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Julia, Anna und Jack befinden sich in einer nicht leichten Lebenssituation. Anna steckt in Schwierigkeiten, Julia findet ein Mysterium und Jack scheint in seinem Dilemma immer optimistisch zu sein. Alle drei kämpfen auf eine humorvolle Art ihr Geschehen zu meistern.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Anna
Gott sei dank ist nichts im Leben für immer. Der dem Samuel. L Jackson gleicht, transportiert irgendwelche Sachen wie Kühlschrank, Stehlampe, Waschmaschine oder sonst was auf seinem Rolli durch die Unterführung vom Bahnhof. Grinsebacke ist wie immer Grinsebacke, Krauselpeter ist in seiner Welt, die Frau Cowboy ist leider gestorben und der Türke mit dem Appenzeller Hund hat wieder mal Schluss mit seiner Freundin. Und ich? Mittendrin im Schlammkätsch-Chaos ohne Job, neu seit heute. Das mit dem Gehirn ist so eine Sache, manche haben einen Schaden von Anfang an, manche kriegen ihn später und manche gar nicht. Bei mir ist das erste auf jeden Fall das richtige.
Replay, von vorne:
Ich arbeitete bis zum jeweiligen Tag im Hirnhaus, nett ausgedrückt in der geschlossenen Anstalt als Psychiatriepflegerin, einfach dort wo man nicht wirklich unterscheiden kann, wer Patient ist und wer die Angestellten sind. Leider gab es mal den Fall, dass ein Stationsleiter nach 39 Jahren Arbeit selbst zu einem Pflegefall wurde, er wurde in der selben Abteilung stationiert wo er einst Stationsleiter war. Meines Erachtens nach, ist dies eine schreckliche Wunschvorstellung, andersrum haben diese ganzen Jahre eine Verbindung zu einem zweiten Familiensitz erschaffen. Meine Arbeitslosigkeit beschreibt sich anders, ich bin damals in eine Falle getappt, als ich an einem Wochenende zu einer Party eingeladen wurde, leider war ich die einzige nüchterne die als Fahrerin für einen spontanen Locationwechsel in Frage kam und durfte das Auto einer Freundin steuern. Als es Ahoi alle an Bord hiess, erledigte ich den Toilettengang und zog schnell los. Im Auto zündete einer einen Joint an, im ersten Moment dachte ich mir nichts, weil das gang und gäbe war. Nach einer Vollbremsung wegen einem Idioten, der noch Fahrrad fahren lernen musste, spürte ich den Staub vom Kokain, der sich von den Hintersitzen schlagartig im ganzen Auto verteilte. Wegen dem Fahrradfahrer wurde ich so sauer, dass ich in der dreissiger Zone aufs Gaspedal trat und schnell wurden es sechzig Kilometer pro Stunde, es folgte die zweite Vollbremsung: Verkehrskontrolle. Als nun die Polizisten mich anfingen zu kontrollieren, bemerkte ich, dass die Jeansjacke die ich in der Eile angezogen hatte, nicht meine war, die Innentaschen waren Full House. Ab dem Moment, war ich nicht nur meine Autolizenz los, auch mein Diplom war futsch. Als beim Arbeitsplatz alles ans Licht kam, durfte ich vor meinen stirnrunzelnden und entsetzten Kollegen fristlos meine Sachen packen. Ab jetzt wird finanziell die Luft dünner und die Leine wird bis ans Halsband gezogen. Womit findet man seine besten Freunde? Mit Kontaktlinsen, die ich leider nicht mehr finden kann, denn meine sind für mich ab dem Zeitpunkt gestorben. Nur eine hat mich in dieser Nacht nicht im Stich gelassen, meine Ex-Nachbarin Julia, als einzige hat sie den Hörer abgenommen und hat es geschafft mich aus der U-Haft herauszufischen. Das hab ihr hoch angerechnet, denn sie musste eine hohe Geldstrafe für mich bezahlen und ohne zu zögern hat sie das gemacht, obwohl sie für sich selbst zurückstecken musste und deswegen noch vor kurzem von hier weggezogen ist. Jetzt gehts weiter und vorwärts in den unbeliebten Bürodschungel für die Anmeldung beim Arbeitslosenamt. He he wer dachte, dass das so kompliziert sein kann? Die brauchen auch jeden Scheiss dort, für jeden kleinen Fliegenschiss brauche ich Papiere und Begründungen. Zum Glück habe ich noch den teuren Schmuck von meiner geliebten Grossmutter, die leider nicht mehr unter uns ist. Aber den will ich nur einsetzen, wenn wirklich nichts mehr geht, er bedeutet mir echt viel, anderseits ist es mehr oder weniger, nur ein Mittel zum Zweck, aber so leicht ist das alles eben doch nicht.
