Komplex oder Der Tag, an dem Gary zum Helden wurde - Bob Mortimer - E-Book
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Der Satsuma-Komplex oder Der Tag, an dem Gary zum Helden wurde E-Book

Bob Mortimer

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Beschreibung

Herrlich britischer Humor und ein liebenswürdig verpeilter Held. Der Super-Bestseller aus UK. »Mein Name ist Gary. Ich bin dreißig Jahre alt und arbeite in einer Kanzlei in London. Wenn Sie mich träfen, würden Sie mich wahrscheinlich als unscheinbar bezeichnen. Ich hatte einen tollen Draht zu einer Frau entwickelt, doch das flog mir voll um die Ohren und verpasste mir einen Tritt in den Hintern.« Gary Thorn lernt im Pub eine Frau kennen. Er ist schockverliebt, nur ihren Namen bekommt er nicht mit. Als sie geht, weiß Gary nichts von ihr außer dem Titel des Buches, das sie las: »Der Satsuma-Komplex«. Jetzt muss Gary die Frau, die er nun Satsuma nennt, unbedingt aufstöbern. So beginnt Garys große Suche. Nie hätte er sich träumen lassen, dass es in seinem Leben so viel Chaos, Liebe und Eichhörnchen geben würde. Und dass ausgerechnet er das Zeug zum Helden hat. »Witzig, überraschend und sympathisch.« Sunday Times

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MOBI

Seitenzahl: 368

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Ähnliche


Bob Mortimer

Der Satsuma-Komplex oder Der Tag, an dem Gary zum Helden wurde

Roman

 

Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann

 

Über dieses Buch

 

 

Eigentlich will sich Gary nur mit seinem Arbeitskollegen Brendan auf ein Bier im Pub treffen. Während er mit ihm über die grottige Kanzlei ablästert, für die sie beide arbeiten, sieht er eine Frau allein am Tisch sitzen. Wie praktisch, dass Brendan sich früh verabschiedet. Gary setzt sich zu der Frau und hat das Gefühl, dass es ganz gut läuft für ihn. Am nächsten Tag stellt sich heraus, dass Brendan spurlos verschwunden ist. Aber das scheint keinen groß zu kümmern – außer Gary. Er will wissen, was mit Brendan passiert ist. Vielleicht kann ihm die Frau aus dem Pub helfen, hofft Gary. Als er sie findet, ist sie ziemlich abweisend. Ob das an ihrem Freund Tommy liegt, der offenbar etwas dagegen hat, dass Gary aufkreuzt und Fragen stellt? Gary ahnt nicht, in was für ein Schlamassel er hineingerät. Aber bei diesem Abenteuer bleibt ihm gar nichts anderes übrig, als zum Helden zu werden.

»Der Humor macht dieses Buch einmalig gut.« Observer

»Der Roman der Comedy-Legende Bob Mortimer ist lustig, eigensinnig und voller Eichhörnchen. Total hinreißend.« ― HEAT, Book of the Month

»Ungewöhnlich, spannend und romantisch. Ein überzeugender komischer Roman mit echten, glaubhaften Charakteren, die einen anrühren.« Daily Express

»Das ist urkomisch, surreal, voller Szenen, bei denen man einfach laut lachen muss.” ― Daily Mail

 

 

Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de

Biografie

 

 

Bob Mortimer ist einer der beliebtesten Comedy-Stars in Großbritannien und Nr.1-Bestsellerautor. Gary, der Held von Mortimers Erfolgsroman, ist Anwalt (wie früher Mortimer) in einem öden Londoner Vorort (wie früher Mortimers Kanzlei). Gary teilt Mortimers schräge Weltsicht und britischen Humor. Allerdings ist seine Nase kleiner als Mortimers, sie sind also eindeutig zwei verschiedene Personen. Bob Mortimer ist bekannt durch seine Comedy-Auftritte, etwa bei der BBC-Show »Would I Lie to You?« oder seinen berühmten Sketch »Train Guy«. Mehr zu ihm auf Twitter und Instagram als @RealBobMortimer.

Ulrike Wasel und Klaus Timmermann übersetzen als außergewöhnlich kreatives und erfahrenes Duo viele bedeutende Autorinnen und Autoren aus dem Englischen und Amerikanischen, unter anderem Bonnie Garmus, Delia Owens und Dave Eggers.

 

Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de

Inhalt

Widmung

Teil Eins

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

Teil Zwei

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

Nachwort

Danksagung

Für Mavis

 

»Sorry, Pops, aber du hättest dir die Sache vorher besser überlegen sollen.«

Teil Eins

1

Mein Name ist Gary. Ich bin dreißig Jahre alt und arbeite als Rechtsassistent in einer Londoner Anwaltskanzlei. Ich lebe allein in einer Zweizimmerwohnung in einer kommunalen 60er-Jahre-Großsiedlung in Peckham. Von meiner Wohnung bis zur Arbeit sind es nur fünf Minuten zu Fuß, ein Umstand, der mich froh stimmt, wenn mir danach ist. Ich bin etwas kleiner als der Durchschnitt und mit einer großen Nase ausgestattet, die fast schon komisch wirkt, wenn ich eine Sonnenbrille trage.

Falls Sie mich zufällig auf der Straße sehen, trage ich stets meinen billigen grauen Anzug mit weißem Hemd und Krawatte (Arbeitstage) oder meine braune Cordjacke mit Jeans und T-Shirt (freie Tage). Höchstwahrscheinlich wird Ihnen meine Nase auffallen, ehe Sie meine Kleidung registrieren. Mein Haar ist ordentlich und gepflegt, hinten und an den Seiten kurz, mit einem Seitenscheitel, der so gekämmt ist, dass eine Haartolle entsteht. Meine braunen Augen sind mandelförmig und wurden innerhalb von vierundzwanzig Stunden sowohl als traurig wie auch als freundlich beschrieben. Es wäre unzutreffend, mich als nichtssagend zu bezeichnen, aber Sie würden höchstwahrscheinlich nur flüchtig Notiz von mir nehmen.

Meine einzige wahre Freundin in London ist meine unmittelbare Nachbarin. Allerdings hatte ich letzte Woche Bekanntschaft mit einer jungen Frau geschlossen, doch heute früh ist mir die Sache regelrecht um die Ohren geflogen und hat mir einen Tritt in den Hintern verpasst. Ich dachte, sie mag mich, aber wie sich herausstellte, lag ich völlig daneben. Ich glaube, ich war in sie verliebt. Ja, das war ich ganz sicher, und ehrlich gesagt, ich bin es immer noch. Ich habe fürchterlichen Liebeskummer, zum ersten Mal in meinem Leben.

Meine Mum hat oft gesagt, ich wäre mit einer lebhaften Phantasie gesegnet und sollte das zu meinem Vorteil nutzen – um Langeweile zu vertreiben und mein Leben mit Optimismus und Freude zu füllen. Sie meinte, wenn du dir etwas vorstellen kannst, das du noch nie erlebt hast, bist du besser in der Lage, es einzuschätzen und zu verarbeiten, wenn es dann eintritt. Leider arbeitet meine Phantasie im Moment nicht gerade zu meinen Gunsten, obwohl sie das sonst immer tut, wie ich Mum zugutehalten muss.

