Der Stolz des Highlanders - Hannah Howell - E-Book
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Der Stolz des Highlanders E-Book

Hannah Howell

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Beschreibung

Sie schwebt in Gefahr – kann seine Liebe sie retten? Der historische Liebesroman »Der Stolz des Highlanders« von Hannah Howell als eBook bei dotbooks. Schottland im Jahr 1477. James Drummond war ein glücklicher Mann – bis der grausame Donnell McKay ihm alles nahm: seine Burg, seine Ehre, seine Familie. Zu Unrecht hielt man James für den Mörder seiner Frau und vertrieb ihn aus den Highlands. Doch nun ist er zurückgekehrt, um Rache zu nehmen und seine kleine Tochter aus den Fängen der McKays zu befreien. Es gelingt ihm, sich unerkannt in die Burg einzuschleichen – doch als er vor dem Kindermädchen seiner Tochter steht, stockt ihm der Atem: Annora ist von berauschender Schönheit und so liebenswert, dass sie James‘ Herz sofort gefangen nimmt. Aber auch sie ist eine McKay – kann er ihr also trauen? Als James erfährt, welche düstere Zukunft Donell für Annora plant, bleibt ihm nur wenig Zeit, einen gewagten Plan zu schmieden … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Das Romance-Highlight »Der Stolz des Highlanders« von New-York-Times-Bestsellerautorin Hannah Howell ist der zweite Band der romantischen Saga »Highland Dreams«, der aber unabhängig von den anderen gelesen werden kann. Wer liest, hat mehr vom Leben! dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 461

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Über dieses Buch:

Schottland im Jahr 1477. James Drummond war ein glücklicher Mann – bis der grausame Donnell McKay ihm alles nahm: seine Burg, seine Ehre, seine Familie. Zu Unrecht hielt man James für den Mörder seiner Frau und vertrieb ihn aus den Highlands. Doch nun ist er zurückgekehrt, um Rache zu nehmen und seine kleine Tochter aus den Fängen der McKays zu befreien. Es gelingt ihm, sich unerkannt in die Burg einzuschleichen – doch als er vor dem Kindermädchen seiner Tochter steht, stockt ihm der Atem: Annora ist von berauschender Schönheit und so liebenswert, dass sie James‘ Herz sofort gefangen nimmt. Aber auch sie ist eine McKay – kann er ihr also trauen? Als James erfährt, welche düstere Zukunft Donell für Annora plant, bleibt ihm nur wenig Zeit, einen gewagten Plan zu schmieden …

Über die Autorin:

Hannah Howell, geboren 1950 in Massachusetts, kann ihren amerikanischen Familienstammbaum bis in das frühe 17. Jahrhundert zurückverfolgen – liebt aber vor allem die Geschichte Englands und Schottlands; auf einer Reise dorthin lernte sie auch ihren späteren Ehemann kennen. Hannah Howell hat in ihrer schriftstellerischen Karriere über 60 Liebesromane veröffentlicht, darunter den großangelegten Zyklus über die Familie Murray, in dem sie mitreißend vom Schicksal mehrerer Generationen einer weitverzweigten schottischen Highlander-Dynastie erzählt. Hannah Howell wurde für ihr Werk mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Golden Leaf Award und dem Preis des Romantic Times Bookclub Magazine.

Bei dotbooks erschienen die folgenden Romane von Hannah Howell:

HIGHLAND HEROES: Das Schicksal des Highlanders; Die Lust des Highlanders; Das Schwert des Highlanders

HIGHLAND ROSES: Die Spur des Highlanders; Die Sehnsucht des Highlanders

HIGHLAND LOVERS: Der Fürst der Highlander; Der ungezähmte Highlander; Der Held der Highlands

HIGHLAND DREAMS: Das Begehren des Highlanders; Der Stolz des Highlanders; Die Versuchung des Highlanders

Der Kuss des Schotten

Das Herz des Highlanders

***

eBook-Neuausgabe Februar 2020

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2008 unter dem Titel »Highland Wolf« bei Zebra Books, New York. In Deutschland erschien dieses Buch erstmals 2011 unter dem Titel »Der Wolf aus den Highlands« bei Weltbild.

Copyright © der Originalausgabe 2008 by Hannah Howell; published by Arrangement with Kensington Publishing Corp., New York, NY, USA

Copyright © der deutschen Erstausgabe © 2011 by Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg

Copyright © der Neuausgabe 2020 dotbooks GmbH, München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück, 30161 Hannover.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von shutterstock/conrado, Yuri Fineart, Fabio Pagani, Standret, Mariabo2015

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)

ISBN 978-3-96148-993-0

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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***

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Hannah Howell

Der Stolz des Highlanders

Roman

Aus dem Englischen von Angela Schumitz

dotbooks.

Prolog

Schottland, Frühling 1477

Sir James Drummond, einst der Laird von Dunncraig und ein Ehemann und liebevoller Vater, kroch aus seinem Versteck in der Tiefe der Highlands und richtete sich langsam auf. In der Luft lag ein Hauch von Frühling, ein Versprechen von Wärme in der feuchten Morgenbrise.

James atmete ein und kam sich vor wie ein Tier, das aus einem langen Winterschlaf erwacht – aus einem sehr langen Winterschlaf; denn seiner hatte drei harte Jahre gedauert.

James war zerlumpt, schmutzig und hungrig, aber auch fest entschlossen, nicht eine weitere Jahreszeit von Höhle zu Höhle zu schleichen, dabei Angst zu haben, Freunden oder Verwandten zu nahe zu kommen, weil ihm der Tod auf den Fersen folgte, und Angst zu haben, dass selbst der flüchtigste Gruß einem Mann gelten könnte, der ihn erkannte und tötete.

Es war an der Zeit, nicht mehr davonzulaufen. Nie mehr würde er davonlaufen.

Er ballte die Fäuste, als er an seinen Feind dachte – Sir Donnell MacKay.

Obwohl er den Mann nie gemocht oder ihm voll und ganz vertraut hatte, hatte er Donnell gestattet, Dunncraig zu besuchen, wann immer er wollte, denn er war ein Verwandter von Mary gewesen. Diese schlichte Geste der Höflichkeit und die süße Unschuld seiner Frau Mary, die zu den Menschen gehörte, die nie etwas Böses in einem anderen entdecken können, hatten sie das Leben gekostet. Kaum hatte James seine Frau beerdigt und überlegt, wie er beweisen könnte, dass Donnell sie getötet hatte, da unternahm der Mann seinen nächsten Schritt, und James wurde des Mordes an seiner Frau für schuldig befunden. Bald darauf war er geächtet worden, und dann hatte Donnell beides beansprucht, Dunncraig und die kleine Margaret, das einzige Kind von James und Mary.

Die wenigen Menschen, die versucht hatten, James zu helfen, wurden kaltblütig ermordet, und an dem Punkt hatte er sein Heil in der Flucht gesucht, hatte begonnen, sich zu verstecken und sich so weit wie möglich von denen fernzuhalten, die ihm am Herzen lagen.

Doch jetzt war Schluss damit. James schulterte den Sack mit seinen wenigen Habseligkeiten und machte sich daran, den steinigen Abhang hinunterzulaufen. Während er darum gekämpft hatte, den Winter zu überleben – was ihm kaum besser geglückt war als den Tieren, die er gejagt hatte –, hatte er einen Entschluss gefasst: Er musste nach Dunncraig zurück und den Beweis finden, der Donnell MacKay an den Galgen brachte und ihn, James, freisprach.

Im Dorf von Dunncraig lebte noch ein Mann, dem James voll und ganz vertraute. Dessen Hilfe würde er brauchen, wenn er anfing, auf die Suche nach der Wahrheit und der Gerechtigkeit zu gehen, wonach er sich sehnte. Wenn er beides erreichte, konnte er seinen guten Namen, sein Land und sein Kind wiedergewinnen; andernfalls würde er alles verlieren, auch sein Leben.

So oder so – er würde vor nichts und niemandem mehr davonlaufen.

Am Fuß des Hügels hielt er inne und starrte Richtung Dunncraig.

Es würde eine lange, anstrengende Reise werden, die ihn Wochen kosten würde, weil er kein Pferd hatte, aber er konnte im Geiste die Burg deutlich vor sich sehen. Er konnte auch seine kleine Meggie vor sich sehen, mit ihren dicken goldblonden Locken und den großen braunen Augen, die denen ihrer Mutter so ähnelten. Meggie war inzwischen fünf Jahre alt, und er spürte, wie seine Wut wuchs bei dem Gedanken, was er in dieser Zeit wegen Donnells Gier bei seinem Kind verpasst hatte. Auch quälten ihn Schuldgefühle, weil er vor allem daran gedacht hatte, sein eigenes Leben zu retten, und nicht daran, was seine Tochter unter Donnells Herrschaft womöglich zu leiden hatte.

