Der Stechlin - Theodor Fontane - E-Book

Der Stechlin E-Book

Theodor Fontane

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Beschreibung

Fontanes berühmter und zugleich letzter Roman, der am Brandenburger Stechlinsee spielt: Im Zentrum des Romans stehen neben der märkischen Adelsfamilie um den Witwer Dubslav von Stechlin und dessen Sohn Woldemar die vielen Gespräche mit verschiedenen Personen über aktuelle Ereignisse, wobei sich immer wieder die alte konservative und die neue sozialdemokratische Sichtweise gegenüberstehen. -

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Theodor Fontane

Der Stechlin

Saga

Der StechlinCoverbild / Illustration: Shutterstock Copyright © 1898, 2020 Theodor Fontane und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726540147

1. Ebook-Auflage, 2020

Format: EPUB 2.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

– a part of Egmont www.egmont.com

Schloss Stechlin

1

Im Norden der Grafschaft Ruppin, hart an der mecklenburgischen Grenze, zieht sich von dem Städtchen Gransee bis nach Rheinsberg hin (und noch darüber hinaus) eine mehrere Meilen lange Seenkette durch eine menschenarme, nur hie und da mit ein paar alten Dörfern, sonst aber ausschliesslich mit Förstereien, Glas- und Teeröfen besetzte Waldung. Einer der Seen, die diese Seenkette bilden, heisst ,,der Stechlin“. Zwischen flachen, nur an einer einzigen Stelle steil und kaiartig ansteigenden Ufern liegt er da, rundum von alten Buchen eingefasst, deren Zweige, von ihrer eigenen Schwere nach unten gezogen, den See mit ihrer Spitze berühren. Hie und da wächst ein weniges von Schilf und Binsen auf, aber kein Kahn zieht seine Furchen, kein Vogel singt, und nur selten, dass ein Habicht drüber hinfliegt und seinen Schatten auf die Spiegelfläche wirft. Alles still hier. Und doch, von Zeit zu Zeit wird es an ebendieser Stelle lebendig. Das ist, wenn es weit draussen in der Welt, sei’s auf Island, sei’s auf Java, zu rollen und zu grollen beginnt oder gar der Aschenregen der hawaiischen Vulkane bisweit auf die Südsee hinausgetrieben wird. Dann regt sich’s auch hier, und ein Wasserstrahl springt auf und sinkt wieder in die Tiefe. Das wissen alle, die den Stechlin umwohnen, und wenn sie davon sprechen, so seben sie wohl auch hinzu: „Das mit dem Wasserstrahl, das ist nur das Kleine, das beinah Alltägliche; wenn’s aber draussen was Grosses gibt, wie vor hundert Jahren in Lissabon, dann brodelt’s hier nicht bloss und sprudelt und strudelt, dann steigt statt des Wasserstrahls ein roter Hahn auf und kräht laut in die Lande hinein.“

Das ist der Stechlin, der See Stechlin.

Aber nicht nur der See führt diesen Namen, auch der Wald, der iht umschliesst. Und Stechlin heisst ebenso das langgestreckte Dorf, das sich, den Windungen des Sees folgend, um seine Südspitze herumzieht. Etwa hundert Häuser und Hütten bilden hier eine lange, schmale Gaffe, die sich nur da, wo eine von Kloster Wutz her heranführende Kastanienallee die Gasse durchschneidet, platzartig erweitert. An ebendieser Stelle findet sich denn auch die ganze Herrlichkeit von Dorf Stechlin zusammen; das Pfarrhaus, die Schule, das Schulzenamt, der Krug, dieser letztere zugleich ein Eck- und Kramladen mit einem kleinen Mohren und einer Girlande von Schwefelfäden in seinem Schaufenster. Dieser Ecke schräg gegenüber, unmittelbar hinter dem Pfarrhause, steigt der Kirchhof lehnan, auf ihm, so ziemlich in seiner Mitte, die frühmittelalterliche Feldsteinkirche mit einem aus dem vorigen Jahrhundert stammenden Dachreiter und einem zur Seite des alten Rundbogenportals angebrachten Holzart, dran eine Glocke hängt. Neben diesem Kirchhof samt Kirche setzt sich dann die von Kloster Wutz her heranführende Kastanienallee noch eine kleine Strecke weiter fort, bis sie vor einer über einen sumpfigen Graben sich hinziehenden und von zwei riesigen Findlingsblöcken flankierten Bohlenbrücke haltmacht. Diese Brücke ist sehr primitis. Jenseits derselben aber steigt das Herrenhaus auf, ein gelbgetünchter Bau mit hohem Dach und zwei Blitzableitern.

Audy dieses Herrenhaus heisst. Stechlin, Schloss Stechlin.

Etliche hundert Jahre zurück stand hier ein wirkliches Schloss, ein Backsteinbau mit dicken Rundtürmen, aus welcher Zeit her auch noch der Graben stammt, der die von ihm durchschnittene, sich in den See hinein erstreckende Landzunge zu einer kleinen Insel machte. Das ging so bis in die Tage der Reformation. Während der Schwedenzeit aber wurde das alte Schloss niedergelegt, und man schien es seinem gänzlichen Verfall überlassen, auch nichts an seine Stelle setzen zu wollent, bis kurz nach dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms I. die ganze Trümmermasse beiseitė geschafft und ein Neubau beliebt wurde. Dieser Neubau war das Haus, das jetzt noch stand. Es hatte denselben nüchternen Charakter wie fast alles, was unter dem Soldatenkönig entstand, und war nichts weiter als ein einfaches Corps de logis, dessen zwei vorspringende, bis dicht an den Graben reichende Seitenflügel ein Hufeisen und innerhalb desselben einen kahlen Vorhof bildeten, auf dem, als einziges Schmuckstück, eine grosse blanke Glaskugel sich präsentierte. Sonst sah man nichts als eine vor dem Hause sich hinziehende Rampe, von deren dem Hofe zugekehrter Vorderwand der Kalk schon wieder abfiel. Gleichzeitig war aber doch ein Bestreben unverkennbar, gerade diese Rampe zu was Besonderem zu machen, und zwar mit Hilfe mehrerer Kübel mit exotischen Blattpflanzen, darunter zwei Aloen, von denen die eine noch gut imstande, die andre dagegen krank war. Aber gerade diese kranke war der Liebling des Schlossherra, weil sie jeden Sommer in einer ihr freilich nicht zukommenden Blüte stand. Und das hing so zusammen. Aus dem sumpfigen Schlossgraben hatte der Wind vor langer Zeit ein fremdes Samenkorn in den Kübel der kranken Aloe geweht, und alljährlich schossen infolge davon aus der Mitte der schon angegelbten Aloeblätter die weiss und roten Dolden des Wasserliesch oder des Butomus umbellatus auf. Jeder Fremde, der kam, wenn er nicht zufällig ein Kenner war, nahm diese Dolden für richtige Aloeblüten, und der Schlossherr hütete sich wohl, diesen Glauben, der eine Quelle der Erheiterung für ihn war, zu zerstören.

Und wie denn alles hierherum den Namen Stechlin führte, so natürlich auch der Schlossherr selbst. Auch er war ein Stechlin.

Dubslav von Stechlin, Major a. D. und schon ein gut Stück über Sechzig hinaus, war der Typus eines Märkischen von Adel, aber von der milderen Observanz, eines jener erquicklichen Originale, bei denen sich selbst die Schwächen in Vorzüge verwandeln. Er hatte noch ganz das eigentümlich sympathisch berührende Selbstgefühl all derer, die ,,schon vor den Hohenzollern da waren“, aber er hegte dieses Selbstgefühl nur ganz im stillen, und wenn es dennoch zum Ausdruck kam, so kleidete sich’s in Humor, auch wohl in Selbstironie, weil er seinem ganzen Wesen nach überhaupt hinter alles ein Fragezeichen machte. Sein schönster Zug war eine tiefe, so recht aus dem Herzen kommende Humanität, und Dünkel tind Überheblichkeit (während er sonst eine Neigung hatte, fünf gerade sein zu lassen) waren so ziemlich die einzigen Dinge, die ihn empörten. Er hörte gern eine freie Meinung, je drastischer und extremer, desto besser. Dass sich diese Meinung mit der seinigen deckte, lag ihm fern zu wünschen. Beinah das Gegenteil. Paradoxen waren seine Passion. „Ich bin nicht klug genug, selber welche zu machen, aber ich freue mich, wenn’s andere tun; es ist doch immer was drin. Unanfechtbare Wahrheiten gibt es überhaupt nicht, und wenn es welche gibt, so sind sie langweilig.“ Er liess sich gern was vorplaudern und plauderte selber gern.