Manche Leute starren den lieben langen Tag auf ihr Smartphone. Ich nicht. Ich besitze seit vielen Jahren ein einfaches Nokia-Handy und habe mich nie mit sozialen Medien und dergleichen beschäftigt. Ich sehe keinen Sinn darin. Es gibt ohnehin schon genug Fremde in meinem Leben. Wenn ich also draußen unterwegs bin, halte ich die Augen auf und lasse mich von allem anregen, was ich rings um mich herum sehe und höre. Streitende Nachbarn (ich stelle mir vor, es geht vielleicht um den dringend erforderlichen Austausch des Flusensiebs einer Waschmaschine), eine kaputte Fensterscheibe (ich stelle mir vor, ein Kind hat sie beim Hantieren mit einer Trittleiter zerbrochen), verrostete Radkästen eines seit langer Zeit verwaisten Autos (ich stelle mir vor, das Auto wurde von einem durchgedrehten Weinhändler stehen gelassen), Hunde, die sich für irgendeine Pfütze interessieren (ich stelle mir vor, sie haben ausgefallene Namen wie Henry Henkelmann und Boris Pastinak).

Wenn diese Eindrücke und Gedanken nicht anregend genug sind, schalte ich meine Phantasie einen Gang höher.

Nur ein Beispiel: Mein Weg zur Arbeit führt über einige Straßen, die sich zwischen den unterschiedlich hohen Wohnblöcken meiner Siedlung hindurchschlängeln. Schon fast am Ende der Siedlung ist eine Spielwiese, ungefähr halb so groß wie ein Fußballfeld. (Früher stand da eine Wippe, aber wie ich gehört habe, wurde sie abgebaut, weil sich ein Mädchen darauf schlimm im Gesicht verletzt hat. Man sieht nur noch selten kleine Kinder auf dem Spielplatz, wahrscheinlich weil er zunehmend als Hundeklo benutzt wird. Überhaupt sieht man in der ganzen Siedlung kaum noch Kinder. Es muss welche geben, aber man sieht sie einfach nicht.)

Wenn ich an der Spielwiese vorbeikomme, bleibt oft ein Eichhörnchen abrupt stehen und stellt sich auf die Hinterbeine, um mich besser beäugen zu können.

»Okay, Kumpel«, flüstere ich vor mich hin. »Du trägst deinen Schwanz heute schön buschig und sehr hoch, hast du was Besonderes vor?«

»Danke, Gary«, erwidere ich an seiner Stelle. »Nichts Besonderes, aber ich habe eine Lady kennengelernt, die mir gefällt, und ich möchte möglichst gut aussehen. Solltest du auch mal versuchen. Du siehst ziemlich furchtbar aus, wenn ich das so offen sagen darf.«

»Ich geh ja auch bloß einen Pie kaufen. Kein Grund, mich dafür schick zu machen.«

»Und wenn du im Laden einer schönen Lady begegnest? Dann wirst du dir wünschen, du hättest dir besser überlegt, wie du aussiehst … Dann wirst du an mich denken und dir sagen: Der Bursche war gut vorbereitet. Der hat an vieles gedacht, womit ich mich nicht mal ansatzweise beschäftigt habe.«

»Ja, könnte sein«, erwidere ich. »Danke für den Tipp. Also, wo hast du denn nun deine neue Lady kennengelernt?«

»Weißt du was? Es war genau da, wo du jetzt stehst. Sie stand stocksteif da, so wie du, und hat ein Lied über die Royal Navy oder ein Kreuzfahrtschiff gesungen – so was in der Art. War schwer zu sagen, weil sie so grottenschlecht gesungen hat. Aber dann hab ich mir gedacht, wie hübsch sie aussah, und war sehr beeindruckt.«

»Tja, du machst auch einen ganz glücklichen Eindruck, und ich muss sagen, du siehst aus, als hättest du alles im Griff.«

»Ja, die Dinge entwickeln sich gut, und ich hab auch ein prima Gefühl, was deine Aussichten betrifft. Du solltest dir ein Rasierwasser kaufen oder wenigstens mal an so was in der Richtung denken. Ich wittere Romantik in der Luft.«

»Vielleicht mach ich das. Bis dann.«

Ich gehe mit federnden Schritten und einer netten Begegnung auf dem Konto weiter. Schon der Gedanke an eine Romanze ist für mich häufig Anlass zur Hoffnung.

Ich bin sicher, viele Leute vertreiben sich die Zeit mit solchen kleinen Tagträumen und Phantastereien, aber vermutlich ist ihnen nicht klar, wie wichtig die sind, um etwas mehr Ausgeglichenheit und Optimismus ins Leben zu bringen. Beides habe ich jetzt gerade dringend nötig, da mein Leben allem Anschein nach ziemlich scheiße läuft.

Ich sitze in meinem Auto und bin unterwegs zu einem Treffen mit einem Kerl namens John McCoy. Der Gedanke daran flößt mir Angst und Schrecken ein. Bei dem Treffen geht es für mich um alles oder nichts, und ich will es einfach nur hinter mich bringen. Im Moment werde ich jedoch von einem Typen aufgehalten, dem mitten auf dem Zebrastreifen eine große Tüte voll Zwiebeln runtergefallen und aufgeplatzt ist und der sich weigert, sie als Verlust abzuschreiben. Ich haue frustriert auf die Hupe, entschuldige mich dann mimisch bei dem Mann und jeder einzelnen losen Zwiebel.

Aber am besten fange ich vorne an.

2

Vor ungefähr zehn Tagen traf ich mich nach der Arbeit mit einem Typen namens Brendan auf ein Bier. Er hatte das schon zigmal vorgeschlagen, und mir waren die Ausreden ausgegangen. Er arbeitet für eine Privatdetektei namens Cityside Investigations, die von der Kanzlei betreut wird, bei der ich seit zwei Jahren beschäftigt bin. Eigentlich kenne ich ihn nicht gut, aber wir quatschen gelegentlich, wenn er in die Kanzlei kommt, um Dokumente abzuholen und mit den Sekretärinnen zu flirten. Er ist etwa zehn Jahre älter als ich, dünn und klein, mit welligem, seitlich gescheiteltem Haar, das ihn ein wenig altmodisch aussehen lässt. Meistens trägt er ein grünes oder graues Sportsakko mit einem beigen Rollkragenpullover und einer dunkelblauen Schlagjeans, die etwas zu hoch über seinen spitzen braunen Lederschuhen endet, so dass stets peppige, knallbunte Socken hervorlugen. Sein Gesicht ist flächig, seine Nase ein wenig zu dünn und schmal, so dass es insgesamt irgendwie an eine Haferflocke erinnert. Ja – es wirkt durchaus haferflockig, und wenn ich ihn sehe, denke ich unwillkürlich an Porridge.