»Keine Angst, meine Meggie, bald werde ich heimkommen und uns beide befreien«, flüsterte er in den leichten Wind, straffte dann die Schultern und machte sich an den langen Heimweg.

Kapitel 1

Dunncraig, Frühsommer 1477

»Drück die Erde über den Samen nur ganz sachte fest, Meggie.«

Annora lächelte, als das kleine Mädchen die Erde langsam und sorgfältig festklopfte, so wie sie ihren Kater tätschelte. Margaret, die darauf bestand, Meggie genannt zu werden, war alles, was Annora auf Dunncraig hielt. Ihr Cousin Donnell hatte jemanden gebraucht, der sich um das Kind kümmerte, und ihre Familie hatte sie hergeschickt. Das hatte Annora nicht überrascht, da sie arm und unehelich geboren war, eine Last für alle Verwandten, eine Last, die man abschüttelte, sobald sich die Gelegenheit bot. Anfangs hatte sie sich nur damit abgefunden, doch dann hatte sie die kleine Meggie kennengelernt, ein Kind von zwei Jahren mit großen braunen Augen und dicken goldblonden Locken. Obwohl Annora Donnell für einen brutalen Mann hielt, sogar ein wenig fürchtete, und einige Zweifel an seinem Besitzanspruch auf Dunncraig hatte, weilte sie drei Jahre später noch immer auf Dunncraig, und nicht nur, weil sie keine andere Zuflucht hatte. Sie blieb wegen der kleinen Meggie, einem Kind, das sie vom ersten Tag an ins Herz geschlossen hatte.

»Samen sind kostbar«, sagte Meggie.

»Richtig, sehr kostbar«, pflichtete Annora ihr bei. »Manche Pflanzen wachsen allerdings jedes Frühjahr von allein«, fuhr sie fort.

»Verfluchtes Unkraut.«

Annora senkte den Kopf, um ein Grinsen zu verbergen, und meinte still: »Junge Damen sollten nicht fluchen.« Auch Damen mit vierundzwanzig sollten das nicht, dachte sie, denn ihr war klar, woher Meggie solche Worte kannte. »Aber es stimmt, Unkraut wächst von allein dort, wo man es nicht haben will. Doch manche Pflanzen können den Winter nicht überstehen, und wir müssen die Samen oder Wurzeln sammeln und sie an geeigneten Plätzen lagern, damit wir sie einbringen können, wenn es wieder warm genug dafür ist.«

»Es ist aber noch nicht warm.«

Annora sah hoch und stellte fest, dass Meggie den Himmel böse ansah. »Warm genug, um die Samen in die Erde zu legen, Schätzchen.«

»Meinst du nicht, dass wir sie vorher in eine kleine Decke hüllen sollten?«

»Die Erde ist ihre Decke.«

»Annora! Der Laird will, dass Ihr ins Dorf geht und Euch anseht, wie gut dieser neue Holzschnitzer Pokale fertigt.«

Als sich Annora umdrehte, um auf den barschen Befehl des jungen Ian zu antworten, war der Junge bereits auf dem Weg zurück in den Keep. Seufzend sammelte sie die kleinen Säckchen mit den Samen ein, die sie an diesem Nachmittag hatte aussäen wollen. Ian berichtete Donnell wahrscheinlich bereits, dass Annora ins Dorf sei, und natürlich würde sie folgsam sein. Niemand lehnte die Ausführung eines Befehls von Donnell ab. Sie nahm Meggie bei der Hand und eilte mit ihr in den Keep, wo sie sich, bevor sie ins Dorf gingen, noch rasch die Hände waschen wollten.

Auf ihrem Weg hinaus trat Donnell aus der Großen Halle und fing sie ab. Annora verspannte sich, und sie spürte, wie sich Meggie an ihre Röcke presste. Sie kämpfte dagegen an, sich zu entschuldigen, weil sie nicht auf der Stelle ins Dorf geeilt war, und begegnete seinem finsteren Blick mit einem schwachen, fragenden Lächeln.

Ihr Cousin war an und für sich ein sehr gut aussehender Mann, dachte Annora. Er hatte dichtes dunkles Haar und schöne dunkle Augen. Seine Züge waren männlich, aber nicht grob, und er hatte sogar eine schöne Haut und keine sichtbaren Narben. Doch seine ständig mürrische oder zornige Miene entstellte sein gutes Aussehen. Es war, als würde alles Schlechte in diesem Mann sein Aussehen zeichnen. Und so, wie Donnell jetzt aussah, fand ihn bestimmt keine einzige Frau attraktiv.

»Warum gehst Ihr nicht ins Dorf?«, bellte er.

»Wir sind schon unterwegs, Cousin«, erwiderte sie und strengte sich an, süß und gehorsam zu klingen. »Wir mussten uns nur die Hände waschen, die bei der Gartenarbeit schmutzig geworden sind.«

»Ihr sollt nicht im Garten arbeiten wie irgendeine dahergelaufene Schlampe. Ihr seid zwar ein Bastard, aber Ihr seid von edlem Geblüt. Und Margaret solltet Ihr solche Dinge auch nicht beibringen.«

»Eines Tages wird sie die Herrin eines Landguts oder einer Burg sein und einen Haushalt befehligen. Das wird sie viel besser können, wenn sie weiß, wie viel Arbeit es bedarf, ihre Anordnungen umzusetzen.«

An der Art, wie sich Donnells Augen verengten, merkte Annora, dass er überlegte, ob sie soeben Kritik an ihm geübt hatte. Das hatte sie tatsächlich, denn sie wusste nur allzu gut, wie wenig Donnell von der Arbeit verstand, die er den Leuten auftrug, und wie wenig er sich darum kümmerte. Er verschwendete nie einen Gedanken daran, wie seine Wünsche und Bedürfnisse erfüllt wurden, außer, dass er diejenigen brutal bestrafte, die seiner Meinung nach nicht taten, was ihnen befohlen war.

Annora strengte sich an, möglichst viel Unschuld in ihren Blick zu legen, während sie seinem Argwohn begegnete, und atmete erleichtert auf, als er ganz offenkundig beschloss, dass sie nicht schlau genug war, ihre Kritik so geschickt zu verpacken.

»Dann macht, dass Ihr fortkommt«, sagte er. »Mir kam zu Ohren, dass dieser neue Mann ausgezeichnet arbeitet, und ich will einen Pokal oder etwas in dieser Art haben, damit ich mir ein Urteil über seine Kunstfertigkeit bilden kann.«

Annora nickte und eilte an ihm vorbei, die kleine Meggie fest an sich gedrückt. Wenn der Narr so begierig darauf war, die Fertigkeiten dieses Mannes zu begutachten, hätte er wahrhaftig selbst gehen und sich ein Bild machen können. Doch die Angst, diesen Gedanken laut zu äußern, trieb sie zu umso größerer Eile an. Donnells Antwort auf solche Worte wäre die Faust gewesen, und sie ging seinen Schlägen lieber aus dem Weg, wann immer möglich.

»Warum braucht der Laird einen Pokal?«, fragte Meggie, sobald Annora ihr Tempo zu einem fast lässigen Schlendern verlangsamt hatte.

»Er möchte herausfinden, ob der Mann, der die Pokale schnitzt, so geschickt ist, wie alle behaupten«, erwiderte Annora.

»Also glaubt er den anderen nicht?«

»Nun, vermutlich nicht.«

»Aber warum will er dann uns glauben?«

»Das ist eine sehr gute Frage, Schätzchen. Ich weiß es nicht, aber es ist wohl am besten, wir tun, was er uns aufgetragen hat.«

Meggie nickte mit einer Miene, die für ein Kind ihres Alters überraschend ernst war. »Aye, sonst schlägt er dich wieder, und das will ich nicht.«

Das wollte Annora auch nicht. Beim letzten Mal hätte ihr Cousin ihr fast den Kiefer und noch ein paar andere Knochen gebrochen. Eigentlich sollte sie Donnells Stellvertreter und Erstem Mann, Egan, dankbar sein, dass er ihn daran gehindert hatte, weiter auf sie einzuprügeln, aber das war sie nicht. Im Allgemeinen war es Egan egal, wen Donnell schlug oder wie unbarmherzig er es tat, denn er war genauso brutal wie Donnell. Dass dieser Mann nicht wollte, dass sie geschlagen wurde – oder zumindest allzu heftig geschlagen wurde –, beunruhigte sie, genauso wie sein Blick, der viel zu oft auf ihr verweilte. Annora wollte diesem Mann nichts schuldig sein.