Des alten Schlossherrn Lebensgang war märkisch-herkömmlich gewesen. Von jung an lieber im Sattel als bei den Büchern, war er erst nach zweimaliger Scheiterung siegreich durch das Fähnrichsexamen gesteuert und gleich danach bei den brandenburgischen Kürassieren eingetreten, bei denen selbstverständlich auch schon sein Vater gestanden hatte. Dieser sein Eintritt ins Regiment fiel so ziemlich mit dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms IV. zusammen, und wenn er dessen erwähnte, so hob er, sich selbst persiflierend, gerne hervor, ,,dass alles Grosse seine Begleiterscheinungen habe“. Seine Jahre bei den Kürassieren waren im wesentlichen Friedensjahre gewesen; nur Anno vierundsechzig war er mit in Schleswig, aber auch hier, ohne ,,zur Aktion“ zu kommen. „Es kommt für einen Märkischen nur darauf an, überhaupt mit dabeigewesen zu sein; das andre steht in Gottes Hand.“ And er schmunzelte, wenn er dergleichen sagte, seine Hörer jedesmal im Zweifel darüber lassend, ob er’s ernsthaft oder scherzhaft gemeint habe. Wenig mehr als ein Jahr vor Ausbruch des vierundsechziger Kriegs war ihm ein Sohn geboren morden, und, kaum wieder in seine Garnison Brandenburg eingerückt, nahm er den Abschied, um sich auf sein seit dem Tode des Vaters halbverödetes Schloss Stechlin zurückzuziehen. Hier warteten seiner glückliche Tage, seine glücklichsten, aber sie waren von kurzer Dauer — schon das Jahr darauf starb ihm die Frau. Sich eine neue zu nehmen widerstand ihm, halb aus Ordnungssinn und halb aus ästhetischer Rücksicht. „Wir glauben doch alle mehr oder weniger an eine Auferstehung“ (das heisst, er persönlich glaubte eigentlich nicht daran), „und wenn ich dann oben ankomme mit einer rechts und einer links, so is das doch immer eine genierliche Sache.“ Diese Worte — wie denn der Eltern Tun mur allzu häufig der Missbilligung der Kinder begegnet — richteten sich in Wirklichkeit gegen seinen dreimal verheiratet geresenten Vater, an dem er überhaupt allerlei Grosses und Kleines auszusetzen hatte, so beispielsweise auch, dass man ihm, dem Sohne, den pommerschen Namen „Dubslao“ beigelegt hatte. „Gemiss, meine Mutter war eine Pommersche, noch dazu von der Insel Usedom, und ihr Bruder, fun ja, der hiess Dubslav. Und so war denn gegen den Namen schon um des Dukels willen nicht viel einzuwenden, und um so weniger, als er ein Erbonkel war. (Dass er mich schliesslich schändlich im Stich gelassen, ist eine Sache für sich.) Aber trotzdem bleib’ ich dabei, folche Namensmanscherei verwirrt bloss. Was ein Märkischer ist, der muss Joachim heissen oder Woldemar. Bleib im Lande und taufe dich redlich. Wer aus Friesack is, darf nicht Raoul heissen.“

Dubslav von Stechlin blieb also Witmer. Das ging nun schon an die dreissig Jahre. Anfangs war’s ihm schwer geworden, aber jetzt lag alles hinter ihm, und er lebte „comme philosophe“ nach dem Wort und Vorbild des grossen Königs, zu dem er jederzeit bewundernd aufblickte. Das war sein Mann, mehr als irgendwer, der sich seitdem einen Namen gemacht hatte. Das zeigte sich jedesmal, wenn ihm gesagt wurde, dass er einen Bismarckkopf habe. ,,Nun ja, ja, den hab’ ich; ich soll ihm sogar ähnlich sehen. Aber die Leute sagen es immer so, als ob ich mich dafür bedanken müsste. Wenn ich nur wüsste, bei wem; vielleicht beim lieben Gott oder am Ende gar bei Bismarck selbst. Die Stechline sind aber auch nicht von schlechten Eltern. Ausserdem, ich für meine Person, ich habe bei den sechsten Kürassieren gestanden und Bismarck bloss bei den siebenten, und die kleinere Zahl ist in Preussen bekanntlich immer die grössere — ich bin ihm also einen über. Und Friedrichsruh, wo alles jetzt hinpilgert, soll auch bloss ’ne Kate sein. Darin sind wir uns also gleich. Und solchen See wie der Stechlin‘, nu, den hat er schon ganz gewiss nicht. So was kommt überhaupt bloss selten vor.“

Ja, auf seinen See war Dubslav stolz, aber desto weniger stolz war er auf sein Schloss, weshalb es ihn auch verdross, wenn es überhaupt so genannt wurde. Von den armen Leuten liess er sich’s gefallen: „Für die ist es ein ,Schloss‘, aber sonst ist es ein alter Kasten und weiter nichts.“ Und so sprach er denn lieber von seinem ,,Haus“, und wenn er einen Brief schrieb, so stand darüber „Haus Stechlin“. Er war sich auch bewusst, dass es kein Schlossleben war, das er führte. Vordem, als der alte Backsteinbau noch stand, mit seinen dicken Türmen und seinem Luginsland, von dem aus man, über die Kronen der Bäume weg, weit ins Land hinaussah, ja, damals war hier ein Schlossleben gewesen, und die derzeitigen alten Stechline hatten teilgenommen an allen Festlichkeiten, wie sie die Ruppiner Grafen und die mecklenburgischen Herzöge gaben, und waren mit den Boitzenburgern und den Bassewitzens verschwägert gewesen. Aber heute waren die Stechline Leute von schwachen Mitteln, die sich nur eben noch hielten und beständig bemüht waren, durch eine ,,gute Partie“ sich wieder leidlich in die Höhe zu bringen. Auch Dubslavs Vater war auf diese Weise zu seinen drei Frauen gekommen, unter denen freilich nur die erste das in sie gesetzte Vertrauen gerechtfertigt hatte. Für den jetzigen Schlossherrn, der von der zweiten Frau stammte, hatte sich daraus leider kein unmittelbarer Vorteil ergeben, und Dubslav von Stechlin wäre kleiner und grosser Sorgen und Verletzenheiten nie los und ledig geworden, wenn er nicht in dem benachbarten Gransee seinen alten Freund Baruch Hirschfeld gehabt hätte. Dieser Alte, der den grossen Tuchladen am Markt und ausserdem die Modesachen und Damenhüte hatte, hinsichtlich deren es immer hiess, ,,Gerson schicke ihm alles zuerst“ — dieser alte Baruch, ohne das „Geschäftliche“ darüber zu vergessen, hing in der Tat mit einer Art Zärtlichkeit an dem Stechliner Schlossherrn, was, wenn es sich mal wieder um eine neue Schuldverschreibung handelte, regelmässig zu heikeln Auseinandersetzungen zwischen Hirschfeld Vater und Hirschfeld Sohn führte.

„Gott, Isidor, ich weiss, du bist fürs Newe. Aber was ist das Neue? Das Neue versammelt sich immer auf unserm Markt, und mal stürmt es uns den Laden und nimmt uns die Hüte, Stück für Stück, und die Reiherfedern und die Straussenfedern. Ich bin fürs Alte und für den guten, alten Herrn von Stechlin. Is doch der Vater von seinem Grossvater gefallen in der grossen Schlacht bei Prag und hat gezahlt mit seinem Leben.“

,,Ja, der hat gezahlt; wenigstens hat er gezahlt mit seinem Leben. Aber der von heute . . .“

„Der zahlt auch, wenn er kann und wenn er hat. Und wenn er nicht hat und ich sage: ,Herr von Stechlin, ich werde schreiben siebeneinhalb‘, dann feilscht er nicht und dann zmackt er nicht. Und wenn er kippt, nu, da haben wir das Objekt: Mittelboden und Wald und Jagd und viel Fischfang. Ich seh’ es immer so ganz klein in der Perspektiv’, und ich seh’ auch schon den Kirchturm.“

,,Aber, Vaterleben, was sollen wir mit ’m Kirchturm?“

In dieser Richtung gingen öfters die Gespräche zwischen Vater und Sohn, und was der Alte vorläufig noch in der ,,Perspektive“ sah, das wäre vielleicht schon Wirklichkeit geworden, wenn nicht des alten Dubslav um zehn Jahre ältere Schwester mit ihrem von der Mutter her ererbten Vermögen gewesen wäre: Schwester Adelheid, Domina zu Kloster Wutz. Die half und sagte gut, wenn es schlecht stand oder gar zum Äussersten zu kommen schien. Aber sie half nicht aus Liebe zu dem Bruder — gegen den sie, ganz im Gegenteil, viel einzuwenden hatte —, sondern lediglich aus einem allgemeinen Stechlinschen Familiengefühl. Preussen war was und die Mark Brandenburg auch; aber das wichtigste waren doch die Stechlins, und der Gedanke, das alte Schloss in andern Besitz und nun gar in einen solchen übergehen zu sehen, war ihr unerträglich. Und über all dies hinaus war ja noch ihr Patenkind da, ihr Neffe Woldemar, für den sie all die Liebe hegte, die sie dem Bruder versagte.