Jack
Von Montag bis Freitag immer die gleiche Kacke, wann hört das mal auf? Immer achteinhalb bis zehn Stunden arbeiten mit mehr Reklamationen und weniger Dankbarkeit, was ist los? Vor genau neunzehn Jahren waren alle froh, als ich beim Butterzopf flechten half und das Mädchen für alles war. Mein Chef kam ca. eine Woche nach diesem Gedankenlauf auf mich zu und winkte mich mit seinem Zeigefinger zu sich:
«Herr Gerber, ich bitte sie mit mir mitzukommen.» Was ist jetzt? Was möchte Herr Basler von mir? Vollkommen unwissend folgte ich ihm. Plötzlich befanden wir uns im Büro, da sass sie schon, die Zwergpinscher Chefin, die den Bedarf hat ihre Bäckerei vor Eindringlingen und Ungeziefer zu beschützen.
«Bitte nehmen sie Platz. Wir möchten ihnen mitteilen, dass wir nach mehreren mündlichen Verwarnungen mit ihrer Leistung nicht mehr zufrieden sind und möchten sie bitten die Kündigung zu unterschreiben.»
Reflexartig weigerte ich mich zu unterschreiben:
«Mein Vater ist gestorben, ist es nicht menschlich, dass man ein bisschen neben der Spur steht? Nein bei euch kommt immer nur Leistung und wie ein Roboter zu funktionieren in Frage, niemand hat mich von euch gefragt wie es mir geht? Zumindest wäre es angemessen gewesen mir zu kondolieren, vor dem hat sich auch jeder gescheut. Schön wird mit dem Zeigefinger auf mich gezeigt und danach mit dem Schuh in den Arsch getreten. Stimmts Herr Basler oder hab ich recht? Übrigens die letzten vier Worte musste ich mir Tag täglich neunzehn Jahre lang von ihnen anhören!»
Ich wurde laut und die bemerkten auch meinen Sabber aus dem Mundwinkel fliessen.
«Beruhigen sie sich Herr Gerber, sie mussten von sich selber aus zu uns kommen und ihre Angelegenheit mitteilen, dass wir ein bisschen Rücksicht nehmen konnten, jetzt ist es zu spät Herr Gerber, stimmts oder hab ich recht?»
In mir brodelte es, ich nahm ihn an den Kragen und drückte ihn an die Wand. Mit knirschenden Zähnen erläuterte ich:
«Hören sie auf mit ihren Ausreden, dass mein Vater gestorben ist, wusstet ihr alle, schämen sie sich bis ins tiefste Knochenmark.»
Ich wollte ihn zerstören, seine Anwesenheit machte mich aggressiv bis sich die Zwergpinscher Chefin dazwischen stellte und sehr trocken ihre Meinung geigte, trockener ging es nicht mehr:
«Unterschreiben sie die Kündigung, die Show ist vorbei, sie haben noch drei Monate Zeit um eine andere Arbeitsstelle zu finden, einen gratis Tipp gibts noch dazu, gehen sie vorsichtshalber beim Arbeitslosenamt vorbei.»
Ich liess Herr Basler los und ging ohne einen Ton aus dem Büro raus. Frische Luft tut immer gut, kurz durchatmen, daraufhin spürte ich eine unglaubliche Entlastung, als ob ich einen Felsen auf meinem Rücken trug, der jetzt abgebrochen ist, das ist doch genau das was ich mir gewünscht habe? Trotzdem hatte ich das Bedürfnis denen kein Recht geben zu wollen, weil sie so unnötig frech waren, telefonierte ich am selben Tag mit Herrn Bernasconi von der Gewerkschaft und vereinbarte für eine Woche später einen Termin.
So ein Mist auch, jetzt muss ich mir noch drei Monate die Arschgesichter von der Bäckerei in die Fresse geben, verdammt!
Zwei Tage später hiess es auf der Arbeitsstelle, es wäre für alle das Beste, wenn ich nicht mehr erscheinen würde, sie würden mir die drei Monate trotz allem weiter bezahlen. Nach diesem Gespräch, ging ich mit deutlich mehr Bierintus nach Hause und fragte mich vor der Eingangstür, ob ich die schon mal gesehen habe, von wo kenne ich diese Frau da vor dem Briefkasten? Ach ja, ich Dummkopf, die bediente mich heute an der Theke, hääähhh …? Wohnt die hier? Und mir ist dies entgangen? Sie grüsste und fragte:
«Hi, regnen bei dir auch die Rechnungen in den Briefkasten?»
