Der Sohn des Drachen - Maya Shepherd - E-Book

Der Sohn des Drachen E-Book

Maya Shepherd

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Beschreibung

Zweihundert Jahre harrte Dorian aus, bis der süße Geschmack von Blut ihn in die Wirklichkeit zurückholte. Seine Venen waren erfüllt von dem Verlangen nach Rache. Die Zeit der Abrechnung war gekommen. Er sah das Gesicht des Mannes, der ihn bis in seine Albträume verfolgte und den er am meisten auf der Welt hasste. Das Monster, dem er sein Leben verdankte - sein Vater. »Schlaf gut, mein Sohn«, raunte der Drache ihm zu, als er die spitze Klinge in sein Herz bohrte. »Wenn du erwachst, wird nichts mehr sein, wie es war.«

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhaltsverzeichnis

Was zuvor geschah

Vorwort

Ein neuer Tag

Erwacht

Ein halbes Herz

Die Nadel im Heuhaufen

Dein wahres Ich

Ein fürchterlicher Fehler

Fluch der Vergangenheit

Einundzwanzigstes Jahrhundert

Der Sohn des Drachen

Schlussworte der Autorin

Danksagung

Maya Shepherd

Die Grimm Chroniken 14

„Der Sohn des Drachen“

Copyright © 2019 Maya Shepherd

Coverdesign: Jaqueline Kropmanns

Lektorat: Sternensand Verlag /Martina König

Korrektorat: Jennifer Papendick

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder teilweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Facebook: www.facebook.de/MayaShepherdAutor

E-Mail: [email protected]

Für jeden Leser,

der auch einen Splitter von Schneewittchen

in seinem Herzen trägt.

»Er musste dafür sorgen, dass niemand sie vergaß, die Guten wie die Bösen. Solange sich auch nur ein Kind an sie erinnerte, waren sie unsterblich.«

(Die Grimm-Chroniken 13 – Die Vergessenen Sieben)

Was zuvor geschah

1812

Philipp, Ember, Eva, Lavena, Arian, Simonja, Maggy und ihr Frosch Hänsel werden von den Anhängern der bösen Königin durch den Finsterwald gejagt, nachdem sie Margery zur Flucht aus dem Schloss verholfen haben.

Die Gruppe sucht Schutz in einer Höhle, die Maggy durch ein magisches Spinnennetz verschließt, sodass ihre Verfolger erst einmal nicht zu ihnen durchdringen können.

Maggy hat in dem Hexenbuch von Baba Zima über den Zauber des geteilten Herzens gelesen und schlägt den anderen vor, diesen durchzuführen, um Margery das Leben zu retten. Dafür wird das Herz der Prinzessin geteilt – während sie die eine Hälfte behält, wird die andere unter den Anwesenden aufgeteilt. Aus Verzweiflung stimmen alle zu, einen Splitter in sich aufzunehmen, wobei Hänsel jedoch ausgeschlossen wird, da der Zauber sich bei einem Tier nicht umsetzen lässt.

Das Wirken mächtiger Magie löst ein Erdbeben aus, das die Gruppe zwingt, die Höhle zu verlassen, sobald der Zauber vollendet ist. Vor dem Ausgang werden sie bereits von seelenlosen Jägern, Vampiren und Wölfen erwartet, die alle ihren Tod wollen. Sie beschließen, sich aufzuteilen, um es ihren Gegnern schwerer zu machen, sie zu erwischen.

Während Lavena und Arian von seinem Wolfsrudel getötet werden, opfert sich Ember mit ihrer Phönixmagie, um Philipp vor einer Horde Vampire zu beschützen.

Simonja erkennt, dass ihre Entscheidung, sich gegen das Schicksal zu stellen, tödliche Folgen hat, als sie unzählige Nüsse findet, die der Baum des Lebens abgeworfen hat. Ein ihr unbekanntes Mädchen kommt auf sie zu und gibt sich als Rosalie, die tot geglaubte Zwillingsschwester von Margery, zu erkennen. Sie erzählt ihr, dass es schon bald zu einem Krieg der Farben kommen werde, wobei sie selbst für das Böse (Schwarz) und Margery für das Gute (Weiß) stehen werde. Simonja sei die entscheidende rote Kraft dazwischen, von der am Ende alles abhängen werde.