Brendan hält sich für eine Stimmungskanone, und das ist er wahrscheinlich auch, wenn man die Gesellschaft von überlauten Menschen mag. Er redet pausenlos und benutzt Lachen als eine Art Interpunktion. Völlig egal, dass er nichts auch nur ansatzweise Amüsantes gesagt hat, er kichert oder gluckst trotzdem etwa nach jedem dritten Satz. Er interessiert sich offenbar kaum dafür, was andere zu sagen haben. Ich denke oft, es muss schön sein, in dem Glauben zu leben, die eigene Gesellschaft bezaubere andere. Muss ungemein förderlich fürs Selbstvertrauen sein. Ich bin immer bereit, sein Geschwätz zu ertragen, und im Gegenzug denkt er, ich finde ihn sympathisch. Ich finde ihn nicht unsympathisch, aber weiter würde ich auch nicht gehen.

Kurz vor Feierabend schickte ich ihm eine SMS, dass ich gegen 19 Uhr in meinem Stammpub wäre, dem Grove Tavern in Camberwell. Als ich dort ankam, lehnte ein auffälliges rot-weißes Fahrrad neben dem Eingang an der Wand. Sofort stellte ich mir einen besoffenen Jongleur vor, der im Pub seine Keulen wahllos an die Deckenlampen schleuderte. Es wäre amüsant, die Auswirkungen eines derartigen Vorfalls zu beobachten.

Als ich eintrat, war kein Jongleur da, aber ich sah Brendan an der Theke sitzen und durch sein Handy scrollen. Er bemerkte mich nicht. Es saßen noch ein paar andere Leute herum, aber alles in allem war es ruhig und einladend. Die Theke nimmt eine Seite des Raumes ein, und auf der gegenüberliegenden Seite sind ein paar halbrunde Nischen, deren Sitzbänke mit einem burgunderroten veloursartigen Stoff gepolstert sind. Mir schoss durch den Kopf, dass »Velours« doch ein passender Name für einen Pudding wäre.

»Hätten Sie Appetit auf einen Pudding, Sir?«

»Ja, vielleicht, was haben Sie denn im Angebot?«

»Wir haben einen Schoko-Orangen-Velours mit Schlagsahne.«

»Da sag ich nicht nein, das klingt sehr delikat. Ich nehme einen.«

Dann fiel mir wieder ein, dass ich für Pudding nichts übrig habe und mich folglich auch dessen Zubereitung nicht interessiert, also ließ ich den Gedanken auf den Boden fallen wie ein benutztes Busticket.

Ich setzte mich neben Brendan, und er redete los.

»Okay, Gary, was willst du trinken? Die Bar ist geöffnet – hahaha!«

»Ich nehm ein Helles, danke.«

»Hahaha! Barmann! Ein Helles für meinen bescheidenen Freund hier.«

»Sorry, Brendan, ist doch ein bisschen später geworden. Ich hab im Büro noch eine Aussage aufgenommen, und plötzlich bricht der Typ in Schweiß aus.«

»Oha, ein Schwitzer … besser als ein Schwätzer – hahahaha!«

»Ja, stimmt. Vorher ist er irgendwie kribbelig geworden – ich mein, bevor ihm der Schweiß ausbrach. Ich wollte ihn fragen, ob alles in Ordnung ist, aber wenn einer kribbelig wirkt, spricht man das doch nicht an, weil’s zu persönlich ist, jedenfalls …«

Brendans leerer Blick über meine Schulter hinweg verriet mir, dass er sich kein bisschen dafür interessierte, was ich erzählte. Er unterbrach mich ohne das übliche unausgesprochene Einverständnis.

»Ist schon okay, Gary. Ehrlich gesagt, ich hab nicht mal gemerkt, dass du noch nicht da warst – hahaha! Hör mal, ich hab eine juristische Frage an dich!«

»Ähm, klar, ich arbeite in einer Anwaltskanzlei, aber …«

»Das reicht mir. Ich will ja keine Beratung von dir, ich bin da bloß auf ein, wie ich finde, ganz interessantes juristisches Problem gestoßen – hahaha –, also hör zu. Was denkst du zu Folgendem: Heute Morgen hab ich allein an einem Tisch vor einem Café gesessen und Kaffee getrunken, ja? Am Nebentisch saß ein Pärchen, und die zwei wirkten ein bisschen zappelig – ein bisschen unentschlossen, wenn du so willst. Ich hab mir gedacht, die haben bestimmt was am Laufen – ich meine, eine heimliche Affäre oder so – hahaha! Nur so aus Langeweile hab ich mein Handy in ihre Richtung gedreht und angefangen, eine Videoaufnahme zu machen – einfach aus Spaß an der Freude. Ich hab ungefähr zwanzig Sekunden gefilmt und mir dann die Aufnahme angeguckt, mit meinen kabellosen Ohrstöpseln – hahaha! Ich konnte glockenklar verstehen, was die gesagt haben – irgendwas von einem Flug nach Dubai, um einen Gourmet-Burger zu mampfen oder so –, aber im Hintergrund war die Musik zu hören, die im Café lief. Ich glaube, es war Coldplay oder vielleicht Oasis – ist ja auch egal …«

Meine Gedanken schweiften ab, und ich blickte über Brendans Schulter zum Ende der Theke. Eine hübsche, dunkelhaarige Frau, wahrscheinlich ein paar Jahre jünger als ich, saß allein da, starrte auf ihr Handy und nippte an einem kohlesäurehaltigen Getränk. Ich gestand mir insgeheim ein, dass sie mir gefiel, konzentrierte mich dann wieder auf Brendan.

»Also, die Frage, die mich beschäftigt, ist folgende: Wenn ich das Video vor Gericht als Beweismaterial abspielen müsste, würde das Gericht dann Tantiemen an Coldplay oder Oasis zahlen müssen? Und vor allem, könnte die jeweilige Band untersagen, dass das Video ohne ihre Erlaubnis abgespielt wird? Was meinst du, Gary?«

»Ähm, gute Frage, Brendan, aber ich kann sie dir nicht beantworten. Ich hab keinen blassen Schimmer von Urheberrecht. Ich helfe bloß bei Eigentumsübertragungen, setze Testamente auf, nehme Aussagen auf – so was eben.«

Während ich sprach, blickte ich wieder an der Theke entlang und bemerkte, dass die dunkelhaarige Frau uns direkt ansah, obwohl sie weiter an ihrem Handy herumdaddelte. Sie guckt ein bisschen mürrisch, dachte ich, könnte aber an mir interessiert sein oder an dem, was ich darstellen möchte.

»Also, Brendan, wie läuft’s denn im Moment so bei dir? Machst du mit deinen Ermittlungen massig Kohle?«

»Nee, geht so – hahaha! –, der Boss hat mich vor zwei Wochen von einem großen Job abgezogen. Jetzt mach ich wieder Alltagskram, Schriftstücke zustellen, einstweilige Verfügungen und Zeugenvorladungen. Verticke Infos, die wir von Cops kriegen, an die Zeitungen. Neuerdings treibe ich auch manchmal Schulden ein. Kann ich ziemlich gut. Wahrscheinlich, weil ich klein bin und nicht bedrohlich aussehe – hahaha!«

»Ich schätze, es liegt an deiner Nase.«

»Wie meinst du das?«

»Die ist so dünn, dass sich einer dran schneiden könnte, wenn er dir eine reinhaut.«

»Soll das komisch sein?«

»Ja.«

»Na gut, ist es aber nicht. Trinkst du das Bier jetzt oder nicht, Kartoffelnase – hahaha!?«

Ich nahm mein Glas und genehmigte mir einen kräftigen Schluck. Als ich vor vielen vielen Jahren mein allererstes Bier probierte, fand ich es ekelhaft, aber inzwischen kann ich mir ein Leben ohne gar nicht mehr vorstellen. Mit Corned Beef und Kaffee war es genauso.

