Der Sohn des Kardinals - Ethel Lilian Voynich - E-Book

Der Sohn des Kardinals E-Book

Ethel Lilian Voynich

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Beschreibung

Als sich im 19. Jahrhundert die Bewegung "Junges Italien" bildet, begeistert sich auch der Student Arthur Burton für die Idee einer freien Republik und glaubt, seinen geliebten Lehrer Pater Montanelli dafür gewinnen zu können. Doch er wird verraten. Dreizehn Jahre später: Ein geheimnisvoller Mann stößt zu der Gruppe der Rebellen. Gemma, die einstige große Liebe des Arthur Burton, ahnt, wer dieser Mann ist, doch als sie Gewißheit erlangt, ist es zu spät.

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»The Gadfly«

Ins Deutsche übertragen von Alice Wagner

Alle Rechte der Verbreitung vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist nicht gestattet, dieses Werk oder Teile daraus auf fotomechanischem Weg zu vervielfältigen oder in Datenbanken aufzunehmen.

Verlag Neues Leben – eine Marke der Eulenspiegel Verlagsgruppe Buchverlage

ISBN E-Book: 978-3-355-50053-1

1. Auflage dieser Ausgabe 2018

© 2005 Eulenspiegel Verlagsgruppe Buchverlage GmbH, Berlin

Umschlagentwurf: Buchgut, Berlin,

www.eulenspiegel.com

Erster Teil

1

Arthur saß in der Bibliothek des Priesterseminars von Pisa und sah einen Stoß handschriftlicher Predigten durch. Es war ein heißer Juniabend, und die Läden an den weitgeöffneten Fenstern waren halb geschlossen, um den Raum kühl zu erhalten. Der Direktor, Pater Kanonikus Montanelli, hielt einen Augenblick im Schreiben inne und warf einen liebevollen Blick auf den dunklen, über die Schriften gebeugten Kopf.

»Kannst du sie nicht finden, Carino? Es tut nichts; ich muß die Stelle eben noch einmal schreiben. Vielleicht ist die Predigt zerrissen worden, und ich habe dich die ganze Zeit vergebens bemüht.«

Montanellis Stimme war sehr leise, doch volltönend und von einer silbernen Klarheit, die seiner Sprechweise einen besonderen Reiz verlieh. Er hatte das modulationsfähige Organ eines geborenen Redners. Wenn er mit Arthur sprach, nahm seine Stimme stets einen liebkosenden Klang an.

»Nein, Padre, ich muß sie finden; ich bin überzeugt, daß Ihr sie hierhergelegt habt. Wenn Ihr es noch einmal schreibt, wird es niemals dasselbe sein.«

Montanelli fuhr in seinem Werk fort. Ein schläfriger Käfer summte träge vor dem Fenster, und der langgezogene, melancholische Ruf des Obstverkäufers hallte durch die Straße: »Fragola! Fragola!«1

»›Über die Heilung des Aussätzigen‹, da ist sie.« Arthur durchquerte das Zimmer mit jenem leisen Katzenschritt, der seine Angehörigen zu Hause stets zur Verzweiflung brachte. Er war ein schlanker, zierlicher Junge, der eher einem Italiener glich, wie man sie auf den Porträts des sechzehnten Jahrhunderts findet, als einem jungen Engländer des Mittelstandes aus den dreißiger Jahren. Von den langgeschwungenen Augenbrauen und dem empfindsamen Mund bis zu den kleinen Händen und Füßen schien alles an ihm zu zierlich, zu zart. Wenn er ruhig saß, konnte man ihn gut und gern für ein hübsches junges Mädchen in Männertracht halten; aber sobald er sich bewegte, erweckte seine geschmeidige Behendigkeit den Eindruck eines gezähmten Panthers ohne Krallen.

»Hast du sie wirklich gefunden? Was sollte ich ohne dich anfangen, Arthur? Ich würde meine Sachen dauernd verlieren. Nein, jetzt will ich nicht mehr schreiben. Komm hinaus in den Garten, ich will dir bei deiner Arbeit helfen. Welches ist der Absatz, den du nicht verstehen kannst?«

Sie gingen hinaus in den stillen, schattigen Klostergarten. Das Seminar war in dem Gebäude eines ehemaligen Dominikanerklosters untergebracht; vor zweihundert Jahren war der quadratische Hofraum ein Schmuckstück gewesen; zwischen den glattgeschnittenen Buchsbaumeinfassungen hatten gestutzte Rosmarin- und Lavendelbüsche dicht ge­drängt gestanden. Die weißgekleideten Mönche, die sie gepflegt hatten, waren längst zur ewigen Ruhe gebettet und vergessen; doch die wohlriechenden Kräuter blühten immer noch an schönen Mittsommerabenden, obwohl niemand mehr ihre Blüten zu Arzneizwecken pflückte. Büschel wilder Petersilie und Akelei wuchsen zwischen den Fliesen der Gehsteige, und der Brunnen in der Mitte des Hofraumes war Farnen und kriechendem Mauerpfeffer überlassen. Die Rosen waren verwildert, und ihre wuchernden Triebe zogen sich über die Pfade. In den ­Buchsbaumhecken flammte großblumiger roter Mohn, hohe Fingerhutstauden neigten sich über ein Gewirr von Gräsern, und die Ranken des alten ungepflegten Weinstocks, der keine Frucht mehr trug, hingen von den Zweigen eines vernachlässigten Mispelbaumes herab, dessen dichtbelaubte Krone sich langsam und mit trauriger Beharrlichkeit hin und her wiegte.

In einem Winkel wuchs eine riesige Sommermagnolie – eine einzige turmhohe Masse von dunklem Laub, da und dort mit milchweißen Blüten gesprenkelt. An dem Stamm lehnte eine rohe Holzbank; Montanelli nahm darauf Platz. Arthur studierte Philosophie an der Universität, und da er in einem der Lehrbücher auf Schwierigkeiten gestoßen war, hatte er sich an den Pater um eine Erklärung der fraglichen Stelle gewandt. Montanelli war für ihn eine Art Enzyklopädie, obgleich der Junge nie ein Schüler des Seminars gewesen war.

»Es ist besser, ich gehe jetzt«, sagte er, als die Stelle geklärt war; »es sei denn, Ihr braucht mich noch.«

»Ich habe keine Lust mehr zu arbeiten, aber ich möchte gern, daß du noch ein Weilchen hierbleibst, wenn du Zeit hast.«

»O ja!« Er lehnte sich an den Baumstamm und blickte durch die dunklen Zweige hinauf zu den ersten mattschimmernden Sternen am klaren Himmel. Seine träumerischen, verschleierten Augen – tiefblau unter den schwarzen Wimpern – waren ein Erbteil seiner keltischen Mutter aus Cornwall, und Montanelli wandte den Kopf ab, um ihnen nicht zu begegnen. »Du siehst erschöpft aus, Carino«, sagte er.

»Nicht meine Schuld.« Arthurs Stimme hatte einen müden Klang, und der Pater bemerkte es sofort.

»Du hättest nicht so früh mit dem Studium an der Universität beginnen sollen; du warst übermüdet von der Krankenpflege und den Nachtwachen. Ich hätte darauf bestehen sollen, daß du dich erst gründlich erholst, bevor du Livorno verlassen hast.«

»Oh, Padre, wozu darüber reden? Ich konnte nicht in jenem elenden Hause bleiben nach Mutters Tod. Julia hätte mich verrückt gemacht!«

Julia war die Frau seines ältesten Stiefbruders und ein Dorn in seinem Fleische.

»Ich wollte ja nicht, daß du bei deinen Verwandten bleiben solltest«, antwortete Montanelli sanft. »Ich bin überzeugt, daß es das Schlimmste gewesen wäre, was man dir hätte zumuten können. Mein Wunsch war es, daß du die Einladung des befreundeten englischen Arztes annehmen solltest. Wenn du einen Monat in seinem Hause verbracht hättest, wärst du in besserer Verfassung für das Studium gewesen.«

»Nein, Padre, bestimmt nicht! Die Warren sind sehr gute und nette Menschen, aber sie verstehen mich nicht, und sie haben Mitleid mit mir – ich sehe es ihren Gesichtern an. Sie würden versuchen, mich zu trösten und über Mutter zu sprechen. Gemma natürlich nicht; sie wußte immer schon, was sie nicht sagen durfte, sogar als wir noch ganz klein waren, aber die anderen würden es tun. Und es ist nicht nur das ...«

»Was ist es denn, mein Sohn?«

Arthur rupfte einige Blüten von dem überhängenden Stengel eines Fingerhutes ab und zerdrückte sie mißmutig in seiner Hand.

»Ich kann die Stadt nicht ertragen«, begann er nach kurzer Pause. »Da sind die Geschäfte, in denen Mutter mir Spielsachen kaufte, als ich noch ein kleiner Kerl war, und der Strandweg, den ich mit ihr entlanggegangen bin, bis sie zu krank dazu war. Wohin ich mich auch immer wende, überall ist es dasselbe; jede Marktfrau kommt mir mit einem Blumenstrauß entgegen – als ob ich ihn jetzt noch brauchte! Und dann ist dort der Friedhof – ich mußte fort; der Anblick ihres Grabes machte mich krank.«

Er brach ab und zerpflückte die Blütenglocken des Fingerhutes. Ein so langes und tiefes Schweigen folgte, daß er verwundert aufblickte, weil der Pater nichts sagte. Es wurde dunkel unter den Zweigen der Magnolie, und alles schien verschwommen und undeutlich; aber es war noch hell genug, daß er die geisterhafte Blässe auf Montanellis Gesicht sehen konnte. Er hielt den Kopf gesenkt, und seine Rechte umklammerte die Kante der Bank. Arthur blickte zur Seite mit einem Gefühl ehrfürchtigen Staunens. Es war, als habe er unversehens geheiligten Boden betreten.

