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In "Der Seelen Erwachen" entfaltet Rudolf Steiner eine tiefgreifende Betrachtung über die Entwicklung des menschlichen Bewusstseins und die Bedeutung der spirituellen Erkenntnis. Mit einem unverwechselbaren literarischen Stil, der philosophische Tiefe mit einer poetischen Sprache kombiniert, lädt das Werk den Leser ein, die Verknüpfungen zwischen dem individuell erlebten Leben und universellen geistigen Gesetzen zu erkunden. Steiner stützt sich auf seine umfassenden Kenntnisse der antroposophischen Lehre und vermittelt mit überzeugender Klarheit, wie das Erwachen des inneren Wesens zur Befreiung von gesellschaftlichen Konventionen und Materie führen kann. Rudolf Steiner, ein österreichischer Philosoph, Esoteriker und Begründer der Anthroposophie, widmete sein Leben der Erforschung spiritueller Dimensionen und ihrer Relevanz für das moderne Leben. Sein interdisziplinärer Ansatz, der Naturwissenschaft, Kunst und Philosophie miteinander verbindet, machte ihn zu einer einflussreichen Figur im frühen 20. Jahrhundert. Diese Erfahrungen und Überzeugungen flossen in "Der Seelen Erwachen" ein, wo er seine Vision eines bewussteren und spirituelleren Lebens entfaltet. Dieses Buch ist eine eindringliche Empfehlung an alle, die auf der Suche nach einem tieferen Verständnis ihrer selbst und der Welt um sie herum sind. Steiners Gedanken bieten essentielle Impulse für eine persönlichere und spirituellere Annäherung an das Leben. Der Leser wird ermutigt, die eigene Seele zu erwecken und einen transformative Weg der inneren Entwicklung zu beschreiten. In dieser bereicherten Ausgabe haben wir mit großer Sorgfalt zusätzlichen Mehrwert für Ihr Leseerlebnis geschaffen: - Eine prägnante Einführung verortet die zeitlose Anziehungskraft und Themen des Werkes. - Die Synopsis skizziert die Haupthandlung und hebt wichtige Entwicklungen hervor, ohne entscheidende Wendungen zu verraten. - Ein ausführlicher historischer Kontext versetzt Sie in die Ereignisse und Einflüsse der Epoche, die das Schreiben geprägt haben. - Eine gründliche Analyse seziert Symbole, Motive und Charakterentwicklungen, um tiefere Bedeutungen offenzulegen. - Reflexionsfragen laden Sie dazu ein, sich persönlich mit den Botschaften des Werkes auseinanderzusetzen und sie mit dem modernen Leben in Verbindung zu bringen. - Sorgfältig ausgewählte unvergessliche Zitate heben Momente literarischer Brillanz hervor. - Interaktive Fußnoten erklären ungewöhnliche Referenzen, historische Anspielungen und veraltete Ausdrücke für eine mühelose, besser informierte Lektüre.
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Zwischen persönlicher Freiheit und den verborgenen Gesetzmäßigkeiten geistiger Zusammenhänge entfaltet sich in Seelen-Erwachen die Spannung eines Weges, der das alltägliche Handeln mit innerer Schulung verbindet und fragt, wie der Mensch inmitten von Mitmenschen, Arbeit und Kunst zu einer Verantwortung findet, die nicht nur aus guten Intentionen, sondern aus Erkenntnis erwächst, und dadurch den Mut verlangt, die eigenen Motive zu durchleuchten, Irrtümer als Entwicklungskräfte zu begreifen und im Gespräch mit der Welt jene leise, aber bindende Stimme zu hören, die den Entschluss nährt, in Freiheit bewusst zu werden und zu handeln.