Ja, die Domina half, aber solcher Hilfen unerachtet wuchs das Gefühl der Entfremdung zwischen den Geschmistern, und so kam es denn, dass der alte Dubslav, der die Schwester in Kloster Wutz weder gern besuchte noch auch ihren Besuch gern empfing, nichts von Umgang besass als seinen Pastor Lorenzen (den früheren Erzieher Woldemars) und seinen Küster und Dorfschullehrer Krippenstapel, zu denen sich allenfalls noch Oberförster Katzler gesellte, Katzler, der Feldjäger gewesen war und ein gut Stück Welt gesehen hatte. Doch auch diese drei kamen nur, wenn sie gerufen wurden, und so war eigentlich nur einer, der in jedem Augenblicke Red’ und Antwort stand. Das war Engelke, sein alter Diener, der seit beinahe fünfzig Jahren alles mit seinem Herrn durchlebt hatte, seine glücklichen Leutnantstage, seinte kurze Ehe und seine lange Einsamkeit. Engelke, noch um ein Jahr älter als sein Herr, war dessen Vertrauter geworden, aber ohne Vertraulichkeit. Dubslav verstand es, die Scheidewand zu ziehen. Übrigens wär’ es auch ohne diese Kunst gegangen. Denn Engelke war einer von den guten Menschen, die nicht aus Berechnung oder Klugheit, sondern von Natur hingebend und demütig sind und in einem treuen Dienen ihr Genüge finden. Alltags war er, so Winter wie Sommer, in ein Leinwandhabit gekleidet, und nur wenn es zu Tisch ging, trug er eine richtige Livree von sandfarbenem Iuch mit grossen Knöpfen dran. Es waren Knöpfe, die noch die Zeiten des Rheinsberger Prinzen Heinrich gesehen hatten, weshalb Dubslas, als er mal wieder in Versetzenheit war, zu dem jüngst verstorbenen alten Herrn von Kortschädel gesagt hatte: „Ja, Kortschädel, wenn ich so meinen Engelke, wie er da geht und steht, ins Märkische Provinzialmuseum abliefern könnte, so Kriegt’ ich ein Jahrgehalt und wäre ’raus.“

Das war im Mai, dass der alte Stechlin diese Worte zu seinem Freunde Kortschädel gesprochen hatte. Heute aber war dritter Oktober und ein wundervoller Herbsttag dazu. Dubslas, sonst empfindlich gegen Zug, hatte die Türen aufmachen lassen, und von dem grossen Portal her zog ein erquidlicher Luftstrom bis auf die mit weiss und schwarzen Flies sen gedeckte Veranda hinaus. Eine grosse, etwas schadhafte Markise war hier herabgelassen und gab Schutz gegen die Sonne, deren Lichter durch die schadhaften Stellen hindurchschienen und auf den Fliesen ein Schattenspiel aufführten. Gartenstühle standen umher, vor einer Bank aber, die sich an die Hauswand lehnte, waren doppelte Strohmatten gelegt. Auf ebendieser Bank, ein Bild des Behagens, sass der alte Stechlin in Joppe und breitkrempigem Filzhut und sah, während er aus seinem Meerschaum allerlei Ringe blies, auf ein Rundell, in dessen Mitte, von Blumen eingefasst, eine kleine Fontäne plätscherte. Rechts daneben lief ein sogenannter Poetensteig, an dessen Ausgang ein ziemlich hoher, aus allerlei Gebälk zusammengezimmerter Aussichtsturm aufragte. Ganz oben eine Plattform mit Fahnenstange, daran die preussische Flagge wehte, schwarz und weiss, alles schon ziemlich verschlissen.

Engelke hatte vor kurzem einen roten Streifen annähen wollen, war aber mit seinem Vorschlag nicht durchgedrungen. ,,Lass. Ich bin nicht dafür. Das alte Schwarz und Weiss hält gerade noch; aber wenn du was Rotes drannähst, dann reisst es gewiss.“

Die Pfeife war ausgegangen, und Dubslav wollte sich eben von seinem Platz erheben und nach Engelke rufen, als dieser vom Gartensaal her auf die Veranda heraustrat.

,,Das ist recht, Engelke, dass du kommst . . . Aber du hast da ja was wie’n Telegramm in der Hand. Ich kann Telegramms nicht leiden. Immer is einer dod, oder es kommt wer, der besser zu Hause geblieben wäre.“

Engelke griente. „Der junge Herr kommt.“

„Und das weisst du schon?“

,,Ja, Brose hat es mir gesagt.“

„Soso. Dienstgeheimnis. Na, gib her.“

Und unter diesen Worten brach er das Telegramm auf und las: „Lieber Papa. Bin sechs Uhr bei Dir. Rex und von Czako begleiten mich. Dein Woldemar.“

Engelke stand und wartete.

„Ja, was da tun, Engelke?“ sagte Dubslav und drehte das Telegramm hin und her. „Und aus Kremmen und von heute früh“, fuhr er fort. „Da müssen sie also die Nacht über schon in Kremmen gewesen sein. Auch kein Spass.“

„Aber Kremmen is doch soweit ganz gut.“

„Nu, gewiss, gewiss. Bloss sie haben da so kurze Betten . . . Und wenn man, wie Woldemar, Kavallerist ist, kann man ja doch auch die acht Meilen von Berlin bis Stechlin in einer Pace machen. Warum also Nachtquartier? Und Rex und von Szako begleiten mich. Ich kenne Rex nicht und kenne von Szako nicht. Wahrscheinlich Regimentskameraden. Haben wir denn was?“

„Ich denk’ doch, gnäd’ger Herr. Und wofor haben wir denn unsre Mamsell? Die mpird schon was finden.“

„Nu gut. Also wir haben was. Aber wen laden wir dazu ein? So bloss ich, das geht nicht. Ich mag mich keinem Menschen mehr vorsetzen. Czako, das ginge vielleicht noch. Aber Rex, wenn ich ihn auch nicht kenne, zu so was Feinem wie Rex pass’ ich nicht mehr; ich bin zu altmodisch geworden. Was meinst du, ob die Gundermanns wohl können?“

„Ach, die können schon. Er gewiss, und sie kluckt auch bloss immer so ’rum.“

„Also Gundermanns. Gut. Und dann vielleicht Oberförsters. Das älteste Kind hat freilich die Masern, und die Frau, das heisst die Gemahlin (und Gemahlin is eigentlich auch noch nicht das rechte Wort), die erwartet wieder. Man weiss nie recht, wie man mit ihr dran ist und wie man sie nennen soll, Oberförsterin Katzler oder Durchlaucht. Aber man kann’s am Ende versuchen. Und dann unser Pastor. Der hat doch wenigstenis die Bildung. Gundermann allein ist zuwenig und eigentlich bloss ein Klutentreter. Und seitdem er die Siebenmühlen hat, ist er noch weniger geworden.“

Engelke nickte.

„Na, dann schick also Martin. Aber er soll sich proper machen. Oder vielleicht ist Brose noch da; der kann ja auf seinem Retourgang bei Gundermanns mit ’rangehn. Und soll ihnen sagen sieben Uhr, aber nicht früher; sie sitzen sonst so lange ’rum, und man weiss nicht, wovon man reden soll. Das heisst mit ihm; sie red’t immerzu . . . Und gib Brosen auch ’nen Kornus und funfzig Pfennig.“

„Ich werd’ ihm dreissig geben.“

„Nein, nein, funfzig. Erst hat er ja doch was gebracht, und nu nimmt er wieder was mit. Das is ja so gut wie doppelt. Also funfzig. Knaps ihm nichts ab.“

2

Ziemlich um dieselbe Zeit, wo der Telegraphenbote bei Gundermanns vorsprach, um die Bestellung des alten Herrn von Stechlin auszurichten, ritten Woldemar, Rex und Czako, die sich für sechs Uhr angemeldet hatten, in breiter Front von Kremmen ab; Fritz, Woldemars Reitknecht, folgte den dreien. Der Weg ging über Wutz. Als sie bis in Nähe von Dorf und Kloster dieses Namens gekommen waren, bog Woldemar vorsichtig nach links hin aus, weil er der Möglichkeit entgehen wollte, seiner Tante Adelheid, der Domina des Klosters, zu begegnen. Er stand zwar gut mit dieser und hatte sogar vor, ihr, wie herkömmlich, auf dem Rückwege nach Berlin seinen Besuch zu machen; aber in diesem Augenblick passte ihm solche Begegnung, die sein pünktliches Eintreffen in Stechlin gehindert haben würde, herzlich schlecht. So beschrieb er denn einen weiten Halbkreis und hatte das Kloster schon um eine Viertelstunde hinter sich, als er sich wieder der Hauptstrasse zumandte. Diese, durch Moorund Wiesengründe führend, war ein vorzüglicher Reitweg, der an vielen Stellen noch eine Grastarbe trug, weshalb es anderthalb Meilen lang in einem scharfen Trabe vorwärtsging, bis an eine Avenue heran, die gradlinig auf Schloss Stechlin zuführte. Hier liessen alle drei die Zügel fallen und ritten im Schritt weiter. Über ihnen wölbten sich die schönen alten Kastanienbäume, was ihrem Anritt etwas Anheimelndes und zugleich etwas beinah Feierliches gab.

„Das ist ja mie ein Kirchenschiff“, sagte Rex, der am linken Flügel ritt... „Finden Sie nicht auch, Czako?“

„Wenn Sie wollen, ja. Aber Pardon, Rex, ich finde die Wendung etwas trivial für einen Ministerialassessor.“

„Nun gut, dann sagen Sie was Besseres.“

„Ich werde mich hüten. Wer unter solchen Umständen was Besseres sagen will, sagt immer was Schlechteres.“

Unter diesem sich noch eine Weile fortsetzenden Gespräche waren sie bis an einen Punkt gekommen, von dem aus man das am Ende der Avenue sich aufbauende Bild in aller Klarheit überblicken konnte. Dabei war das Bild nicht bloss klar, sondern auch so frappierend, dass Rex und Szako unwillkürlich anhielten.