»Aye, das will ich auch nicht, Liebes«, murmelte sie schließlich und lenkte Meggie von ihren düsteren Gedanken ab, indem sie auf das Vieh deutete, das friedlich auf dem Hügel weidete.

Auf dem Weg ins Dorf sorgte Annora für Meggies Unterhaltung, indem sie ihre Aufmerksamkeit auf jedes Tier, jeden Menschen und jede Pflanze lenkte, an denen sie vorbeikamen. Sie tauschte Grüße mit einigen Leuten, doch wieder einmal bedauerte sie es, wie streng Donnell sie und Meggie bewachen ließ. Obwohl es ihr lieber gewesen wäre, Zeitpunkt und Grund für einen Ausflug ins Dorf selbst zu bestimmen, genoss sie den Anschein von Freiheit, konnte die Wächter ignorieren, die ihr, wie sie wusste, folgten. Sie wünschte nur, genug Zeit und Freiheit zu haben, um öfter ins Dorf gehen und die Leute von Dunncraig besser kennenlernen zu können.

Sie stieß einen Seufzer des Bedauerns aus, weil sie nie die Chance gehabt hatte, ein Teil von Dunncraig zu werden und seine Leute so gut kennenzulernen, wie sie es sich gewünscht hätte. Irgendetwas war nicht in Ordnung mit Donnells Stellung als Laird, mit seinem Anspruch auf diese Ländereien und auf Meggie, das hatte Annora von Anfang an gespürt. Doch selbst nach drei Jahren hatte sie noch nichts finden können, was ihrem Argwohn zusätzliches Gewicht verliehen hätte. Sie wusste, dass es im Dorf von Dunncraig jemanden geben musste, der Antworten auf all ihre Fragen hatte, aber sie hatte noch keine Möglichkeit gehabt, Donnells Wache lange genug abzuschütteln, um irgendeinen Dörfler zu befragen.

Als sie sich dem Haus und dem Laden des Böttchers näherten, hellte sich ihre Laune ein wenig auf. Vielleicht war Ida, die Frau von Edmund dem Böttcher, zu Hause. Sie würde Annoras Verlangen, mit einer anderen Frau zu reden, bereitwillig stillen, und so beschleunigte Annora ihr Tempo erwartungsvoll. So sehr sie Meggie liebte – ein Kind konnte einfach nicht ihr Bedürfnis nach einem ausführlichen Schwatz mit einer anderen Frau befriedigen.

***

»Rolf, sie kommt.«

Diesmal zögerte James nicht, von seiner Arbeit aufzublicken, als Edmund ihn bei seinem Decknamen rief. Er hatte länger gebraucht, sich an ihn zu gewöhnen, als ihm lieb war. So ungern er es zugab – Edmund hatte recht gehabt, ihn zur Geduld zu mahnen und zu warnen, dass es eine Weile dauern würde, bis er zu Rolf Larousse Lavengeance geworden war.

Dann dämmerte ihm, was Edmund gerade gesagt hatte. »Meggie?«

»Aye, aber für dich ist sie Lady Margaret«, erinnerte ihn Edmund.

»Natürlich. Ich werde es nicht vergessen. Wer begleitet sie?«

»Mistress Annora und, ein paar Schritte hinter ihr, zwei von Donnells Männern.«

James fluchte. »Glaubt der Kerl etwa, der Frau oder Meggie droht hier eine Gefahr?«

»Nur ihm selbst, denke ich. MacKay lässt die junge Frau nie länger mit den Leuten reden, und das Kind auch nicht. Manche hier denken, sie hielte sich für etwas Besseres und erzählte das auch dem Kind, aber ich glaube, Mistress Annora wird gezwungen, sich abseits zu halten. Selbst wenn sie die Gelegenheit hat, mit jemandem zu reden, stehen immer MacKays Männer in der Nähe und versuchen mitzubekommen, was geredet wird.«

»Es ist bestimmt nur sein schlechtes Gewissen, das ihn glauben lässt, jeder sei darauf aus, ihn schlechtzumachen.«

»Das kann gut sein. Meine Ida sagt, die junge Frau ist klug und schnell von Begriff. Vielleicht hat MacKay Angst, dass sie eins und eins zusammenzählen und die Wahrheit erkennen kann. Er lebt eine riesengroße Lüge, und das lastet sicher auf ihm.«

»Ich hoffe, es bricht ihm sein verfluchtes Kreuz«, murrte James und klopfte sich den Staub von den Kleidern. »Aber am liebsten würde ich ihn hängen sehen.«

»So geht es fast jedem hier auf Dunncraig«, sagte Edmund.

James nickte. Er hatte bald erkannt, wie bedrückt seine Leute waren. Donnell war ein herzloser, grausamer Laird, und außerdem besaß er nicht das nötige Wissen, um Felder und Vieh gedeihen zu lassen. Vieles deutete darauf hin, dass sich der Kerl reichlich mit Dunncraigs Reichtümern vollstopfte, ohne sich darum zu kümmern, wie seine Leute überlebten, oder Vorsorge zu treffen, dass es in Zukunft noch etwas zu essen gab. Die Menschen hatten wahrscheinlich Angst vor dem Mann, der jetzt auf dem Stuhl des Lairds saß, aber sie nahmen kein Blatt vor den Mund, wenn sie unter sich waren, und James hatte einiges erfahren. Donnell ließ das Land ausbluten, um seinen Bauch und seinen Geldbeutel zu füllen.

Ida steckte den Kopf durch die Tür. »Das junge Mädchen sagt, der Laird habe sie geschickt. Er will einen von Rolfs Pokalen kaufen.«

Bevor er etwas sagen konnte, war Ida schon wieder verschwunden. Einen Moment lang saß James nur an seiner Werkbank und atmete langsam ein und aus, um seine Aufregung und Vorfreude zu zügeln. Das war der erste Schritt. Er musste vorsichtig sein, um nicht ins Stolpern zu geraten. Er wusste, dass Donnell viel Geld ausgab, um Dunncraig Keep so prachtvoll auszustatten wie ein französisches Königsschloss. Dazu brauchte er einen kunstfertigen Tischler und Holzschnitzer, und James wollte, dass er ihn einstellte.

»Der da«, meinte Edmund und deutete auf einen großen, mit üppigen Schnitzereien verzierten Pokal.

»Aye, ich glaube, du hast den besten ausgesucht, mein alter Freund«, sagte James lächelnd.

»Diese Miene habe ich schon sehr, sehr lange nicht mehr bei dir gesehen.«

»Das ist die Vorfreude.«

»Aye, sie liegt spürbar in der Luft. Der Mann ist ein eitles Schwein. Er gibt viel zu viel von deinem Geld aus für Dinge, die er nicht braucht, doch von denen er denkt, sie steigern seine Bedeutung. Du hast seine Schwäche richtig erkannt. Aber denkst du denn wirklich, der Mann würde einen Beweis für seine Schuld herumliegen lassen?«

Diese Frage stellte Edmund nicht zum ersten Mal, und James war noch nicht völlig davon überzeugt, dass die Wahrheit im Keep zu finden war. »Sicher bin ich mir nicht, aber ich denke, es muss etwas geben. Er hat sich bestimmt nicht aller Beweise entledigt. Vielleicht erfahre ich etwas, was mir weiterhilft.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich kann es nicht sagen. Ich weiß nur, dass ich mich oben auf Dunncraig aufhalten muss, wenn ich eine Chance haben will, die Wahrheit herauszufinden.«

»Na gut, dann sehen wir zu, dass wir dich dort reinbekommen.«

***

Annora blickte hoch, als Edmund mit einem Mann aus der Werkstatt im hinteren Teil des kleinen Ladens trat. Sie beäugte den Fremden eingehend, auch wenn sie sich wunderte, warum er ihre Aufmerksamkeit so auf sich zog. Er war groß und schlank, ja fast hager, als habe er einige Mahlzeiten versäumt. Sein braunes Haar fiel ihm über die breiten Schultern. Auf seiner rechte Wange war eine Narbe, und über dem linken Auge trug er eine Klappe. Das rechte Auge war herrlich grün, fast tat es Annora leid, dass dieses Auge seinen Partner verloren hatte. Der Mann sah gut aus, hatte ein ebenmäßig geschnittenes, doch kantiges Gesicht, was auf Hunger und Kummer schließen ließ. Dieser Mann hatte einiges hinter sich, und Annora verspürte einen überraschenden Anflug von Mitgefühl. Da sie keine Ahnung hatte, welcher Kummer die harten Linien in sein Gesicht gegraben hatte, verstand sie nicht, warum sie das Bedürfnis verspürte, diese Falten glätten zu wollen. Seine ziemlich vollen Lippen erzeugten eine gewisse Wärme in ihr, was sie beunruhigte. Der Mann hatte eine sehr seltsame Wirkung auf sie, und das behagte ihr ganz und gar nicht.