»Was war das denn für ein großer Job, an dem du gearbeitet hast?«

»Darf ich dir nicht verraten, Kumpel, ist streng vertraulich.«

»Ach, hör doch auf! Komm schon, gib mir einen Wink. Oder lass mich raten … Ging’s um Betrug durch Mitarbeiter in einer Apotheke oder einem Coffeeshop?«

»Nein, du bist völlig auf dem völlig falschen Dampfer – hahaha!«

»Dann vielleicht eine Promischeidung, und du musstest das Fitnessstudio beobachten, wo die Ehefrau den Beckenboden trainiert hat?«

»Nee, ehrlich, ich kann’s dir nicht sagen, und glaub mir, du willst es auch gar nicht wissen. Hab schon genug Trouble deswegen. Die Leute, um die’s da geht, sind richtig miese Schweine. Belassen wir es dabei.«

Sein Gesichtsausdruck verriet mir, dass das Thema für ihn beendet war, und mir fiel auf, dass seine letzte Äußerung völlig hahaha-frei war. Er wirkte ein bisschen nervös, ein bisschen fahrig. Seine Großspurigkeit war verflogen. Ich hatte ihn nicht in Verlegenheit bringen wollen und fühlte mich plötzlich ein bisschen mies.

Um das Thema zu wechseln, kam ich auf Fußball zu sprechen. Er kam auf das Privatleben der Sekretärinnen in meiner Kanzlei zu sprechen. Ich kam auf Elektroautos zu sprechen und er wieder auf die Sekretärinnen. Ich ging zur Toilette.

Während ich an meinem Lieblingsurinal stand, überfiel mich ein Anflug von Traurigkeit. Ich war seit fast zwei Jahren in London und hatte noch immer keine echten Kontakte geknüpft. Bei der Arbeit blieb ich für mich, verkroch mich hinter meinem Schreibtisch und unternahm nie privat etwas mit irgendwelchen Kollegen. Außer den Fällen, die wir bearbeiteten und dem Lästern über Mandanten und Gerichtsmitarbeiter hatten wir nichts gemeinsam. Mein Sozialleben, so wurde mir klar, beschränkte sich ausschließlich auf diesen Pub.

Ich konnte Stimmengewirr und das Gedudel des Spielautomaten aus dem anderen Pub-Bereich hören, wo ich normalerweise sitze. Ich bin dort praktisch Stammgast, und wenn auf dem Großbildfernseher abends ein Fußballspiel läuft, lasse ich mir das so gut wie nie entgehen. Ich sitze dann immer neben einem Typen namens Nick und seinem Kumpel Andy. Die beiden haben mir nie vorgeschlagen, dass ich mich zu ihnen setzen soll, es hat sich einfach so ergeben, weil man von den drei Hockern am Ende der Theke den besten Blick auf den Fernseher hat. Unsere Gespräche drehen sich um Fußball und unsere Jobs. Wenn das Spiel zu Ende ist, trinken sie meistens schnell aus und gehen nach Hause. Ich weiß nicht mal genau, wo sie wohnen. Ich griff in meine Tasche, um auf dem Handy nachzuschauen, ob an dem Abend ein Spiel übertragen wurde, musste aber feststellen, dass ich das Handy im Büro vergessen hatte.

Das Gesicht der dunkelhaarigen Frau kam mir in den Sinn. Sie war sehr hübsch. Seit meinem Umzug nach London hatte ich keine Beziehung mehr gehabt. Einmal hatte ich eine Sekretärin aus der Kanzlei zum Inder eingeladen, doch auf der Taxifahrt nach Hause waren wir beide furchtbar ins Schwitzen gekommen, und ich hatte das Projekt sofort abgebrochen. Seitdem gingen wir sehr vorsichtig miteinander um. Mein einziges anderes Date war vor rund einem Jahr, als ich mich über eine Dating-App mit einer Frau zum Essen in einem Pub verabredet hatte. Ihr Profil sah sehr ansprechend aus, und wir tauschten einige recht verlockende Nachrichten aus. Aber als sie auftauchte, hatte sie die mächtigsten, kräftigsten Arme, die ich je bei einer Frau gesehen hatte. Sie war klein und eigentlich auch zierlich, doch ihre Arme hätten zu einem Schwergewichtsboxer gepasst. Sie war fasziniert von Begriffen wie Grip und Drehmoment und prahlte ohne Ende mit ihrem Leistungsgewicht. Nachdem ich mir das eine halbe Stunde lang angehört hatte, ging ich zur Toilette und verdrückte mich durch einen Seitenausgang. Bedauerlicherweise hatte sie meine Finte gerochen und erwartete mich schon, als ich auf den Bürgersteig trat. Sie bezeichnete mich als Wichser, hob mich dann hoch und deponierte mich auf dem Dach eines parkenden Range Rovers, ehe sie schattenboxend in der Dunkelheit verschwand. Seit jenem Abend lasse ich tunlichst die Finger von Dating-Apps.

Ich kletterte wieder auf den Barhocker neben Brendan. Die dunkelhaarige Frau saß nicht mehr an der Theke, und ich geriet kurz in Panik, bis ich sah, dass sie sich in eine der Veloursnischen gesetzt hatte. Ich beobachtete, wie sie in ihre Kuriertasche aus hellbraunem Leder griff, ein Buch hervorholte und anfing zu lesen. Sie schien augenblicklich vom Inhalt gefesselt zu sein. Im Gegensatz zu manchen Leuten bin ich nicht sofort von einer Frau fasziniert, die allein dasitzt und ein Buch liest – es kommt mir immer ein bisschen schräg vor, sogar abgeschmackt. Ich meine, was ist denn so toll an Büchern? Wahrscheinlich handelt es von futuristischen Kampfenten oder ähnlichem Quatsch. Ihr Glas war fast leer. Vielleicht würde sie sich bald Nachschub an der Theke holen. Während ich dort saß, hatte Brendan seine billige Kunstlederaktentasche auf die Theke gestellt. Er fummelte an den Verschlüssen in Messingoptik herum, um die Tasche zu schließen.

»Hübsche Aktentasche hast du da, Brendan. Bist du zufrieden damit?«

»Hä? Ja, die ist gut. Erfüllt ihren Zweck.«

Er wirkte wieder nervös, und seine Finger zitterten, während er sich mit den Verschlüssen abmühte. Ich konnte kurz in die Tasche hineinschielen, ehe er sie zumachte, und sah einen Block Post-it-Zettel, ein Handy-Ladegerät, vier oder fünf Kugelschreiber, die mit einem Gummiband zusammengehalten wurden, ein Handy, einen Kamm und noch ein altes Telefon.

