Der Sonntagsmord in Kugelau - Anton Adelhardt - E-Book

Der Sonntagsmord in Kugelau E-Book

Anton Adelhardt

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Beschreibung

Kugelau, ein Weiler in der Fränkischen Schweiz, wird Schauplatz eines grausigen Raubmordes. Während ihre Familienangehörigen den Sonntagsgottesdienst besuchen, wird die Bäuerin Kunigunda Adelhardt bei der Vorbereitung des Sonntagsessens für ihre Familie brutal ermordet. Das Haus wird ausgeraubt. Bei der Heimkehr vom Kirchgang finden ihr Mann, seine Tochter und sein Schwiegersohn die Frau tot in ihrem Blut liegen. Vom Täter gibt es keine Spur. Die Polizei tappt im Dunkeln. Bis heute konnte dieses Verbrechen vom 22. August 1920 nicht aufgeklärt werden.

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Seitenzahl: 102

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Das Buch

Die Handlung dieses Buches beruht auf einer wahren Begebenheit.

Am 22. Aug. 1920 wurde die Bauersfrau Kunigunda Adelhardt in ihrem Haus in Kugelau ermordet, während ihre übrigen Familienangehörigen den Sonntagsgottesdienst in Waischenfeld besuchten. Es wurden Bargeld, Schmuck und Fleischwaren geraubt. Der Fall konnte nicht aufgeklärt werden.

Der Autor nimmt natürlich für sich nicht in Anspruch, nach fast 100 Jahren Licht in das Dunkel dieses Geschehens bringen zu wollen oder zu können. Er hat an Fakten gesammelt, was aus Zeitungsberichten, Pfarrmatrikeln, persönlichen Erinnerungen und Erzählungen zu bekommen war. Dann hat er den Faden weitergesponnen und ist zu einer Lösung gekommen. Ob er Recht hat mit seiner Version? Er hat da selbst seine Zweifel.

Er nutzt den Bericht über das damalige tragische Geschehen, um einen Einblick in die Lebens – und Arbeitswelt der Bauern in ihren kleinen Anwesen in der Fränkischen Schweiz zu geben.

„Zu dir, barmherziger Gott, bete ich für die Seele deiner Dienerin Kunigunda, welche so frühzeitig durch räuberische Mörderhand den Martertod erleiden mußte.“

(Aus dem Gebet auf dem Sterbebild der

Frau Kunigunda Adelhardt,

geb. 15. März 1867 zu Langenloh

gest. 22. August 1920 zu Kugelau)

Wegkreuz am Zieglershof

Inhaltsverzeichnis

Um 1950

24. August 1920

Beerdigung auf dem Nankendorfer Kirchhof

Leichentrunk

1918/1919/1920

April 1919

14. September 1919

April 1920

Eine Woche später

19. Mai 1920

Hochzeitsvorbereitungen

Die Hochzeitsfeier

22. August 1920

Exkurs

Die Untersuchungen der Polizei beginnen

Die Ermittlungen der Kriminalpolizei

In der Kugelau

Beerdigungsvorbereitung

Montag, 23. August

Donnerstag, 26. August

Die Tage nach der Beerdigung

Freitag, 27. August

Montag, 30. August

7. September

Dezember 1920

Montag, 20. Dezember

Januar 1921

Milwaukee (USA), Sept. 1927

Die Beichte

November 1927

Wie es weitergegangen ist

Schlusswort

Um 1950

Immer, wenn wir als Kinder mit unserer Mutter von Zeubach in das kaum drei Kilometer entfernte Neusig zum Verwandtenbesuch gingen, kamen wir an einer Stelle vorbei, die uns Angst machte, die uns unheimlich erschien. Beim äußeren Ziegler in Kugelau, einem Weiler mit sechs Häusern, stand und steht heute noch ein Feldkreuz. Unsere Mutter hatte uns gesagt, das sei ein Sühnekreuz für ein grausames Verbrechen, das hier vor etwa 30 Jahren begangen worden sei. Mehr erzählte sie nicht, um unsere unschuldigen Kinderseelen nicht zu sehr zu belasten. Für uns Kinder reichte das aber, um mit Schaudern und mit einer Gänsehaut am Rücken an diesem geheimnisvollen Ort vorüber zu gehen. Viel lieber war uns deshalb immer der Wiesenweg auf der anderen Seite des Zeubachs am Waldrand entlang, wenn es dafür nicht zu nass war. Eigentlich wären uns nasse Füße lieber gewesen als das Unheimliche, das uns bei dem Kreuz neben dem Zieglershof jedes Mal überkam.