,,Alle Wetter, Stechlin, das ist ja reizend“, wandte sich Szako zu dem am andern Flügel reitenden Woldemar. „Ich find’ es geradezu märchenhaft, Fata Morgana — das heisst, ich habe noch keine gesehn. Die gelbe Wand, die da noch das letzte Tageslicht auffängt, das ist wohl Ihr Zauberschloss? Und das Stückchen Grau da links, das tarier’ ich auf eine Kirchenecke. Bleibt nur noch der Staketzaun an der andern Seite — da wohnt natürlich der Schulmeister. Ich verbürge mich, dass ich’s damit getroffen. Aber die zwei schwarzen Riesen, die da grad’ in der Mitte steht und sich von der gelben Wand abheben (‚abheben‘ ist übrigens auch trivial; entschuldigen Sie, Rex), die stehen ja da wie die Cherubim. Allerdings etwas zu schwarz. Was sind das für Leute?“

,,Das sind Findlinge!“

„Findlinge?“

„Ja, Findlinge“, wiederholte Woldemar. „Aber wenn Ihnen das Wort anstössig ist, so können Sie sie auch Monolithe nennen. Es ist merkwürdig, Ezako, wie hochgradig verwöhnt im Ausdruck Sie sind, wenn Sie nicht gerade selber das Wort haben . . . Aber nun, meine Herren, müssen wir uns wieder in Trab setzen. Ich bin überzeugt, mein Papa steht schon ungeduldig auf seiner Rampe, und wenn er uns so im Schritt ankommen sieht, denkt er, wir bringen eine Trauernachricht oder einen Verwundeten.“

Wenige Minuten später, und alle drei trabten denn auch wirklich, von Fritz gefolgt, über die Bohlenbrücke fort, erst in den Vorhof hinein und dann an der blanken Glaskugel vorüber. Der Alte stand bereits auf der Rampe, Engelke hinter ihm und hinter diesem Martin, der alte Kutscher. Im Nu waren alle drei Reiter aus dem Sattel, und Martin und Fritz nahmen die Pferde. So trat man in den Flur. „Erlaube, lieber Papa, dir zwei liebe Freunde von mir vorzustellen: Assessor von Rex, Hauptmann von Ezako.“

Der alte Stechlin schüttelte jedem die Hand und sprach ihnen aus, wie glücklich er über ihren Besuch sei. „Seien Sie mir herzlich willkommen, meine Herren. Sie haben keine Ahnung, welche Freude Sie mir machen, mir, einem vergrätzten, alten Einsiedler. Man sieht nichts mehr, man hört nichts mehr. Ich hoffe auf einen ganzen Sack voll Neuigkeiten.“

„Ach, Herr Major“, sagte Czako, „wir sind ja schon vierundzwanzig Stunden fort. Und, ganz abgesehen davon, wer kann heutzutage noch mit den Zeitungen konkurrieren! Ein Glück, dass manche prinzipiell einen Posttag zu spät kommen. Ich meine, mit den neuesten Nachrichten. Vielleicht auch sonst noch.“

„Sehr wahr“, lachte Dubslav. „Der Konservatismus soll übrigens, seinem Wesen nach, eine Bremse sein; damit muss man vieles entschuldigen. Aber da kommen Ihre Mantelsäcke, meine Herren. Engelke, führe die Herren auf ihr Zimmer. Wir haben jetzt sechseinviertel. Um sieben, wenn ich bitten darf.“

Engelke hatte mittlerweile die beiden von Dubslav etwas altmodisch als „Mantelsäcke“ bezeichneten Plaidrollen in die Hand genommen und ging damit, den beiden Herren voran, auf die doppelarmige Treppe zu, die gerade da, wo die beiden Arme sich kreuzten, einen ziemlich geräumigen Podest mik Säulchengalerie bildete. Zwischen den Säulchen aber, und zwar mit Blick auf den Flur, war eine Rokokouhr angebracht, mit einem Zeitgott darüber, der eine Hippe führte. Ezako mies darauf hin und sagte leise zu Rex: ,,Ein bisschen graulich“ — ein Gefühl, drin er sich bestärkt sah, als man bis auf den mit ungeheurer Raumverschwendung angelegten Oberflur gekommen war. Über einer nach hinten zu geletzenen Saaltür hing eine Holztafel mit der Inschrift: „Museum“, während hüben und drüben, an den Flurwänden links und rechts, mächtige Birkenmaser- und Ebenholzschränke standen, wahre Prachtstücke, mit zwei grossen Bildern dazwischen, eines eine Burg mit dicken Backsteintürmen, das andre ein überlebensgrosser Ritter, augenscheinlich aus der Frundsbergzeit, wo das bunt Landsknechtliche schon die Rüstung zu drapieren begann.

,,Is wohl ein Ahn?“ fragte Ezako.

„Ja, Herr Hauptmann. Und er ist auch unten in der Kirche.“

„Auch so wie hier?“

„Nein, bloss Grabstein und schon etwas abgetreten. Aber man sieht doch noch, dass es derselbe ist.“

Szako nickte. Dabei waren sie bis an ein Eckzimmer gekommen, das mit der einen Seite nach dem Flur, mit der andern Seite nach einem schmalen Gang hin lag. Hier war auch die Tür. Engelke, vorangehend, öffnete und hing die beiden Plaidrollen an die Haken eines hier gleich an der Tür stehenden Kleiderständers. Unmittelbar daneben war ein Klingelzug mit einer grünen, etwas ausgefransten Puschel daran. Engelke wies darauf hin und sagte: „Wenn die Herren noch was wünschen... Und um sieben... Zweimal wird angeschlagen.“

Und damit ging er, die beiden ihrer Bequemlichkeit überlassend.

Es waren zwei nebeneinandergeletzene Zimmer, in denen man Rex und Czako untergebracht hatte, das vordere grösser und mit etwas mehr Aufwand eingerichtet, mit Stehspiegel und Toilette, der Spiegel sogar zum Kippen. Das Bett in diesem vorderen Zimmer hatte einen kleinen Himmel und daneben eine Etagere, auf deren oberem Brettchen eine Meissner Figur stand, ihr ohnehin kurzes Röckchen lüftend, während auf dem unteren Brett ein Neues Testament lag, mit Kelch und Kreuz und einem Palmenzweig auf dem Deckel.

Szako nahm das Meissnter Püppchen und sagte: „Wenn nicht unser Freund Woldemar bei diesem Arrangement seine Hand im Spiel gehabt hat, so haben wir hier in bezug auf Requisiten ein Ahnungsvermögen, wie’s nicht grösser gedacht werden kann. Das Püppchen pour moi, das Testament pour vous.“

„Czako, wenn Sie doch bloss das Necken lassen könnten!“

„Ach, sagen Sie doch so was nicht, Rex; Sie lieben mich ja bloss um meiner Neckereien willen.“

Und nun traten sie, von dem Vorderzimmer her, in den etwas kleineren Wohnraum, in dem Spiegel und Toilette fehlten.

Dafür aber war ein Rokokosofa da, mit hellblauem Atlas und weissen Blumen darauf.

,,Ja, Rex“, sagte Ezako, „wie teilen wir nun? Ich denke, Sie nehmen nebenan den Himmel, und ich nehme das Rokokosofa, noch dazu mit weissen Blumen, vielleicht Lilien. Ich wette, das kleine Ding von Sofa hat eine Geschichte.“

„Rokoko hat immer eine Geschichte“, bestätigte Rex. „Aber hundert Jahr’ zurück. Was jetzt hier haust, sieht mir, Gott sei Dank, nicht danach aus. Ein bisschen Spuk trau’ ich diesem alten Kasten allerdings schon zu; aber keine Rokokogeschichte. Rokoko ist doch immer unsittlich. Wie gefällt Ihnen übrigens der Alte?“

„Vorzüglich. Ich hätte nicht gedacht, dass unser Freund Woldemar solchen famosen Alten haben könnte.“

„Das klingt ja beinah“, sagte Rex, „wie wenn Sie gegen unsern Stechlin etmas hätten.“

„Was durchaus nicht der Fall ist. Unser Stechlin ist der beste Kerl von der Welt, und wenn ich das verdammte Wort nicht hasste, würd’ich ihn sogar einen ,perfekten Gentleman‘ nennen müssen. Aber...“

„Nun...“

„Aber er passt doch nicht recht an seine Stelle.“

„An welche?“

„In sein Regiment.“

,,Aber, Czako, ich verstehe Sie nicht. Er ist ja brillant angeschrieben. Liebling bei jedem. Der Oberst hält grosse Stücke von ihm, und die Prinzen machen ihm beinah den Hof...“

„Ja, das ist es ja eben. Die Prinzen, die Prinzen.“

„Was denn, wie denn?“

„Ach, das ist eine lange Geschichte, viel zu lang, um sie hier vor Tisch noch auszukramen. Denn es ist bereits halb, und wir müssen uns eilen. Übrigens trifft es viele, nicht bloss unsern Stechlin.“

,,Immer dunkler, immer rätselvoller“, sagte Rex.