Wow so eine sympathische Frau, ich antwortete mit meiner Bierfahne und versuchte meinen Rülps wegzublasen:
«Ja, die ich vermutlich bald nicht mehr bezahlen kann.»
«Warum das denn?»
Fragte sie mich und schaute mich verdutzt an. Ich erklärte ihr um was es ging, daraufhin meinte
sie:
«Neunzehn Jahre sind genug bei der ein und der selben Bude, glaub mir, kannst froh sein, mich hat die letzte Firma nach zwei Jahren Arbeit wegen der Wirtschaftskrise entlassen und die zwei Jahre kamen mir wie zehn Jahre vor. Hinter der Theke geht die Zeit zwar schneller vorbei, ist mir doch etwas zu stressig mit den besoffski Brüdern. Egal wo du neu anfängst wirst immer mit dem Mindestlohn bezahlt, die Blütezeit der Mittelschicht ist vorbei, jetzt heisst es wirklich zurück in die Zukunft, in der Vergangenheit war der Lohn besser. Gestern warst noch wert, heute bist nur noch eine unbedeutende Zahl. Es wird einem auch viel vom Lohn abgezogen, sogar auch eine Weiterbildung die ich noch nie im Leben bekommen habe? Wenn die uns ins Büro zerren und alles schlecht reden, damit ist wohl die Weiterbildung gemeint, was dann vom Lohn abgezogen wird.»
Ich fügte hinzu:
«Ja das find ich auch, moderne Sklaverei.»
Sie verabschiedete sich, sie musste noch irgendwo hin. Es beruhigte mich einigermassen auch aus ihrem Mund was zu hören, ich hoffe, ich werde noch eine Anstellung finden, auch wenn es nicht einfach wird, werde ich alles dafür tun, um einigermassen über die Runden zu kommen.
Anna
Der Termin beim Arbeitslosenamt hat leider nichts gebracht, die haben bestimmt die einen oder anderen Angebote für Kurse u.s.w. ehrlich gesagt hat mich das ganze Aufklärungsgespräch mental wahnsinnig runter gezogen, anschliessend war ich richtig müde. Eigentlich bräuchte ich einen Kaffee oder einen Grüntee, aber das ist ja nicht mehr auszuhalten, ich zähl jetzt mal die übrigen Kröten und gönn mir mal einen Drink und überlege mir dort was ich in Zukunft oder in nächster Zeit machen soll. Dann geh ich mal in den Biergarten für ein frisch gebrautes genügen die Kröten gerade noch. Ich sass schon längere Zeit an der Theke, der Geruch von Pommes strömte durch meine Nase, ein lustiger Genosse neben mir sah mein fast leer getrunkenes Bier, als ob er von meinem leeren Portemonnaie wusste gab er mir eins aus. Die Leute sind zahlreich gekommen und gegangen, obwohl die Menschen mehrmals anstrengend sind im Leben, können sie in anderen Situationen wie dieser, sehr entspannend wirken. Der Genosse ging und der Platz neben mir wurde frei, eine Frau kam um zu bezahlen, weil sie nicht gleich dran kam, setzte sie sich hin und meinte mit lachenden Worten:
«Na? Gut laufender Laden?»
Ich nickte ohne sie anzuschauen und meinte:
«Für heute Abend war er mein bester Seelsorger.»
«Wirklich?»
Anstatt zu bezahlen gab sie einen Ellenbogenstoss und rief über die Theke:
«Noch zwei Bier bitte.»
Warum gab sie mir einen Ellenbogenstoss? Verwunderlich sah ich sie an.
«Um Gottes Willen Julia, was machst du denn hier?»
Und gab ihr eine einseitige Umarmung mit Kuss auf die Wange.
«Ich hab gerade Schichtschluss und wollte mal ein trübes frisches probieren, ich sass ganz hinten.»
Sie zeigte in eine Ecke, da war es sehr unwahrscheinlich, dass ich sie sehen konnte, der Laden war ja bumsvoll, nach zwei Quadratmetern verlierst den Überblick, keine Chance.
«Hab vor was neues zu suchen, der Job ist nicht so meins und du? Wie geht es dir? Du scheinst nicht so glücklich zu sein, erzähl mal, ist es immer noch wegen der Autolizenz?»
«Du weisst, die Autolizenz ist weg, du weisst leider nicht, dass die mir noch mein Diplom entzogen haben, das heisst; fristlose Kündigung und die Tante vom Arbeitslosenamt konnte mir auch nicht wirklich weiter helfen. Was mache ich jetzt? Ich muss mich auch so schnell wie möglich für einen Job umschauen.»