Mein Gott! dachte er, wie klein und selbstsüchtig bin ich doch im Vergleich zu ihm! Wenn es sein eigener Kummer wäre, könnte er nicht stärker bewegt sein.

Endlich hob Montanelli den Kopf und blickte um sich.

»Ich will dich nicht drängen, nach Livorno zurückzukehren; jedenfalls nicht jetzt«, sagte er mit seiner zärtlichsten Stimme; »aber du mußt mir versprechen, dich gründlich auszuruhen, sobald die Sommerferien beginnen. Ich glaube, es wäre am besten, wenn du deinen Urlaub recht weit weg von Livorno verbrächtest. Ich möchte nicht, daß du deine Gesundheit ruinierst.«

»Wo fahrt Ihr hin, Padre, wenn das Seminar geschlossen wird?«

»Ich bringe die Schüler in die Berge, wie üblich, und werde sie dort beaufsichtigen. Aber Mitte August kommt der Subdirektor von seinen Ferien zurück. Ich will versuchen in die Alpen zu fahren – eine Luftveränderung täte mir gut. Willst du mit mir kommen? Ich könnte dich zu einigen längeren Alpentouren mitnehmen, und dir würde es sicher Freude machen, die Alpenmoose und -flechten zu studieren. Aber vielleicht findest du es langweilig, mit meiner Gesellschaft vorliebnehmen zu müssen?«

»Padre!« Arthur faltete freudig erregt seine Hände. »Ich weiß nicht, was ich dafür geben würde, mit Euch zu kommen. Aber ich bin nicht sicher ...« Er brach ab.

»Du glaubst, daß Mr. Burton es nicht erlauben wird?«

»Es wird ihm natürlich nicht recht sein, aber er kann mir da wohl kaum hineinreden. Ich bin jetzt achtzehn und darf tun und lassen, was mir beliebt. Schließlich ist er ja nur mein Stiefbruder; ich glaube nicht, daß ich ihm zu Gehorsam verpflichtet bin. Er war immer unfreundlich zu Mutter.«

»Aber wenn er ernstlich dagegen sein sollte, wäre es meiner Ansicht nach doch nicht ratsam, sich ihm zu widersetzen; deine Stellung in der Familie könnte leiden, wenn ...«

»Keine Spur!« unterbrach Arthur ihn leidenschaftlich. »Sie haben mich schon immer gehaßt und werden mich weiter hassen – ganz gleich, was ich tue. Übrigens, wie kann James ernstlich etwas dagegen einwenden, daß ich mit Euch – meinem Beichtvater wegfahre?«

»Vergiß nicht, daß er Protestant ist. Es wäre immerhin besser, du schriebst ihm, und wir wollen abwarten, wie er darüber denkt. Aber du mußt nicht ungeduldig sein, mein Sohn; und es kommt sehr darauf an, was du tust, ganz gleich, ob die Menschen dich nun lieben oder hassen.«

Der Verweis wurde so sanft erteilt, daß Arthur kaum errötete. »Ja, ich weiß«, antwortete er seufzend, »aber es ist so schwer.«

»Ich habe es sehr bedauert, daß du am Dienstag nicht zu mir kommen konntest«, sagte Montanelli, auf ein neues Thema übergehend. »Der Bischof von Arezzo war hier, und es wäre mir lieb gewesen, wenn du ihn kennengelernt hättest.«

»Ich hatte einem Studenten versprochen, einer Versammlung in seiner Wohnung beizuwohnen, und sie rechneten mit meinem Kommen.«

»Was für eine Versammlung?«

Arthur schien die Frage in Verlegenheit zu bringen. »Es – es war k-keine der üblichen Versammlungen«, sagte er mit einem leichten, nervösen Stottern. »Ein Student aus Genua war da, und er hielt eine Ansprache – eine Art V-Vortrag.«

»Über welches Thema?«

Arthur zögerte. »Ihr werdet mich doch nicht nach seinem Namen fragen, Padre, nicht wahr? Denn ich habe versprochen ...«

»Ich will dir überhaupt keine Fragen stellen, und wenn du dich zur Ge­heimhaltung verpflichtet hast, darfst du es mir natürlich nicht sagen; aber ich meine doch, du könntest mir jetzt endlich mehr Vertrauen schenken.«

»Aber natürlich, Padre, ich tue es ja auch. Er sprach über uns – und über das, was wir dem Volk schuldig sind – und uns selbst; und darüber, was wir tun sollen, um zu helfen.«

»Wem zu helfen?«

»Den Contadini2 und ...«

»Und?«

»Und Italien.«

Ein langes Schweigen folgte.

»Sage mir, Arthur«, fragte Montanelli in sehr ernstem Ton und wandte sich ihm zu, »seit wann beschäftigst du dich mit solchen Gedanken?«

»Seit vergangenem Winter.«

»Schon vor dem Tode deiner Mutter? Wußte sie denn davon?«

»N-nein. Ich – ich machte mir damals nichts daraus.«

»Und jetzt – machst du dir jetzt etwas daraus?«

Arthur riß eine weitere Handvoll Blütenglocken vom Stengel.

»Es war so, Padre«, begann er, den Blick auf den Boden geheftet. »Als ich mich im vorigen Herbst für das Antrittsexamen vorbereitete, lernte ich eine Menge Studenten kennen; erinnert Ihr Euch? Nun, und einige von ihnen sprachen mit mir über diese Dinge und liehen mir Bücher. Aber ich machte mir nicht viel daraus, ich hatte es stets eilig, nach Hause zur Mutter zu kommen; Julias Geschwätz allein hätte schon genügt, sie umzubringen. Später, im Winter, als sie schwer krank wurde, dachte ich gar nicht mehr an die Studenten und an ihre Bücher, und dann kam ich überhaupt nicht mehr nach Pisa. Ich hätte mit Mutter darüber gesprochen, aber ich hatte es völlig vergessen. Dann merkte ich, daß sie bald sterben würde. Ihr wißt, ich war fast ununterbrochen bei ihr bis zu ihrem Ende; oft saß ich die Nächte auf, und Gemma Warren kam alle Tage, um mich abzulösen, damit ich mich schlafen legen konnte. Nun, in diesen langen Nächten grübelte ich über die Bücher nach und über das, was die Studenten gesagt hatten – und fragte mich, ob sie wohl recht hatten und – was – Unser Herr dazu gesagt hätte.«

»Hast du ihn gefragt?« Montanellis Stimme klang nicht ganz sicher.

»Viele Male, Padre. Manchmal habe ich zu ihm gebetet, mir ein Zeichen zu geben, was ich tun soll, oder mich mit Mutter zusammen sterben zu lassen. Aber ich erhielt keine Antwort.«

»Und du hast zu mir nie ein Wort darüber gesagt, Arthur, ich hätte doch erwartet, du würdest mir mehr vertrauen.«

»Padre, Ihr wißt, ich vertraue Euch! Aber es gibt gewisse Dinge, über die man mit niemand sprechen kann. Es schien mir, als könnte mir keiner helfen – nicht einmal Mutter; ich mußte die Antwort von Gott selbst erhalten.«

Montanelli wandte sich weg und starrte auf die dunklen Magnolienzweige. In dem Zwielicht wirkte sein Gesicht so schattenhaft wie das eines Gespenstes zwischen dem Gezweig.

»Und dann?« fragte er langsam.

»Und dann starb sie. Ihr wißt doch, ich habe die letzten drei Nächte bei ihr gewacht.«

Er brach ab und schwieg einen Augenblick, aber Montanelli rührte sich nicht.

»In den beiden Tagen vor ihrer Beerdigung«, fuhr Arthur mit gesenkter Stimme fort, »war es mir nicht möglich, einen klaren Gedanken zu fassen. Dann, nach der Trauerfeier, war ich krank; entsinnt Ihr Euch, ich konnte nicht zur Beichte kommen.«

»Ja, ich erinnere mich daran.«

»In jener Nacht stand ich auf und ging in Mutters Zimmer. Es war ganz leer; bis auf das große Kruzifix im Alkoven. Und da dachte ich, Gott würde mir vielleicht helfen; ich kniete nieder und wartete – die ganze Nacht. Und am Morgen, als ich zu mir kam – Padre, es hat keinen Zweck, ich kann es nicht erklären ... ich kann Euch nicht sagen, was ich sah – ich weiß es selber kaum. Aber ich weiß, daß Gott mir eine Antwort gegeben hat, und ich wage nicht, ihm den Gehorsam zu verweigern.«

Einen Augenblick saßen sie schweigend in der Dunkelheit. Dann legte Montanelli seine Hand auf Arthurs Schulter.