„Nun, vielleicht dass ich Ihnen das Rätsel löse. Schliesslich kann man ja Toilette machen und noch seinen Diskurs daneben haben. „Die Prinzen machen ihm den Hof‘, so geruhten Sie zu bemerken, und ich antwortete: Ja, das ist es eben.‘ Und diese Worte kann ich Ihnen nur wiederholen. Die Prinzen — ja, damit hängt es zusammen und noch mehr damit, dass die feinen Regimenter immer feiner werden. Kucken Sie sich mal die alten Ranglisten an, das heisst wirklich alte, voriges Jahrhundert, und dann so bis Anno sechs. Da sinden Sie bei Regiment Garde du Corps oder bei Regiment Gensdarmes unsere guten alten Namen: Marwitz, Wakenitz, Kracht, Löschebrand, Bredom, Rochow, höchstens, dass sich mal ein höher betitelter Schlesischer mit hinein verirrt. Natürlich gab es auch Prinzen damals, aber der Adel gab den Ton an, und die paar Prinzen mussten noch froh sein, wenn sie nicht störten. Damit ist es nun aber, seit wir Kaiser und Reich sind, total vorbei. Natürlich sprech’ ich nicht von der Provinz, nicht von Litauen und Masuren, sondern von der Garde, von den Regimentern unter den Augen Seiner Majestät. Und nun gar erst diese Gardedragoner! Die waren immer piek, aber seit sie, pour combler le bonheur, auch noch ,Königin von Grossbritannien und Irland‘ sind, wird es immer mehr davon, und je pieker sie werden, desto mehr Prinzen kommen hinein, von denen übrigens auch jetzt schon mehr da sind, als es so obenhin aussieht, denn manche sind eigentlich welche und dürfen es bloss nicht sagen. Und wenn man dann gar noch die alten mitrechnet, die bloss à la suite stehen, aber doch immer noch mit dabei sind, wenn irgendwas los ist, so haben wir, wenn der Kreis geschlossen wird, zwar kein Parkett von Königen, aber doch einen Zirkus von Prinzen. Und dahinein ist nun unser guter Stechlin gestellt. Natürlich tut er, was er kann, und macht so gewisse Luxusse mit, Gefühlsluxusse, Gesinnungslurusse und, wenn es sein muss, auch Freiheitsluxusse. So ’nen Schimmer von Sozialdemokratie. Das ist aber auf die Dauer schmierig. Richtige Prinzen können sich das leisten, die verbebeln nicht leicht. Aber Stechlin! Stechlin ist ein reizender Kerl, aber er ist doch bloss ein Mensch.“

„Und das sagen Sie, Szako, gerade Sie, der Sie das Menschliche stets betonen?“

„Ja, Rex, das tu’ich. Heut wie immer. Aber eines schickt sich nicht für alle. Der eine darf’s, der andre nicht. Wenn unser Freund Stechlin sich in diese seine alte Schlosskate zurückzieht, so darf er Mensch sein, soviel er will, aber als Gardedragoner kommt er damit nicht aus. Vom alten Adam will ich nicht sprechen, das hat immer noch so ’ne Nebenbedeutung.“

Während Rex und Ezako Toilette machten und abwechselnd über den alten und jungen Stechlin verhandelten, schritten die, die den Gegenstand dieser Unterhaltung bildeten, Vater und Sohn, im Garten auf und ab und hatten auch ihrerseits ihr Gespräch.

„Ich bin dir dankbar, dass du mir deine Freunde mitgebracht hast. Hoffentlich kommen sie auf ihre Kosten. Mein Leben verläuft ein bisschen zu einsam, und es wird ohnehin gut sein, wenn ich mich wieder an Menschen gewöhne. Du wirst gelesen haben, dass unser guter alter Kortschädel gestorben ist, und in etwa vierzehn Tagen haben wir hier ’ne Neuwahl. Da muss ich dann ’ran und mich populär machen. Die Konservativen wollen mich haben und keinen andern. Eigentlich mag ich nicht, aber ich soll, und da passt es mir denn, dass du mir Leute bringst, an denen ich mich für die Welt sozusagen wieder wie einüben kann. Sind sie denn ausgiebig und plauderhaft?“

,,O sehr, Papa, vielleicht zu sehr. Wenigstens der eine.“

,,Das ist gewiss der Czako. Sonderbar, die von Alexander reden alle gern. Aber ich bin sehr dafür; Schweigen kleid’t nicht jeden. Und dann sollen wir uns ja auch durch die Sprache vom Tier unterscheiden. Also mer am meisten red’t, ist der reinste Mensch. Und diesem Szako, dem hab’ ich es gleich angesehn. Aber der Rex. Du sagst Ministerialassessor. Ist er denn von der frommen Familie?“

„Nein, Papa, du machst dieselbe Verwechslung, die beinah alle machen. Die fromme Familie, das sind die Reckes, gräflich und sehr vornehm. Die Rex’ natürlich auch, aber doch nicht so hoch hinaus und auch nicht so fromm. Allerdings nimmt mein Freund, der Ministerialassessor, einen Anlauf dazu, die Reckes womöglich einzuholen.“

,,Dann hab’ich also doch recht gesehn. Er hat so die Figur, die so was vermuten lässt, ein bisschen wenig Fleisch und so glatt rasiert. Habt ihr denn beim Rasieren in Kremmen gleich einen gefunden?“

,,Er hat alles immer bei sich; lauter englische. Von Solingen oder Suhl will er nichts wissen.“

„Und muss man ihn denn vorsichtig anfassen, wenn das Gespräch auf kirchliche Dinge kommt? Ich bin ja, wie du weisst, eigentlich kirchlich, wenigstens kirchlicher als mein guter Pastor (es wird immer schlimmer mit ihm), aber ich bin so im Ausdruck mitunter ungenierter, als man vielleicht sein soll, und bei niedergefahren zur Hölle‘ kann mir’s passieren, dass ich nolens volens ein bisschen tolles Zeug rede. Wie steht es denn da mit ihm? Muss ich mich in acht nehmen? Oder macht er bloss so mit?“

„Das will ich nicht geradezu behaupten. Ich denke mir, er steht so, wie die meisten stehn; das heisst, er weiss es nicht recht.“

„Ja, ja, den Zustand kenn’ ich.“

„Und weil er es nicht recht weiss, hat er sozusagen die Auswahl und wählt das, was gerade gilt und nach oben hin empfiehlt. Ich kann das auch so schlimm nicht finden. Einige nennen ihn einen Streber‘. Aber wenn er es ist, ist er jedenfalls keiner von den schlimmsten. Er hat eigentlich einen guten Charakter, und im cercle intime kann er reizend sein. Er verändert sich dann nicht in dem, was er sagt, oder doch nur ganz wenig, aber ich möchte sagen, er verändert sich in der Art, wie er zuhört. Ezako meint, unser Freund Rex halte sich mit dem Ohr für das schadlos, was er mit dem Munde versäumt. Szako wird überhaupt am besten mit ihm fertig; er Schraubt ihn beständig, und Rex, was ich reizend finde, lässt sich diese Schraubereien gefallen. Daran siehst du schon, dass sich mit ihm leben lässt. Seine Frömmigkeit ist keine Lüge, bloss Erziehung, Angewohnheit, und so schliesslich seine zweite Natur geworden.“

„Ich werde ihn bei Tisch neben Lorenzen setzen; die mögen dann beide sehn, wie sie miteinander fertig werden. Vielleicht erleben wir ’ne Bekehrung. Das heisst Rex den Pastor. Aber da höre ich eine Kutsche die Dorfstrasse ’raufkommen. Das sind natürlich Gundermanns; die kommen immer zu früh. Der arme Kerl hat mal mas von der Höflichkeit der Könige gehört und macht jetzt einen zu weitgehenden Gebrauch davon. Autodidakten übertreiben immer. Ich bin selber einer und kann also mitreden. Nun, wir sprechen morgen früh weiter; heute wird es nichts mehr. Du wirst dich auch noch ein bisschen striegeln müssen, und ich will mir ’nen schwarzen Rock anziehn. Das bin ich der guten Frau von Gundermann doch schuldig; sie putzt sich übrigens nach wie vor wie’n Schlittenpferd und hat immer noch den merkwürdigen Federbusch in ihrem Zopf — das heisst, wenn’s ihrer ist.“

3

Engelke schlug unten im Flur zweimal an einen alten, als Tamtam fungierenden Schild, der an einem der zwei vorspringenden und zugleich die ganze Treppe tragenden Pfeiler hing. Ebendiese zwei Pfeiler bildeten denn auch mit dem Podest und der in Front desselben angebrachten Rokokouhr einen zum Gartensalon, diesem Hauptzimmer des Erdgeschosses, führenden, ziemlich pittoresken Portikus, von dem ein auf Besuch anwesender hauptstädtischer Architekt mal gesagt hatte: sämtliche Bausünden von Schloss Stechlin würden durch diesen verdrehten, aber malerischen Einfall wiedergutgemacht.

Die Uhr mit dem Hippenmann schlug gerade sieben, als Rex und Czako die Treppe herunterkamen und, eine Biegung machend, auf den von berufener Seite so glimpflich beurteilten sonderbaren Vorbau zusteuerten. Als die Freunde diesen passierten, sahen sie — die Türflügel waren schon geöffnet — in aller Bequemlichkeit in den Salon hinein und nahmen hier wahr, dass etliche ihnen zu Ehren geladene Gäste bereits erschienen waren. Dubslav, in dunkelm Überrock und die Bändchenrosette sowohl des Preussischen wie des Wendischen Kronenordens im Knopfloch, ging den Eintretenden entgegen, begrüsste sie nochmals mit der ihm eignen Herzlichkeit, und, beide Herren gleich danach in den Kreis der schon Versammelten einführend, sagte er: „Bitte die Herrschaften miteinander bekannt machen zu dürfen: Herr und Frau von Gundermann auf Siebenmühlen, Pastor Lorenzen, Oberförster Katzler“ und dann, nach links sich wendend, „Ministerialassessor von Rex, Hauptmann von Szako vom Regiment Alexander.“ Man verneigte sich gegenseitig, worauf Dubslav zivischen Rex und Pastor Lorenzen, Woldemar aber, als Adlatus seines Vaters, zwischen Czako und Katzler eine Verbindung herzustellen suchte, was auch ohne weiteres gelang, weil es hüben und drüben weder an gesellschaftlicher Gewandtheit noch an gutem Willen gebrach. Nur konnte Rex nicht umhin, die Siebenmühlener etwas eindringlich zu mustern, trotzdem Herr von Gundermann in Frack und weisser Binde, Frau von Gundermann aber in geblümtem Atlas mit Marabufächer erschienen war — er augenscheinlich Parvenü, sie Berlinerin aus einem nordöstlichen Vorstadtgebiet.