»Wieso zwei Handys? Du musst ein kompliziertes Leben haben.«

»Nee, eigentlich nicht – eins ist für die Arbeit, und das andere nur für Leute, denen ich meine Nummer gegeben habe. Das heißt, Leute, mit denen ich vielleicht tatsächlich mal reden will.«

»Auf welchem bin ich?«

»Auf dem Arbeitshandy, glaube ich – dann kann ich es als berufsbedingte Ausgaben geltend machen.«

»Klingt vernünftig.«

»Hör mal, Gary, tut mir leid, aber ich hab einen Anruf gekriegt, als du für kleine Jungs warst, und ich muss sofort weg. Geht nicht anders. Ich muss mich mit einem Kunden von uns treffen.«

Im Grunde war ich froh, das zu hören.

»Echt schade, Mann. Aber Arbeit ist Arbeit. Geht klar. Wahrscheinlich läuft heute Abend nebenan ein Fußballspiel. Das kann ich mir mit meinen Kumpeln angucken.«

»Ja, mach das. Und, Gary, danke, dass wir uns auf ein Bier getroffen haben. Sollten wir wiederholen. Tut mir leid, dass ich jetzt so früh wegmuss.«

»Kein Problem«, erwiderte ich.

»Hör mal, wär das in Ordnung, wenn ich nächste Woche bei dir im Büro vorbeischaue, um die Dokumente abzuholen, die du für mich verwahrst?«

»Ja, ruf einfach vorher an, dann hinterleg ich sie für dich unten am Empfang.«

»Nett von dir. Hey, ich geb dir mal die Nummer von meinem Haupthandy, wo ich immer rangehe. Ruf an, wenn’s dir passt, dann holen wir den Abend mit ein paar Bierchen nach.«

Brendan kritzelte eine Nummer auf einen von seinen Post-it-Zetteln und steckte ihn in meine Jackentasche. Er klopfte mir auf den Rücken und verschwand nach draußen. Er hatte kein einziges Mal gelacht, seit ich von der Toilette zurück war.

Ich war froh, dass er weg war, geradezu erleichtert. Ich hatte mir überzeugend eingeredet, dass die dunkelhaarige Frau an mir interessiert sein könnte. Ich bestellte mir noch ein Bier und fragte den Barmann, ob heute Abend in dem anderen Pub-Bereich ein Fußballspiel gezeigt wurde. Er wusste es nicht. Ich bestellte ein Steak mit Pommes von der Speisekarte, und während ich das tat, stand die Frau von ihrer Sitzbank auf, kam zur Mitte der Theke, nur wenige Schritte von mir entfernt, und bestellte eine Weißweinschorle. Ich spürte, wie mich ein nervöses Schaudern durchströmte, und starrte unwillkürlich auf ihre Schuhe. Es waren schöne burgunderrote Doc Martens mit dunkelblauen Schnürsenkeln. Sie hatte sie mit Doppelschlaufen gebunden, die exakt gleich lang und groß waren. Das hatte Stil. Ich mag keine High Heels; sie sehen unbequem und gewollt aus. Diese Schuhe waren ein guter Anfang. Ich sah weg und trank einen Schluck von meinem Bier.

Während sie zuschaute, wie ihr Getränk gemixt wurde, bot sich mir eine bessere Gelegenheit, ihr Aussehen einzuschätzen und damit auch meine Chancen, ihr je näherzukommen. Sie war zierlich, etwa eins achtundsechzig groß, und sie trug eine hellblaue Levi’s-Jeans und einen schwarzen Pullover mit Stehkragen. Ihre Kuriertasche ruhte noch immer an ihrer Hüfte. Sie hatte schulterlanges, volles Haar mit einem schnurgeraden Pony, der bis zur Stirnmitte reichte. Ihre Augen konnte ich nicht sehen, tippte aber auf braun. Sie wirkte wie eine Lehrerin oder Restaurantmanagerin, vielleicht machte sie sogar irgendwas mit Töpfern. Sie war noch hübscher, als ich zuerst gedacht hatte. Ich hatte keine Chance.

Auf dem Weg zurück zu ihrer Nische schlug sie einen unnatürlichen Haken in meine Richtung. Es war ein absichtlicher Schwenk, kein betrunkener. Ich blickte nach unten in mein Bier.

»Dein Freund hat dich sitzenlassen, was?«, fragte sie.

»Ja … äh … ja, hat er. Gut beobachtet«, erwiderte ich mit einem peinlichen Hamstergrinsen.

»Na ja, mach dir nichts draus, ist doch ganz nett hier.«

Sie lächelte und ging zurück zu ihrem Platz. Soll ich auf ihre Freundlichkeit reagieren und sie in ihrer Nische ansprechen? Schon allein der Gedanke jagte mir Angst ein. Ich konnte noch nie gut mit Fremden ins Gespräch kommen, schon gar nicht mit dem anderen Geschlecht. Ich musste mir einen passenden Spruch einfallen lassen. Ich wusste, was bei mir ziehen würde, wenn die Rollen vertauscht wären – so etwas wie: »Bevorzugst du ebene oder unebene Oberflächen?« »Würdest du dir wünschen, dass SportsDirect auch Frischfleisch verkauft?« »Hast du in deinem beruflichen Umfeld schon mal einen Druckverband anlegen müssen?« Auf so etwas würde ich aufgrund meiner ausgeprägten Phantasie gut reagieren. Das gilt jedoch nicht für alle, also lieber auf Nummer sicher gehen. Ich könnte sie nach ihren Schuhen fragen, ob sie sie gut tragbar fand. Oder vielleicht, ob sie fand, dass die Kohlensäure in ihrem Getränk ihr half, sich jung und im Trend zu fühlen. Ach, scheiß drauf, ich setze mich einfach in ihre Nähe und überlass ihr den ersten Zug.

Ich nahm mein Bier und schlenderte zu der halbrunden Nische, in der sie saß. In der Nische standen zwei kleine Holztische, und ich stellte mein Bier auf den leeren. Sie blickte auf, als ich Platz nahm, und ich lächelte ihr kurz zu, sah dann weg. Ich hatte mich gut einen Meter von ihr entfernt hingesetzt, was für einen Fremden ein höflicher Abstand war, wie ich fand.

»War der Barhocker zu hart für deinen Hintern?«, erkundigte sie sich.

Ich tat überrascht – sogar geschockt –, dass jemand in derselben Nische saß.

»Oh, hi. Sorry – war in Gedanken. Was hast du gesagt?«

»Ich hab bloß gefragt, ob der Barhocker ein bisschen zu hart für deinen Hintern geworden ist.«

»Nein, überhaupt nicht. Ach so, verstehe … na ja, ein bisschen …«

»Du hattest Lust auf bisschen Dralon-Luxus …«

»Genau«, sagte ich und streichelte den Stoffbezug der Sitzbank. »Ich nenne es lieber Velours. Klingt nicht ganz so nach Bungalow.«

»Velours. Ich glaub, so hat den Stoff noch keiner genannt. Hört sich ein bisschen nach einem Pudding an, oder? Einer aus der Tiefkühlung, aber edel.«

»Absolut, haargenau. Genau das hab ich vorhin auch gedacht. Ich mag eigentlich keinen Pudding, aber bei einem Schoko-Orangen-Velours würde ich glatt eine Ausnahme machen.«

Wir lachten beide, sie nicht ganz überzeugend und ich mit leicht unnötiger Übertreibung. Es folgte ein etwas peinliches Loch des Schweigens, das ich unbedingt füllen musste.