»Mein Sohn«, sagte er. »Möge Gott mich davor bewahren zu sagen, Er habe nicht zu dir gesprochen. Aber bedenke, in welchem Zustand du warst, als dies geschah, und verwechsle nicht Fieberphantasien, aus Krankheit und Schmerz geboren, mit Seinem feierlichen Ruf. Und wenn es in der Tat Sein Wille gewesen ist, dir im Schatten des Todes eine Antwort zu erteilen, so achte darauf, daß du Seinem Wort keinen falschen Sinn unterlegst. Was ist es, was du in deinem Herzen beschlossen hast zu tun?«

Arthur stand auf und antwortete langsam, als wiederhole er ein Glaubensbekenntnis: »Mein Leben Italien zu weihen, indem ich mithelfe, es aus Sklaverei und Unglück zu befreien und die Österreicher zu vertreiben, damit es eine freie Republik wird, über die kein anderer König regiert als Christus.«

»Arthur, überlege dir einen Augenblick, was du sprichst! Du bist nicht einmal Italiener!«

»Das hat nichts zu bedeuten; ich bin, was ich bin. Ich habe diese Vision gehabt – und ich gehöre dazu.«

Wieder herrschte Schweigen.

»Du sprachst eben davon, was Christus gesagt haben würde«, begann Montanelli langsam; aber Arthur unterbrach ihn: »Christus hat gesagt: ›Wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s finden.‹«

Montanelli stützte sich mit einem Arm auf einen Ast und beschattete seine Augen mit der Hand.

»Setz dich einen Augenblick her, mein Sohn«, sagte er schließlich.

Arthur setzte sich, und der Pater umschloß seine beiden Hände mit einem festen und sicheren Druck.

»Ich kann heute abend nicht mit dir streiten«, begann er; »das kam zu plötzlich über mich – ich habe nicht gedacht –, ich muß Zeit haben, darüber nachzudenken. Später können wir das eingehender besprechen. Aber im Augenblick möchte ich, daß du daran denkst. Wenn dir dabei etwas zustößt, wenn du – stirbst, brichst du mir das Herz.«

»Padre ...«

»Nein; laß mich ausreden. Ich sagte dir einmal, daß ich keinen auf der Welt habe, nur dich. Ich glaube, daß du nicht ganz verstehst, was das bedeutet. Es ist schwer, wenn man so jung ist. In deinem Alter hätt ich es auch nicht verstanden, Arthur. Du bist für mich – wie ein Sohn. Begreifst du? Du bist das Teuerste, was ich besitze. Ich würde mein Leben hingeben, um dich vor einem falschen Schritt zu bewahren oder davor, dein Leben zu ruinieren. Aber ich kann nichts tun. Ich verlange nicht, daß du mir etwas versprichst; ich bitte nur, daß du daran denkst, was ich dir sagte, und vorsichtig bist. Überlege es dir genau, ehe du einen unabänderlichen Entschluß faßt, um meinetwillen, wenn schon nicht um deiner seligen Mutter willen.«

»Ich will es mir überlegen – und, Padre, betet für mich und für Italien.«

Er kniete schweigend nieder, und schweigend legte Montanelli die Hand auf seinen gesenkten Scheitel. Im nächsten Augenblick erhob sich Arthur, küßte dem Pater die Hand und ging leise durch das taufeuchte Gras davon. Montanelli blieb allein unter der Magnolie und blickte gerade vor sich hin in die Dunkelheit.

Die Rache des Herrn ist über mich gekommen, dachte er, wie sie über David gekommen ist. Ich, der ich Sein Heiligtum geschändet und den Leib des Herrn in entweihte Hände genommen habe – Er hat viel Geduld mit mir gehabt, doch nun ist es soweit. »Denn du hast es heimlich getan, ich aber will dies tun vor ganz Israel und an der Sonne: der Sohn, der dir geboren ist, wird sterben.«

1 Erdbeeren

2 Bauern

2

Der Gedanke, daß sein junger Stiefbruder mit Montanelli in der Schweiz umherklettern sollte, gefiel Mr. James Burton keineswegs. Die harmlose Botanisiertour mit einem ältlichen Theologieprofessor jedoch schlankweg zu verbieten ging nicht gut an; Arthur, der den Grund für solches Verbot nicht kennen konnte, müßte dies lächerlich tyrannisch finden. Er würde es sofort religiösen oder nationalen Vorurteilen zu­schreiben; die Burtons aber bildeten sich auf ihre Aufgeklärtheit und Toleranz sehr viel ein. Sie waren allesamt solide Protestanten und Konservative gewesen, seit »Burton & Söhne, Schiffahrtei« ihr Geschäft vor mehr denn einem Jahrhundert in London und Livorno gegründet hatten. Aber sie vertraten die Ansicht, daß ein Engländer gerecht zu sein habe, sogar Katholiken gegenüber; und als das Familienoberhaupt das Leben als Witwer allzu langweilig fand und die hübsche katholische Gouvernante seiner jüngeren Kinder heiratete, beugten sich seine beiden älteren Söhne James und Thomas – so übel sie das Vorhandensein einer Stiefmutter, die kaum älter war als sie, auch aufnahmen – verdrießlich und resigniert dem Willen der Vorsehung.

Seit dem Tode ihres Vaters war die ohnehin schon schwierige Lage noch verwickelter geworden; doch die beiden Brüder hatten den ehrlichen Versuch gemacht, Gladys bei ihren Lebzeiten vor Julias erbarmungsloser Zunge zu schützen und Arthur gegenüber ihre Pflicht zu erfüllen, so gut sie es verstanden. Sie gaben nicht vor, den Jungen zu lieben, und ihre Großzügigkeit kam vor allem darin zum Ausdruck, daß sie ihn geradezu verschwenderisch mit Taschengeld versorgten und ihn im übrigen seiner Wege gehen ließen.

So erhielt Arthur auf seinen Brief hin einen Scheck, um seine Ausgaben damit zu decken, und die in kühlen Worten gehaltene Erlaubnis, über seine Ferien nach eigenem Belieben zu verfügen. Er gab die Hälfte des ihm verbliebenen Geldes für Bücher über Botanik und für Pflanzenpressen aus und trat mit dem Pater seine erste Alpenwanderung an.

Montanelli war in einer Hochstimmung, wie Arthur sie an ihm schon lange nicht mehr erlebt hatte. Nach dem ersten Schock bei der Unterredung im Garten hatte er sein inneres Gleichgewicht allmählich wiedergewonnen und betrachtete die Angelegenheit nun erheblich ruhiger. Arthur war sehr jung und unerfahren; sein Entschluß konnte nicht unumstößlich sein. Sicher war es noch Zeit, ihn durch sanftes Zureden und Vernunftgründe von dem gefährlichen Pfad zurückzureißen, den er ja kaum erst betreten hatte.

Sie hatten vorgehabt, einige Tage in Genf zu bleiben, aber gleich beim ersten Blick auf die blendendweißen Straßen und staubigen, von Touristen überfüllten Promenaden zeigte sich ein mißmutiger Zug auf Arthurs Gesicht. Montanelli beobachtete ihn leicht belustigt.

»Es gefällt dir nicht, Carino?«

»Ich weiß selbst nicht recht. Es ist so ganz verschieden von dem, was ich erwartet habe. Ja, der See ist wunderschön, und mir gefällt die Linie der Berge drüben.« Sie standen auf der Rousseauinsel, und er deutete auf die strengen Umrisse des langgestreckten Savoyer Massivs. »Aber die Stadt sieht so steif und ordentlich aus – irgendwie protestantisch; sie macht einen so selbstzufriedenen Eindruck. Nein, Genf gefällt mir nicht, es erinnert mich an Julia.«

Montanelli lachte. »Armer Junge, so ein Pech! Nun, wir sind ja zu unserem eigenen Vergnügen hier, und so besteht kein Grund, länger zu verweilen. Was meinst du, wollen wir eine Segelfahrt auf dem See machen und morgen früh in die Berge aufbrechen?«

»Aber, Padre, Ihr wolltet doch ein paar Tage hierbleiben?«

»Mein lieber Junge, ich habe das alles schon Dutzende von Malen gesehen. Meine Ferien bestehen darin, dir Freude zu machen. Wohin möchtest du fahren?«

»Wenn es Euch wirklich gleich ist, dann möchte ich den Fluß bis zu seiner Quelle verfolgen.«

»Die Rhone?«

»Nein, die Arve; sie fließt so schnell dahin.«

»Dann fahren wir nach Chamonix.«

Sie verbrachten den Nachmittag damit, sich in einem kleinen Segelboot treiben zu lassen. Der herrliche See machte auf Arthur viel weniger Eindruck als die graue und trübe Arve. Er war am Mittelmeer aufgewachsen und an blaues Wellengekräusel gewöhnt; aber er hatte eine geradezu leidenschaftliche Vorliebe für rasch fließende Gewässer, und das eilige Dahinschießen des Gletscherbaches entzückte ihn über die Maßen. »Der See hat etwas so ungeheuer Ernstes ...«, sagte er.

Früh am nächsten Morgen brachen sie nach Chamonix auf. Arthur war, solange sie durch die fruchtbare Tallandschaft fuhren, in Hochstimmung; aber als sie auf die gewundene Straße in der Nähe von Cluses abbogen und die hohen, ausgezackten Berge sie von allen Seiten einschlossen, wurde er ernst und schweigsam. Von St. Martin aus gingen sie langsam zu Fuß das Tal hinauf und übernachteten in Sennhütten, die am Wege lagen, oder in winzigen Bergdörfern, um dann ihre Wanderung ganz nach Belieben fortzusetzen. Arthur war besonders empfänglich für landschaftliche Schönheiten, und beim Anblick des ersten Wasserfalls, an dem sie vorbeikamen, geriet er in eine solche Begeisterung, daß es eine wahre Freude war; aber als sie den Schneegipfeln näher kamen, wandelte sich sein Entzücken in eine träumerisch-gehobene Stimmung, die Montanelli an ihm noch nicht kannte. Es schien, als bestünde eine Art mystischer Verbundenheit zwischen ihm und den Bergen. Er konnte stundenlang regungslos in den dunklen, geheimnisvollen, vom Echo erfüllten Fichtenwäldern liegen und zwischen den hohen Stämmen in die sonnenbeschienene Welt der gleißenden Gipfel und steinigen Felsgrate hinausblicken. Montanelli beobachtete ihn mit einer Art von wehmütigem Neid.