Dann bemerkte sie, dass sein Blick auf Meggie ruhte, und legte schnell den Arm um die Schultern der Kleinen. Sein Blick war so eindringlich, dass sie sich fragte, warum sie das nicht stärker beunruhigte. Im nächsten Moment wurde ihr klar, dass in dieser Eindringlichkeit keinerlei Bedrohung oder Abneigung lag, sondern vielmehr eine Sehnsucht, ein Bedürfnis und ein gewisses Leid. Sie fragte sich, ob er ein Kind verloren hatte. Abermals verspürte sie den Drang, ihn zu trösten, doch gleichzeitig auch eine große Unruhe.

Als sie auf den Pokal sah, den er in seinen eleganten, langfingrigen Händen hielt, keuchte sie leise auf. »Den wollt Ihr dem Laird verkaufen?«, fragte sie verwundert.

»Aye«, erwiderte der Mann. »Ich heiße Rolf. Rolf Larousse Lavengeance.«

Annora blinzelte und musste sich auf die Lippe beißen, um nichts zu sagen. Was für ein seltsamer Name – grob übersetzt lautete er Wolf, Rothaariger und Rache. Außerdem war es für einen armen Handwerker seltsam, einen solch langen Namen zu tragen. Hinter diesem Namen steckte bestimmt eine Geschichte. Ihre Neugier war geweckt, doch sie zügelte sie. Schließlich stand es ihr nicht zu, den Mann nach seinem Namen auszufragen. Als unehelich geborenes Kind war sie sich darüber hinaus nur allzu bewusst, wie viel Schmerz und Scham solche Fragen auslösen konnten, und das wollte sie keinem anderen zufügen.

»Der Pokal ist wunderschön, Master Lavengeance«, sagte sie und streckte die Hand aus. »Kann ich ihn mir genauer ansehen?«

»Aye.«

Als sie den Pokal in die Hand nahm, kam sie zu dem Schluss, dass sich der Mann wohl lange genug in Schottland aufgehalten hatte, um ein paar Worte ihrer Sprache aufgeschnappt zu haben. Donnell hingegen sprach kein Wort Französisch und würde sich wahrscheinlich rasch über einen Handwerker aufregen, der Schwierigkeiten hatte, seine, Donnells, Aufträge zu verstehen. Während sie die wundervoll geschnitzten Jagdszenen musterte, wurde ihr klar, dass Donnell erpicht darauf sein würde, diesen Mann mit Arbeiten auf Dunncraig Keep zu beauftragen. Der Gedanke, dass sie ihn dann wahrscheinlich häufiger sehen würde, um Befehle für ihn zu übersetzen, erregte sie, doch gleichzeitig verspürte sie das Bedürfnis, sich von ihm fernzuhalten.

»Ich glaube, dieses Stück wird meinem Cousin sehr gut gefallen«, sagte sie. »Eure Arbeit ist wundervoll, Master Lavengeance. Der Hirsch auf diesem Pokal sieht verblüffend echt aus. Fast erwartet man, dass er seinen stolzen Kopf nach hinten wirft.«

James nickte nur und nannte ihr den Preis. Sie bezahlte, ohne mit der Wimper zu zucken, dann schob sie Meggie rasch hinaus. James trat an die Tür und blickte der jungen Frau hinterher, die sein Kind zur Burg hinaufführte, gefolgt von zwei von Donnells Männern. Als er eine Hand auf seinem Arm spürte, sah er zur Seite. Ida war neben ihn getreten, in ihren blauen Augen lag tiefes Mitgefühl.

»Annora liebt das kleine Mädchen«, meinte Ida.

»Tut sie das wirklich? Oder ist sie nur ein gutes Kindermädchen?«, fragte James.

»Nein, sie liebt das Kind. Nur Lady Margaret hält Mistress Annora auf Dunncraig, sonst nichts. Das Kind ist geliebt und gut versorgt worden, während Ihr weg wart, Laird.«

James nickte, aber er wusste nicht, ob er es wirklich glauben sollte. Meggie hatte gesund und munter gewirkt, aber sie hatte kein Wort gesprochen, und ein Ernst hatte auf ihren Zügen gelegen, der früher nicht da gewesen war. Meggie war so süß und unschuldig gewesen wie ihre Mutter, aber auch sehr lebhaft, was Mary nie gewesen war. Von dieser Lebhaftigkeit hatte er jetzt nichts gesehen, und er fragte sich, wodurch sie der Kleinen abhandengekommen war. Mistress Annora wollte er die Schuld daran noch nicht geben, doch er nahm sich vor, die Frau genau zu beobachten.

Allerdings würde ihm das auch nicht weiter schwerfallen, musste er sich mit einem schiefen Grinsen eingestehen. Mistress Annora war wunderschön. Ihr schlanker und doch wohlgerundeter Körper fesselte den Blick eines Mannes unweigerlich. Ihr dichtes rabenschwarzes Haar ließ ihre helle Haut noch cremefarbener schimmern, und ihre großen, nachtblauen Augen zogen einen Mann an wie eine Flamme die Motte. Nach drei einsamen Jahren wusste er, dass er aufpassen musste, dass seine unbefriedigten Gefühle ihn nicht vom rechten Weg abbrachten. Dennoch konnte er es kaum erwarten, seine Bekanntschaft mit Mistress Annora zu vertiefen.

Plötzlich fragte er sich, ob Mistress Annora Donnells Geliebte war, und gleichzeitig fragte er sich, warum ihn dieser Gedanke in Rage versetzte. Wahrscheinlich kam seine Wut daher, weil er nicht wollte, dass eine solche Frau sich um sein Kind kümmerte. Wahrscheinlich war es unfair zu glauben, dass diese Frau mehr war, als sie zu sein vorgab. Aber sie war so schön, dass die Vermutung nahelag, dass Donnell sie nicht in Ruhe ließ. Mistress Annoras wahre Stellung auf Dunncraig Keep war eine weitere Frage, auf die er eine Antwort finden musste.

Er trat auf die Straße und starrte zu dem Wohn- und Wehrturm hinauf, der einst sein Zuhause gewesen war. Bald würde er wieder dort sein. Er würde den Keep als Kunsthandwerker betreten, beabsichtigte aber, als Laird zu bleiben. Und Mistress Annora konnte noch so schön sein – wenn sie bei Donnells Machenschaften eine Rolle spielte, würde sie rasch herausfinden, dass ihre Schönheit sie nicht schützte.

Kapitel 2

Die Wut brach so rasch über Annora herein, dass sie keine Gelegenheit hatte, sich zu schützen. Das heftige Gefühl trübte ihren Verstand und drehte ihr den Magen um. Sie legte eine zitternde Hand auf den Bauch, die andere flach auf die kalte Steinwand des Korridors im Obergeschoss, um sich zu stützen. Sie musste sich eine Weile konzentrieren und langsam und tief atmen, um das Gefühl abzuwehren, bis sie es nur noch als vorhanden spürte, jedoch nicht länger davon verzehrt wurde. Es kostete sie allerdings Mühe, sich völlig davon zu befreien. In solchen Momenten hasste sie ihre seltsame Fähigkeit, die Gefühle anderer zu spüren, denn offenbar waren die schlimmsten Gefühle die stärksten und trafen sie am härtesten.

Sie verzog das Gesicht und sah sich um. Ihr wurde klar, dass sie nur wenige Schritte von Donnells Schlafgemach entfernt war. Zuerst dachte sie, dass wieder einmal jemand Donnells Zorn erregt hatte, doch dann schüttelte sie den Kopf. Sie kannte den herben, bitteren Geschmack der Wut ihres Cousins zu gut. Die Wut, die sie soeben gespürt hatte, fühlte sich anders an und schmeckte auch anders. Doch abgesehen von Donnell und Egan kannte Annora niemanden auf Dunncraig, den je eine derart heftige Wut gepackt hatte.