Mich erstaunte, dass sie gar nicht so schockierend wirkte, als ich ihr das mit der Arbeitslosigkeit erzählte.
«Du bist nicht die einzige, ich kenne dich, du bist leider zu lieb, du hast halt dieses Helfersyndrom, einmal die falsche Jeansjacke und schon hast alles verloren. Scheisse, wir finden schon eine Lösung.»
«Du weisst schon, meine Dankbarkeit dir gegenüber ist Grenzenlos, wie hast du dich eigentlich in deiner neuen Wohnung eingelebt?»
«Nun ja, die Miete ist zwar viel günstiger, ich
muss mich erst mal an die Bahn nebenan gewöhnen, der Güterzug rüttelt mich ab und zu wach.»
Desto mehr ich über meine Probleme nachdachte, desto mehr fuhr mir der Alkohol rein, bis sie mich aus meiner traurigen Welt ablenkte:
«Ich hab jemanden kennengelernt.»
«Ach was?»
Antwortete ich schon was beschwipst.
«Ja der wohnt auch da, der war gleichzeitig beim Briefkasten wie ich und wir quatschten ein bisschen, er war cool, ich möchte ihn besser kennen lernen, weiss aber nicht wie?»
«Gehst eine Weinflasche kaufen und klingelst mal bei ihm, ohne Wagnis kein Ereignis.» Rülps. Für heute war echt Schicht im Schacht, wir hatten beide genug des Ganzen. Gut zu wissen, einer Person vertrauen zu dürfen.
Julia
Erfolglos und nicht wissend wie es jobmässig weiter geht sass ich an meinem freien Tag vor meinem Notebook da und schaute seitlich die Weinflasche an, die ich gekauft hatte um für den geplanten Einsatz als Mitbringsel mitnehmen könnte. Soll ich es wirklich wagen? Ich könnte ein Glas auch alleine trinken. Jetzt oder nie, ich schnappte sie mir am Flaschenhals und rucki zucki war ich eine Etage tiefer. Ich klingelte an der Tür, hoffentlich bin ich auch richtig, dachte ich mir. Es wird schon schief gehen. Jawohl, er machte auf und mit einem freundlichem Hallo begrüsste er mich.
«Hallo, lust auf ein Glas?»
«Ohh gerne, komm rein, ich bin übrigens Jack.»
Ich wurde etwas verlegen und schämte mich etwas, ich lächelte ihn an und stellte mich ebenfalls vor:
«He he sorry, ich bin Julia, freut mich. Nimmt mich wunder ob unsere Wohnungen gleich geschnitten sind. Ohh ja du hast die Toilette und die Badewanne auch gleich hier am Anfang.»
«Ja, hier sind sie alle gleich, nur im gegenüberliegenden Wohnblock sind sie anders.»
«Hast schon eine andere Stelle gefunden?»
«Eben noch nicht, die Leute langweilen mich langsam, es wird immer strikt abgesagt, keiner bietet mal einen Probetag oder zumindest ein Gespräch an. Wir sollen immer spontan, flexibel und weiss der Geier was alles sein, im Gegenzug schalten die auf stur.»
«Ein richtiger Kindergarten, ständig suchen sie Kräfte, manchmal frage ich mich ob sie überhaupt jemanden suchen? Wenn sie doch niemanden einstellen wollen.»
«Ja, das ist eine gute Frage.»
«Der vorherige Arbeitgeber wollte mich zuerst als Praktikantin einstellen, ich fragte ihn ob ich bis zur Rente Praktika machen soll? Mit siebzig ausziehen und mit achtzig das erste Kind oder wie stellt er sich das vor? Er schmunzelte nur und konnte nicht wirklich eine Antwort darauf geben. So eine Firma konnte ich schon damals nicht ernst nehmen, bin froh, dass dies ein Ende genommen hat, ich weiss auch nicht wie es bei mir beruflich weiter geht. Jedenfalls ist dies jetzt auch nur ein provisorischer Job, der mir auch überhaupt nicht von Hand geht und die Mitarbeiter gehen mir bestialisch auf die Eierstöcke.»
Wir beendeten das armselige Gespräch, dessen Inhalt sowieso zu nichts führte.
«Ich sehe, du hast einen Play Station, können wir etwas spielen? Hast du Lust?»
«Ja ich spiele viel und fast nur Fifa und sonst habe ich Prince of Persia, welches ich mal vor hundert Jahren bekommen habe und nicht weit gekommen bin.»
«Oh cool, mal schauen ob es mein Spiel ist, ich zocke nur, wenn ich bei jemanden zu Besuch bin, ich besitze selber keinen PS.»
«Dann lass das Spiel beginnen.»