»Ich wünschte, du könntest mir zeigen, was du siehst, Carino«, sagte er eines Tages, als er von seinem Buch aufblickte und Arthur still neben sich liegen sah. Sie waren von der Landstraße abgebogen, um in einem ruhigen, am Wasserfall von Diosaz gelegenen Dorf zu übernachten, und da die Sonne bereits tief am wolkenlosen Himmel stand, hatten sie einen Aussichtspunkt auf einem mit Fichtenwäldern bestandenen Felsen erstiegen, um das Alpenglühen auf der Kuppe und den Spitzen des Montblanc-Massivs zu betrachten. Arthur hob den Kopf, in seinen Augen war geheimnisvolles Staunen.

»Was ich sehe, Padre? Ich sehe ein großes weißes Wesen in einem blauen Raum, der keinen Anfang und kein Ende hat. Ich sehe es warten durch die Jahrhunderte, auf das Kommen von Gottes Geist. Ich sehe es verschwommen wie durch Glas.«

Montanelli seufzte.

»Früher habe ich auch solche Dinge gesehen.«

»Seht Ihr sie jetzt nicht mehr?«

»Nein. Und ich werde sie auch nie mehr sehen. Sie sind da, ich weiß es; aber ich habe keine Augen mehr dafür. Ich sehe ganz andere Dinge.«

»Was seht Ihr?«

»Was ich sehe, Carino? Wenn ich zu den Höhen hinaufblicke, sehe ich einen blauen Himmel und einen Schneegipfel – das ist alles. Aber dort unten sieht es anders aus.«

Er deutete in das Tal zu ihren Füßen. Arthur kniete nieder und beugte sich über den äußersten Rand des Abgrundes. Die hohen Fichten – düster in dem heraufsteigenden Schatten des Abends – standen wie Wachen längs der schmalen Ufer, zwischen die der Fluß eingezwängt war. In diesem Augenblick versank die Sonne, rot wie glühende Kohle, hinter einer ausgezackten Bergspitze, und alles Leben und Licht zog sich vom Antlitz der Landschaft zurück. Sofort überfiel etwas Dunkles und Drohendes das Tal – eine mürrische, schreckliche Macht, im Besitz von gespenstischen Waffen. Die senkrechten Felsen der kahlen westlichen Berge schienen wie Zähne eines Ungeheuers, das auf ein Opfer lauert, um es zu packen und in das Innere des tiefen Tals hinabzuzerren, wo schwarz die ächzenden Wälder standen. Die Fichten glichen Reihen von Messerklingen, die wisperten: Fallt auf uns herab, und in der zunehmenden Dunkelheit brüllte und heulte der Gießbach und hämmerte gegen die felsigen Mauern seines Gefängnisses mit der Raserei ewiger Verzweiflung.

»Padre!« Arthur erhob sich schaudernd und trat von dem Abgrund zurück. »Das ist ja die Hölle.«

»Nein, mein Sohn«, antwortete Montanelli sanft, »es ist nur wie eine menschliche Seele.«

»Die Seelen derer, die Tag für Tag auf den Straßen an dir vorübergehen.«

Arthur blickte schaudernd auf die Schatten hinab. Ein dünner weißer Nebelschleier schwebte zwischen den Tannen, hin und her wehend über dem verzweifelten Tosen des Gießbaches wie ein elender Geist, der keinen Trost zu spenden vermag.

»Seht Ihr!« sagte Arthur plötzlich. »Die Menschen, die in der Finsternis wallen, haben ein großes Licht gesehen.«

Im Osten leuchteten die Schneegipfel im Alpenglühen. Nachdem das rote Licht auf den Bergspitzen erloschen war, wandte sich Montanelli um und legte die Hand auf Arthurs Schulter, um ihn zum Aufstehen zu veranlassen.

»Komm jetzt, Carino; die Helligkeit ist fort. Wir werden uns im Dunkeln verirren, wenn wir länger hierbleiben.«

Arthur wandte sich von dem bleichen Antlitz des hohen Berggipfels ab, der Zwielicht schimmerte. »Er sieht aus wie eine Leiche.«

Sie stiegen zwischen den schwarzen Bäumen vorsichtig hinab zur Sennhütte, in der sie die Nacht zu verbringen gedachten.

Als Montanelli das Zimmer betrat, in dem Arthur ihn an der Abendtafel erwartete, sah er, daß der Junge die gespenstischen Visionen der Dunkelheit abgeschüttelt hatte und wie umgewandelt war.

»Oh, Padre, kommt und seht Euch diesen drolligen Hund an! Er kann auf seinen Hinterbeinen tanzen.«

Arthur war ebenso hingerissen von dem Hund und seinen Talenten wie vorhin von dem Alpenglühen. Die Sennerin, rotwangig, mit weißer Schürze, stand lächelnd da, die Hände in die Seiten gestemmt, und sah zu, wie er mit dem Tier die Kunststücke durchprobierte. »Man sieht, daß er keine Sorgen hat, wenn er sich so benehmen kann«, sagte sie in ihrer heimischen Mundart zu ihrer Tochter. »Und was für ein hübscher Kerl!«

Arthur errötete wie ein Schulbub, und die Frau, die merkte, daß er ihre Worte verstanden hatte, verließ, über seine Verlegenheit lachend, das Zimmer. Während des Abendessens sprach er über nichts anderes als über die Ausflüge, Bergbesteigungen und Botanisierexpeditionen, die er zu unternehmen gedachte. Seine Traumvisionen waren augenscheinlich weder seiner Stimmung noch seinem Appetit abträglich gewesen.

Als Montanelli am nächsten Morgen aufwachte, war Arthur bereits fort. Er war vor Tagesanbruch losgegangen, um Gaspard zu helfen, die Ziegen in die Berge zu treiben.

Das Frühstück stand jedoch kaum auf dem Tisch, als er ins Zimmer hereingestürzt kam, ohne Hut, ein winziges Bauernmädchen auf den Schultern und einen großen Feldblumenstrauß in der Hand.

Montanelli sah lächelnd auf. Welch ein seltsamer Kontrast zu dem ernsten und schweigsamen Arthur von Pisa oder Livorno!

»Wo warst du denn, du Tollkopf? Hast du dich ohne Frühstück in den Bergen herumgetrieben?«

»Oh, Padre, es war ganz famos! Die Berge sehen bei Sonnenaufgang einfach herrlich aus; und es ist alles naß vom Tau! Seht nur!«

Er hob einen Fuß hoch, um den nassen, schmutzigen Stiefel zu zeigen.

»Wir hatten Brot und Käse mitgenommen, und oben auf der Weide gab es Ziegenmilch; oh, es war furchtbar schmutzig da! Aber nun bin ich wieder hungrig; und für diesen kleinen Menschen möchte ich auch etwas haben. Annette, willst du Honig?«

Er setzte sich hin, nahm das Kind auf die Knie und half ihm die Blumen ordnen.

»Nein, nein!« Montanelli erhob Einspruch. »Ich will nicht, daß du dich erkältest. Geh rasch das nasse Zeug ausziehen. Komm zu mir, Annette. Wo hast du sie aufgelesen?«

»Oben im Dorf. Ihr Vater ist der Mann, den wir gestern gesehen haben – er flickt die Schuhe der ganzen Gemeinde. Hat sie nicht hübsche Augen? Sie hat eine Schildkröte in der Tasche, die sie Caroline nennt.«

Als Arthur sich frische Socken angezogen hatte und zum Frühstück herunterkam, saß die Kleine auf den Knien des Paters und plapperte eifrig; sie hielt ihm ihre Schildkröte verkehrt, den Kopf nach unten, in ihrer molligen Hand hin, damit »Monsieur« die zappelnden Füßchen sehen konnte.

»Sieh mal, Monsieur«, sagte sie ernsthaft in ihrer schwerverständlichen Mundart: »Sieh mal, das sind Carolines Stiefel!«

Montanelli spielte mit der Kleinen, strich ihr über das Haar, bewunderte ihre geliebte Schildkröte und erzählte ihr herrliche Geschichten.

Als die Sennerin kam, um das Geschirr abzuräumen, starrte sie Annette erstaunt an, die gerade die Taschen des ernsten Herrn im priesterlichen Rock umstülpte.