Als viertes Mysteriendrama Rudolf Steiners gehört Seelen-Erwachen zum dramatischen Zyklus, in dem er künstlerisch seine geisteswissenschaftlichen Motive verdichtet; das Stück entstand in den frühen 1910er Jahren und wurde 1913 uraufgeführt. Es ist Theater, zugleich Weltanschauungs- und Charakterdrama, das Szenen des Alltags mit symbolisch gezeichneten Bewusstseinsräumen verschränkt. Schauplätze wechseln zwischen Arbeitszimmern, Ateliers und Versammlungsorten hin zu seelisch-geistigen Sphären, die Bühnenbild und Sprache nur andeuten. Für heutige Leserinnen und Leser ist es lesbar als literarischer Text, der in dialogischer Form argumentiert, meditiert und modelliert, wie innere Erfahrungen auf der Bühne eine Gestalt gewinnen, ohne in dogmatische Behauptung zu kippen.
Ausgangspunkt ist eine Gruppe von Menschen, die bereits durch gemeinsame Erfahrungen miteinander verbunden sind und nun an der Schwelle zu weiteren Einsichten stehen. Die Figuren begegnen einander in Gesprächen, Bekenntnissen und stillen Momenten, in denen Gewohnheiten, Zweifel und Hoffnungen geprüft werden. Die Stimme des Textes ist ernst, kontemplativ, bisweilen feierlich, doch immer auf Verständigung aus. Steiners Dialoge sind rhythmisiert, gedanklich dicht, zugleich schlicht in der Wortwahl, sodass Leserinnen und Leser zwischen reflektierter Analyse und sinnlicher Bühnenvorstellung pendeln. Das Leseerlebnis ähnelt einer begleiteten Meditation, die das Tempo drosselt und Aufmerksamkeit auf feine seelische Bewegungen lenkt.
Strukturell arbeitet das Drama mit wiederkehrenden Motiven, Spiegelungen und Kontrasten: Aussagen, die in einem frühen Bild tastend erscheinen, erhalten später eine andere Kontur. Dadurch entsteht ein Spannungsfeld zwischen Erinnerung und gegenwärtigem Verständnis. Die Szenenfolge ist episodisch, doch zielgerichtet; Übergänge öffnen Räume, statt sie zu schließen. Der Ton bleibt dialogisch und prüfend, nie reißerisch. Bildhafte Namen und Begriffe tragen Bedeutungen, ohne psychologische Plausibilität zugunsten bloßer Allegorie aufzugeben. Wer liest, erlebt einen Wechsel von nüchternen Erörterungen zu verdichteten Visionen, stets mit dem Anspruch, gedankliche Klarheit und seelische Erfahrung miteinander zu verschalten, sodass Denken und Empfinden sich gegenseitig erhellen.
Zentrale Themen sind Selbstwerdung, Freiheit und Verantwortung im Lichte von Schicksalszusammenhängen, die persönliches Handeln über den Moment hinaus verknüpfen. Das Stück fragt, wie Erkenntnis nicht zur Abstraktion, sondern zur Haltung wird, die Beziehungen formt und Entscheidungen trägt. Spiritualität erscheint dabei nicht als Rückzug aus der Welt, sondern als Übung, die Arbeit, Kunst und Gemeinschaft vertieft. Wahrheit wird weniger behauptet als schrittweise errungen, indem das Ich lernt, seine Beweggründe zu prüfen und neue Perspektiven zu ertragen. So thematisiert Seelen-Erwachen die Reifung eines Gewissens, das Denken, Fühlen und Wollen ins Gleichgewicht bringen will, ohne Widersprüche zu glätten.
Gerade heute, da Lebensläufe beschleunigt und Rollen vielfach überlagert sind, überzeugt das Werk durch seine beharrliche Aufmerksamkeit für innere Arbeit und dialogische Verantwortung. Es eröffnet einen erfahrbaren Raum, in dem Sinnsuche und Alltag nicht als Gegensätze erscheinen. Wer in pluralen Wirklichkeiten navigiert, findet hier eine Schule der Unterscheidungskraft: Das Stück zeigt, wie Perspektiven nebeneinanderstehen können, ohne Beliebigkeit zu fördern. Zugleich fordert es dazu auf, die Kluft zwischen Wissen, Kunst und praktischem Tun zu überbrücken. In Zeiten erhöhter gesellschaftlicher Spannung bietet Seelen-Erwachen Impulse für achtsame Kommunikation, tragfähige Selbstführung und ein Verständnis von Freiheit, das reifer als bloßer Wunsch bleibt.