Später haben wir erfahren, dass das Kreuz aus einem anderen Grund errichtet worden ist. Der Ziegler war in der Zeit um 1910 Halter des gemeindeeigenen Zuchtstieres gewesen. Als er diesen einmal zum Decken einer Kuh aus dem Stall herausführte, konnte sich das wertvolle Zuchttier losreißen. Es rannte auf die umliegenden Wiesen hinaus auf den Wald zu. Der Bauer befürchtete riesige Schadenersatzforderungen, wenn der Stier verloren ginge oder verunglückte. Deshalb verband er seine Bitten hinauf zu den Heiligen im Himmel mit einem Gelöbnis. Wirklich gelang es mit Hilfe der Nachbarn, den Stier wieder einzufangen und ohne Schaden in den Stall zurückzubringen. Zum Dank errichtete der Ziegler am Weg gegenüber vom Hof das Kreuz.

Was es aber mit der Untat auf sich hatte, erfuhren wir damals nicht. Auch heute liegt noch immer im Dunkeln, was vor fast 100 Jahren auf dem Zieglershof wirklich geschehen ist.

24. August 1920

Der Schultesenbauer aus Neusig saß im schwarzen Anzug mit schwarzem Hut auf dem Kutschbock seines Ackerwagens. Seine beiden Pferde, kräftige Ackergäule, zogen den Wagen mit hängenden Köpfen, als wüssten sie, welch traurige Last sie zu befördern hatten. Der Schultes hatte von seinem Wagen die beiden Leitern entfernt. Auf dem Wagenbrett stand ein schlichter Fichtensarg, geschmückt mit den Blumen der Jahreszeit, Dahlien – Georginen hat man sie hier genannt – aus dem Bauerngarten. Den Sarg hatte der Modelschreiner aus Hannberg gefertigt. Er war der Fachmann dafür.

Hinter dem Fuhrwerk ging eine kleine Trauergemeinde, angeführt vom Mann der Verstorbenen, dem Ziegler von Kugelau, und der Familie. Dann folgten die Neusiger, die Schultesen, die Hanzen, die Hacker, die Schmierleut, die Steffer, die Schwarzhansen, die Schotten und natürlich die Erl, als Wirtsleute schon von Geschäfts wegen verpflichtet. Für die Neusiger war es selbstverständlich, der Verstorbenen das letzte Geleit zu geben, denn erst vor einigen Wochen hatte der Hans, der Sohn des Schultesen – Adam, beim Ziegler in der Kugelau eingeheiratet. So war es für das ganze Dorf Ehrensache, beim Begräbnis seiner Schwiegermutter dabei zu sein. Deshalb hatte es sich der Schultes auch nicht nehmen lassen, mit seinem Gespann den zum Leichenwagen umfunktionierten Ackerwagen zu fahren.

In Kugelau war der Sarg mit der Verstorbenen auf den Wagen gehoben worden. Die Nachbarn, die Bäuerlein, die Schmied und die Spitzer, schlossen sich dem Zug an. Nach ein paar hundert Metern kamen auch noch die inneren Ziegler und die Sperken dazu. Mit dem dumpfen Murmeln des schmerzhaften Rosenkranzes erreichten sie Zeubach. Aus jedem Haushalt schlossen sich Männer und Frauen dem Zug an, den die Glocke der Zeubacher Laurentiuskapelle mit ihrem Geläute vom ersten Haus, dem Kaiser, bis zum letzten, den Schneidersleuten, begleitete.