»Gott lehrt die Kleinen, wer ein guter Mensch ist«, sagte sie. »Annette fürchtet sich stets vor Fremden; und siehe da, vor Hochwürden hat sie gar keine Scheu. Ist das nicht wunderbar! Knie nieder, Annette, und bitte den guten Monsieur um seinen Segen, ehe er geht; es wird dir Glück bringen.«

»Ich wußte nicht, daß ihr so gut mit Kindern spielen könnt, Padre«, sagte Arthur eine Stunde später, als sie über das sonnenbeschienene Weideland gingen. »Das Kind hat die ganze Zeit den Blick nicht von Euch gewandt. Wißt Ihr, ich glaube ...«

»Ja?«

»Ich wollte nur sagen – es scheint mir geradezu ein Jammer, daß die Kirche es den Priestern verbietet zu heiraten. Ich begreife nicht recht, warum. Seht ihr, Kindererziehung ist eine so ernste Sache, und es bedeutet soviel für die Kleinen, wenn sie von Anfang an unter einem guten Einfluß stehen, und ich hätte gedacht, je heiliger der Beruf eines Mannes und je reiner sein Leben, desto geeigneter wäre er, Vater zu sein. Ich bin überzeugt, Padre, daß, wenn ihr nicht ein Gelübde abgelegt – wenn Ihr geheiratet hättet – Eure Kinder um so ...«

»Still!«

Das Wort war in einem so hastigen Flüsterton gesagt worden, daß das darauffolgende Schweigen um so tiefer erschien.

»Padre«, begann Arthur erneut, verstört über den finsteren Ausdruck des anderen, »war das, was ich eben gesagt habe, nicht recht? Ich kann mich natürlich irren; aber ich denke eben so, wie es mir natürlich erscheint.«

»Vielleicht«, antwortete Montanelli mild, »bist du dir über die Bedeutung dessen, was du eben gesagt hast, nicht klar. Du wirst in wenigen Jahren anderer Ansicht sein. Indessen wollen wir das Thema wechseln.«

Es war der erste Mißklang in der Ungezwungenheit und Harmonie, die während dieser idealen Ferien zwischen ihnen herrschten.

Von Chamonix wanderten sie an der Tête-Noire vorbei nach Mar­tigny, wo sie rasteten, weil das Wetter stickig heiß war. Nach dem Essen saßen sie auf der Hotelterrasse, die im Schatten lag und von der aus sich ein herrlicher Ausblick auf die Berge bot. Arthur brachte seine Bota­nisiertrommel herbei und stürzte sich in eine ernste botanische Diskussion in italienischer Sprache.

Zwei englische Maler saßen auf der Terrasse; der eine arbeitete an einer Skizze, der andere schwatzte. Es schien ihm nicht in den Sinn zu kommen, daß die Fremden Englisch verstehen könnten.

»Laß deine Landschaftssudelei, Willy«, sagte er; »und zeichne lieber den hübschen jungen Italiener dort, der sich über das Farnzeug so in Begeisterung redet. Sieh dir nur seine feingeschwungenen Brauen an! Du brauchst ihm nur an Stelle der Lupe ein Kruzifix in die Hand zu drücken und den Rock und die Kniehosen mit einer römischen Toga zu vertauschen, und schon ist der ›Junge Christ‹ fertig – in Ausdruck und Haltung.«

»Ach, von wegen junger Christ! Ich hab beim Abendbrot neben ihm gesessen; er war über das geröstete Hühnchen ebenso begeistert wie jetzt über dieses schmutzige Unkraut. Zugegeben, er ist ein hübscher Kerl; dieser Olivton der Haut ist wundervoll; aber er ist nicht halb so malerisch wie sein Vater.«

»Wie wer?«

»Sein Vater, der dir genau gegenübersitzt. Oder willst du mir weismachen, daß du ihn übersehen hast? Er hat ein prachtvolles Gesicht.«

»Ja, du ganz dämlicher, bibelfester Methodist! Kannst du einen katholischen Priester nicht erkennen, wenn du ihn vor dir hast?«

»Ein Priester? Beim Zeus, es stimmt! Hatte ich ja ganz vergessen ... Keuschheitsgelübde und was noch dazugehört. Na schön, wir wollen barmherzig sein und annehmen, daß der Junge sein Neffe ist.«

»Was für idiotische Leute!« flüsterte Arthur und blickte mit funkelnden Augen auf. »Immerhin, es ist freundlich von ihnen, zu finden, daß ich Euch ähnlich sehe. Ich wünschte, ich wäre tatsächlich Euer Neffe ... Padre, was ist Euch? Ihr seid ja ganz bleich!«

Montanelli hatte sich erhoben und preßte seine Hand an die Stirn. »Mir ist etwas schwindlig«, sagte er mit seltsam schwacher und matter Stimme. »Vielleicht war die Sonne zuviel für mich heute morgen. Ich will mich niederlegen gehen, Carino; es ist sicher nur die Hitze.«

Nach einem vierzehntägigen Aufenthalt am Luzerner See kehrten Arthur und Montanelli über den St.-Gotthard-Paß nach Italien zurück. Sie hatten Glück gehabt mit dem Wetter und mehrere sehr schöne Ausflüge gemacht; aber der erste Zauber der Ferienfreude war dahin. Montanelli wurde dauernd von dem unangenehmen Gedanken an die »eingehende Unterhaltung«, zu der diese Ferien die Gelegenheit liefern sollten, verfolgt. In dem Arve-Tal hatte er absichtlich jede Anspielung auf den Inhalt jenes Gesprächs unter der Magnolie vermieden; es wäre grausam, dachte er, die ersten schönen Eindrücke, die die Alpen auf eine so künstlerisch veranlagte Natur wie Arthur machen mußten, durch die Erinnerung an eine Unterredung zu verderben, die notwendigerweise schmerzlich sein würde. Seit dem Tage in Martigny hatte er sich jeden Morgen gesagt: »Heute will ich darüber sprechen«, und jeden Abend: »Ich will morgen darüber sprechen.« Und nun war die Ferienzeit zu Ende, und er wiederholte noch immer: »Morgen, morgen. Ein erkaltendes, unbestimmtes Gefühl, daß etwas nicht mehr so sei wie früher, daß ein unsichtbarer Schleier trennend zwischen ihm und Arthur niedersinke, ließ ihn schweigen, bis er sich plötzlich, am letzten Abend ihrer Ferien, bewußt wurde, daß er jetzt sofort sprechen müsse, wenn er überhaupt zu sprechen gedachte. Sie wollten die Nacht in Lugano verbringen und dann am nächsten Morgen nach Pisa abreisen. Er würde zum mindesten herausfinden, wie weit sein geliebter Schützling in den gefährlichen Triebsand der italienischen Politik geraten war.

»Der Regen hat aufgehört, Carino«, sagte er nach Sonnenuntergang, »und dies ist die letzte Möglichkeit für uns, den See zu sehen. Komm, laß uns hinausgehen; ich möchte mit dir sprechen.«

Sie gingen am Ufer entlang, bis sie an ein ruhiges Plätzchen kamen, und setzten sich auf eine niedrige Steinmauer. In ihrer unmittelbaren Nähe stand ein Strauch wilder Heckenrosen, über und über mit scharlachroten Hagebutten bedeckt; ein oder zwei Büschel mit verspäteten elfenbeinfarbenen Blüten hingen von einem der oberen Zweige herab und schwankten, schwer von Regentropfen, auf und nieder. Auf der grünen Oberfläche des Sees schaukelte ein kleines Boot in der feuchten Brise, mit leise flappenden weißen Segeln. Sie sahen so leicht und zart aus wie ein Büschel gefiederter silbriger Löwenzahnsamen, von achtloser Hand aufs Wasser geworfen. Hoch oben auf dem Monte Salvatore öffnete eine Schäferhütte das goldene Auge ihres Fensters. Die Rosen ließen ihre Köpfchen hängen und träumten unter den ruhig ziehenden Septemberwolken vor sich hin, und das Wasser plätscherte und murmelte sanft zwischen den Kieseln am Ufer.

»Dies ist für lange Zeit die letzte Möglichkeit für mich, mit dir in Ruhe zu sprechen«, begann Montanelli. »Du kehrst zu deinem Studium und deinen Studienkollegen zurück; und auch ich werde in diesem Winter sehr viel zu tun haben. Ich möchte gern Gewißheit, wie wir in der Zukunft miteinander stehen werden; wenn du also ...«, er hielt einen Augenblick inne und fuhr dann langsamer fort, »wenn du das Gefühl hast, daß du mir vertrauen kannst, wie du es früher getan hast, dann möchte ich, daß du mir genauer als an jenem Abend im Garten des Seminars sagst, wie weit du dich in diese Sache eingelassen hast.«

Arthur blickte auf den See hinaus, hörte zu und sagte nichts.

»Ich möchte wissen, wenn du es mir sagen willst«, fuhr Montanelli fort, »ob du dich durch ein Gelübde oder in irgendeiner anderen Form gebunden hast.«

»Da ist nichts zu erzählen, Padre; ich habe mich nicht gebunden, aber ich bin gebunden.«

»Ich verstehe nicht ...«

»Wozu sind schon Gelübde gut? Es sind nicht Gelübde, die die Menschen binden. Wenn man für eine Sache in einer bestimmten Weise empfindet – so bindet einen das; wenn man nicht so empfindet, kann nichts anderes einen binden.«

»Willst du damit sagen, daß diese Sache – dieses Gefühl unabänderlich ist? Arthur, hast du dir überlegt, was du sagst?«

Arthur wandte sich um und sah Montanelli gerade in die Augen. »Padre, Ihr fragtet mich, ob ich Euch vertrauen könnte. Könnt Ihr nicht auch mir vertrauen? Wenn es tatsächlich etwas zu sagen gäbe, würde ich es Euch sagen; aber es hat keinen Zweck, über diese Dinge zu sprechen. Ich habe nicht vergessen, was Ihr mir an jenem Abend gesagt habt; ich werde es nie vergessen. Aber ich muß meinen Weg gehen und dem Licht folgen, das ich vor mir sehe.«

Montanelli pflückte eine Rose von dem Busch, zupfte die Blütenblätter eins nach dem anderen aus und warf sie ins Wasser.