Diese Einleitung lädt dazu ein, Seelen-Erwachen als künstlerischen Erfahrungsraum zu betreten, in dem das Drama Mittel der Selbsterkundung wird. Steiner fordert keine blinde Zustimmung, sondern Aufmerksamkeit, Geduld und die Bereitschaft, Gedanken im eigenen Innern nachzukosten. Das Werk schenkt dafür Momente stiller Klarheit und lebendiger Auseinandersetzung. Ohne Lösungen vorwegzunehmen, bereitet diese Lektüre auf ein Stück vor, das anspruchsvoll, aber zugänglich bleibt, weil es existenzielle Fragen nicht ornamental, sondern notwendig stellt. Wer dem Text Zeit gibt, entdeckt eine Dramaturgie des reifenden Bewusstseins, deren Resonanz über die Bühne hinaus in Gespräche, Entscheidungen und gelebten Alltag hineinwirkt.
Der Seelen Erwachen ist das vierte der von Rudolf Steiner verfassten Mysteriendramen und führt die bereits bekannten Lebensfäden einer geistig suchenden Gemeinschaft fort. Steiner verbindet bürgerliche Szenen mit Vorgängen in übersinnlichen Sphären, um zu zeigen, wie biografische Entscheidungen von geistigen Ursachen und Wirkungen durchdrungen sind. In der Fortsetzung stehen innere Prüfungen, die Verantwortung des Erkennens und die Reifung der Freiheit im Zentrum. Der Titel bezeichnet den Prozess, in dem die Seele die verborgenen Zusammenhänge ihres Schicksals erfährt und diese Einsicht zu Tatkraft wandelt. Der Aufbau folgt der Abfolge von Begegnungen, Unterweisungen und Prüfungen innerhalb des Kreises.
Zu Beginn wird der Zustand nach den zuvor bestandenen Seelenprüfungen sichtbar: Zweifel, Schuldgefühle und neue Hoffnungen durchkreuzen das Gefüge des Kreises. Ein künstlerisch begabter Protagonist ringt damit, Eingebungen in wahrhaftige Bilder zu verwandeln, ohne Illusionen zu erliegen. Die Versuchungen, die ihn bereits früher bedrängten, treten in verfeinerter Gestalt auf und verlangen Unterscheidungskraft. Parallel zeigt Steiner, wie die Lebenswege der Beteiligten im sozialen Alltag mit der inneren Schulung verwoben bleiben. Gespräche, Visionen und Rückschauen markieren Schritte, die vom bloßen Wissen zur geläuterten Einsicht führen und den Ton für die folgenden Stationen vorgeben.
Eine Lehrerpersönlichkeit führt die Gruppe in eine Abfolge von Unterweisungen, die das Verhältnis von Erkenntnis, Gewissen und Tat schärfen. Wesentlich ist die Balance zwischen beflügelnder Inspiration und verfestigender Intellektualität, die als polare Mächte charakterisiert werden. Die Schüler lernen, deren Wirkungen im eigenen Seelenleben zu beobachten und in verantwortete Ziele zu leiten. Rituale, Tempelszenen und Gespräche mit geistigen Helfern rahmen diese Schulung und verbinden die individuelle Biografie mit übergeordneten Zeitskräften. Die Erzählbewegung wechselt dabei rhythmisch zwischen Alltagsräumen und übersinnlichen Schauplätzen, wodurch innere Prozesse als reale, wirksame Ereignisse erfahrbar werden. So entsteht ein Maßstab, an dem sich die Reife der einzelnen Figuren messbar zeigt.