»Das Buch, das du da liest, geht’s da um Enten?«

»Ehrlich gesagt, lese ich es gar nicht richtig. Es ist bloß eine Requisite, um die Leute davon abzuhalten, mich anzuquatschen.«

»Verdammt, tut mir leid, ich hab wirklich bloß ein bequemeres Plätzchen für meinen Hintern gesucht. Ich halt ab jetzt den Mund.«

»Nein, so mein ich das nicht. Ich hab dich angesprochen, schon vergessen? Und eigentlich freue ich mich über unsere Unterhaltung. Ich bin auch kein Fan von Pudding.«

Ich war so überrascht von ihrer Ermutigung, dass ich auf meine Entenfrage zurückgriff.

»Und? Handelt das Buch nun von Enten?«

»Nein, es ist ein richtiges Buch, deshalb handelt es eigentlich von gar nichts. Ist aber als Requisite gut zu gebrauchen, der Umschlag sieht so seriös aus.«

Es war ein dickes Hardcover, und als sie es in meine Richtung drehte, konnte ich den Titel lesen. Der Satsuma-Komplex. Der Umschlag war dunkelblau, und in der Mitte prangte eine große Satsuma-Orange mit der Silhouette eines Eichhörnchens darin. Es sah bescheuert aus.

»Vorne drauf ist ein Eichhörnchen, da wäre es doch denkbar, dass es mit ein paar Enten befreundet ist«, sagte ich.

»Willst du’s lesen, um es rauszufinden?« Sie legte das Buch auf meinen Tisch.

»Nein, schon gut. Ich bin kein großer Leser, ehrlich gesagt, und falls sich herausstellen würde, dass keine Enten drin vorkommen, weiß ich nicht, ob ich die Enttäuschung verkraften könnte.« Ich legte das Buch wieder auf ihren Tisch.

In dem Moment brachte der Barmann mir mein Steak mit Pommes. Auf dem Teller war ein unübersehbarer Fettfilm, und an den Holzgriffen von Messer und Gabel war jeweils ein kleines Stück abgeplatzt. Ich überlegte, ob ich um neues Besteck bitten sollte, wollte aber nicht, dass sie mich für einen Arsch hielt. So eine Reaktion ist riskant, wenn du willst, dass jemand dich mag.

»Sorry, ich bin am Verhungern – hab den ganzen Abend noch nichts gegessen. Stört es dich, wenn ich jetzt reinhaue?«

»Nein, überhaupt nicht. Ich mag Männer, die ordentlich zulangen, weil ich dann denke, dass mit ihrem Kopf alles in Ordnung ist.«

»Möchtest du eine Pommes? Zwei Pommes? Von mir aus so viele du willst, bloß nicht die lange mit der verbrannten Spitze.«

»Nein, besten Dank«, erwiderte sie mit einem Gesichtsausdruck, der mir verriet, dass sie doch gern eine von meinen Pommes probieren würde. Ich aß rasch die lange Pommes, nur für den Fall, dass sie versuchen würde, sich die zu schnappen.

»Hey, der Typ, der vorhin mit dir an der Theke gesessen hat, ich hab gesehen, wie er dir was in die Jackentasche gesteckt hat, bevor er gegangen ist. Ist das dein Drogendealer?«, fragte sie.

»Nein, meine einzigen Drogen sind Pies und Battenberg-Kuchen. Er hat mir bloß seine richtige Telefonnummer gegeben. Er hat mich von ›Arbeitskontakt‹ zu ›Freunde und Familie‹ befördert. Damit hab ich jetzt drei Freunde, obwohl ich nur von einem die Telefonnummer habe.«

»Glaubst du, du rufst ihn nach dieser Beförderung jetzt öfter an?«

»Nein, wohl kaum.«

»Woher kennst du ihn? Ist er dein Lover? Oder vielleicht dein Chauffeur und dein Lover?«

»Nein, mein Chauffeur hat meinen Lover mit einem wuchtigen Schlag auf den Kopf ins Jenseits befördert. Ich musste ihn rausschmeißen.«

Sie lachte, und es fühlte sich an wie ein bedeutsamer Moment. Die Nervosität in meinem Magen verschwand mit einem winzigen Quietschgeräusch, um ihren Abgang zu markieren.

»Na los, sag schon, woher kennst du ihn? Er sah nicht so aus, als würde er gut zu dir passen.«

»Ich kenne ihn eigentlich gar nicht richtig, wenn ich ehrlich bin. Ich hab bloß manchmal beruflich mit ihm zu tun. Ansonsten seh ich ihn praktisch nie. Er musste plötzlich weg, und darüber bin ich echt froh.«

»Ja, ich auch.«

Es war nett von ihr, das zu sagen.

»Bist du sicher, dass du keine Pommes willst?«, fragte ich.

»Ja, vor allem jetzt, wo die große weg ist.«

Während ich auf meinem Steak herumkaute, verlangsamte sich der Gesprächsfluss unvermeidlich. Ich war mir dessen überaus bewusst und riskierte eine persönliche Bemerkung, um die Unterhaltung wieder in Gang zu bringen.

»Ich hab dich vorhin an der Theke gesehen und mir gedacht, du bist vielleicht Lehrerin. Ich meine, mit dem Buch und den Doc Martens und der Weinschorle. Lieg ich da in etwa richtig?«

»Nein, total daneben.«

»Darf ich noch mal raten? Wär das okay?«

»Von mir aus.«

»Hast du beruflich irgendwas mit Töpfern zu tun? Ich meine – töpferst du, lernst du töpfern, verkaufst oder importierst du Getöpfertes? Bist du in der Töpferbranche?«

»Wie kommst du denn darauf?«

»Hauptsächlich wegen des akkuraten Ponys. Ich verbinde geometrische Frisuren mit Kunst. Ich sage nur David Hockney, Phil Oakey, Jane Brurier und so. Und wegen der Doc Martens dachte ich eher an die handwerkliche Seite des künstlerischen Spektrums.«

»Wer zum Teufel ist Jane Brurier?«

»Keine Ahnung, aber ihr Name klingt nach einer Künstlerin.«

»Und ich trage Doc Martens schon seit der Pubertät, nur damit du’s weißt.«

»Ich mag sie. Die passen prima zu Socken und signalisieren, dass du Dinge ernst nimmst.«

»Ja. Mein Bett ist nicht mit Kuscheltieren übersät.«

»Meins auch nicht. Also, was machst du denn nun beruflich?«

»Ich hab mal ein Restaurant in Brighton gemanagt.«

»Verdammt, ich hab’s gewusst.«

»Aber vor vier Jahren hab ich den Job hingeschmissen. Jetzt arbeite ich von zu Hause aus, verkaufe irgendwelchen Scheiß auf eBay.«

»Entenscheiß?«

»Noch nicht, aber falls der mal in Mode kommt, werde ich ihn definitiv in Betracht ziehen. Ich verkaufe vor allem Vintage-Klamotten, Designerklamotten, Retro-Lampen, Schmuck – so was in der Art. Sachen, die sich gut verkaufen. Für so was hab ich ein Auge.«

»Was für einen Preis könntest du für das, was ich anhabe, bekommen?«

Sie musterte mich von oben bis unten, betrachtete den dunkelgrauen Anzug, den ich vor ein paar Jahren bei Debenhams gekauft hatte, das weiße Baumwollhemd von Marks & Spencer und meine Clarks-Desert-Boots aus Wildleder.