Als sie sich wieder gefasst hatte, schlich Annora zu Donnells Schlafgemach. Die Tür stand offen, aber sie hörte keine lauten Stimmen und auch nicht das Geräusch von Fäusten, die auf jemanden einschlugen, ja nicht einmal das leiseste, schmerzerfüllte Wimmern. Das ergab keinen Sinn – wo waren die unvermeidlichen Folgen einer solchen Wut? Wären Donnell oder Egan die Wutbesessenen, herrschte nicht diese Ruhe in dem Raum, sie hätte vielmehr etwas von den Schmerzen gehört oder gespürt, die ein armer Mann oder eine Frau erduldeten, während sie brutal bestraft wurden.

Plötzlich hatte sie Angst, dass Donnell die Person, der seine Wut galt, ernstlich verletzt, ja vielleicht sogar getötet hatte. Leise trat sie näher und spähte vorsichtig ins Zimmer, auch wenn eine kleine Stimme in ihrem Kopf sie für diese Torheit schalt: Was hätte sie schon tun können, um jemandem zu helfen, der die Wut ihres Cousins oder seines Ersten Mannes entflammt hatte? Doch sie hörte nicht auf die warnende Stimme und sah sich trotzdem um. Annora konnte sich nur mit Mühe davon abhalten, vor Überraschung laut aufzukeuchen und sich zu verraten.

Auf dem Boden lag kein zerschmetterter, blutiger Körper, nichts wies auf einen Streit hin, nicht einmal ein umgekippter Hocker. Donnell und der gut aussehende Holzschnitzer aus dem Dorf standen vor der großen Feuerstelle, begutachteten die Einfassung und unterhielten sich in aller Ruhe.

Annora nahm vorsichtig Verbindung zu der Quelle der Wut auf, die sie so berührt hatte, und plötzlich stand sie kerzengerade im Türrahmen. Die Wut stammte von dem Holzschnitzer!

»Was habt Ihr hier zu suchen?«, fragte Donnell barsch.

Annora blinzelte. Ihr war, als wäre sie soeben grob aus einem tiefen Schlaf gerissen worden. Die Bestürzung darüber, dass der leise sprechende Mann, der so bescheiden vor Donnell stand und ganz ruhig mit ihm redete, in Wahrheit vor Wut schäumte, hatte sie völlig aus der Fassung gebracht. Ihre ruckartige Bewegung hatte sie wohl verraten. Leider wurde nun sie das Ziel von Donnells Aufmerksamkeit und Reizbarkeit, obgleich sie im Allgemeinen alles tat, um das zu vermeiden. Wenn man Donnell reizte, führte das meist zu einer Menge blauer Flecke.

»Verzeiht, Cousin«, sagte sie und trat einen Schritt zurück, um den Anfang von etwas zu machen, was hoffentlich nicht wie eine schmachvolle Flucht aussah. »Ich habe Stimmen gehört und gesehen, dass Eure Tür offen stand. Da Ihr Euch gewöhnlich um diese Zeit nicht in Eurem Schlafgemach aufhaltet, sah ich mich veranlasst, der Sache auf den Grund zu gehen.«

»Das Einzige, wozu Ihr Euch veranlasst sehen solltet, ist das, weshalb Ihr hier seid – auf Margaret aufzupassen. Alles andere auf Dunncraig geht Euch nichts an, abgesehen von den Dingen, die Euch aufgetragen werden.«

»Selbstverständlich, Cousin.«

Vor Rolf Lavengeance derart herablassend behandelt zu werden, schmerzte mehr, als es sollte. Schließlich sprang Donnell stets so mit ihr um, sie hatte gedacht, dass sie inzwischen daran gewöhnt sei. Doch diesmal kostete es sie ihre gesamte Willenskraft, die Schamesröte zu unterdrücken – und wäre es nur deshalb, um Donnell nicht zu zeigen, wie sehr er sie verletzt hatte. Diese Genugtuung wollte sie ihm nicht gönnen. Nach drei Jahren auf Dunncraig war ihr Stolz zwar reichlich angeschlagen, aber er war noch vorhanden.

»Margaret ist nicht bei Euch, oder? Warum nicht?«

»Sie wartet in der Großen Halle auf mich. Ich wollte nur noch rasch zu Mary, um ihren Umhang abzuholen, den sie ihr gestern abgenommen hat, um ihn zu säubern.«

»Es kostet offenbar eine Menge Zeit, dieses Kind und seine Kleider sauber zu halten. Wenn es Euch so schwerfällt, Euch ordentlich um sie zu kümmern, sollte ich mich vielleicht nach einem besseren, fähigeren Kindermädchen umsehen.«

Donnells Stimme klang gefährlich leise, und er beobachtete Annora genau. Ihr lief ein Schauder über den Rücken. Bislang hatte Donnell diese Schwäche nie genutzt, um ihr eins auszuwischen. Sie hatte gedacht, dass sie ihre Liebe zu Meggie gut versteckt hatte, aber auf Dauer offensichtlich nicht gut genug. Vielleicht hatte er ja sogar die ganze Zeit davon gewusst und nur den günstigsten Moment abgewartet, um zuzuschlagen und ihre Gefühle für Meggie ebenso zu benutzen wie seine Fäuste – als Möglichkeit, sie einzuschüchtern. Und das gelang ihm auch bestens. Meggie war ihre einzige Freude, selbst der Gedanke, von ihr getrennt zu werden, machte ihr Angst.

»Ich werde mich bemühen, es besser zu machen«, sagte sie und hoffte inständig, dass sie gefügig genug klang und dennoch nichts von der Angst zeigte, die sie ergriff.

»Das solltet Ihr auch.«

Annora machte einen Knicks und ging. Am liebsten wäre sie in die Große Halle hinabgestürmt, hätte Meggie gepackt und wäre aus Dunncraig geflohen. Der Drang war so stark, dass sie zitterte, während sie sich zwang, mit festen, gleichmäßigen Schritten davonzugehen. Doch ihr blieb wohl nichts anderes übrig, als sich nach Möglichkeit noch weniger blicken zu lassen, noch stiller und bescheidener zu sein, wenn Donnell zugegen war, und noch stärker zu verbergen, wie gern sie mit Meggie zusammen war.

»Ich dachte schon, du hast dich verlaufen.«

Die süße, hohe Stimme riss Annora aus ihren Gedanken. Sie blickte zu Meggie, während die Kleine sanft an dem Umhang zog, den Annora in der Hand hielt. Sie ging in die Hocke und half Meggie, den Umhang anzulegen. Eingehend musterte sie jede weiche Linie des süßen Kindergesichts. Es erstaunte sie immer wieder, dass Donnell so ein hübsches, reizendes Kind gezeugt haben sollte – und das war einer der Gründe, warum sie seine Ansprüche bezweifelte.

Meggie war zum Mittelpunkt ihres Lebens geworden, ihre einzige Freude. Das musste ihr Cousin gemerkt haben; und dass er es gemerkt hatte, war nicht weiter verwunderlich, weil ihre Gefühle für das Kind so stark waren. Solch tief empfundene Gefühle ließen sich nie vollständig verbergen. Vielleicht hatte Donnell ja auch nur bemerkt, wie oft sie Meggie vor seinem Zorn und seiner Brutalität schützte, und wollte sie das wissen lassen. Sie wusste, dass sie damit nie aufhören würde, aber vielleicht ließ sich ein Weg finden, es weniger offenkundig zu tun. Wenn sie sich in ein rückgratloses Gespenst verwandeln musste, das sich nur noch in den Schatten von Dunncraig herumdrückte, um bei Meggie zu bleiben, dann würde sie es tun.

»Was machen wir heute, Annora?«, fragte Meggie.