Ein dramaturgischer Wendepunkt liegt in der Aufhellung karmischer Verknüpfungen, die frühere Irrtümer, Versprechen und Schuldverhältnisse sichtbar machen. Die Gestalt des Hüters der Schwelle tritt als Prüfungsinstanz hervor und spiegelt jedem seine Schattenkräfte, die in Selbsttäuschung und Einseitigkeit wurzeln. Aus dieser Konfrontation erwachsen Aufgaben: alte Bindungen zu lösen, Einsichten zu verkörpern und das eigene Tun an einem höheren Sinn auszurichten. Gleichzeitig verschärfen sich Spannungen zwischen nüchterner Kritik und schwärmerischer Entrückung, wodurch die Frage nach der verlässlichen Quelle von Wahrheit dringlicher wird. Das Ensemble reagiert mit unterschiedlichen Haltungen, die weitere Entwicklungen vorbereiten.
In der Mitte des Geschehens markiert ein biografischer Einschnitt eines Kreismitglieds eine gravierende Perspektivverschiebung, die das Verständnis von Leben, Tod und Fortwirkungen vertieft. Der Schauplatz erweitert sich in Bereiche jenseits der physischen Wahrnehmung, wo Absichten, Schuld und Hilfe in neuen Bezügen erscheinen. Zurückbleibende Weggefährten müssen ihre Motive überprüfen, Trauer verarbeiten und den Sinn des gemeinsamen Lernweges neu bestimmen. Dadurch wird die ethische Tragfähigkeit ihrer Erkenntnisse erprobt: Was als Lehre gewonnen wurde, soll Mitgefühl, Treue und praktische Haltung in schwierigen Umständen hervorbringen, ohne in Dogmatik oder Resignation zu enden. Das innere Drama verschiebt sich damit von individuellen Zielen zu gemeinschaftlicher Verantwortung.
Im weiteren Verlauf sucht das Werk eine Verbindung von schöpferischer Kunst, wissenschaftlicher Strenge und sozialer Wirksamkeit. Vorhaben, die auf Erfindung, Heilung oder Erziehung zielen, werden an ihre geistige Rechtfertigung rückgebunden. Die gegensätzlichen Mächte versuchen, das Vertrauen der Beteiligten zu unterminieren, indem sie falsche Gewissheiten oder lähmenden Zweifel anbieten. Dem begegnet die Gruppe, indem sie ihre karmisch erkannten Aufgaben als Übungen im Dienst am Ganzen fasst. Hinweise auf vorgeburtliche Entschlüsse und auf Zeitströmungen eröffnen Perspektiven, die Rivalität in Kooperation verwandeln und den Blick für eine menschenwürdige Kulturpraxis schärfen. Die dramatische Bewegung gewinnt dadurch an Ruhe und Zielklarheit.
Gegen Ende bündelt die Handlung die gemachten Erfahrungen zu einem Bild des Erwachens: Erkenntnis wird zur Liebe, Freiheit zu Verantwortung, und Schicksal zu gestaltbarer Aufgabe. Entscheidende Lösungen bleiben ungesagt, doch deutet der Verlauf an, dass wahrer Fortschritt im rechten Verhältnis zwischen Denken, Fühlen und Wollen entsteht. Damit hinterlässt das Drama einen nachhaltigen Impuls: Spirituelle Entwicklung verlangt Prüfungen, Selbstüberwindung und Treue zum irdischen Dasein, will sie fruchtbar für Kultur und Gemeinschaft werden. Der Zuschauer bleibt mit einer Einladung zurück, das eigene Handeln in den größeren Rhythmus von Biografie, Gemeinschaft und geistiger Welt einzustellen.
Der Seelen Erwachen entstand und wurde 1913 uraufgeführt, inmitten einer von esoterischen Vereinigungen, Kunstvereinen und neuen Bühnenästhetiken geprägten mitteleuropäischen Kulturlandschaft. Schauplätze des Entstehungs- und Aufführungsumfelds waren vor allem München und Berlin innerhalb der deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft, die Steiner seit 1902 leitete. Parallel begann 1913 in Dornach bei Basel der Bau des ersten Goetheanum als künstlerisch-religiöses Zentrum. Diese Institutionen – Theosophische Gesellschaft, die im Entstehen begriffene Anthroposophische Gesellschaft und das Goetheanum – prägten Inhalt, Produktion und Rezeption. Das Drama schließt einen Zyklus ab und tritt zugleich in eine Umbruchphase, in der Trägerschaft und Orte neu bestimmt wurden.