Wir spielten bis spät in die Nacht. Ich verzog mich irgendwann in mein Mauseloch zurück. Gegen Mittag kam er mit einer Tasse Kaffee rauf. Mich freute das sehr, ich schien ihn zu vermissen. Nach dem Kaffee, ging ich duschen und wir verabredeten uns wieder bei ihm unten um im Spiel dort anzusetzen, wo wir nicht mehr weiter kamen. Wir konnten keine Lösung finden, zum Glück gabs damals schon You Tube. Mit Jack ist alles so unbeschwert, ich möchte ihn nicht missen wollen, ich hoffe er sieht das genau so.
«Was denkst du? Werden wir uns täglich sehen?»
«Natürlich, wir passen doch gut zusammen. Nur morgen muss ich wieder Bewerbungen schreiben und zum Termin bei der Gewerkschaft muss ich auch noch.»
«Okie dokie, wir schreiben wenn was ist.»
Wir umarmten uns und es gab zwei kleine Küsschen auf die Wange.
Jack
«Guten Tag Herr Gerber, was führt sie zu uns?»Ich erzählte dem Gewerkschaftsheini die Geschichte mit der Kündigung u.s.w. von seinerseits hiesst es:
«Wir können leider nichts tun.»
Er kann nichts tun?
«Wie? Sie können nichts tun? Ich bezahle seit neunzehn Jahren monatlich in eure Kasse ein und jetzt ist mir nichts dir nichts alles für nichts?»
«Ja, tut mir leid so ist es eben.»
Er gab mir seine Hand und meint, er hätte noch einen Termin, er liess mich einfach stehen. Jetzt steh ich da, alleine mit leeren, ausgebeuteten Händen und niemand kann mir helfen? Zum ersten mal verspürte ich dicke Ohnmacht und verstand die Welt nicht mehr. Ist das alles eine Lüge? Habe ich nur in einer Blase gelebt? Die jenseits jeglicher Realität war? Alles verändert sich und niemand erklärt mir was das alles soll? Ich bin absolut auf mich allein gestellt. Alle stossen auf taube Ohren, niemand hört mich, ausser Julia? Die weiss anscheinend wie der Hase läuft und um was es hier geht. Ich schreib ihr mal ob sie vorbei kommen möchte. Fertig mit meinen Nerven, fing ich an Bier zu trinken und war im Spielmodus gefangen. Es war 20.30 Uhr und es klingelt an der Tür, ist das Herr Gonzales? Unser Hauswart, der jetzt schon wegen meiner Lautstärke reklamieren möchte? Es ist noch nicht 22.00 Uhr, er soll sich etwas gedulden. Ich mach mal auf, yes, unverhofft kommt oft, meine Nachbarin mit einer Flasche Wein.
«Hallo, komm rein, bin gerade am spielen, willst auch ein Bier?»
Sie lächelte mich an.
«Ja gerne, lieber Bier als Wein, he he.»
«Du sagst es, heute sowieso.»
Wir sprachen über den Vorfall, sie hat mir geraten dort zu kündigen, es war ja nur eine Geldverschwendung.
«Echt schade fürs Geld, wenn man bedenkt, hättest damit bis heute ein Auto kaufen können.»
«Hab leider keinen Führerschein, wenn ich mir eins aussuchen dürfte, würde ich eine Ente kaufen, schön in alten Erinnerungen schwelgen. Das beste Auto was erfunden worden ist, die beste Federung und wenn man noch das now how besitzt, kann man es gut selber reparieren.» Brrr… brrr…, ihr Handy unterbrach unser Gespräch, sie ging auf den Balkon telefonieren. Nachdem sie aufgelegt hat, sagte sie:
«Jack ich gehe nach oben, ich habe morgen noch was zu erledigen, ich muss einen klaren Kopf bewahren.»
«Ok, kein Problem, gute Nacht.»
«Gute Nacht, bist nicht böse? Wir werden den Abend ein anders mal wiederholen.»
«Versprochen?»
«Na klaro, ich gebe dir mein Ehrenwort.»
Ich zeigte ihr den Daumen hoch, sie blinzelte mir mit einem Auge zurück und ging hinauf.