Rex sah das alles. Er kam aber nicht in die Lage, sich lange damit zu beschäftigen, weil Dubslav eben jetzt den Arm der Frau von Gundermann nahm und dadurch das Zeichen zum Aufbruch zu der im Nebenzimmer gedeckten Tafel gab. Alle folgten paarweise, wie sie sich vorher zusammengefunden, kamen aber durch die von seiten Dubslavs schon vorher festgesetzte Tafelordnung wieder auseinander. Die beiden Stechlins, Vater und Sohn, plazierten sich an den beiden Schmalseiten einander gegenüber, während zur Rechten und Linken von Dubslav Herr und Frau von Gundermann, rechts und links von Woldemar aber Rex und Lorenzen sassen. Die Mittelplätze hatten Katzler und Czako inne. Neben einem grossen alten Eichenbüfett, ganz in Nähe der Tür, standen Engelke und Martin, Engelke in seiner sandfarbenen Livree mit den grossen Knöpfen, Martin, dem nur oblag, mit der Küche Verbindung zu halten, einfach in schwarzem Rock und Stulpstiefeln.

Der alte Dubslav war in bester Laune, stiess gleich nach den ersten Löffeln Suppe mit Frau von Gundermann vertraulich an, dankte für ihr Erscheinen und entschuldigte sich wegen der späten Einladung: ,,Aber erst um zwölf kam Woldemars Telegramm. Es ist das mit dem Telegraphieren solche Sache, manches wird besser, aber manches wird auch schlechter, und die feinere Sitte leidet nun schon ganz gemiss. Schon die Form, die Abfassung. Kürze soll eine Tugend sein, aber sich kurz fassen heisst meistens auch, sich grob fassen. Jede Spur von Verbindlichkeit fällt fort, und das Wort „Herr‘ ist beispielsweise gar nicht mehr anzutreffen. Ich hatte mal einen Freund, der ganz ernsthaft versicherte: „Der hässlichste Mops sei der schönste‘; so lässt sich jetzt beinahe sagen, ,das gröbste Telegramm ist das feinste‘. Wenigstens das in seiner Art vollendetste. Jeder, der wieder eine neue Fünfpfennigersparnis herausdoktert, ist ein Genie.“

Diese Worte Dubslavs hatten sich anfänglich an die Frau von Gundermann, sehr bald aber mehr an Gundermann selbst gerichtet, weshalb dieser letztere denn auch antmortete: „Ja, Herr von Stechlin, alles Zeichen der Zeit. Und ganz bezeichnend, dass gerade das Wort ,Herr‘, wie Sie schon hervorzuheben die Güte hatten, so gut wie abgeschafft ist. „Herr‘ ist Unsinn geworden, „Herr‘ passt den Herren nicht mehr — ich meine natürlich die, die jetzt die Welt regieren wollen. Aber es ist auch danach. Alle diese Neuerungen, an denten sich leider auch der Staat beteiligt, was sind sie? Begünstigungen der Unbotmässigkeit, also Wasser auf die Mühlen der Sozialdemokratie. Weiter nichts. Und niemand da, der Luft und Kraft hätte, dies Wasser abzustellen. Aber trotzdem, Herr von Stechlin — ich würde nicht widersprechen, wenn mich das Tatsächliche nicht dazu zwänge —, trotzdem geht es nicht ohne Telegraphie, gerade hier in unsrer Einsamkeit. Und dabei das beständige Schwanken der Kurse. Namentlich auch in der Mühlen- und Brettschneidebranche...“

„Versteht sich, lieber Gundermann. Was ich da gesagt habe... Wenn ich das Gegenteil gesagt hätte, wäre es ebenso richtig. Der Teufel is nich so schwarz, wie er gemalt wird, und die Telegraphie auch nicht und wir auch nicht. Schliesslich ist es doch was Grosses, diese Naturwissenschaften, dieser elektrische Strom, tipp, tipp, tipp, und wenn uns daran läge (aber uns liegt nichts daran), so könnten wir den Kaiser von China wissen lassen, dass wir hier versammelt sind und seiner gedacht haben. Und dabei diese merkwürdigen Verschiebungen in Zeit und Stunde. Beinahe komisch. Als Anno siebzig die Pariser. Septemberrevolution ausbrach, wusste man’s in Amerika drüben um ein paar Stunden früher, als die Revolution überhaupt da war. Ich sagte: Septemberrevolution. Es kann aber auch ‘ne andre gewesen sein; sie haben da so viele, dass man sie leicht verwechselt. Eine war im Juni, ’ne andre war im Juli — wer nich ein Bombengedächtnis hat, muss da notwendig ’reinfallen... Engelke, präsentiere der gnädigen Frau den Fisch noch mal. Und vielleicht nimmt auch Herr von Czako...“

„Gewiss, Herr von Stechlin“, sagte Ezako. „Erstlich aus reiner Gourmandise, dann aber auch aus Forschertrieb oder Fortschrittsbedürfnis. Man will doch an dem, was gerade gilt oder überhaupt Menschheitsentwicklung bedeutet, auch seinerseits nach Möglichkeit teilnehmen, und da steht denn Fischnahrung jetzt obenan. Fische sollen ausserdem viel Phosphor enthalten, und Phosphor, so heisst es, macht ,helle‘.“

„Gewiss“, kicherte Frau von Gundermann, die sich bei dem Wort „helle“ wie persönlich getroffen fühlte. „Phosphor war ja auch schon da, eb’die Schwedischen aufkamen.“.

„Oh, lange vorher“, bestätigte Ezako. „Was mich aber“, fuhr er, sich an Dubslao wendend, fort, ,,an diesen Karpfen noch ganz besonders fesselt — beiläufig ein Prachtexemplar —, das ist das, dass er doch höchstwahrscheinlich aus Ihrem berühmten See stammt, über den ich durch Woldemar, Ihren Herrn Sohn, bereits unterrichtet bin. Dieser merkwürdige See, dieser Stechlin! Und da frag’ich mich denn unwillkürlich (denin Karpfen werden alt; daher beispielsweise die Mooskarpfen), welche Revolutionen sind an diesem hervorragenden Exemplar seiner Gattung wohl schon vorübergegangen? Ich weiss nicht, ob ich ihn auf hundertfünfzig Jahre taxieren darf; wenn aber, so würde er als Jüngling die Lissaboner Aktion und als Urgreis den neuerlichen Ausbruch des Krakatoa mitgemacht haben. Und all das ermogen, drängt sich mir die Frage auf...“

Dubslav lächelte zustimmend.

,,...Und all das erwogen, drängt sich mir die Frage auf, wenn’s nun in Ihrem Stechlinsee zu brodeln beginnt oder gar die grosse Trichterbildung anhebt, aus der dann und mann, wenn ich recht gehört habe, der krähende Hahn aufsteigt, wie verhält sich da der Stechlinkarpfen, dieser doch offenbar Nächstbeteiligte, bei dem Anpochen derartiger Weltereignisse? Beneidet er den Hahn, dem es vergönnt ist, in die Ruppiner Lande hineinzukrähen, oder ist er umgekehrt ein Feigling, der sich in seinen Moorgrund verkriecht, also ein Bourgeois, der am andern Morgen fragt: ,Schiessen sie noch ?‘ “

„Mein lieber Herr von Ezako, die Beantwortung Ihrer Frage hat selbft für einen Anwohner des Stechlin seine Schwierigkeiten. Ius Innere der Natur dringt kein erschaffener Geist. Und zu dem innerlichsten und verschlossensten zählt der Karpfen; er ist nämlich sehr dumm. Aber nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung wird er sich beim Eintreten der grossen Eruption wohl verkrochen haben. Wir verkriechen uns nämlich alle. Heldentum ist Ausnahmezustand und meist Produkt einer Zwangslage. Sie brauchen mir übrigens nicht zuzustimmen, denn Sie sind noch im Dienst.“

„Bitte, bitte“, sagte Ezako.