»Du hast recht, Carino. Wir wollen über diese Dinge nicht mehr reden; es scheint in der Tat, daß man mit vielen Worten nichts ändern kann. – Nun laß uns zurückgehen.«

3

Herbst und Winter gingen vorüber, ohne daß sich etwas ereignete. Arthur besuchte eifrig die Vorlesungen und hatte wenig freie Zeit. Er wußte es stets so einzurichten, daß er Montanelli wenigstens einmal in der Woche sah – manchmal sogar öfter –, wenn auch nur für einige Minuten. Von Zeit zu Zeit kam er mit der Bitte, ihm beim Studium eines schwierigen Buches zu helfen; aber bei diesen Besuchen hielten sich beide streng an das wissenschaftliche Thema. Montanelli, der die dünne, kaum erkennbare Schranke, die sich zwischen ihnen aufgerichtet hatte, schmerzlich empfand, hütete sich vor allem, was nach einem Versuch aussehen konnte, die alte, enge Verbundenheit wiederherzustellen. Arthurs Besuche bereiteten ihm zu diesem Zeitpunkt mehr Kummer als Freude; denn das ständige Bemühen, sich zwanglos zu geben und so zu tun, als wäre alles noch wie früher, griff ihn sehr an. Und auch Arthur bemerkte, ohne jedoch den Grund zu begreifen, die leichte Veränderung im Verhalten des Paters; er ahnte, daß diese in irgendeiner Beziehung zu der leidigen Frage der »neuen Ideen« stand, und vermied daher jede Erwähnung dieses Problems, mit dem er sich in Gedanken unablässig beschäftigte. Und doch hatte ihm Montanelli nie so nahegestanden wie gerade jetzt. Das dumpfe nagende Gefühl des Unbefriedigtseins, der inneren Leere, das er unter einem Wust von Theologie und Riten zu ersticken versucht hatte, war seit seiner ersten Fühlungnahme mit dem Jungen Italien3 völlig ge­schwunden. All die ungesunden Wahngebilde, die ihn während der einsamen Wachen am Krankenlager seiner Mutter heimgesucht hatten, die Zweifel, gegen die er mit dem Gebet anzugehen pflegte, hatten sich von selbst in Nichts aufgelöst. Mit dem Beginn dieser neuen Schwärmerei, mit der Aufrichtung eines klareren und gesünderen religiösen Ideals – denn mehr im Licht eines solchen als in dem einer politischen Entwicklung hatte er die Studentenbewegung gesehen – war ein Gefühl von Ruhe und Erfülltsein, von Frieden und Menschenfreundlichkeit in seine Seele eingezogen; und in dieser Stimmung von feierlicher und sanfter Verzücktheit schien ihm die ganze Welt von Helligkeit erfüllt. Er fand neue, liebenswerte Züge an Menschen, gegen die er früher eine heftige Abneigung gehegt hatte. Montanelli aber, der fünf Jahre lang sein angeschwärmter Lieblingslehrer gewesen war, hatte nun in seinen Augen eine zusätzliche Gloriole als möglicher Prophet des neuen Glaubens erhalten. Voller Eifer lauschte er den Predigten des Paters, suchte eine innere Verwandtschaft zwischen seinen Ideen und den politischen Idealen der Anhänger der Republik zu entdecken und brütete über den Evangelien, die ihm zu seiner Freude die demokratischen Tendenzen des Urchristentums immer wieder bestätigten.

Eines Tages, im Januar, ging er ins Seminar, um ein Buch zurückzubringen, das er sich ausgeliehen hatte. Als ihm gesagt wurde, daß der Pater Direktor ausgegangen sei, stieg er zu Montanellis Arbeitszimmer hinauf, stellte den Band in das Regal und war im Begriff, den Raum zu verlassen, als der Titel eines Buches, das auf dem Tisch lag, seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Es war Dantes »De Monarchia«4. Er begann darin zu lesen und war bald in die Lektüre so vertieft, daß er nicht hörte, wie die Tür geöffnet und wieder geschlossen wurde. Er schrak erst auf, als Montanellis Stimme in seinem Rücken ertönte.

»Ich habe dich heute nicht erwartet«, sagte der Pater mit einem raschen Blick auf den Titel des Buches. »Gerade wollte ich jemanden zu dir schicken, um anfragen zu lassen, ob du heute abend zu mir kommen könntest.«

»Ist es sehr wichtig? Ich habe eine Verabredung für heute abend; ich brauche ja nicht hinzugehen, wenn ...«

»Nein, du kannst auch morgen kommen. Ich wollte mit dir sprechen, weil ich am Dienstag verreise. Ich bin nach Rom beordert worden.«

»Nach Rom? Auf lange?«

»In dem Brief heißt es: ›bis nach Ostern‹. Order aus dem Vatikan. Ich hätte dich schon früher verständigt, hatte jedoch im Seminar sehr viel zu tun, bis alles geregelt und die notwendigen Vorkehrungen zum Empfang des neuen Direktors getroffen waren.«

»Aber Padre, Ihr gebt das Seminar doch nicht etwa auf?«

»Es muß sein; aber ich kehre nach Pisa zurück, für eine Zeitlang jedenfalls.«

»Aber warum tut Ihr das?«

»Nun ja, es ist noch nicht amtlich; man trägt mir ein Bistum an.«

»Padre! Wo denn?«

»Das gerade soll in Rom geklärt werden. Noch ist nicht entschieden, ob man mir einen Bischofssitz in den Apenninen übertragen wird oder ob ich hier als Weihbischof bleibe.«

»Und ist der neue Direktor schon gewählt?«

»Pater Cardi wurde ernannt und trifft morgen ein.«

»Das kommt alles so plötzlich?«

»Gewiß, die Entscheidungen des Vatikans werden häufig erst im letzten Augenblick bekanntgegeben.«

»Kennt Ihr den neuen Direktor?«

»Nicht persönlich, aber man hält sehr viel von ihm. Monsignore Belloni schrieb, daß er ein Mann von großem Wissen ist.«

»Im Seminar wird man Euch sehr vermissen.«

»In bezug auf das Seminar bin ich nicht so sicher, aber ich nehme an, daß du mich vermissen wirst, Carino. Vermutlich ebensosehr wie ich dich.«

»Gewiß werde ich Euch vermissen. Dennoch freue ich mich sehr.«

»Du freust dich? Das kann ich von mir nicht behaupten.«

Er setzte sich an den Tisch, und ein müder Ausdruck beschattete sein Gesicht. So sah ein Mann nicht aus, der sich über seine Beförderung freut.

»Hast du den Nachmittag frei, Arthur?« fragte er nach einer Weile. »Wenn ja, dann möchte ich, daß du mir ein wenig Gesellschaft leistest, da du am Abend nicht kommen kannst. Ich bin heute in einer üblen Laune und will dich in den letzten Stunden vor meiner Abreise soviel wie möglich um mich haben.«

»Ja, ich kann ein Weilchen dableiben. Man erwartet mich erst um sechs.«

»Eine eurer Versammlungen?«

Arthur nickte, und Montanelli wechselte hastig das Thema.

»Ich möchte jetzt über deine Angelegenheiten sprechen«, sagte er. »Du wirst in meiner Abwesenheit zu einem anderen Beichtvater gehen müssen.«

»Wenn Ihr zurückkehrt, kann ich doch wieder zu Euch beichten kommen, nicht wahr?«

»Mein lieber Sohn, wie kannst du nur fragen? Selbstverständlich meine ich nur die drei bis vier Monate, die ich nicht hier sein werde. Willst du zu einem der Pater von Santa Catarina5 gehen?«

»Gewiß.«

Sie sprachen eine Weile von anderen Dingen, dann stand Arthur auf.

»Ich muß gehen, Padre, die Studenten erwarten mich.«

Montanellis Gesicht beschattete sich von neuem.

»Schon? Du hast mir die üble Laune fast vertrieben. Nun, dann auf Wiedersehen.«

»Auf Wiedersehen. Morgen komme ich bestimmt.«

»Ich erwarte dich recht früh, damit ich dich allein sprechen kann. Pater Cardi wird hier sein. Arthur, mein lieber Sohn, sei vorsichtig in meiner Abwesenheit. Laß dich nicht dazu verleiten, etwas Unüberlegtes zu tun. Du kannst dir nicht vorstellen, wie besorgt ich bin, daß wir uns trennen müssen ...«

»Nicht nötig, Padre, es herrscht völlige Ruhe. Aber die Zeit wird mir dennoch lang werden.«

»Lebe wohl«, sagte Montanelli schroff und setzte sich an seine schriftlichen Arbeiten.

Als Arthur das Zimmer betrat, in dem die Studenten ihre kleinen Versammlungen abzuhalten pflegten, fiel sein Blick auf ein junges Mädchen, in der er Dr. Warrens Tochter erkannte, seine frühere Spielgefährtin. Sie saß in einer Ecke am Fenster und lauschte mit gespannter und ernster Miene auf das, was einer der »Gründer«, ein langaufgeschossener junger Lombarde in einem fadenscheinigen Rock, ihr erzählte. In den letzten Monaten hatte sie sich sehr verändert und entwickelt und machte nun einen völlig erwachsenen Eindruck, obgleich ihr das dichte schwarze Haar immer noch nach Schulmädchenart in schweren Flechten über die Schultern hing. Sie war ganz in Schwarz gekleidet und hatte einen schwarzen Schal um den Kopf gelegt, denn das Zimmer war kalt und zugig. Auf der Brust trug sie einen Zypressenzweig – das Abzeichen des Jungen Italiens.