»Acht Pfund«, erklärte sie.

Wir lachten beide, hauptsächlich weil es so gut zwischen uns lief.

»Ich sitze zum ersten Mal in diesem Teil des Pubs«, verkündete ich. »Normalerweise komme ich her, wenn ein Fußballspiel läuft, und das gucke ich dann nebenan mit meinen Kumpeln. Magst du Fußball?«

»Nein, aber ich guck mir gern die Männer an, wenn sie Fußball gucken. Das bringt das Beste und das Schlechteste in ihnen zum Vorschein. Verwandelt sie wieder in kleine Jungs, was sie normalerweise nicht zeigen wollen.«

Eine Erkenntnis traf mich aus heiterem Himmel.

»Moment, als ich hier angekommen bin, ist mir neben dem Eingang ein Fahrrad aufgefallen. Es war rot-weiß gestreift, als würde es dem Grinch gehören oder diesem komischen Walter aus den Wo-ist-Walter-Wimmelbildern. Ich wette, das ist deins, stimmt’s?«

»Ja, stimmt. Aber wie kommst du darauf?«

»Ich habe eine lebhafte Phantasie – da kannst du meine Mum fragen –, und als ich das Fahrrad sah, hab ich überlegt, wem so eins wohl gehört, und es konnte nur entweder ein besoffener Jongleur sein oder eine Frau, die genauso aussieht wie du. Bei so was liege ich nur ganz selten falsch. Das ist übrigens ein feines Rad. Bist du zufrieden damit?«

»Ja, absolut. Wie heute Abend. Ich wollte einfach bloß irgendwohin, wo ich niemanden kenne und niemand mich kennt, also bin ich aufs Rad gestiegen und hier gelandet. Ich wohne nur eine halbe Meile entfernt in der Grange-Siedlung, das passt also perfekt.«

Du bist perfekt, lag mir auf der Zunge, aber ich sagte es natürlich nicht. Wir unterhielten uns noch ein paar Stunden, und ich hing förmlich an ihren Lippen. Ich erzählte ihr von meiner Arbeit und meiner kleinen Wohnung und dass mein Vater mich mal verdroschen hatte, weil ich einen Obdachlosen in unserer Garage hatte schlafen lassen. Sie erzählte mir von dem Hotel am Meer, in dem sie aufgewachsen war, und dass sie einmal ihren Dad dabei erwischt hatte, wie er versuchte, es mit einem weiblichen Gast in einem der Zimmer zu treiben. Ich erzählte ihr, wie ich mal bei einem Fußballspiel einen Freistoß trat und die Flugbahn des Balls so schön war, dass der Schiedsrichter abpfiff und auf eine Gebetspause bestand. Sie erzählte mir, dass sie als Jugendliche zusammen mit einer Freundin die Worte »VERDAMMTE SCHEISSE« auf die Planken des West Pier in Brighton gesprüht hatte. (Angeblich war noch heute die Verfärbung im Holz zu sehen, wo sie versucht hatten, den Spruch zu entfernen.) Ich erzählte ihr von meinem Vermieter während meines Jurastudiums in Manchester, der jeden Sonntagabend in mein möbliertes Zimmer kam, um die Miete zu kassieren, und darauf bestand, dass ich ein Album meiner Wahl in voller Länge abspielte, während er auf dem einzigen Stuhl saß, zuhörte und dabei Erdnüsse aß. Er sagte kein einziges Wort, aber wenn die Musik zu Ende war, bedankte er sich bei mir. Sie erzählte mir, wie sie mal am Silvesterabend ins Kino ging, um sich die Disney-Version von Robin Hood anzusehen. Sie war die Einzige im Saal, und nach der Hälfte der Vorführung brachte ihr jemand vom Personal einfach so einen Hotdog und eine Cola und tätschelte ihr mitfühlend den Rücken. Sie sagte, das war der beste Silvesterabend, den sie je erlebt hatte.

Nachdem ich das Steak und die Pommes aufgegessen hatte, nahm sie meinen leeren Teller und stellte ihn auf dem Weg zur Toilette auf der Theke ab. Ich fand das unheimlich rührend und nett. Sie warf keinen einzigen Blick mehr in ihr Buch, und am Ende saß ich eher neben ihr als in ihrer Nähe. Gegen halb elf fragte ich sie, ob sie einen letzten Drink wolle. Ich wusste nicht, ob ich sie um ihre Telefonnummer bitten sollte, ob ich ihr anbieten sollte, sie nach Hause zu bringen, oder ob ich mich einfach verabschieden und darauf hoffen sollte, dass wir uns irgendwann wiedersahen. Noch etwas zu trinken zu holen war die beste Möglichkeit, diese Entscheidung aufzuschieben. Sie wollte noch eine Weinschorle, und so schob ich mich durch das Gedränge an der Theke und bestellte unsere Drinks.

Aber als ich mich von der Theke abwandte, um mit den Drinks zurück zum Tisch zu gehen, sah ich, dass sie nicht mehr auf ihrem Platz saß. Ihr Buch lag noch auf dem Tisch, daher nahm ich an, dass sie zur Toilette gegangen war. Fünf Minuten später war sie noch immer nicht zurück, und ich dachte, sie wäre vielleicht nach draußen gegangen, um eine Zigarette zu rauchen, also ging ich nachsehen. Sie war nicht da, und das Walter-Fahrrad war verschwunden. Ich war am Boden zerstört. Ich ging zurück zu meinem Platz und trank mein Bier aus, während ich immer wieder Revue passieren ließ, worüber wir alles gesprochen hatten. Womit mochte ich sie verärgert haben? Ich konnte nicht ausmachen, in welchem Moment oder mit welchen Worten ich bei ihr ein ungutes Gefühl ausgelöst hätte. Andererseits, vielleicht hatte ich gar nichts Falsches gesagt oder getan – vielleicht war sie einfach eine Nummer zu groß für mich. Schließlich war das mein erster Eindruck gewesen, und den sollte man immer besonders ernst nehmen. Allerdings hatte sie ihr Buch zurückgelassen – vielleicht als Abschiedsgeschenk? Es lag offen auf dem Tisch. Ich nahm es, und auf der aufgeschlagenen Seite hatte sie einen Satz umkringelt: Vielleicht kannten die Enten das Geheimnis der Höhle. Ganz oben auf der Seite hatte sie geschrieben: »Du wirst nicht enttäuscht sein – ha!« Ich schob das Buch in meine Aktentasche und verließ den Pub.