Sehr, sehr anders ging das Gespräch an der entgegengesetzten Seite der Tafel. Rex, der, wenn er dienstlich oder ausserdienstlich aufs Land kam, immer eine Neigung spürte, sozialen Fragen nachzuhängen, und beispielsweise jedesmal mit Vorliebe darauf aus war, an das Zahlenverhältnis der in und ausser der Ehe geborenen Kinder alle möglichen, teils dem Gemeinwohl, teils der Sittlichkeit zugute kommende Betrachtungen zu knüpfen, hatte sich auch heute wieder in einem mit Pastor Lorenzen angeknüpften Zwiegespräch seinem Lieblingsthema zugewandt, mar aber, weil Dubslav durch eine Zwischenfrage den Faden abschnitt, in die Lage gekommen, sich vorübergehend statt mit Lorenzen mit Katzler beschäftigen zu müssen, von dem er zufällig in Erfahrung gebracht hatte, dass er früher Feldjäger gewesen sei. Das gab ihm einen guten Gesprächsstoff und liess ihn fragen, ob der Herr Oberförster nicht mitunter schmerzlich den zwischen seiner Vergangenheit und seiner Gegenwart liegenden Gegensatz empfinde — sein früherer Feldjägerberuf, so nehme er an, habe ihn in die weite Welt hinausgeführt, während er jetzt ,,stabiliert“ sei. „Stabilierung“ zählte zu Rex’ Lieblingswendungen und entstammte jenem sorglich ausgewählten Fremdwörterschatz, den er sich — er hatte diese Dinge dienstlich zu bearbeiten gehabt — aus den Erlassen König Friedrich Wilhelms I. angeeignet und mit in sein Aktendeutsch herübergenommen hatte. Katzler, ein vorzüglicher Herr, aber auf dem Gebiete der Konversation doch nur von einer oft unausreichenden Orientierungsfähigkeit, fand sich in des Ministerialassessors etwas gedrechseltem Gedankengange nicht gleich zurecht und war froh, als ihm der hellhörige, mittlerweile wieder frei gewordene Pastor in der durch Rex aufgeworfenen Frage zu Hilfe kam. „Ich glaube herauszuhören“, sagte Lorenzen, „dass Herr von Rex geneigt ist, dem Leben draussen in der Welt vor dem in unsrer stillen Grafschaft den Vorzug zu geben. Ich weiss aber nicht, ob wir ihm darin folgen können, ich nun schon gewiss nicht, aber auch unser Herr Oberförster wird mutmasslich froh sein, seine vordem im Eisenbahnkupee verbrachten Feldjägertage hinter sich zu haben. Es heisst freilich, im engen Kreis verengert sich der Sinn‘, und in den meisten Fällen mag es zutreffen. Aber doch nicht immer, und jedenfalls hat das Weltfremde bestimmte grosse Vorzüge.“

„Sie sprachen mir durchaus aus der Seele, Herr Pastor Lorenzen“, sagte Rex. „ Wenn es einen Augenblick vielleicht so klang, als ob der Globetrotter‘ mein Ideal sei, so bin ich sehr geneigt, mit mir handeln zu lassen. Aber etwas hat es doch mit dem ,Auch-draussen-zu-Sein‘ auf sich, und wenn Sie trotzdem für Einsamkeit und Stille plädieren, so plädieren Sie wohl in eigner Sache. Denn wie sich der Herr Oberförster aus der Welt zurückgezogen hat, so wohl auch Sie. Sie sind beide darin, ganz individuell, einem Herzenszuge gefolgt, und vielleicht, dass meine persönliche Neigung dieselben Wege ginge. Dennoch wird es andre geben, die von einem solchen sichzurückziehen aus der Welt nichts wissen wollen, die vielleicht umgekehrt statt in einem Sichhingeben an den einzelnen in der Beschäftigung mit einer Vielheit ihre Bestimmung finden. Ich glaube durch Freund Stechlin zu wissen, welche Fragen Sie seit lange beschäftigen, und bitte, Sie dazu beglückwünschen zu dürfen. Sie stehen in der christlichsozialen Bewegung. Aber nehmen Sie deren Schöpfer, der Ihnen persönlich vielleicht nahesteht, er und sein Tun sprechen doch recht eigentlich für mich; sein Feld ist nicht einzelne Seelsorge, nicht eine Landgemeinde, sondern eine Weltstadt. Stoeckers Auftreten und seine Mission sind eine Widerlegung davon, dass das Schaffen im Engen und Umgrenzten notwendig das Segensreichere sein müsse.“

Lorenzen war daran gewöhnt, sei’s zu Lob, sei’s zu Tadel, sich mit dem ebenso gefeierten wie befehdeten Hofprediger in Parallele gestellt zu sehen, und empfand dies jedesmal als eine Huldigung. Aber nicht minder empfand er dabei regelmässig den tiefen Unterschied, der zwischen dem grossen Agitator und seiner stillen Weise lag. „Ich glaube, Herr von Rex“, nahm er wieder das Wort, „dass Sie den Vater der Berliner Bewegungʻ sehr richtig geschildert haben, vielleicht sogar zur Zufriedenheit des Geschilderten selbft, was, wie man sagt, nicht eben leicht sein soll. Er hat viel erreicht und steht anscheinend in einem Siegeszeichen; hüben und drüben hat er Wurzel geschlagen und sieht sich geliebt und gehuldigt, nicht nur seitens derer, denen er mildtätig die Schuhe schneidet, sondern beinah mehr noch im Lager derer, denen er das Leder zu den Schuhen nimmt. Er hat schon so viele Beinamen, und der des heiligen Krispin wäre nicht der schlimmste. Viele wird es geben, die sein Tun im guten Sinne beneiden. Aber ich fürchte, der Tag ist nahe, wo der so Ruhige und zugleich so Mutige, der seine Ziele so weit steckte, sich in die Enge des Daseinis zurücksehnen wird. Er besitzt, wenn ich recht berichtet bin, ein kleines Bauerngut irgendwo in Franken, und wohl möglich, ja mir persönlich geradezu wahrscheinlich, dass ihm an jener stillen Stelle früher oder später ein echteres Glück erblüht, als er es jetzt hat. Es heisst wohl, ,Gehet hin und lehret alle Heiden‘, aber schöner ist es doch, wenn die Welt, unis suchend, an uns herankommt. Und die Welt kommt schon, wenn die richtige Persönlichkeit sich ihr auftut. Da ist dieser Wörishofener Pfarrer — er sucht nicht die Menschen, die Menschen suchen ihn. Und wenn sie kommen, so heilt er sie, heilt sie mit dem Einfachsten und Natürlichften. Übertragen Sie das vom Äussern aufs Innere, so haben Sie mein Ideal. Einen Brunnen graben just an der Stelle, wo man gerade steht. Innere Mission in nächster Nähe, sei’s mit dem Alten, sei’s mit etwas Neuem.“

„Also mit dem Neuen“, sagte Woldemar und reichte seinem alten Lehrer die Hand.

Aber dieser antwortete: „Nicht so ganz unbedingt mit dem Neuen. Lieber mit dem Alten, soweit es irgend geht, und mit dem Neuen nur, soweit es muss.“

Das Mahl war inzwischen vorgeschritten und bei einem Gange angelangt, der eine Spezialität von Schloss Stechlin mar und jedesmal die Bewunderung seiner Gäste: losgelöste Krammetsvögelbrüste, mit einer dunkeln Kraftbrühe angerichtet, die, wenn die Herbst- und Ebereschentage da waren, als eine höhere Form von Schwarzsauer auf den Tisch zu kommen pflegten. Engelke präsentierte Burgunder dazu, der schon lange lag, noch aus alten, besseren Tagen her, und als jeder davon genommen, erhob sich Dubslav, um erst kurz seine lieben Gäste zu begrüssen, dann aber die Damen leben zu lassen. Er müsse bei diesem Plural bleiben, trotzdem die Damenwelt nur in einer Einheit vertreten sei; doch er gedenke dabei neben seiner lieben Freundin und Tischnachbarin (er küsste dieser huldigend die Hand) zugleich auch der „Gemahlin“ seines Freundes Katzler, die leider — wenn auch vom Familienstandpunkt aus in hocherfreulichster Veranlassung — am Erscheinen in ihrer Mitte verhindert sei: „Meine Herren, Frau Oberförster Kabler“ — er machte hier eine kleine Pause, wie wenn er eine höhere Titulatur ganz ernsthaft in Erwägung gezogen hätte —, „Frau Oberförster Katzler und Frau von Gundermann, sie leben hoch!“ Rex, Czako, Katzler erhoben sich, um mit Frau von Gundermann anzustossen; als aber jeder von ihnen auf seinen Platz zurückgekehrt war, nahmen sie die durch den Toast unterbrochenen Privatgespräche wieder auf, wobei Dubslav als guter Wirt sich darauf beschränkte, kurze Bemerkungen nach links und rechts hin einzustreuen. Dies war indessen nicht immer leicht, am wenigsten leicht bei dem Geplauder, das der Hauptmann und Frau von Gundermann führten und das so pausenlos verlief, dass ein Einhaken sich kaum ermöglichte. Czako mar ein guter Sprecher, aber er verschmand teben seiner Partnerin. Ihres Vaters Laufbahn, der es (ursprünglich Schreib- und Zeichenlehrer) in einer langen, schon mit Anno dreizehn beginnenden Dienstzeit bis zum Hauptmann in der „Plankammer“ gebracht hatte, gab ihr in ihren Augen eine gewisse militärische Zugehörigkeit, und als sie, nach mehrmaligem Auslugen, endlich den ihr wohlbekannten Namenszug des Regiments Alexander auf Czakos Achselklappe erkannt hatte, sagte sie: „Gott..., Alexander. Nein, ich sage. Mir war aber doch auch gleich so — Münzstrasse. Wir wohnten ja Linienstrasse, Eckssse der Weinmeister — das heisst, als ich meinen Mann Kennenlernte. Vorher draussen, Schönhauser Allee. Wenn man so wen aus seiner Gegend wiedersieht! Ich bin ganz glücklich, Herr Hauptmann. Ach, es ist zu traurig hier. Und wenn wir nicht den Herrn von Stechlin hätten, so hätten wir so gut wie gar nichts. Mit Katzlers“, aber dies flüsterte sie nur leise, „mit Katzlers ist es nichts, die sind zu hoch ’raus. Da muss man sich denn klein machen. Und so toll ist es am Ende doch auch noch nicht. Jetzt passen sie ja noch leidlich. Aber abwarten.“