Nach einer halben Stunde zogen sie an den ersten Häusern der Vorstadt von Waischenfeld vorbei. Hin und wieder war hinter den Vorhängen Bewegung zu sehen. Angeschlossen haben sich die Waischenfelder Städter dem Zug nicht, nur am Gruberseck kamen die beiden Fläschner dazu, denn die Frau Mayer war eine gebürtige Adelhardt aus Zeubach und so mit der Trauerfamilie weitläufig verbunden, also in der Freundschaft, wie man damals sagte. Außerdem kamen einige Leute aus Langenloh dazu, darunter Vater und Mutter der Toten. Die Verstorbene stammte von den Zimmerleuten aus dieser Ortschaft. Sie war eine geborene Haas.

Der Weg des Trauerzugs führte über den Marktplatz, dann aber nicht hinauf zur Pfarrkirche St. Johannes der Täufer und zum Friedhof neben der alten Burg. Waischenfeld war Stadt und die Waischenfelder behaupteten ihr Stadtrecht in jeder Beziehung. Auf dem Friedhof durften nur Städter beerdigt werden und nicht die Bauern vom Umland. Genauso konsequent waren sie beim Schulbesuch der Kinder. Es gab für die Stadtkinder eine eigene Stadtschule, die Kinder der umliegenden Ortschaften gingen in die Landschule.

So zog der Trauerzug durch Waischenfeld und weiter in das drei Kilometer entfernte ländliche und damit angemessene Nankendorf.

Vor der schönen, dem heiligen Martin geweihten Barockkirche hatten sich schon die Bewohner von Nankendorf und Löhlitz versammelt. Männer aus Kugelau und Neusig hoben den Sarg vom Wagen und trugen ihn in die Kirche und setzten ihn vor der Kommunionbank zur Totenmesse ab.

Unter dumpfem Glockengeläute begann der Pfarrer Gerstacker aus Waischenfeld mit dem Requiem - Gesang. In dem bis auf den letzten Platz gefüllten Gotteshaus intonierte dann die Orgel das erste Lied und es erhob sich der starke Gemeindegesang: „Frieden sende Deinen Toten! Wie Du selber uns geboten, unser Vater hör uns flehn.“

Besonders beim „Dies irae“, dem Gesang über den „Tag des Zornes, Tag der Rache“, erhob der Pfarrer seine Stimme, um deutlich zu machen, was die Sünder im Jenseits erwartet.

Nach dem Evangelium leitete er zur Predigt über: „Dieser ruchlose Mord an einer unbescholtenen Bauersfrau, einer treusorgenden Mutter und einer frommen Christin schreit zum Himmel. Wir sind als Christen überzeugt, dass unsere liebe Verstorbene beim Herrn in ewiger Seligkeit Tröstung findet. Wir aber, die wir fassungslos angesichts dieses Verbrechens zurückbleiben, können nur hoffen, dass es unserer Gendarmerie gelingt, diesen feigen Mörder zu finden, der eine liebenswerte, tüchtige und fromme Frau auf dem Gewissen hat. Wenn es der irdischen Gerichtsbarkeit nicht gelingen sollte, ihn zur Verantwortung zu ziehen, so wird er sich dereinst vor dem Richterstuhl Gottes zu rechtfertigen haben. Als Christen wollen wir beten, dass unsere liebe Verstorbene in die Herrlichkeit unseres Herrn eingeht, aber auch, dass der feige Mörder umkehrt und Gnade beim Herrn findet. Amen!“

Bei den letzten Worten des Pfarrers erhob sich ein Murmeln und Murren bei den Gottesdienstteilnehmern, das aber dann bei den folgenden Trauergesängen wieder unterging.

Beerdigung auf dem Nankendorfer Kirchhof

Mit dem abschließenden „Libera“ ging das Requiem zu Ende. Darin betet die katholische Kirche schon seit Jahrhunderten darum, die Verstorbenen mögen vor den Toren der Hölle und dem Rachen des Löwen bewahrt bleiben.

Die Männer aus Kugelau und Neusig hoben den Sarg auf ihre Schultern und zogen, gefolgt von einer großen Trauergemeinde, hinauf zum Nankendorfer Friedhof. Dort senkten sie ihre Last in das frisch ausgehobene Grab. Der Pfarrer sprach die gewohnten Gebete, dass die Engel die Verstorbene ins Paradies geleiten mögen, segnete das Grab, besprengte es mit Weihwasser und warf drei kleine Schaufeln mit Erde auf den Sarg in der Grube, dass es beim Aufprall dumpf herauftönte. Dann beteten alle Versammelten gemeinsam ein „Vaterunser“ für den aus der um das Grab versammelten Gemeinde, welcher der Verstorbenen als nächster vor das Angesicht Gottes folgen werde.