Maggy hat es derweil beinahe geschafft, die Dornenhecke zu erreichen, um zusammen mit der schlafenden Prinzessin aus Engelland zu fliehen. Kurz vor dem Erreichen ihres Ziels stellt sich ihr jedoch Will entgegen, der durch die Spiegelscherben in seinen Augen unter der Kontrolle der bösen Königin steht und sich nicht an seine Vergangenheit erinnern kann.

Durch ein Liebesgeständnis und einen Kuss gelingt es Maggy, zu Will durchzudringen. Doch als dieser wieder ganz er selbst ist, hat die Königin sie bereits mit Vlad Dracul und ihren Anhängern eingeholt. Sie haben Jacob bei sich, um ihn als Druckmittel zu benutzen.

Als Maggy und Will sich dennoch zur Flucht entscheiden, verweigert die Dornenhecke Maggy den Durchgang, da sie kein reines Herz in sich trägt. Sie stellt sich daraufhin mithilfe ihrer Magie der Königin entgegen und bittet Will, ohne sie zu gehen, um die Prinzessin vor ihrer Mutter zu retten. Die Königin hat jedoch weiterhin Macht über ihn, da sie immer noch sein Medaillon besitzt. Der verzauberte Hänsel kann ihr dieses in einem geschickten Moment entwenden, sodass Will die Flucht gelingt.

Als die Königin den Verlust des Schmuckstücks bemerkt, schleudert sie den Frosch mit einem Windstoß gegen die Dornenwand. Hänsel verwandelt sich nach dem Aufprall in einen Menschen zurück, aber stirbt, nachdem er Maggy das Medaillon übergeben hat.

Bevor die Königin auch noch Maggy töten kann, kehrt Will zurück, um sie zu retten. Dabei kommt heraus, dass er ein Herz in seiner Brust trägt, das aus zwei Hälften erschaffen wurde – eine von Jacob und eine von Mary. Dadurch sind die drei so eng miteinander verbunden, dass der Tod des einen auch den Tod für die anderen beiden bedeuten würde.

Außerdem bemerkt die Königin, dass in Maggys Brust ein Splitter des Herzens ihrer Tochter schlägt, und erfährt, dass Schneewittchen ihr Herz unter sieben Personen aufgeteilt hat. Bevor sie Maggy jedoch dazu bringen kann, ihr die Namen der anderen Sieben zu verraten, ersticht Vlad Dracul Will und tötet dadurch auch Jacob und die Königin. Der Fürst der Finsternis gibt zu, dass er die Königin nur benutzt hat, damit diese Margery tötet. Er hatte von jeher vor, sich eines Tages auch der Königin zu entledigen, und hat nur auf den richtigen Zeitpunkt gewartet.

Jacob glaubt, in dem Mohnblumenfeld vor der Dornenhecke zu sterben, doch kurze Zeit später erwacht er in Schloss Drachenburg und steht dem Teufel gegenüber, der ihn in den schwarzen Spiegel blicken lässt, in dem Mary gefangen ist, während ihre leibliche Mutter Elisabeth die Kontrolle über ihren Körper übernommen hat.

Nachdem Jacob die ganze Wahrheit kennt, bietet der Teufel ihm im Tausch für dessen Verstand an, allen Menschen, die in dieser Nacht den Tod fanden, ein neues Leben in einem anderen Jahrhundert zu schenken. Er gewährt dadurch der Geschichte eine Chance auf einen anderen Ausgang.

Jacob stimmt dem Handel zu und beginnt im Auftrag des Teufels, die Märchen zu schreiben, die später als die der Brüder Grimm bekannt werden, um die Wahrheit zu vertuschen.