Anna
Wieder mal im Jobportal unterwegs fand ich nicht wirklich was, aus Langeweile schlug ich die Zeitung auf und entdeckte eine kleine Anzeige:
Hauswart gesucht 40-60%, daraufhin habe ich mich entschieden da mal anzurufen. Es ging gleich los, ich durfte mich vorstellen. Ein altes Ehepaar, was kurz vor der Pensionierung stand, brauchte noch Hilfe. Der Sohnemann und noch ein anderer Helfer würden auch da arbeiten, sie wirkten nett, also wartete ich nicht länger und gab den Handschlag. Am nächsten Morgen putzten wir eine Augenarztpraxis, danach fuhren wir mit dessen Hyundai Bus zu einem privaten Schwimmbad. Die hatten so viele Schlüssel, die Schlüssel waren in einer Art Ledertasche, ich kam mir vor, als ob ich mit einem Gefängniswärter mitfahre. Es war schon etwas spooky, sie war die ganze Zeit am humpeln, was mir beim Gespräch gestern nicht aufgefallen ist. Gefängniswärter mit seiner Piratenbraut, tönt nach Abenteuer. Die Aufgaben wurden verteilt, mittendrin wollte ich etwas fragen und hörte wie sie sich die ganze Zeit wegen irgendwas in die Wolle kriegten, jetzt bin ich noch bei einem streitsüchtigen Ehepaar gelandet, super Anfang, wie soll das nur gut gehen? Irgendwann werden die bestimmt mit mir auch den Streit suchen. Wie ein kleiner Junge schaut er sie an, während sie ihm ins Hirn scheisst. Ich musste mich umdrehen, bevor sie mich bemerkten. Mein Kichern konnte ich mir leider nicht verkneifen. Der Tag war gelaufen, am Nachmittag hatte ich frei. Am nächsten Morgen durfte ich Fritz kennenlernen, er war was älter, ich konnte nicht einschätzen, wer der ältere war, unser Chef oder er? Auf jeden Fall war sein Gesicht von irgendeinem heftigen Konsum im vorherigen Leben gezeichnet. Wo haben die den gefunden? War mein erster Gedanke. Es sah schon so aus als ob sie einen Penner von der Strasse aufgelesen hätten. Mal schauen was er mit der Zeit zu erzählen hat.
Julia
Meinen Job als Kellnerin hab ich inzwischen hingeschmissen, es wurde mir zu viel mit den kosmischen Mitarbeitern und vor allem mit der vierzehnjährigen Tochter von den Besitzern des Lokals. Ich konnte es begreifen, dass sie mitten in der Pubertät steht und herabschauend war, aber mit Respektvollen Wörtern hatte sie es nicht so, sie prügelte regelrecht in mich hinein, sodass ich auch nicht Wiedersprechen konnte. Jedes Wort konnte sie mir im Mund so verdrehen, dass immer sie im Recht war. Mit meinen allerletzten Ersparnissen konnte ich ohne schlechten Gewissens dort gut kündigen, ausserdem verschickte ich immer wieder spontane Bewerbungen, da wird sicher was für mich dabei sein. Gestern Abend als ich bei Jack war, klingelte um 21.15 Uhr mit unbekannter Nummer mein Handy und ich fragte mich, wer wohl um diese Zeit anrufen würde?
«Guten Abend Frau Adamski.»
«Guten Abend, mit wem spreche ich?»
«Mit Frau Aebersold, sie haben sich vor einiger Zeit mal bei mir beworben, ich suche jemanden für den Haushalt meines Vaters, ist das noch aktuell? Oder haben sie schon was anderes?»
«Ach ja ich kann mich erinnern, ich bin immer noch interessiert.»
«Wann könnten sie vorbei kommen? Damit ich ihnen alles erklären kann? Würde es ihnen morgen Abend passen? So gegen 17.00 Uhr?»
«Ja sicherlich, senden sie mir die Adresse per SMS, bin dann um 17.00 Uhr da.»
«Okay, das freut mich Frau Adamski, bis dann.»
«Auf Wiederhören Frau Abersold.»
Ich machte mich spät Nachmittags auf den Weg dorthin, ich musste eine halbe Stunde mit dem Zug fahren, danach noch vier Haltestellen mit dem Bus. Dreissig Meter vor dem Haus, hmmm… das Haus sieht so kalt und leer aus, sind die auch dort drinnen? Ich sehe absolut niemanden. Ich geh mal zur Eingangstür und klingle mal. Vor lauter Aufregung spürte ich den reinen Angstschweiss, der unter den Achseln ins T-Shirt tropfte. Hinter mir war die Hecke und hinter der Hecke kam Frau Aebersold wie ein Geist hervor und begrüsste mich sehr freundlich, sie scheint ultra nett zu sein. Wir traten ins Haus hinein und sie fragte:
«Wollen sie etwas trinken?»
Ja gerne, in dieser Jahreszeit bekommt man schnell Durst.»
«Ok, dann hole ich was von der Bäckerei, hier haben wir nichts.»