Der Lombarde schilderte ihr mit leidenschaftlichen Worten die Not der kalabrischen Bauern, und sie saß schweigend, das Kinn in eine Hand gestützt, die Blicke zu Boden gerichtet. Arthur erschien sie wie der um die verlorene Sache der Republik trauernde Genins der Freiheit.

»Du bist auch hier, Jim!« sagte er, auf sie zugehend, als der »Gründer« abgerufen wurde. Jim war die etwas eigenwillige Abkürzung ihres seltsamen Vornamens Jennifer. Die italienischen Lehrer nannten sie Gemma.

Sie hob erstaunt den Kopf.

»Arthur! Oh, ich habe nicht gewußt, daß du – dazugehörst.«

»Auch ich ahnte nicht, daß du Mitglied bist, Jim. Seit wann hast du ...?«

»Du irrst dich!« warf sie rasch ein. »Ich bin nicht Mitglied. Ich habe mich nur ein wenig nützlich gemacht. Verstehst du, ich traf Bini – du kennst doch Carlo Bini?«

»Selbstverständlich.« Bini war der Leiter der Ortsgruppe von Livorno, und das ganze Junge Italien kannte ihn.

»Nun ja, er erzählte mir von der ganzen Sache, und ich bat ihn, mich an einer Studentenversammlung teilnehmen zu lassen. Kürzlich schrieb er mir nach Florenz ... wußtest du denn nicht, daß ich die Weihnachtsferien in Florenz verbracht habe?«

»Ich bekomme jetzt nur selten Briefe von daheim.«

»Ja, richtig! Ich fuhr also während der Ferien zu meinen Schulfreundinnen, den Wrights, und dann schrieb mir Bini, ich sollte auf meiner Rückreise nach Pisa kommen, um die Versammlung zu besuchen. Ah! Jetzt fangen sie an.«

Das Thema des Vortrags war die ideale Republik und die Pflicht der Jugend, sich ihren Forderungen anzupassen. Der Redner schien keine ganz klare Vorstellung davon zu haben, aber Arthur lauschte voll andächtiger Bewunderung. In dieser Periode seines Lebens war er merkwürdig kritiklos; wenn er ein ethisches Ideal erst einmal gutgeheißen hatte, dann machte er es sich bedenkenlos zu eigen, ohne lange zu überlegen, ob es sich auch verwirklichen ließ. Als der Vortrag und die Diskussion, welche diesem folgte, beendet waren und die Studenten auseinanderstrebten, trat er auf Gemma zu, die noch immer still in ihrem Winkel saß.

»Ich möchte dich begleiten, Jim. Wo wohnst du?«

»Bei Marietta.«

»Bei eurer alten Haushälterin?«

»Ja. Es ist ziemlich weit von hier.«

Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander. Dann sagte Arthur plötzlich: »Du bist jetzt siebzehn, nicht wahr?«

»Ich war im Oktober siebzehn.«

»Ich habe ja immer gewußt, daß du nicht wie die anderen jungen Mädchen bist, denen der Sinn nur nach Tanzen, Bällen und ähnlichen Dingen steht. Liebe Jim, ich habe mich so oft gefragt, ob du einmal zu uns gehören wirst.«

»Und ich habe mich das von dir gefragt.«

»Du sagtest, daß du für Bini etwas getan hast. Ich wußte nicht, daß du ihn überhaupt kanntest.«

»Nicht für Bini – für den anderen tat ich es.«

»Welchen anderen?«

»Der heute abend mit mir gesprochen hat – Bolla.«

»Kennst du ihn schon länger?« warf Arthur ein und empfand so etwas wie Eifersucht. Sie hatte an eine wunde Stelle gerührt: Bolla und er hatten sich gleichzeitig um einen Auftrag beworben, mit dem das Komitee des Jungen Italiens schließlich Bolla betraut hatte, mit der Begründung, daß Arthur zu jung und zu unerfahren sei.

»Ich kenne ihn recht gut und mag ihn sehr gern. Er hat sich eine Zeitlang in Livorno aufgehalten.«

»Ich weiß, er fuhr im November hin ...«

»Wegen der Dampfer. Arthur, meinst du nicht, euer Haus wäre für diese Art Auftrag besser geeignet als das unsere? Kein Mensch würde eine reiche Schifferfamilie wie die eure verdächtigen; und außerdem kennst du jeden im Hafen.«

»Pst! Nicht so laut, Jim! In eurem Haus hatte man also die Bücher aus Marseille6 versteckt?«

»Nur für einen Tag. Oh, ich hätte es dir wahrscheinlich gar nicht sagen dürfen.«

»Warum nicht? Du weißt doch, daß ich Mitglied bin. Liebe Gemma, ich könnte mir kein größeres Glück denken, als daß du zu uns kämst – du und der Pater.«

»Dein Pater! Sicher ist er ...«

»Nein. Er ist anderer Meinung. Aber manchmal habe ich mir eingebildet, das heißt gehofft – daß vielleicht ...«

»Aber Arthur, er ist doch Priester.«

»Wennschon? Unserem Verband gehören auch Priester an – zwei von ihnen schreiben Artikel für die Zeitung. Warum auch nicht? Es ist die Mission der Priesterschaft, die Welt höheren Idealen, höheren Zielen entgegenzuführen, und nichts anderes wird von unserem Verband angestrebt. Schließlich ist das mehr eine religiöse und ethische Aufgabe als eine politische. Wenn die Menschen erst reif sind, freie und verantwortungsbewußte Bürger zu sein, kann sie niemand mehr in Sklavenketten halten.«

Gemma runzelte die Stirn. »Mir scheint, deine Logik läßt zu wünschen übrig, Arthur«, sagte sie. »Die Aufgabe eines Priesters besteht darin, ein religiöses Dogma zu verkünden. Was hat das mit der Befreiung Italiens von der österreichischen Herrschaft zu tun?«

»Ein Priester ist ein Mann, der das Christentum lehrt, und Christus war der größte Revolutionär aller Zeiten.«

»Weißt du, ich habe kürzlich mit Vater über die Priester gesprochen, und Vater meinte ...«

»Gemma, dein Vater ist Protestant.«

Nach kurzem Schweigen sah sie ihm offen ins Gesicht.

»Wollen wir nicht lieber das Thema fallenlassen? Du wirst immer gleich unduldsam, sobald von Protestanten die Rede ist.«

»Ich wollte nicht unduldsam sein. Mir scheint eher, daß die Protestanten unduldsam werden, sobald von Priestern die Rede ist.«

»Freilich. Wir haben uns über dieses Thema schon so oft gestritten, daß es keinen Zweck hat, wieder davon anzufangen. Wie fandest du den Vortrag?«

»Er gefiel mir sehr gut, besonders der letzte Teil. Es hat mich gefreut, daß er forderte, man müsse nicht nur immer von den Idealen der Republik träumen, vielmehr auch danach leben. Es ist so, wie Christus sagte: ›Das Reich Gottes ist in euch.‹«

»Und mir hat gerade dieser Teil am wenigsten gefallen. Er sprach immer nur davon, wie edel wir denken, fühlen und handeln müßten, erwähnte jedoch mit keinem Wort, was wir nun wirklich tun sollten.«

»Laß erst den richtigen Augenblick zum Handeln gekommen sein, dann wird es genug zu tun geben. Zunächst heißt es Geduld haben. Große Umwälzungen vollziehen sich langsam.«

»Je mehr Zeit ein Ding braucht, desto mehr Grund besteht, gleich anzufangen. Du sagst, daß man für die Freiheit reif sein muß – wer wäre schon reifer dafür gewesen als deine Mutter? Wenn es je eine engelgute Frau gegeben hat, dann war sie es. Und was hat ihr all ihre Güte genutzt? Sie war eine Sklavin bis an ihr Ende – immerzu gequält, geärgert und beleidigt von deinem Bruder James und seiner Frau. Sie hätte es viel leichter gehabt, wenn sie nicht so freundlich und geduldig gewesen wäre – dann hätten sie es nicht gewagt, sie so zu behandeln. Und so ist es auch mit Italien; Geduld ist nicht das richtige Mittel – jemand muß sich auflehnen und das Volk mit sich reißen.«

»Liebe Jim, wenn Zorn und Leidenschaft Italien hätten retten können, dann wäre es längst frei. Was das Land braucht, ist nicht Haß, vielmehr Liebe.«

Als er das Wort aussprach, schoß ihm das Blut plötzlich in die Stirn, flutete aber sofort wieder zurück. Gemma sah es nicht; sie starrte mit gerunzelter Stirn und zusammengepreßten Lippen vor sich hin.

»Du denkst, ich habe unrecht, Arthur«, sagte sie nach einer Weile des Schweigens, »aber ich weiß, daß ich recht habe, und du wirst es eines Tages einsehen. Da ist das Haus. Willst du hereinkommen?«

»Nein, es ist schon spät. Gute Nacht, liebe Jim!«

Er stand auf der Schwelle, preßte ihre Hände in den seinen. »Für Gott und das Volk ...« Langsam und ernst vollendete sie die Losung: »Jetzt und auf immer.« Dann entzog sie ihm ihre Hände und lief ins Haus. Als die Tür sich hinter ihr geschlossen hatte, bückte er sich und hob den Zypressenzweig auf, den sie verloren hatte.