Auch Eva befindet sich in der Gewalt des Teufels und ist gezwungen, einen zweihundert Jahre andauernden Traum zu spinnen, der alle Bürger Engellands in einen tiefen Schlaf versetzt.

2012

Ember und Philipp steigen nach dem Konzert in eine Limousine, die sie eigentlich nach Königswinter bringen soll, um dort die Suche nach Joe und Julia fortzusetzen. Während der Fahrt stellt sich jedoch raus, dass Rumpelstein sich hinter dem Steuer befindet und die beiden an die Königin ausliefern will. Sie fahren zur Schlosskommende, wo Rumpelstein den Wagen verlässt, ohne die Türen abzuschließen.

Philipp erinnert sich daran, dass seine Sicherheitsleute für einen Fall wie diesen eine Waffe im Wageninneren versteckt haben. Diese nimmt er an sich und wagt gemeinsam mit Ember, auszusteigen, die mit ihrer Phönixmagie ein Stück Stoff entzündet und diesen in den Tank steckt.

Sobald die seelenlosen Jäger, die das Anwesen bewachen, sie entdecken und die Verfolgung aufnehmen wollen, explodiert das Fahrzeug. Dadurch gelingt es Ember und Philipp, in den angrenzenden Wald zu fliehen.

Nun sind aber auch noch die Wölfe, welche an die Königin gebunden sind, hinter ihnen her. Sie stürzen sich in einen Fluss, um ihre Spuren zu verwischen. Nur mit Mühe schaffen sie es zurück ans Ufer und kämpfen sich weiter durch den Wald. Dort werden sie von einem Wolf angegriffen. Als dieser jedoch Philipp in die Augen blickt, verwandelt er sich in einen Menschen. Es ist Arian, der im Jahr 2012 bisher nichts von seiner menschlichen Seite wusste und sich nun durch den Splitter von Margery in seinem Herzen wieder an seine Vergangenheit in Engelland erinnert.

Er ist völlig verzweifelt, weil er glaubt, das Mondmädchen getötet zu haben. Ember und Philipp gelingt es, ihm Hoffnung darauf zu schenken, dass Lavena in dieser Welt noch leben könnte. Sie verabreden sich für den nächsten Abend im Lebkuchenhaus, bevor Arian als Wolf in die Schlosskommende zurückkehrt, um mehr über die Pläne der Königin herauszufinden.

Ein paar Stunden später erwacht Joe allein in Julias Hotelzimmer und bemerkt, dass sich die ›Grimm-Chroniken‹ nicht mehr in seiner Tasche befinden. Erschrocken stürzt er zum Fenster und sieht Julia, wie sie mit dem Buch davonläuft. Er nimmt sofort die Verfolgung auf und jagt ihr durch Königswinter hinterher, bis ihm plötzlich ein Auto den Weg abschneidet. Diesem entsteigt Rumpelstein, den Julia zu kennen scheint. Ehe Joe sich versieht, schlägt sie ihn mit dem Buch nieder.

Er kommt in einem ihm unbekannten, aber sehr vornehm eingerichteten Raum wieder zu sich. Die Tür ist verschlossen und vor den Fenstern befinden sich Gitter, sodass ihm eine Flucht nicht möglich ist. Kurze Zeit später betritt Julia das Zimmer und offenbart ihm ihre wahre Identität: Sie ist Rosalie, die Schwester von Margery. Im Auftrag der bösen Königin hat sie Kontakt zu Joe aufgenommen, um durch ihn an die ›Grimm-Chroniken‹ zu kommen und herauszufinden, wer die Vergessenen Sieben sind.

Vorwort

Liebe Leser,

›Der Sohn des Drachen‹ ist nicht nur der vierzehnte Band der Buchserie ›Die Grimm-Chroniken‹, sondern auch der erste Band der zweiten Staffel. Das bringt ein paar Besonderheiten mit sich, auf die ich euch gern hinweisen würde.