Zwischen 1910 und 1913 verfasste Steiner vier Mysterien-Dramen: Die Pforte der Einweihung (1910), Die Prüfung der Seele (1911), Der Hüter der Schwelle (1912) und Der Seelen Erwachen (1913). In dieser Zeit verschärfte sich der Konflikt innerhalb der Theosophischen Gesellschaft um die Messias-Erwartungen gegenüber Jiddu Krishnamurti. 1912/1913 kam es zur Trennung; 1913 wurde in Köln die Anthroposophische Gesellschaft gegründet. Der Seelen Erwachen entstand somit am Übergang von der theosophischen zur anthroposophischen Phase und wurde rasch in den neuen organisatorischen Rahmen integriert, der künstlerische Arbeit programmatisch als Bestandteil einer Geisteswissenschaft profilierte und damals neu ordnete.
Die Münchner Jahre bildeten das künstlerische Labor dieser Dramen. Bereits beim Theosophischen Kongress 1907 in München lenkte Steiner den Fokus auf darstellende Kunst, Kostüm, Farbe und Dichtung. In den anschließenden Sommeraufführungen 1910–1913 entstanden und reiften die Stücke im Kreis der deutschen Sektion. Eine zentrale organisatorische und künstlerische Rolle spielte Marie von Sivers (später Marie Steiner), die Rezitation, Regieaufgaben und Schauspielerführung übernahm. Ihre Arbeit trug wesentlich zur Sprachgestaltung und zur Ensemblebildung bei. Dieses Umfeld verband esoterische Vorträge, Proben, Ausstellungen und Konzerte – typisch für Münchens Jugendstil-Milieu und seine Synthese aus Kunst, Lebensreform und Spiritualität.
Zeitgleich erneuerte sich die europäische Theaterpraxis durch Licht- und Raumreformen (Adolphe Appia, Edward Gordon Craig) und Regietheater-Experimente (Max Reinhardt). Steiner positionierte seine Bühnenarbeit in dieser Dynamik, jedoch mit deutlicher metaphysischer Zielsetzung. Farbdramaturgie, stilisierte Gestik und architektonisch gedachte Bühnenräume kennzeichneten die Inszenierungen. Ab 1913 arbeitete er mit Alexander von Salzmann an farbig-dynamischer Beleuchtung, die später im Goetheanum weiterentwickelt wurde. Die Mysterien-Dramen sollten kein Naturalismus sein, sondern symbolisch verdichtete Szenenfolge; dadurch schlossen sie an symbolistische Dramenstränge (etwa Maeterlinck) an und setzten zugleich eigenständige Akzente in der deutschsprachigen Theatermoderne. Diese ästhetischen Entscheidungen prägten auch Der Seelen Erwachen.
1912 entstand innerhalb des anthroposophischen Kreises die Eurythmie als neue Bewegungskunst. Unter Steiners Anleitung und mit Mitwirkung von Marie von Sivers wurde sie zunächst pädagogisch und künstlerisch erprobt und bald in Rezitation und Bühnenarbeit eingebunden. Parallel entwickelte Steiner eine systematische Sprachgestaltung, die Rezitation und Deklamation normierte und auf rhythmische Gesetzmäßigkeiten ausrichtete. In den Proben zu Der Seelen Erwachen wirkten diese Impulse bereits nach; in den folgenden Jahren verstärkte sich ihre szenische Präsenz, besonders bei Aufführungen am entstehenden Goetheanum. So spiegelt das Werk die Suche der Epoche nach Ganzkunst zwischen Text, Klang, Farbe und Bewegung.