Auf dem Nachhauseweg begann es zu regnen, und von den Bürgersteigen stieg der Geruch von Pfannkuchenteig auf. Ich fühlte mich niedergeschlagen und elektrisiert zugleich. Ich hatte diese unglaubliche Frau kennengelernt und war begeistert von meinem Erfolg, andererseits war ich kein bisschen weitergekommen und allein unterwegs zu meiner tristen Wohnung. Als ich in meine Siedlung kam, blieb ich bei dem Spielplatz stehen, um nachzusehen, ob mein Kumpel mit dem buschigen Schwanz da war. Ich konnte ihn nicht sehen, hörte aber etwas im Laub hinter dem Stamm einer großen Buche rascheln. Ich hielt einen kurzen Plausch in der Dunkelheit.

»Hey, Gary. Wieder mal allein, Kumpel?«, fragte ich anstelle meines verborgenen Freundes.

»Ja, sieht ganz so aus. Aber ich hab eine Frau kennengelernt, und ich mag sie wirklich.«

»Hast du dir ihre Telefonnummer geben lassen oder dich mit ihr verabredet?«

»Nein, sie war auf einmal weg.«

»Hört sich an, als hätte sie dich einfach sitzenlassen. Mir scheint, du solltest mal in dich gehen und dich fragen, was du falsch machst.«

»Ich hab nichts falsch gemacht, außer, na ja, dass vielleicht mein Aussehen zu wünschen übrig lässt … Hast du nicht gesagt, die Dinge entwickeln sich gut für mich?«

»Das stimmt, Gary, aber du machst es einem nicht leicht. Du musst ein bisschen mehr an dich glauben, dich auf die guten Eigenschaften besinnen, die du besitzt. Kannst du darüber bitte mal länger als nur einen Moment nachdenken?«

»Ja, mach ich. Und wie läuft’s bei dir?«

»Könnte besser nicht sein. Gute Nacht.«

»Gute Nacht.«

3

Der nächste Tag war ein Samstag, deshalb schlief ich erst mal richtig aus. Sobald ich wach wurde, gingen mir Bilder von der dunkelhaarigen Frau durch den Kopf. Sie hatte eine niedliche Nase. Eine von diesen kleinen Stupsnasen mit leicht nach oben gebogener Spitze, so dass man die Nasenlöcher sehen kann. Bei manchen Leuten sieht das aus wie eine Schweinsnase, aber nicht bei ihr. Sie hatte die reizende Marotte, sich den Handrücken seitlich an den Mund zu drücken, wenn sie loslachte, und das tat sie oft. Sie hatte eine kleine Locke auf der linken Seite von ihrem Pony, genau am Übergang zum Haupthaar, und sie lachte sogar, als ich meinte, die kleine Locke sollte »Chappaquiddick« heißen, wie die kleine Insel vor der Ostküste der USA. Sie hatte außerdem die Angewohnheit, den Ärmel ihres Pullovers in der geballten Faust zu halten, wenn sie zuhörte.

Ach, verdammt, ich würde sie gern wiedersehen. Aber ich weiß nicht mal, wie sie heißt. Sie sah für mich aus wie eine Sarah oder vielleicht eine Lucy. Ich sollte ihr einen Namen geben, dachte ich, und entschied mich für »Satsuma«, nach dem Titel des Buches, das sie mir dagelassen hatte. Ich blätterte zu der Seite, auf die sie »Du wirst nicht enttäuscht sein – ha!« geschrieben hatte. Ihre Handschrift war ein wenig blumig verspielt, ein kleiner Blumenkasten als Blickfang oben auf der langweiligen Seite. Der Kreis, den sie mitten im Text gemalt hatte, war unangestrengt gekonnt. Ich überlegte, ob ich mir ein Paar Doc Martens kaufen sollte. Das könnte ihr gefallen.

Gegen elf stand ich schließlich auf. In einer Stunde sollte ich bei meiner Nachbarin Grace sein, um unseren üblichen Samstagslunch einzunehmen und zu plaudern, daher musste ich meinen Hintern in Bewegung setzen. Ich ließ den Blick durch meine Wohnung schweifen. Sie sah genauso öde aus wie in den letzten zwei Jahren. Sie hat ein Schlafzimmer mit angrenzendem Bad, ein Wohnzimmer und eine Küche. Da sie im dritten Stock liegt, habe ich einen guten Blick über die Gärten und Bäume hinweg bis zur Peckham High Street dahinter. In meinem Schlafzimmer gibt es keine Möbel außer einer Matratze auf dem Boden, einem rollbaren Kleiderständer, an dem eine Rolle fehlt, und einer alten viktorianischen Stehlampe. In meinem Wohnzimmer stehen ein grünes Zweisitzer-Stoffsofa, ein Fernseher und ein kleiner Tisch mit zwei Plastikstühlen. Ich lebe noch immer wie ein Student.

Ich wollte gerade zu Grace rübergehen, als es an meiner Tür klopfte. Ich öffnete, und vor mir standen zwei Männer, die aussahen wie Polizisten außer Dienst. Wie sich herausstellte, waren sie tatsächlich Polizisten, aber sie waren im Dienst.

»Guten Tag, Sir, entschuldigen Sie die Störung. Sind Sie Gary Thorn?«

»Ja, was kann ich für Sie tun?«, antwortete ich, außerstande, die Nervosität unter meiner Haut zu verbergen. Ich bin nicht gut im Umgang mit Autoritäten, war ich noch nie, jedenfalls nicht mehr, seit mich der Direktor meiner Grundschule in seinem Büro so wütend angeschrien hatte, dass ich Nasenbluten bekam.

»Ich bin DI Wilmott, und das ist DI Cowley, wir sind von der Kriminalpolizei Peckham. Dürfen wir kurz reinkommen?«

»Ja, natürlich, kommen Sie herein. Worum geht’s denn?«

Ich setzte mich aufs Sofa. Wilmott und Cowley blieben stehen. Ihren Gesichtern war abzulesen, dass sie nicht viel von meinem mangelnden Wohnkomfort hielten. Wilmott trug einen von diesen dunkelgrünen Anoraks mit braunem Cordkragen, ein Stück Landleben in den Straßen von Peckham. Die beiden vorderen Taschen waren voller Fettflecken, und angesichts seiner Leibesfülle stammten sie vermutlich von Käse- oder Wurstbroten. Sein Gesicht war rund, blass und dicklich, wenn nicht gar aufgedunsen. Es wurde umrahmt von dunklem, schütterem, seitlich gescheiteltem Haar und weiter unten von einem hellblauen Polyesterhemd mit einer arg verschlissenen Krawatte. Er hatte eine gewölbte Brust und auf seinem Bierbauch hätten vier ausgewachsene Tauben bequem schlafen können. Seine Beine waren dagegen dünn und staksig, so dass seine dunkelbraune Hose Mühe hatte, ein Stück Haut zu finden, auf dem sie ruhen konnte. Diese Körperform war ein klassisches Beispiel für jemanden, der Steroide nahm. Ich tippte auf Rheumatoide Arthritis.