Der einunddreißigste Oktober 2012 ist nicht nur der Geburtstag der Zwillingsschwestern Margery und Rosalie, sondern auch der von Simonja. Weiß, Schwarz und Rot. Erinnert ihr euch?

Sämtliche Handlungen laufen auf diesen einen Tag hinaus, denn er entscheidet über das Schicksal der Welt und läutet den Krieg der Farben ein.

Unseren Protagonisten bleiben keine Monate oder Wochen, um sich auf den letzten Kampf vorzubereiten, sondern genau sieben Tage. Das sind 10.080 Minuten, und jede davon könnte bedeutend sein. Deshalb verweise ich euch nun in den Überschriften auch immer auf die Uhrzeit hin, zu der die aktuelle Handlung beginnt. Auf diese Weise könnt ihr leichter verfolgen, wie viel Zeit bereits verstrichen ist.

Ihr kennt das sicher: Wenn man einem besonderen Ereignis entgegenfiebert, können sieben Tage sehr lang sein. Sieben Tage Urlaub sind hingegen immer ganz schnell vorbei. Zeit ist relativ, das erkannte bereits Albert Einstein.

Ob sieben Tage reichen, um einer Geschichte zu einem neuen, einem besseren, Ende zu verhelfen, erfahrt ihr in der zweiten Staffel der ›Grimm-Chroniken‹.

Ich wünsche euch viel Freude damit.

Liebe Grüße,

Maya Shepherd

Mittwoch,

24. Oktober 2012

Noch 7 Tage

Ein neuer Tag

Mittwoch, 24. Oktober 2012,

9 Uhr

Königswinter, Hotel Loreley, Empfangshalle

Mit verbrannter Kleidung, von der nicht mehr als ein paar Fetzen übrig geblieben waren, betrat Ember den roten Teppich, der sie in die Empfangshalle des noblen Hotels Loreley geleitete. Es war gerade Frühstückszeit, sodass sich jede Menge Menschen in dem herrschaftlichen Raum mit der hohen, stuckverzierten Decke aufhielten, die sie allesamt anstarrten.

Philipp neben ihr machte kaum einen besseren Eindruck, wie er mit nacktem Oberkörper auf die Rezeption zusteuerte, doch anders als sie schien er die Blicke der Gäste gar nicht zu bemerken. Er stellte sich an den Tresen, als wäre es das Normalste der Welt, Ende Oktober beinahe unbekleidet an der Rheinpromenade entlangzuflanieren, und schenkte der Empfangsdame ein freundliches Lächeln.

»Guten Morgen«, begrüßte er sie höflich. »Ich hoffe, Sie können mir weiterhelfen.«

Oh ja, Sie sehen in der Tat aus, als ob Sie Hilfe bräuchten, schien ihr Blick zu sagen, als sie mit großen Augen zwischen Ember und ihm hin und her schaute, viel zu perplex von ihrem Auftritt, um irgendetwas zu sagen.

Philipp fuhr mit einer Gelassenheit fort, als wollte er lediglich nach dem Weg fragen. »Wir sind auf der Suche nach einer Freundin. Ihr Name ist Julia. Sie hat die letzten Nächte hier geschlafen. Wissen Sie zufällig, ob sie hier ist?«

Die Angestellte starrte ihn immer noch an, als würde er eine Sprache sprechen, die sie nicht verstand.

Ember räusperte sich verlegen. »Julia hat lange blonde Haare und ist in unserem Alter. Eventuell ist sie in Begleitung eines blonden, relativ muskulösen Jungen.«

Die Augen der Frau richteten sich automatisch auf den nackten Oberkörper des einstigen Prinzen. Er war zwar nicht so gut trainiert wie Joe, aber dennoch sehr ansehnlich. Ember hatte es im Verlauf des Morgens sogar geschafft, ihn anzusehen, ohne dabei rot zu werden.