Annora richtete sich auf und schluckte ihre Antwort hinunter. Am liebsten hätte sie dem Kind erklärt, dass sie nach Frankreich fliehen würden. Dunncraig war zwar unter Donnells Herrschaft kein besonders guter Ort für solch ein süßes Mädchen wie Meggie, doch es war mehr, als Annora dem Kind je würde bieten können. Hier hatte Meggie ein Dach über dem Kopf, ein Bett zum Schlafen und genügend zu essen. Wenn sie vor Donnell flohen, würde Annora sehr wahrscheinlich nicht einmal diese schlichten Bedürfnisse befriedigen können. Sie gab es zwar nur ungern zu, doch sie steckten in der Falle: Wenn sie am Leben bleiben wollten, mussten sie sich mit Donnells brutaler Herrschaft abfinden. Sie musste sich einfach noch stärker mühen, niemals Donnells Aufmerksamkeit auf sich zu lenken oder seinen Zorn zu erregen. Bislang hatte sie das getan, um Schläge zu vermeiden, doch die neue Drohung schreckte sie mehr als Donnells brutale Wutausbrüche. Donnells Fäuste verletzten nur ihren Körper, doch wenn er sie fortschickte und sie Meggie zurücklassen musste, würde es ihr das Herz zerreißen.

»Wir machen einen kleinen Spaziergang außerhalb der Ringmauer und genießen die Schönheit, die der Frühling stets über das Land bringt«, erklärte Annora, nahm die kleine Hand des Kindes und machte sich auf den Weg aus der Großen Halle. Im Stillen wünschte sie, eines Tages eine Möglichkeit zu finden, mit Meggie an ihrer Seite einfach weiterzugehen, über die Mauern von Dunncraig hinaus, über seine Grenze hinaus, und weit, weit weg von der Angst, die zu ihrer ständigen Begleiterin geworden war.

***

James bemühte sich nach Kräften um eine ausdruckslose Miene, als er Donnell so kalt mit Annora sprechen hörte. Obwohl Annoras Gesichtsausdruck bei MacKays Drohung, ein neues Kindermädchen zu finden, nur wenig verriet, gelang es ihr doch nicht gänzlich, ihre Bestürzung zu verbergen. James hatte diese kurz in ihren Augen aufflackern sehen, und er hatte auch bemerkt, wie Annoras gesunde rosige Gesichtsfarbe schlagartig verblasste. Alles wies darauf hin, dass Annora MacKay nicht von Meggie getrennt werden wollte. Und der selbstzufriedene Ausdruck auf Donnells Gesicht, als Annora ging, sagte James, dass der Mann das wusste und sich über den Erfolg seiner Drohung freute.

»Ich fürchte, meine Cousine denkt oft, sie sei mehr, als sie ist«, sagte Donnell.

»Mehr, als sie ist?«, murmelte James und hoffte, dass, wenn er wenig sprach, die Leute nicht merkten, dass er kein Franzose war.

»Aye, mehr als der Bastard einer meiner Verwandten. Ich habe dieser Maid freundlich mein Haus geöffnet und ihr die begehrte Stellung eines Kindermädchens für meine Tochter gegeben, aber Annora versucht noch immer, sich so aufzuführen, als sei sie mir ebenbürtig; als sei sie eine legitime, echte Lady.«

James musste die Hände fest hinter dem Rücken verschränken, um dem Drang zu widerstehen, Donnell MacKay zu schlagen. Schon für die Art, wie dieser Mann über Annoras Herkunft sprach, hätte er die Fäuste verdient. James hatte zwar bislang noch nicht viel gesehen oder gehört, doch schon das wenige hatte ihm gezeigt, dass Annora MacKay alles besaß, was eine echte Lady auszeichnete. Er war sich zwar noch nicht sicher, ob er ihr voll und ganz vertrauen konnte, aber es hatte ihn immer erzürnt, wenn einem Menschen die Sünden seiner Eltern zum Vorwurf gemacht wurden.

Doch dass Donnell Meggie als seine Tochter ausgab, erzürnte ihn noch weit mehr. Am liebsten hätte er den Mann auf der Stelle umgebracht – was ihn allerdings ziemlich beunruhigte. Er hatte sich nie für blutrünstig gehalten, und er hatte auch gedacht, dass er gelernt hatte, sein Temperament zu zügeln.

Doch es war nicht Selbstbeherrschung, die ihn davon abhielt, sich auf MacKay zu stürzen und die Hände um dessen feisten Hals zu legen. Er musste erst seine eigene Unschuld beweisen, bevor er sich an diesem eitlen Mann rächen konnte. Das hielt er sich vor Augen, bis seine Wut auf eine kontrollierbarere Stufe abklang. Sobald die Belegung mit der Acht zurückgenommen war, würde er die Gerechtigkeit einfordern, nach der er sich sehnte. Wenn er MacKay jetzt das Genick brach, würde er sich zwar ein Weilchen besser fühlen, aber er wusste, dass diese Befriedigung nur sehr flüchtig sein würde. Sie könnte ihn sehr wohl um die Gelegenheit bringen, seinen Namen reinzuwaschen. Seine Tochter und Dunncraig zurückzubekommen und wieder als freier Mann zu leben waren weitaus wichtigere Ziele als MacKays Gurgel.

»Das Kind scheint sie zu mögen«, war alles, was James dazu zu sagen wagte.

»Na ja, aber was weiß ein Kind von fünf Jahren denn schon? Sie ist ja noch ziemlich klein.«

James nickte nur stumm, er wollte lieber nichts mehr sagen. Er war sehr zufrieden gewesen, wie schnell MacKay ihn nach Dunncraig beordert hatte. Es hatte nur eine Woche gedauert, und James vermutete, dass MacKay die meiste Zeit damit zugebracht hatte, sich zu überlegen, womit er James beauftragen würde. Es hatte nur einen Herzschlag gedauert, und James hatte gemerkt, dass der Umgang mit MacKay seine ganze Selbstbeherrschung erfordern würde.

Selbst wenn Donnell MacKay nicht sein Leben zerstört hätte, wusste James, dass er diesen Mann nicht mögen konnte. MacKays Besuche auf Dunncraig, als Mary noch am Leben war, hatten viel zu spät den wahren Charakter dieses Mannes enthüllt; es hatte damals immer nur Andeutungen gegeben. Donnell MacKay war brutal, eitel und bestechlich. Es wunderte James, dass noch niemand versucht hatte, den Mistkerl zu töten; vermutlich war es vor allem seiner animalischen Verschlagenheit zu verdanken, dass er noch lebte.

»Kommt mit, ich zeige Euch, wo Ihr wohnen und arbeiten werdet«, sagte MacKay und schickte sich an hinauszugehen. »Ich habe schon schönes Holz für Euch besorgt.«

Während James MacKay folgte, hielt er Ausschau nach den Männern, die MacKay als Burgwache dienten. Nur wenige der Männer, die James gedient hatten, waren noch auf Dunncraig. Das könnte die Sache schwierig machen, aber James hatte schon damit gerechnet. Ein Mann wie MacKay wählte seine Burgbesatzung selbstverständlich sehr sorgfältig aus.

Nachdem James die Werkstatt begutachtet hatte, die ihm zugewiesen worden war, und auch das Holz, das MacKay ausgesucht hatte, ließ sich James häuslich nieder. Der kleine Raum befand sich in einem der Türme des Keeps. James musste seine freudige Verwunderung darüber verbergen, dass er ein Zimmer im Keep bekommen hatte. Früher hatte dieser Raum als Lager gedient. James fragte sich, wohin die Sachen geschafft worden waren, die sich hier befunden hatten. Doch gleich darauf fluchte er halblaut. So wie MacKay sich an allem bediente, ohne einen Gedanken an die Zukunft zu verschwenden, waren Tuchballen, Garn und andere nützliche Dinge für den Haushalt mittlerweile wohl aufgebraucht und nie ersetzt worden. Es würde eine Weile dauern und viel Geld kosten, um all das zu ersetzen, was durch McKays Maßlosigkeit verschwunden waren.

In dem Raum gab es nur eine kleine, schmale Bogenschießscharte als Fenster und eine Pritsche als Lagerstatt sowie eine kleine Kohlenpfanne, um ein Feuer zu machen. Auf einem grob gezimmerten Tisch in einer Ecke stand Waschgeschirr, ein Krug Wasser mit einer Schüssel. MacKay betrachtete Rolf Lavengeance offenkundig als jemanden, der über den Gemeinen stand. Wenn er nicht so verbittert gewesen wäre, hätte James darüber gelacht.