Mit dem Baubeginn des ersten Goetheanum 1913 in Dornach verschob sich der Aufführungsort in ein eigens dafür geschaffenes Zentrum. Der internationale freiwillige Baukreis machte Dornach zu einem transnationalen Treffpunkt. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 unterbrach viele europäische Kulturkontakte, doch die neutrale Schweiz erlaubte Fortführung von Bau, Proben und Vorträgen. Die Mysterien-Dramen, einschließlich Der Seelen Erwachen, wurden im Goetheanum-Kontext in den 1910er und frühen 1920er Jahren weiter aufgeführt und eingeübt. Der Brand des ersten Goetheanum in der Silvesternacht 1922/23 beendete diese Phase abrupt und markierte einen Einschnitt in der Rezeptionsgeschichte.
Zeitgenössische Reaktionen auf die Mysterien-Dramen bewegten sich zwischen Bewunderung für die formale Geschlossenheit und Kritik an Lehrhaftigkeit und Weltanschauungsnähe. Rezensionen erschienen in deutschsprachigen Feuilletons und in Zeitschriften der theosophischen und später anthroposophischen Bewegung. Früh entstanden Übersetzungen, wodurch das Werk auch außerhalb des deutschen Sprachraums rezipiert wurde. Innerhalb der entstehenden anthroposophischen Institutionen – Bühnenensembles, Schulungs- und Eurythmiegruppen – gewann Der Seelen Erwachen kanonischen Status. Damit wurde das Drama zugleich Kunstwerk und identitätsstiftender Text einer neuen religiös-kulturellen Vereinigung, die sich organisatorisch europaweit vernetzte. Aufführungen und Lesezirkel dienten der kontinuierlichen Pflege und Verbreitung des Zyklus.
Historisch betrachtet bündelt Der Seelen Erwachen zentrale Spannungen der Vorkriegsmoderne: das Bedürfnis nach geistigen Erneuerungen, die Suche nach bühnenästhetischer Reform und den Übergang von theosophischen zu anthroposophischen Institutionen. Das Drama reflektiert zeitgenössische Debatten über Materialismus und Spiritualität, Kunstreligion und wissenschaftlichen Anspruch. Als Abschluss eines 1910–1913 entstandenen Zyklus dokumentiert es das Selbstverständnis einer Bewegung, die Kunst als Erkenntnisweg verstand und dafür eigene Räume, Ausbildungswege und Ensembles schuf. In diesem Sinn fungiert das Buch als historischer Kommentar zur Epoche, indem es ihre religiös-kulturellen Ambitionen in ein konsistentes Bühnenprojekt übersetzt. Seine Rezeption blieb eng mit den Institutionen um Steiner verbunden.
Die geistigen und seelischen Vorgänge, welche in »Der Seelen Erwachen« dargestellt sind, sollen so gedacht werden, daß sie etwa ein Jahr nach denjenigen erfolgen,welche in dem früher erschienenen »Hüter der Schwelle« gezeichnet sind. In »Der Seelen Erwachen« kommen die für Vorgänge die folgenden Personen und Wesen in Betracht:[1q]
Benedictus die Persönlichkeit, in welcher eine Anzahl seiner Schüler den Kenner tiefer geistiger Zusammenhänge sieht. (Er ist in den vorhergehenden Seelengemälden »Die Pforte der Einweihung« und »Die Prüfung der Seele« als Führer des »Sonnentempels« dargestellt. Im »Hüter der Schwelle« bringt sich in ihm die Geistesströmung zum Ausdruck, welche lebendig-gegenwärtiges Geistesleben and die Stelle des bloß traditionellen setzen will, wie es von dem dort vorkommenden »Mystenbund[1]« behütet wird.) In »Der Seelen Erwachen« ist Benedictus nicht mehr bloß über seinen Schülern stehend zu denken, sondern mit seinem eigenen Seelenschicksale in die Seelenerlebnisse seiner Schüler verwoben.
Hilarius Gottgetreu Der Kenner traditionellen Geisteslebens, das sich bei ihm mit eigenen Geist-Erlebnissen verbindet. Dieselbe Individualität, welche in dem vorher erschienenen Seelengemälde »Prüfung der Seele« als Großmeister eines Mystenbundes dargestellt ist.