3 eine kleinere, bürgerlich-revolutionäre Bewegung, die 1831 gegründet wurde und sich zur Aufgabe gemacht hatte, Italien von der Fremdherrschaft zu befreien und ein einiges Italien auf republikanischer Grundlage zu errichten

4 »Über die Monarchie« ist ein Werk des großen italienischen Dichters Dante Alighieri (1265-1321), das die Idee eines starken italienischen Königreichs propagierte und gegen die weltliche Macht des Papstes Stellung nahm; im 19. Jahrhundert stand das Buch auf dem Index der katholischen Kirche

5 Kirche in Pisa

6 In Marseille wurden die Zeitung »Junges Italien« und andere Veröffentlichungen der Organisation gedruckt, die dann heimlich über Livorno nach Italien gebracht wurden.

4

Arthur eilte wie auf Flügeln zu seiner Behausung. Er fühlte sich wunschlos glücklich. In der Versammlung waren Andeutungen gefallen über die Vorbereitung eines bewaffneten Aufstandes; nun hatte er in Gemma eine Weggenossin gefunden, und er liebte sie. Sie konnten zusammen für die kommende Republik kämpfen, ja vielleicht sogar sterben. Ein hoffnungsfroher Frühling war für sie angebrochen, auch der Pater würde es einsehen und sich zu ihnen bekennen.

Doch am nächsten Morgen wachte er um einiges ernüchtert auf; ihm fiel ein, daß Gemma nach Livorno abreiste und der Pater nach Rom. Januar, Februar, März – noch drei lange Monate bis Ostern! Und wenn Gemma zu Hause wieder unter »protestantischen« Einfluß geriet – in Arthurs Vorstellung war »protestantisch« gleichbedeutend mit »philisterhaft« – aber nein, Gemma würde bestimmt nicht kokettieren und mit einfältigem Lächeln nach Touristen oder glatzköpfigen Readern angeln wie all die englischen Mädchen in Livorno. Sie war aus anderem Holz. Aber sie würde sich vielleicht sehr unglücklich fühlen, sie war jung, ohne Freunde und stand ganz allein unter all diesen hölzernen Menschen. Ja, wenn Mutter noch lebte ...

Am Abend ging er ins Seminar, wo er Montanelli im Gespräch mit dem neuen Direktor fand; der Pater sah erschöpft und zugleich gelangweilt aus. Doch statt daß sich sein Gesicht bei Arthurs Anblick wie üblich erhellte, wurde es um einen Schatten düsterer.

»Da kommt der Student, von dem ich Ihnen erzählt habe«, sagte er und stellte Arthur förmlich vor. »Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie ihm weiterhin erlaubten, sich der Bibliothek zu bedienen.«

Pater Cardi, ein älterer, mildblickender Priester, unterhielt sich mit Arthur sofort über die Sapienza7, völlig ungezwungen und mit einer Sachkenntnis, die verriet, daß er mit den Gepflogenheiten des Universitätslebens vertraut war. Aus dem Gespräch entwickelte sich bald eine Diskussion über die in der Universität herrschenden Bestimmungen – zu jener Zeit eine brennende Frage. Zu Arthurs größter Freude sprach sich der Direktor heftig gegen den von den Universitätsbehörden geübten Brauch aus, die Studenten dauernd mit sinnlosen und verletzenden Verboten zu plagen.

»Ich besitze einige Erfahrung in der Führung von jungen Menschen«, sagte er, »und habe es mir zur Regel gemacht, nie ein Verbot ohne einen triftigen Grund auszusprechen. Wenn man junge Leute ernst nimmt und sie mit der gehörigen Rücksicht behandelt, wird man selten Verdruß mit ihnen haben. Und umgekehrt schlägt das frömmste Pferd einmal aus, wenn man ständig an den Zügeln zerrt.«

Arthur riß die Augen auf; er hatte nicht erwartet, daß der neue Direktor die Meinung der Studenten vertreten würde.

Montanelli beteiligte sich nicht an dem Gespräch, offenbar interessierte ihn das Thema nicht. Auf seinem Gesicht lag ein so hoffnungsloser und erschöpfter Ausdruck, daß Pater Cardi sich plötzlich unterbrach.

»Ich fürchte, ich habe Sie sehr ermüdet, Pater Kanonikus. Sie müssen mir meine Geschwätzigkeit verzeihen, das Thema interessiert mich brennend, und ich vergesse dabei stets, daß es andere langweilen könnte.«

»Im Gegenteil, es hat mich sehr interessiert.« Förmliche Höflichkeit lag so wenig in Montanellis Art, daß sein Ton Arthur unangenehm berührte. Nachdem Pater Cardi sich auf sein Zimmer zurückgezogen hatte, wandte sich Montanelli Arthur zu, und auf seinem Gesicht lag noch immer der gleiche gespannte und dumpf brütende Ausdruck wie zuvor.

»Arthur, mein lieber Sohn, ich muß dir etwas sagen.«

Er muß schlechte Nachrichten erhalten haben. Der Gedanke schoß Arthur durch den Kopf, während er besorgt in das verstörte Gesicht des Paters blickte. Ein langes Schweigen folgte.

»Wie gefällt dir der neue Direktor?« fragte Montanelli plötzlich.

Die Frage kam so unerwartet, daß Arthur einen Augenblick lang außerstande war zu antworten.

»Ich – er gefällt mir sehr gut, ich glaube wenigstens – das heißt nein, ich bin nicht ganz sicher. Aber es ist schwer, sich ein Urteil nach dem ersten Eindruck zu bilden.«

Montanelli schlug leicht und taktmäßig mit der Handfläche auf die Armlehne seines Stuhls, eine Angewohnheit, die er hatte, wenn er besorgt oder verwirrt war.

»Es handelt sich um diese Reise nach Rom«, begann er wieder. »Wenn du glaubst, daß etwas – nun ja –, wenn du es wünschst, Arthur, dann schreibe ich, daß ich nicht kommen kann.«

»Padre! Aber wenn der Vatikan ...«

»Der Vatikan wird schon einen anderen finden. Ich kann mich in aller Form entschuldigen.«

»Aber warum? Ich verstehe nicht.«

Montanelli strich sich mit der Hand über die Stirn.

»Ich mache mir Sorgen um dich. Mir kommen die seltsamsten Gedanken – schließlich besteht nicht die geringste Notwendigkeit für mich zu fahren ...«

»Aber das Bistum ...«

»Ach, Arthur, was nützt es mir, wenn ich das Bistum gewinne und dafür etwas verliere ...«

Er brach ab. Arthur hatte ihn noch nie in einer solchen Verfassung gesehen und war ernstlich beunruhigt.

»Ich verstehe nicht«, sagte er. »Wollt Ihr mir nicht genauer erklären, Padre, was Ihr denkt?«

»Ich denke nicht, ich bin von einer furchtbaren Angst befallen. Sag mir, droht dir eine bestimmte Gefahr?«

Er hat etwas gehört, dachte Arthur, dem die Gerüchte über den geplanten Aufstand einfielen. Aber er durfte über Geheimpläne nicht reden, und so sagte er nur: »Was für eine bestimmte Gefahr meint Ihr?«

»Du sollst nicht fragen – antworte!« Montanellis Stimme klang beinahe schroff vor Erregung. »Bist du in Gefahr? Ich will deine Geheimnisse gar nicht wissen, sage mir nur dieses eine!«

»Wir sind alle in Gottes Hand, Padre, jedem von uns kann etwas zustoßen. Ich sehe keinen Grund, warum ich nicht heil und gesund sein sollte, wenn Ihr zurückkommt.«

»Wenn ich zurückkomme ... Hör zu, Carino: In deinen Händen liegt die Entscheidung. Du brauchst mir keinen Grund anzugeben, sag nur das eine Wort zu mir: ›bleib‹, und ich gebe diese Reise auf. Keinem Menschen erwächst dadurch ein Schaden, und ich werde ein ruhigeres Gefühl haben, wenn du an meiner Seite bist.«

Düstere Phantasien dieser Art waren Montanellis Charakter so fremd, daß Arthur ihn mit tiefer Besorgnis anblickte.

»Padre, ich glaube bestimmt, Euch ist nicht wohl. Selbstverständlich müßt Ihr nach Rom fahren, und versucht Euch gründlich auszuruhen, damit ihr Eure Schlaflosigkeit und die Kopfschmerzen loswerdet.«

»Nun gut.« Montanelli fiel ihm ins Wort, als sei er der ganzen Sache müde. »Ich fahre morgen früh mit der ersten Post.«

Arthur blickte ihn verwundert an.

»Ihr wolltet mir etwas sagen?« fragte er.

»Nein, nein, nichts weiter – nichts, das von Belang wäre.« Ein verwirrter, ja geradezu entsetzter Ausdruck lag auf seinem Gesicht.

Wenige Tage nach Montanellis Abreise ging Arthur ins Seminar, um sich ein Buch aus der Bibliothek zu holen. Er traf Pater Cardi auf der Treppe.

»Ah, Mr. Burton!« rief der Direktor aus. »Sie kommen wie gerufen. Treten Sie ein und helfen Sie mir aus einer Verlegenheit.«

Er öffnete die Tür des Arbeitszimmers, und Arthur folgte ihm mit einem törichten Gefühl geheimen Grolls. Es kam ihn bitter an, das vertraute Arbeitszimmer, das Allerheiligste des Paters, von einem Fremden besetzt zu finden.