Daraus wurde nichts, weil daraufhin ihr Vater hinein kam, ich merkte ihm an, dass er überhaupt keine Lust auf dieses Gespräch hat.
«Wie heissen sie?»
Fragte er mich direkt ohne mich zu begrüssen.
«Julia Adamski.»
«Das ist aber kein Schweizer Name, sie reden auch kein Berndeutsch!»
Das waren schon die ersten Kriterien, die ich nicht erfüllen konnte, warum hat sie mich den zum Gespräch eingeladen? Sie wusste doch bestimmt, dass er eine reinrassige Bernerin wollte. Leicht schüchtern gab ich die Antwort:
«Mein Vater stammt ursprünglich aus Polen, er ist dennoch in der Ostschweiz aufgewachsen, wie ich auch.»
«Ost was?»
Seine Tochter klärte ihn schlussendlich laut und leicht aggressiv auf, so quasi er soll sich mal zusammenreissen. Doch das Sahnehäubchen warf er noch drauf:
«Ich möchte kein polnisches Essen essen!»
«Ich kann gar nicht polnisch kochen, da müssen sie sich keine Sorgen machen.»
Die Tochter winkte mit der Hand ab und zeigte mir die ganzen Räume und welche Arbeiten ich erledigen soll. Währenddessen erzählte sie, dass sie Lehrerin ist und ihre Stimme wurde immer leiser, sie flüsterte auf einmal halblaut:
«Wissen sie, er hat mühe mit dieser Situation, er hat zur Zeit schmerzen an der Wade, bedauerlicherweise fuhr er mit seinem ach so guten Freund mit und verbrannte sich am Motorradauspuff. Jetzt hat er schon eine Weile eine offene Wunde und ist völlig überfordert, wären sie auch interessiert ihm bei der Wundversorgung zu helfen? Ist nicht schwierig, es sieht auch nicht mehr so schlimm aus.»
«Für mich ist das kein Problem, nur seine Eitelkeit muss ich noch managen.»
«Sicher? Sie würden klarkommen?»
Ich nickte ihr zu.
«Das freut mich, wann können sie anfangen? Wäre nächste Woche am Montag in Ordnung?»
«Ja das ist in Ordnung.»
«Falls sie Fragen haben, können sie mich jederzeit anrufen.»
Ab sofort kann ich mein verlängertes Weekend starten. Jetzt ist nur die Frage mit wem? Mit Jack bei dem ich mein Ehrenwort einlösen soll? Oder mit Anna? Ihr könnte ich noch was Trost schenken? Bei Jack fang ich an, Anna hat ja erst am Freitagabend frei, ich möchte schon gerne wissen wie es mit ihrem neuen Job geht. Ich ging nach Hause und klingelte direkt bei Jack. Er machte auf und ich überrumpelte ihn gleich:
«Guten Abend, hast du Zeit? Ich würde mein Ehrenwort einlösen, geht das?»
«Komm rein ich bin gerade am zocken, schön dass du da bist.»
Ich erzählte ihm die Geschichte.
«Warum müssen die Leute so spät anrufen? Versteh ich nicht, die konnte doch auch um 18.00 oder 17.00 Uhr anrufen.»
Fragte er, ich antwortete:
«Das hab ich auch nicht verstanden, die Tochter hat auch nicht viel von sich preisgegeben, vergessen wir dieses Thema, lass uns Spass haben, der Abend ist noch jung."
«Sollen wir hier bleiben oder gehen wir auf die Piste?»
«Eigentlich bin ich schon was müde, lass uns einen gemütlichen machen, wir können morgen immer noch die Sau raus lassen.»
«Ja das stimmt, aber am Morgen muss ich unbedingt noch Bewerbungen schreiben.»
«Wir gehen es ruhig an, spielen wir noch Prince of Persia zu Ende?»
«Oh ja gerne.»
Es wurde schnell 02.00 Uhr, wir kamen beim Spiel wieder nicht weiter und hatten tutti quanti die Schnauze voll und jeder ging in sein Bett.
Anna
Am frühen Morgen holte mich Fritz ab.
«Morgen Fritz, alles klar?»
Er quatschte mich voll mit seinen komischen Problemen, ich wiederum konnte mir nicht vorstellen, dass er zwei Kinder gezeugt hat, der hat bestimmt eine Frau die auf das Geld der Schweiz scharf ist, mein Typ wäre er nicht. Oder sind es ihre Kinder und er hat sie auch als seine angenommen? Auf jeden Fall bin ich weiterhin gespannt.
Beim Wohnviertel angekommen fragte ich:
«Sind wir den ganzen Tag hier?»