Die Dame schüttelte den Kopf, als müsste sie sich von seinem Anblick losreißen, um ihre Gedanken ordnen zu können. »Entschuldigen Sie bitte die Frage, aber geht es Ihnen gut?«

Philipp lachte, als hätte sie einen Witz gemacht, und deutete an sich hinab. »Lassen Sie sich bitte nicht von unserem Auftritt beirren. Wir hatten einen kleinen Unfall, aber uns fehlt nichts.«

Wenn man ihm zuhörte, könnte man meinen, dass die beiden lediglich ein unfreiwilliges Bad im Rhein genommen hätten. Tatsächlich waren sie entführt worden und hatten eine Limousine in die Luft gejagt, nur um dann vor mehreren mit Armbrüsten bewaffneten Jägern und abgerichteten Wölfen in den Wald zu fliehen und beinahe im Fluss zu ertrinken. Nur ein kleiner Unfall.

»Soll ich jemanden für Sie anrufen?«, wollte die Empfangsdame skeptisch wissen, wobei sie die beiden musterte, als wären sie auf den Kopf gefallen und nicht bei klarem Verstand.

»Das ist sehr freundlich von Ihnen«, erwiderte Philipp charmant. »Sie würden uns allerdings am meisten helfen, wenn Sie uns sagen könnten, ob das blonde Mädchen, Julia, hier ist. Das ist für uns wirklich sehr wichtig zu wissen.«

»War sie etwa auch bei dem Unfall dabei?«, hakte die Frau bestürzt nach.

»Aber nein«, antwortete Philipp beschwichtigend und machte eine wegwischende Handbewegung. Er griff in die Tasche seiner Lederjacke, die Ember trug, um sich zumindest etwas bedecken zu können, und zog sein Handy hervor. Es war noch feucht vom Rheinwasser. »Ich würde Julia anrufen«, behauptete er, »aber leider kenne ich ihre Handynummer nicht auswendig.«

Die Angestellte atmete tief durch. Sicher hatte sie noch nie zuvor etwas Vergleichbares erlebt. Sie versuchte, professionell zu reagieren, was ihr angesichts der Umstände sichtlich schwerfiel. »Ich darf Ihnen leider keine Auskunft über andere Gäste erteilen.«

Philipp beugte sich noch etwas näher zu ihr über den Tresen und wickelte sie mit seinem gewinnenden Lächeln ein. »Natürlich«, zeigte er sich verständnisvoll. »Aber Sie könnten Julia auf ihrem Zimmer anrufen und ihr Bescheid sagen, dass wir hier sind. Würden Sie das bitte für mich tun?«

Obwohl beide ihr mehr als seltsam vorkommen mussten, erwiderte die Frau nun das Lächeln des Prinzen und nickte entgegenkommend. »Das kann ich gern machen«, bestätigte sie ihm und tippte etwas in ihren PC. Offenbar erinnerte sie sich an Julia, denn sicher gab es nicht viele Mädchen, die ohne die Begleitung eines Erwachsenen verreisten. Wahrscheinlich suchte sie nun nach ihrer Zimmernummer. Irgendetwas ließ sie jedoch innehalten, bevor sie ihr Gesicht wieder Philipp zuwandte. »Es tut mir leid, Ihnen das mitteilen zu müssen, aber Ihre Freundin hat heute Morgen ausgecheckt«, sagte sie bedauernd.

Philipp und Ember tauschten einen betretenen Blick, ehe Ember sich wieder an die Rezeptionistin wandte. »Hatten Sie zu der Zeit schon Dienst? Wissen Sie zufällig, ob sie in Begleitung eines Jungen das Hotel verlassen hat?«

Die Frau schüttelte den Kopf. »Sie hat um Viertel nach sechs ausgecheckt, da war noch die Nachtschicht hier.« Erneut musterte sie die beiden besorgt. »Sind Sie sicher, dass ich niemanden für Sie anrufen soll oder Ihnen irgendwie helfen kann?«

»Vielen Dank für Ihre Fürsorge«, ergriff Philipp galant das Wort. »Sie könnten uns wirklich helfen. Wäre es möglich, dass wir das Zimmer buchen, das unsere Freundin zuvor bewohnt hat?«

»Es wurde noch nicht gereinigt«, widersprach sie ihm entgeistert.