„Sehr wahr, sehr wahr“, sagte Ezako, der, ohne was sicheres zu verstehen, nur ein während des Dubslavschen Toastes schon gehabtes Gefühl bestätigt sah, dass es mit den Katzlers was Besonderes auf sich haben müsse. Frau von Gundermann aber, den ihr unbequemen Flüsterton aufgebend, fuhr mit wieder lauter werdender Stimme fort: „Wir haben den Herrn von Stechlin, und das ist ein Glück, und es ist auch bloss eine gute halbe Meile. Die meisten andern wohnen viel zu meit, und wenn sie auch näher wohnten, sie wollen alle nicht recht; die Leute hier, mit denen wir eigentlich Umgang haben müssten, sind so diffizil und legen alles auf die Goldwaage. Das heisst, vieles setzen sie nicht auf die Goldmaage, dazu reicht es bei den meisten nicht aus; nur immer die Ahnen. Und sechzehn ist das wenigste. Ja, wer hat gleich sechzehn? Gundermann ist erst geadelt, und wenn er nicht Glück gehabt hätte, so wär’ es gar nichts. Er hat nämlich klein angefangen, bloss mit einer Mühle; jetzt haben wir nun freilich sieben, immer den Rhin entlang, lauter Schneidemühlen, Bohlen und Bretter, einzöllig, zweizöllig und noch mehr. Und die Berliner Dielen, die sind fast alle von uns.“

„Aber meine gnädigste Frau, das muss Ihnen doch ein Hochgefühl geben. Alle Berliner Dielen! Und dieser Rhinfluss, von dem Sie sprechen, der vielleicht eine ganze Seenkette verbindet und woran mutmasslich eine reizende Villa liegt! Und darin hören Sie Tag und Nacht, wie nebenan in der Mühle die Säge geht, und die dicht herumstehenden Bäume bewegen sich leise. Mitunter natürlich ist auch Sturm. Und Sie haben eine Pony-Equipage für Ihre Kinder. Ich darf doch annehmen, dass Sie Kinder haben? Wenn man so abgeschieden lebt und so beständig aufeinander angewiesen ist...“

„Es ist, wie Sie sagen, Herr Hauptmann; ich habe Kinder, aber schon erwachsen, beinah alle, denn ich habe mich jung verheiratet. Ja, Herr von Ezako, man ist auch einmal jung geresen. Und es ist ein Glück, dass ich die Kinder habe. Sonst ist kein Mensch da, mit dem man ein gebildetes Gespräch führen kann. Mein Mann hat seine Politik und möchte sich wählen lassen, aber es wird nichts, und wenn ich die Journale bringe, nicht mal die Bilder sieht er sich an. Und die Geschichten, sagt er, seien bloss dummes Zeug und bloss Wasser auf die Mühlen der Sozialdemokratie. Seine Mühlen, was ich übrigents recht und billig finde, sind ihm lieber.“

„Aber Sie müssen doch viele Menschen um sich herum haben, schon in Ihrer Wirtschaft.“

,,Ja, die hab’ ich, und die Mamsells, die man so kriegt, ja, ein paar Wochen geht es; aber dann bändeln sie gleich an, am liebsten mit ’nem Volontär; wir haben nämlich auch Volontärs in der Mühlenbranche. Und die meisten sind aus ganz gutem Hause. Die jungen Menschen passen aber nicht auf, und da hat man’s denn, und immer gleich Knall und Fall. All das ist doch traurig, und mitunter ist es auch so, dass man sich geradezu genieren muss.“

Ezako seufzte. „Mir ein Greuel, all dergleichen. Aber ich weiss vom Manöver her, was alles vorkommt. Und mit einer Schläve... nichts schlauer als verliebte Menschen. Ach, das ist ein Kapitel, womit man nicht fertig wird. Aber Sie fagten Linienstrasse, meine Gnädigste. Welche Nummer denn? Ich kenne da beinahe jedes Haus, kleine, nette Häuser, immer bloss Beletage, höchstens mal ein Oeil de Boeuf.“

„Wie? Was?“

„Grosses rondes Fenster ohne Glas. Aber ich liebe diese Häuser.“

„Ja, das kann ich auch von mir sagen, und in gerade solchen Häusern hab’ ich meine beste Zeit verbracht, als ich noch ein Quack war, höchstens vierzehn. Und so grausam mild. Damals waren nämlich noch die Rinnsteine, und wenn es dann regnete und alles überschwemmt war und die Bretter anfingen, sich zu heben, und schon so halb herumschwammen, und die Ratten, die da drunter steckten, nicht mehr wussten, wo sie hin sollten, dann sprangen wir auf die Bohlen ’rauf, und nun die Biester ’raus, links und rechts, und die Jungens hinterher, immer aufgekrempelt und ganz nackigt. Und einmal, weil der eine Junge nicht abliess und mit seinten Holzpantinen immer drauflos schlug, da wurde das Untier falsch und biss den Jungen so, dass er schrie! Nein, so habʼich noch keinen Menschen wieder schreien hören. Und es war auch fürchterlich.“

„Ja, das ist es. Und da helfen bloss Rattenfänger.“

„Ja, Rattenfänger, davon hab’ ich auch gehört — Rattenfänger von Hameln. Aber die gibt es doch nicht mehr.“

,,Nein, gnädige Frau, die gibt es nicht mehr, wenigstens nicht mehr solche Hexenmeister mit Zauberspruch und einer Pfeife zum Pfeifen. Aber die meine ich auch gar nicht. Ich meine überhaupt nicht Menschen, die dergleichen als Metier betreiben und sich in den Zeitungen anzeigen, unheimliche Gesichter mit einer Pelzkappe. Was ich meine, sind bloss Pinscher, die nebenher auch noch ,Rattenfänger‘ heissen und es auch wirklich sind. Und mit einem solchen Rattenfänger auf die Jagd gehen, das ist eigentlich das Schönste, was es gibt.“

„Aber mit einem Pinscher kann man doch nicht auf die Jagd gehen!“

„Doch, doch, meine gnädigste Frau. Als ich in Paris war (ich war da nämlich mal hinkommandiert), da bin ich init ’runtergestiegen in die sogenannten Katakomben, hochgewölbte Kanäle, die sich unter der Erde hinziehen. Und diese Kanäle sind das wahre Ratteneldorado; da sind sie zu Millionen. Oben drei Millionen Franzosen, unten drei Millionen Ratten. Und einmal, wie gesagt, bin ich da mit ’runtergeklettert und in einem Boote durch diese Unterwelt hingefahren, immer mitten in die Ratten hinein.“

„Grässlich, grässlich! Und sind Sie heil wieder ’rausgekommen?“

„Im ganzen ja. Denn, meine gnädigste Fran, eigentlich war es doch ein Vergnügen. In unserm Kahn hatten wir nämlich zwei solche Rattenfänger, einen vorn und einen hinten. Und nun hätten Sie sehen sollen, wie das losging. ,Schnapp’, und das Tier um die Ohren geschlagen, und tot war es. Und so weiter, so schnell, wie Sie nur zählen können, und mitunter noch schneller. Ich kann es nur vergleichen mit Mr. Carver, der bekannten Mr. Carver, von dem Sie gewiss einmal gelesen haben, der in der Sekunde drei Glaskugeln wegschoss. Und so immerzu, viele Hundert. Ja, so was wie diese Rattenjagd da unten, das vergisst man nicht wieder. Es war aber auch das Beste da. Denn was sonst noch von Paris geredet wird, das ist alles übertrieben; meist dummes Zeug. Was haben sie denn Grosses? Opern und Zirkus und Museum und in einem Saal ‘ne Venus, die man sich nicht recht ansieht, weil sie das Gefühl verletzt, namentlich wenn man mit Damen da ist. Und das alles haben wir schliesslich auch, und manches haben wir noch besser. So zum Beispiel Niemann und die del Era. Aber solche Rattenschlacht, das muss wahr sein, die haben wir nicht. Und warum nicht? Weil wir keine Katakomben haben.“

Der alte Dubslav, der das Wort „Katakomben“ gehört hatte, wandte sich jetzt wieder über den Tisch hin und sagte: „Pardon, Herr von Szako, aber Sie müssen meiner lieben Frau von Gundermann nicht mit so furchtbar ernsten Sachen kommen, und noch dazu hier bei Tisch, gleich nach Karpfen und Meerrettich. Katakomben! Ich bitte Sie. Die waren ja doch eigentlich in Rom und erinnern einen immer an die traurigsten Zeiten, an den grausamen Kaiser Nero und seine Verfolgungen und seine Fackeln. Und da war dann noch einer mit einem etwas längeren Namen, der noch viel grausamer war, und da verkrochen sich diese armen Christen gerade in ebendiese Katakomben, und manche wurden verraten und gemordet. Nein, Herr von Ezako, da lieber was Heiteres. Tricht wahr, meine liebe Frau von Gundermann?“

,,Ach nein, Herr von Stechlin; es ist doch alles so sehr gelehrig. Und wenn man so selten Gesetzenheit hat...“

„Na, wie Sie wollen. Ich hab’ es gut gemeint. Stossen wir an! Ihr Rudolf soll leben; das ist doch der Liebling, trotzdem er der Älteste ist. Wie alt ist er denn jetzt?“

„Vierundzwanzig.“

„Ein schönes Alter. Und wie ich höre, ein guter Mensch. Er müsste nur mehr ‘raus. Er versauert hier ein bisschen.“

„Sag’ ich ihm auch. Aber er will nicht fort. Er sagt, zu Hause sei es am besten.“