Doch nun schüttelte er erst einmal die finsteren Gedanken ab und verstaute seine wenigen Habseligkeiten in der kleinen ramponierten Truhe neben der Pritsche. Da es noch recht früh war, kehrte er noch einmal in die Werkstatt zurück, die MacKay für ihn hatte einrichten lassen. In dem Raum hatten einst die Frauen die Wäsche gewaschen, zudem hatte der Raum als Badestube gedient. Die Frauen hatten hier leichten Zugriff auf heißes Wasser, sie waren geschützt vor dem Wind oder der heißen Sonne, wenn sie die Kleider schrubbten, und außerdem mussten sie das Wasser nicht eimerweise ins Obergeschoss schleppen, wenn jemand von der Herrschaft ein Bad nehmen wollte. James hoffte, dass der Verlust dieses Raums dem Gesinde nicht zu viel Verdruss bereitete. Wenn er seine Unschuld beweisen wollte, durfte er sich die Knechte und Mägde nicht zu Feinden machen. Es würde ihm viel helfen, wenn sie sich ungezwungen mit ihm unterhielten.

Einen Vorteil hatte dieses Arrangement jedoch – man würde nicht von ihm erwarten, in diesem Raum zu baden. Da er sich weitaus häufiger badete und wusch als ein Gemeiner, versuchte James, sich eine Erklärung für diese Absonderlichkeit zurechtzulegen; aber vielleicht würden die Leute ja glauben, es käme daher, dass er Franzose war. Doch sich im eigenen Zimmer zu waschen bedeutete auch, dass er seine Privatsphäre wahren konnte – wieder etwas, was den Leuten vielleicht seltsam vorkam. Doch er musste es wohl oder übel riskieren, als Sonderling zu gelten. Jedenfalls konnte er es sich nicht leisten, dass ihn jemand nackt sah.

Er öffnete die breite, schwere Tür, die nach draußen führte, und freute sich über das Licht eines ungewöhnlich sonnigen Tages. Der Garten hinter der Küche war bereits bepflanzt, und James sog tief den Duft der feuchten Wäsche ein, die an den Leinen wehte, auf denen sie hing. Solche Dinge hatte er früher kaum bemerkt, doch jetzt erfüllten sie ihn mit einem Gefühl der Heimkehr und bestärkten ihn in seiner Entschlossenheit, Dunncraig Donnell MacKays gierigen Händen zu entreißen. Dunncraig war sein, James’, Heim, und er hätte sich nie daraus vertreiben lassen dürfen.

»Nun, offenbar genießt Ihr die Annehmlichkeiten Eurer Werkstatt. Einen schönen Arbeitsraum habt Ihr bekommen, findet Ihr nicht auch?«

James drehte sich langsam zur Besitzerin dieser verdrossenen Stimme um und erstarrte erst einmal vor Angst, erkannt zu werden. Hinter ihm stand Big Marta und funkelte ihn finster an, die dünnen, doch kräftigen Arme vor der schmalen Brust verschränkt. Eigentlich hätte er wissen müssen, dass seine Bewaffneten zwar verschwunden waren, doch nicht alle Dienstboten. Big Marta war eine ausgezeichnete Köchin, es war also kein Wunder, dass MacKay sie behalten hatte. Leider war sie auch die Person, die James am längsten und besten kannte. Er hoffte, dass ihre dunklen Augen schmaler wurden, weil ihr Ärger wuchs, und nicht, weil sie etwas an ihm erkannt hatte.

»Es war nicht meine Wahl, eh?«, murmelte er schulterzuckend.

Big Marta verdrehte die Augen. »Na toll! Ihr beherrscht nicht mal unsere Sprache richtig, stimmts? Und dabei hatte ich mir gedacht, irgendwas an Euch käme mir bekannt vor. Aber das kann wohl nicht sein, denn ich kenne keine Franzosen. Wollte auch nie welche kennenlernen. Vermutlich kann ich Euch die Wahl dieses Raums nicht vorwerfen«, fuhr sie seufzend fort. »Das ist nur wieder mal was, was dieser Narr getan hat, um uns das Leben noch schwerer zu machen.« Sie verzog das Gesicht. »Könnt Ihr wenigstens ein bisschen mehr von unserer Sprache verstehen, als Ihr sprecht?«

»Oui.«

»Da Ihr nickt, heißt das wohl aye.«

»Aye.«

»Na ja, Ihr seid ein gut aussehender Bursche, also sag ich Euch, was ich auch den anderen schon gesagt hab: Haltet Euch von den Mädchen fern, die für mich arbeiten. Es ist auch so schon schwer genug, all die Arbeit zu erledigen, ohne dass Ihr oder diese Narren, die MacKay um sich versammelt hat, hinter allen Röcken auf Dunncraig her sind. Denkt daran, wenn ich etwas dergleichen herausfinde, dann bekommt Ihr es mit mir zu tun!«

James nickte abermals. Dieses Versprechen fiel ihm nicht schwer. Nach über drei Jahren Enthaltsamkeit verlangte es ihn zwar heftig nach einer Frau, aber das Risiko, dass seine Tarnung aufflog, war einfach zu groß. Davor hatte ihn das Risiko, verraten oder überrumpelt zu werden, davon abgehalten, sich eine Geliebte zu nehmen. Nicht einmal eine Schankmaid, die einem Mann für Geld Entspannung schenkte und danach vergessen wurde, hatte ihn in Versuchung geführt. Selbst wenn er die Freiheit besessen hätte, sich gehen zu lassen, hätte er es nicht mit einer Magd getan, die innerhalb der Mauern von Dunncraig arbeitete. Das hatte er nie getan. Es war eine Regel, die seine Pflegeeltern ihm und seinen Pflegebrüdern beigebracht hatten und auf deren Einhaltung sie großen Wert gelegt hatten.

»Firn. Ich bin mir nicht sicher, ob ich Euch mehr trauen soll als MacKays Spießgesellen, aber wir werden sehen.« Big Marta musterte den Raum. »Und was will der Narr nun von Euch?«

»Ich soll für ihn schnitzen.« James deutete auf das Holz und die Werkzeuge. »Mein Pokal hat ihm gefallen.«

»Aha, verstehe. Das ist ja auch ein sehr schöner Pokal, gute Arbeit, sehr gute Arbeit. Hab nie eine bessere gesehen. Noch mehr schöne Sachen für unseren großen Laird. Die Kleinen können sich ruhig heiser schreien vor Hunger, der in ihren kleinen Bäuchen wütet, doch MacKay wird einen schön geschnitzten Stuhl bekommen, auf den er seinen Hintern pflanzen kann, und einen hübschen Pokal, aus dem er Wein in seinen gierigen Schlund schütten kann.« Sie schüttelte den Kopf, und ihr ergrauendes braunes Haar tanzte mit. »Aber haltet Euch von meinen Mädchen fern und seht zu, dass die Unordnung sich auf diesen Raum beschränkt. Ich will keine Holzspäne und Ähnliches in meiner Küche!«

Nach diesem Wortschwall verschwand sie, bevor James abermals nicken konnte. Er atmete erleichtert auf. Wenn sie doch etwas Bekanntes an ihm entdeckt hatte, würde sie es für sich behalten.

Er fuhr über ein großes Stück Eichenholz. Das würde Teil einer der reich verzierten Kamineinfassungen werden, die MacKay unbedingt haben wollte. James hatte nichts gegen diese Arbeit; früher hatte er oft gestöhnt, dass ihm die Zeit für die Schnitzerei fehlte, die er schon immer recht geschickt beherrschte. Während er nach einem Beweis suchte, um Dunncraig von MacKay zu befreien, konnte er ja vielleicht einiges fertigen, von dem er oft geträumt hatte. MacKay sollte ruhig denken, dass alles seiner eigenen Erhöhung diente, aber James würde sehr zufrieden sein mit seinen Werken, wenn er wieder frei und Laird von Dunncraig war.

»Ich brauche nur ein bisschen Zeit und ein bisschen Glück«, flüsterte er halblaut, während er das Stück Holz begutachtete und darüber nachdachte, welche Verzierung er schnitzen sollte.

Gerade, als er eines der Werkzeuge zur Hand nehmen wollte, die ausgebreitet vor ihm lagen, stampfte Big Marta wieder herein. Sie knallte ein Brett mit Brot und Käse auf den Tisch, dann betrachtete sie James. Er spürte, wie ihm der Schweiß über den Rücken rann, als die Frau ihm direkt ins Gesicht starrte und in ihren klaren, klugen Augen ein amüsiertes, zufriedenes Glitzern auftauchte.

»Ich glaube, Ihr braucht Eure Kraft für alles, was vor Euch liegt, Junge«, sagte sie und marschierte hinaus.

James starrte auf das Essen und den Humpen Ale. Sie wusste Bescheid, daran hatte er jetzt keinen Zweifel mehr. Die Frage war nur, wie war sie darauf gekommen? Er war sicher, dass seine Tarnung gut war. Big Marta kannte ihn sehr lange, aber auch Edmund und Ida kannten ihn schon eine Weile, und sie hatten seine Tarnung für sehr gut befunden.