»Das stört uns nicht«, versicherte Philipp ihr. »Bitte! Sie würden uns damit einen großen Gefallen erweisen.«

Unsicher verzog sie das Gesicht. »Das kann ich nicht machen. Aber ich kann Ihnen gern ein anderes Zimmer anbieten.«

»In Ordnung«, meinte Ember und kam damit Philipp zuvor, der die Empfangsdame erneut bezirzen wollte, um sie umzustimmen. Sie erregten schon genug Aufsehen. Vermutlich würde die Frau ohnehin die Polizei rufen, sobald sie außer Sichtweite waren.

»Haben Sie Ihre Personalausweise dabei?«, wollte die Rezeptionistin nun wissen, wobei sie unbewusst den Blick skeptisch an den beiden auf und ab wandern ließ.

Zu ihrer Überraschung griff Philipp jedoch in die Lederjacke und zog ein nasses Portemonnaie hervor. Darin befanden sich sein Personalausweis sowie eine Kreditkarte. Beides schob er ihr über den Tresen zu.

Embers Ausweis war samt ihrer Jacke verschmolzen, nachdem sie in Flammen aufgegangen war. Da sie das schlecht sagen konnte, meinte sie nur: »Ich habe meinen zu Hause.«

Die Angestellte ließ sich nicht anmerken, ob sie ihr das glaubte, sondern begnügte sich vorerst mit Philipps Pass. Als sie seinen Namen las, stockte sie und schaute verblüfft von seinem Foto in sein Gesicht. »Sind Sie nicht Phil Harmonic, der DJ?«, fragte sie ihn mit gesenkter Stimme.

Philipp grinste sie verschwörerisch an. »Der bin ich«, raunte er. »Aber verraten Sie es niemandem. Ich möchte ungern in diesem Auftritt ein Bild von mir in der Zeitung sehen.« Er zwinkerte ihr zu, woraufhin die Frau leise kicherte.

Ember hätte am liebsten die Augen verdreht. Ganz gleich, ob in Engelland oder in Königswinter, die Wirkung des Prinzen auf das weibliche Geschlecht war zu jeder Zeit und an jedem Ort die gleiche. Sie selbst konnte sich davon nicht ausnehmen, was sie vermutlich am meisten daran störte.

»Meine Lippen sind verschlossen«, versicherte sie ihm aufgeregt und machte sich weiter daran, die Buchung einzugeben, bis sie erneut aufsah. »Wie lange bleiben Sie denn?«

»Nur heute«, antwortete Philipp ihr.

»Möchten Sie ein Einzel- oder ein Doppelzimmer?«

Philipp legte Ember demonstrativ den Arm um die Schultern und erwiderte strahlend: »Ein Zimmer für zwei, bitte.«

Ember wäre vor Scham am liebsten im Erdboden versunken. Sie wollte lieber nicht wissen, was die Frau nun von ihnen dachte. Abgesehen davon, dass sie beide halb nackt waren und wie die verunglückten Darsteller eines Actionfilms aussahen.

»Sind Sie denn schon volljährig?«, wollte die Rezeptionistin nun misstrauisch von Ember wissen. Ihr Blick verriet deutlich, dass sie das nicht glaubte.

»Ja, ich hatte vor einem Monat Geburtstag«, log Ember mit einem erzwungenen Lächeln, das ihre Mundwinkel schmerzen ließ.

»Oh, dann herzlichen Glückwunsch nachträglich«, erwiderte die Dame höflich und legte Philipp ein Blatt zum Unterschreiben vor. Gerade als er damit fertig war, reichte sie ihm eine Postkarte. »Dürfte ich Sie um ein Autogramm bitten? Meine Tochter Anna ist ein großer Fan von Ihnen.«

»Natürlich«, erwiderte Philipp grinsend und hinterließ ein paar Zeilen für das Mädchen auf der Karte. »Möchten Sie vielleicht auch ein Foto für Anna machen?«, bot er großzügig an.