Alle traten dann nacheinander zu einem kurzen Gedenken an das offene Grab und besprengten den Sarg mit Weihwasser. Unter den ersten war auch die alte Mutter der Toten, die 75 – jährige Zimmerfrau aus Langenloh. In ihrem schwarzen fränkischen Gewand wirkte sie wie eine Prophetin aus dem Alten Testament, als sie, die sich Zeit ihres Lebens krumm und bucklig gearbeitet hatte, sich aufrichtete und mit laut tönender Stimme rief: „Blind soll er werden, der abscheuliche Mörder meiner Tochter! Er hat es nach dieser Tat nicht verdient, Gottes schöne Welt auch noch anzuschauen.“ Betroffen schwiegen die am Grab Trauernden, als sie diese Verwünschung hörten, aber sie nickten zustimmend mit den Köpfen.

Dann löste sich die versammelte Gemeinde auf dem Friedhof allmählich auf. Viele aus der Trauergemeinde besuchten noch die Gräber von Verwandten oder Nachbarn zu einem kurzen Gedenken im Gebet. Dann gingen sie vom Bergfriedhof wieder hinunter in den Ort.

Am übernächsten Sonntag wurden dann in den Pfarrkirchen von Waischenfeld und Nankendorf die Sterbebilder als Erinnerung an die Verstorbene und als Aufforderung zum Gebet für ihre Seele ausgeteilt.

Leichentrunk

Verwandte und Nachbarn trafen sich nach der Beerdigung in der Gastwirtschaft „Zum Weißen Lamm“ an der Nankendorfer Hauptstraße, die allgemein nur als der „Schorschengorch“ bekannt war. Das Wirtshaus war wegen seines süffigen, selbstgebrauten Bieres weit herum sehr beliebt und bekannt für die guten und reichhaltigen Brotzeiten aus eigener Hausschlachtung. Auch jetzt stellte der Wirt Schüsseln mit heißen Knackwürsten und Körben mit kräftigem Bauernbrot auf die Tische und versorgte die Trauergäste mit seinem dunklen Bier.

Beim Essen und Trinken lösten sich allmählich die Zungen und nach und nach begann eine immer lauter werdende Diskussion. Zuerst erhitzten sich die Gemüter über den Pfarrer und seine Fürbitte für die arme Seele des Mörders.

„Lieber tät ich mir die Zunge abbeißen, als für so einen zu beten“, sagte die Spitzerin.

„Das kann der wirklich nicht verlangen, dass wir unseren Herrgott bitten, eine solche Freveltat auch noch zu verzeihen“, sagte der Bäuerlein unter allgemeiner Zustimmung. Und der Schultesen – Adam fügte noch an, dass er auf einen solchen Pfarrer verzichten könne. Da gehe er gleich gar nicht mehr in die Kirche, als sich solche Zumutungen bieten zu lassen.

Allmählich verlagerte sich der Disput weg vom Pfarrer und seiner Fürbitte hin zum Mörder selbst.

„Die Zimmerfrau hat Recht“, sagte der Sperk, „blind soll er werden auf der Stell!“

„Das reicht nicht für so eine Freveltat“, warf der Schmied ein. „Leiden soll er. Die Finger, die das Messer gehalten haben, gehören ihm einzeln abgeschnitten, dann noch die ganze Mörderhand.“

Dann stritten sie darüber, ob ihm der Kopf abgeschlagen werden sollte oder ob das Hängen die angemessenere Todesart wäre. Blind werden war nicht genug, da waren sie sich alle einig. Er müsste sterben, wie sein Opfer.

Der Schwarzhans hatte die aus seiner Sicht noch schlimmste Qual vor seinem Tod beigetragen: „Bevor er aufgehängt wird, gehört ihm noch sein Ding abgeschnitten und dann muss er mindestens für drei Tage mit ein paar nackerten Weibern eingesperrt werden. Der müsst es am eigenen Leib verspüren, wie es ist, wenn alles aus ist.“