»Am besten haltet Ihr den Blick ein wenig mehr gesenkt. Eure grünen Augen, die vergisst eine Frau nicht so schnell.«

Er drehte sich um, entdeckte jedoch nur noch einen wehenden Rockzipfel, während Big Marta in ihre Küche zurückeilte. Er fluchte leise. Offenbar reichte die Augenklappe nicht aus. Nun musste er sich wohl oder übel zurückhalten und den Schüchternen bei jedem Mädchen spielen, das versuchte, mit ihm zu reden, zumindest bei denen, die auf Dunncraig gewesen waren, als er hier der Laird war. Wenn all das vorbei war, würde sich seine Familie köstlich darüber amüsieren.

Er musste so tun, als sei er schüchtern, sogar voller Scheu vor Frauen, der Landessprache nicht ganz mächtig, und er durfte nichts von der Liebe zeigen, die er für sein Kind empfand. Auch musste er den Dienstboten spielen und den Mann, der sich vorgenommen hatte, ein enthaltsames Leben zu führen. Darüber hinaus konnte er MacKay nicht einfach umbringen, wie er es am liebsten getan hätte, sondern musste Beweise für die Verbrechen dieses Mannes finden. James beschlich das Gefühl, eine Last geschultert zu haben, die er nicht weit würde tragen können. Er hoffte nur, dass er seine Unschuld rasch beweisen konnte, denn all diese Spielchen würden ihn so verrückt machen, dass ihm bald alles egal sein würde.

Kapitel 3

»Was macht Ihr da?«

James war froh, dass er gerade nichts schnitzte. Die süße, hohe Stimme des Kindes war ihm so vertraut, und er hatte sich so lang nach ihrem Klang gesehnt, dass ihm dabei vielleicht das Messer ausgerutscht wäre und er das große Stück der Kamineinfassung, an dem er gerade arbeitete, womöglich böse verunstaltet hätte. Langsam drehte er sich um und sah auf die kleine Meggie. Er musste die Fäuste ballen, um dem heftigen Drang zu widerstehen, dem Kind die dicken wirren Locken aus dem Gesicht zu streichen. Er war jetzt schon eine gute Woche auf Dunncraig, doch es war das erste Mal, dass Meggie zu ihm kam und er mit ihr reden konnte.

»Ich mache die Einfassung für einen Kamin«, erwiderte er.

Meggie kam vorsichtig in die Werkstatt und beobachtete James wachsam. James tat dieser Blick in der Seele weh. Meggie war immer ein fröhliches, vertrauensseliges Kind gewesen. Das Kind hatte auf Dunncraig unter Donnell MacKay offenkundig gelernt, wachsam und ängstlich zu sein. Wachsam zu sein schadete keinem Kind, aber Angst, vor allem innerhalb des eigenen Zuhauses, sollte ein Kind nicht haben. James hegte nicht den geringsten Zweifel, dass MacKays Jähzorn diese Angst bei Meggie wie auch bei vielen anderen auf Dunncraig ausgelöst hatte.

Er setzte es auf die lange Liste der Verbrechen, für die Donnell MacKay bezahlen sollte.

»Ich schnitze die Kamineinfassung für das Schlafzimmer des Herrn, oui?«, wiederholte er, als sie vor ihm stand und ihn mit gerunzelter Stirn betrachtete.

»Ach, ich habe Euch schon verstanden, Sir, auch wenn Ihr ein bisschen komisch redet. Aber ich habe mich gefragt, warum Sir MacKay Euch das tun lässt. Er hat doch schon eine Kamineinfassung, oder? Er braucht keine neue.« Meggie trat näher an das Holz, an dem James gerade gearbeitet hatte. »Das ist sehr hübsch.«

»Du bist sehr freundlich.« Er lächelte, als sie kicherte, und verschränkte die Hände hinter dem Rücken, um Meggie nicht doch spontan zu umarmen. »Warum sagst du Sir MacKay? Ist er denn nicht dein Papa?«

»Das sagt er zwar jedem, doch es stimmt nicht.« Meggie wirkte plötzlich unruhig. »Aber Ihr dürft niemandem verraten, dass ich das gesagt habe.«

»Nein, natürlich nicht. Es ist unser Geheimnis, oui?«

»Aye, unser Geheimnis. Ich weiß, dass er meine Mutter geküsst hat, aber das macht ihn noch lange nicht zu meinem Vater. Er hat viele Frauen geküsst. Mein Da war schön und freundlich und hat gelacht und gelächelt. Sir MacKay schreit die Leute nur an und schlägt sie. Er ist überhaupt nicht nett.«

James war verdutzt über die Worte »Ich weiß, dass er meine Mutter geküsst hat«. Er musste sich erst einmal fassen, bevor er auf Meggies Vertraulichkeiten reagieren konnte. »Non, Küssen macht einen Mann nicht zu einem Papa. Wo ist dein Kindermädchen?«

»Annora? Sie arbeitet im Garten. Siehst du?« Meggie hielt ihre schmutzigen Hände hoch. »Ich habe ihr geholfen, aber ich habe Durst bekommen. Big Marta hat mir etwas zu trinken gegeben. Warum glaubt Ihr, heißt sie Große Marta? Sie ist überhaupt nicht groß, eher ziemlich klein.«

»Ich glaube, der Name ist so etwas wie ein Scherz, oui? Etwas, bei dem die Leute lächeln.«

»Ach so. Machen sie sich über sie lustig? Glaubt Ihr, das macht sie traurig?«

»Non. Ich denke, sie trägt den Namen zu Recht, eh? Sie hat ein großes Herz, oui?«

Meggie nickte lächelnd, wobei ihre dicken Locken einen wilden Tanz um ihren Kopf aufführten. »Sie ist wirklich sehr stark, und jeder macht, was sie anordnet.« Sie sah wieder auf das Holz, an dem James arbeitete. »Das ist sehr, sehr schön. Darf ich es anfassen, wenn ich saubere Hände habe?«

»Oui. Ich bin die meiste Zeit hier und arbeite. Du kannst mich besuchen, wann immer du willst.«

»Meggie!«, rief jemand laut.

»Das ist Annora. Ich gehe jetzt lieber zu ihr zurück, sie macht sich Sorgen um mich, müsst Ihr wissen.«

Bevor James etwas sagen konnte, war Meggie schon verschwunden. Er starrte auf die Türschwelle, über die sie gerade geeilt war, doch er sah nichts. Seine Gedanken nahmen ihn so in Anspruch, dass er blind und taub war gegenüber allem anderen.

Die unschuldig geäußerten Worte seines Kindes hämmerten in seinem Kopf.

Ich weiß, dass er meine Mutter geküsst hat.

James versuchte, sich einzureden, dass sich Meggie das bestimmt nur eingebildet hatte; schließlich war sie erst zwei gewesen, als Mary starb. Ein Kind in diesem Alter konnte unmöglich wissen, was es gesehen hatte, und sich drei Jahre später daran erinnern. Dennoch konnte er nicht aufhören, über diese Worte nachzugrübeln.

War Mary ihm untreu gewesen? Das konnte er sich kaum vorstellen. Mary war enorm schüchtern gewesen, sie war schon bei der zurückhaltendsten Form des Liebemachens errötet und erstarrt. Er hatte nicht glauben wollen, dass ihr seine Berührungen unangenehm waren, und hatte gehofft, dass sie nach ein paar Jahren anfangen würde, die intime Seite ihrer Vereinigung mehr zu genießen. Jetzt musste er überlegen, ob das, was er immer für übergroße Schüchternheit gehalten hatte, in Wahrheit Abneigung gewesen war – Abneigung, weil Mary einen anderen Mann geliebt hatte.

James packte die Ahle in seiner Hand so fest, bis er fast einen Krampf bekam. Er hatte nie verstanden, warum Mary Donnell MacKay offenbar mochte, aber vielleicht hätte er genauer hinsehen sollen. Es fiel ihm schwer, sich vorzustellen, dass er zum Narren gehalten worden war, aber es war an der Zeit, seine kurze Ehe kritischer zu betrachten. Obwohl es ihn hart ankam, dass die Mary, die er gekannt hatte, eine Rolle bei seiner Zerstörung gespielt haben könnte, wusste James, dass er diese Möglichkeit nicht außer Acht lassen durfte.