Der Bürochef des Hilarius Gottgetreu
Der Sekretär des Hilarius Gottgetreu (Dieselbe Persönlichkeit, die im »Hüter der Schwelle« als Friedrich Geist vorkommt.)
Magnus Bellicosus (In der »Pforte der Einweihung« German genannt. In der »Pfüfung der Seele« und dem »Hüter der Schwelle« Präzeptor eines Mystenbundes.)
Albertus Torquatus (In der »Pforte der Einweihung« Theodosius genannt. In der »Prüfung der Seele« kommt dieselbe Individualität als erster Zeremonienmeister des dort gezeichneten Mystenbundes vor.)
Professor Capesius (In der «Prüfung der Seele« kommt seine Individualität als erster Präzeptor vor.)
Felix Balde (In der »Pforte der Einweihung« als Träger einer gewissen Naturmystik, hier im »Erwachen« Träger der subjektiven Mystik. Die Individualität Felix Baldes kommt als Joseph Kühne in der »Prüfung der Seele« vor.)
Romanus (wird hier wieder mit diesem in der »Pforte der Einweihung« für ihn gebrauchten Namen eingeführt, weil dieser seiner inneren Wesenheit entspricht, zu der er sich in den Jahren durchgearbeitet hat, welche zwischen der »Pforte der Einweihung« und dem »Erwachen« liegen. Im »Hüter der Schwelle« wird für ihn der Name gebraucht, welcher als sein Name in der äußerlichen Welt gedacht ist [Friedrich Trautman]. Er wird da mit diesem Namen eingeführt, weil er innerhalb der vorkommenden Vorgänge mit seinem Innenleben nur eine geringe Bedeutung hat. Seine Individualität kommt in der »Prüfung der Seele« als der zweite Zeremonienmeister des mittelalterlichen Mystenbundes vor.)
Doktor Strader (Seine Individualität kommt in der »Prüfung der Seele« als Jude Simon vor.)
Die Pflegerin des Doktor Strader. (Sie ist dieselbe Persönlichkeit, welche im »Hüter der Schwelle« Maria Treufels genannt wird. In der »Pforte der Einweihung« heißt sie die andere Maria, weil die imaginative Erkenntnis des Johannes Thomasius die Imagination gewisser Naturgewalten in ihrem Bilde gestaltet. Ihre Individualität kommt in der »Prüfung der Seele« als Berta, die Tochter Kühnes vor.)
Frau Balde. (Ihre Individualität kommt in der »Prüfung der Seele« als Frau Kühne vor.)
Maria (Ihre Individualität kommt in der »Prüfung der Seele« als Mönch vor.)
Johannes Thomasius (Seine Individualität kommt in der »Prüfung der Seele« als Thomas vor.)
Die Frau des Hilarius Gottgetreu.
Lucifer Ahriman Gnomen Sylphen
Philia Die geistigen Wesenheiten, welche die Astrid Verbindung der menschlichen Seelenkräfte mit dem Kosmos vermitteln
Luna Die andere« Philia, die Trägerin des Elementes der Liebe in der Welt, welcher die geistige Persönlichkeit angehört. Die Seele der Theodora: (Ihre Individualität kommt in der »Prüfung der Seele« als Cäcilia, Kühnes Pflegetochter und Schwester des Thomas vor, der die Individualität des Johannes Thomasius darstellt.)
Der Hüter der Schwelle Der Doppelgänger des Johannes Thomasius Der Geist von Johannes Thomasius' Jugend Die Seele des Ferdinand Reinecke bei Ahriman (12. Bild) (kommt als Ferdinand Reinecke nur im »Hüter der Schwelle« vor.)
Die Persönlichkeiten des Benedictus und der Maria werden auch als Gedankenerlebnisse eingeführt, und zwar im zweiten und vierten Bilde als solche des Johannes Thomasius, im dritten Bilde als solche Straders. Im zehnten Bilde ist Maria als Gedankenerlebnis des Johannes Thomasius eingeführt.