Nun rollte Ember tatsächlich mit den Augen und befreite sich aus seinem Arm, woraufhin Philipp sie schelmisch angrinste.

Die Empfangsdame bekam davon nichts mit, sondern konnte ihr Glück kaum fassen. »Das wäre wundervoll, aber sicher möchten Sie sich erst einmal erholen, oder?«

Aber sicher möchten Sie sich erst einmal etwas anziehen, hätte sie wohl eher sagen sollen.

Philipp machte aber nur eine wegwerfende Handbewegung. »Für ein Foto reicht meine Energie gerade noch.«

Die Frau lachte ungläubig, holte aber ihr Handy hervor, während Philipp sich bereits in Pose warf. Kaum dass sie das Bild gemacht hatte, schlug er ihr vor, dass Ember ein Foto von ihnen zusammen machen könnte, um ihre Tochter etwas neidisch zu machen.

Die Art, wie er Ember angrinste, als er ihr das Mobiltelefon entgegenstreckte, verriet ihr, dass er sich sehr wohl bewusst darüber war, wie unangenehm ihr die Situation war und wie albern sie sein Benehmen fand.

Die Angestellte bedankte sich überschwänglich bei ihm und lud ihn dazu ein, sich jederzeit zu melden, wenn er irgendetwas brauchte. Philipps Berühmtheit würde wohl verhindern, dass sie die Polizei informierte.

Hastig stieg Ember in den Aufzug. Sobald sich die Türen schlossen, schlug sie nach Philipp, der immer noch breit grinste. »Wenn wir gleich eine Meute kreischender Teenager samt Reportern vor der Tür haben, ist das deine Schuld«, fauchte sie verärgert.

Er lachte und hob abwehrend die Arme. »Ich wollte nur freundlich sein. Man sollte sich immer Zeit für seine Fans nehmen.«

Vor zweihundert Jahren hätte er anstatt Fans Untertanen gesagt, aber die Aussage wäre dieselbe geblieben.

Es war unglaublich, dass sie durch Raum und Zeit gereist waren, aber er dennoch der Gleiche zu sein schien – ein Prinz durch und durch.

»Sicher hält die Frau mich jetzt für eines deiner Groupies«, schimpfte sie aufgebracht. Wie er auch noch den Arm um sie gelegt und gesagt hatte, dass er das Zimmer nur für eine Nacht brauchte. Peinlicher ging es wohl kaum!

»Warum interessiert es dich, was irgendwelche Leute von dir denken?«, meinte er auch noch frech, sodass sie ihn am liebsten direkt noch mal geschlagen hätte.

»Tut es nicht«, blaffte sie ihn mit glühenden Wangen an. »Aber hast du bei deinem Gehabe vielleicht auch mal an die Königin gedacht? Du machst es ihr nicht gerade schwer, uns zu finden. Da hätten wir auch gleich in der Schlosskommende bleiben können.«

Die Aufzugtüren öffneten sich mit einem Pling und sie traten in den Gang, der sich davor erstreckte.

»Okay, das war nicht unbedingt klug«, gab Philipp versöhnlich zu. »Aber ich verspreche dir, dass wir längst weg sein werden, bis ihre Lakaien hier auftauchen.«

Ember schnaubte. »Gibst du immer noch leichtfertig Versprechen, von denen du nicht weißt, ob du sie halten kannst?«

»Hey«, sagte Philipp sanft und hielt sie an ihrem Arm fest, ehe er um sie herumtrat und sich vor sie stellte. »Habe ich je ein Versprechen an dich gebrochen?«

Seine Nähe und dazu sein nackter Oberkörper sorgten dafür, dass sich ihre Zunge wie verknotet anfühlte. Alles, was sie zustande brachte, war ein widerspenstiger Blick, dem ein Kopfschütteln folgte – ein Zugeständnis.

---ENDE DER LESEPROBE---