Für mich war das logisch. Er lachte kurz und fügte hinzu:
«Wir haben von jetzt, also 8.00 Uhr bis am Mittag 12.00 Uhr Zeit.»
«Du verarscht mich, es sind acht Wohnblöcke nicht vier? Alle Treppenhäuser saugen und fegen ok und wer macht die Glasfront, Umgebung und Tiefgarage?»
«Das schaffen wir schon.»
Ich wollte es nicht aussprechen aber der Effekt für du kannst mich mal sass tief in mir drin. Zumindest musste ich was anderes loswerden:
«Unsere Chefs sind nicht normal, das ist doch nicht zumutbar.»
«Es ist halt leider so, dass alle Konkurrenten den Preis drücken und somit verdienen sie nicht viel daran und deshalb müssen wir es ausbaden.»
«Dann fangen wir mal an, bin schon jetzt kaputt bevor wir überhaupt angefangen haben.»
«Was meinst wie es mir geht? Ich mag auch nicht, muss ja trotzdem gemacht werden, sonst haben wir keinen Job mehr.»
Als der Schreck ein Ende hatte, kam es mir vor, als ob ich schon zehn Stunden gearbeitet hätte, das schlimme ist ja, dass es heute Nachmittag noch weiter geht. Ich konnte es nicht glauben, die letzten zwei Treppenhäuser waren heftig, wenn die fünf oberirdischen Stockwerke wenigstens einen Lift gehabt hätten. Im Dachboden haben die noch Mansarden in denen teilweise, tatsächlich Menschen wohnen, deren drei Duschen und drei Toiletten wir in einer Stunde fertig putzen dürfen inklusive Treppenhaus. Kaum oben angekommen und voll ausser Puste, klingelt Fritz sein Handy, wir mussten wie zwei Hunde nach unten rennen weil der Chef uns was mitgeben soll. Er schmunzelte und ich sah ihm die grenzenlose Schadenfreude an.
«Anna wie gehts, können sie noch?»
«Es geht noch, gegen einen Feierabend hätte ich auch nichts.»
Seine Freude liess nach, schliesslich darf nur er gegensteuern. Man konnte seinen Schnurrbart beobachten wie er gleichzeitig mit dem Mundwinkel heruntergezogen wurde und die Unterlippe fing an zu zittern.
«Aber aber sind sie nicht gewillt zu arbeiten?»
Ich tat so als ob ich lachen würde.
«Ach, ich hab nur Spass gemacht.»
Er drückte uns Toilettenpapier für die Mansarden in die Hand. Das konnte er doch auch unten im Gang hinstellen, oben hat nur eine Packung Platz im kleinsten Putzschrank der Welt, die anderen müssen wir im Keller deponieren.
Das Ereignis:
- halbe Stunde verloren wegen Toilettenpapier und Schadenfreude
- ärgerliches Treppensteigen
Ich war nicht zu scheu um ihm die halbe Stunde aufzuschreiben, Fritz dagegen hat in der Vergangenheit keine guten Erfahrungen damit gemacht:
«Er droht mir immer.»
«Mit was?»
«Indem er einen Jüngeren suchen wird, er weiss haargenau dass ich keine Chance auf einen anderen Job habe, darum scheiss ich drauf und schenk ihm die halbe Stunde. Bei dir wird er noch nichts sagen, du bist noch neu in der Bude.»
«Unfassbar, die scheinen doch nicht so nett zu sein wie ich anfangs dachte, sie sagte noch zu mir, dass ihr verwöhnt seid, in dem Fall meinte sie ihren Sohn und nicht dich, schon traurig.»
«Was der Sohn verpufft, müssen sie bei uns wieder reinkriegen.»
«In diesem Sinne heisst es auch Familienbetrieb, verstehe, ich hoffe die schmieren mir nicht zu viel Honig ums Maul.»
Auch dieser Arbeitstag hatte ein Ende, ich konnte es schon jetzt kaum abwarten in das lang ersehnte Wochenende einzutauchen. Das ist auch kein Wunder, wenn sich nur ein Tag wie eine ganze Woche anfühlt.
Jack
Am nächsten Tag stand ich relativ früh auf und entdeckte eine Online Plattform für Jobs bei der ich mir den Job selbst aussuchen darf, ist mehr für den Gastrobereich, abwaschen kann doch jeder. Ich meldete mich gleich an und hab schon mehrere Angebote bekommen, wählte einen aus und Treffer, ab Montag für die nächsten zwei Wochen darf ich arbeiten, Super Trouper, jabadabaduuuuu! Jetzt erst recht, heute Abend gehts auf die Piste. Ich mach mal einen Kaffee und geh mal zu Julia rauf, klopf klopf.
«Kaffee?