Der stotternde Kuckuck am Schwielowsee - Adrian Edeland - E-Book

Der stotternde Kuckuck am Schwielowsee E-Book

Adrian Edeland

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Beschreibung

Dieser Kriminalroman erzählt die Geschichte eines perfekten Mordes. Durch Erpressung einiger Männer zieht sich das Opfer deren Zorn zu. Sie entwickeln einen ausgeklügelten Plan, sich von ihrem Peiniger zu befreien. Der stotternde Kuckuck lebt am Schwielowsee, in der Nähe von Potsdam. Das ist der Schauplatz des Geschehens. Der Kuckuck wird der einzige Zeuge sein, der den Hergang der Tat miterlebt. Das Psychogramm des Erpressers beschreibt eine bizarre Persönlichkeit zwischen schwerer Störung, krimineller Energie und Realitätsverlust. Seine Opfer wissen sich nicht anders zu helfen, als ihn aus dem Weg zu räumen.

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Liebe Leser,

dieser Kriminalroman ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten zu existierenden Personen oder Begebenheiten, mögen dem einen oder anderen Leser realistisch erscheinen. Aber das ist bestimmt nur eine Täuschung!

Die Handlung selbst und natürlich alle Personen, sind völlig frei erfunden und die Geschichte ist so natürlich nie geschehen.

Mögen alle Leser ihren Spaß haben und genügend Spannung erleben.

Ihr Adrian Edeland

Inhaltsverzeichnis

Teil I

Kapitel 1: Einen Anfang gibt es nicht

Kapitel 2: Eine Leiche und Ermittlungen

Kapitel 3: Der erste Ermittlungsschritt

Kapitel 4: 4 Freunde, 1. Klaus Machner

Kapitel 5: 4 Freunde, 2. Peter Berges

Kapitel 6: 4 Freunde, 3. Paul Cordelius

Kapitel 7: 4 Freunde, 4. Thomas Malecki

Kapitel 8: Die ersten Indizien

Kapitel 9: Erpressungsgründe

Kapitel 10: Die unbekannte Beziehung

Kapitel 11: Der Fall wird kein Fall

Teil II

Kapitel 12: Gedanken nach dem Minigolf

Kapitel 13: Kontaktaufnahmen

Kapitel 14 Die Mitwisser

Kapitel 15: Die Verschwörung beginnt

Kapitel 16 Der Vorlauf

Kapitel 17: Die Vorbereitung

Kapitel 18 Alles nach Plan

Kapitel 19: Die Ausführung

Kapitel 20: Schlusswort von Thomas

Kapitel 21 Schlusswort von Klaus

Kapitel 22: Schlusswort von Paul

Kapitel 23: Schlusswort von Peter

Kapitel 24: Tod und Alibis

Teil I

Kapitel 1 Einen Anfang gibt es nicht

Tatsächlich beginnt die Geschichte einfach irgendwann. Ohne einen richtigen Anfang. Ganz einfach jetzt, im Augenblick.

Der stotternde Kuckuck ist keine Erfindung, es gibt ihn wirklich. So hört er sich ungefähr an: Statt "Kuckuck, Kuckuck" mit den beiden bekannten Tönen zu rufen, klingt er wie "Kukukuckuck, Kukukukukukukuck". Bei seinem 2. und langen Wort hebt er seine Stimme an, bis er endlich bei der Endsilbe wieder den richtigen Ton erwischt. Jeder der ihn hört, muss unweigerlich schmunzeln. Die Komik dieses missglückten Vogelrufes offenbart sich erst, wenn man es selbst einmal laut ausspricht. Einen Versuch, liebe Leser, ist es allemal wert.

Dieser stotternde Kuckuck ist der einzige Zeuge in der Geschichte. Nur er kann Auskunft darüber geben, ob ein ausgeklügeltes Verbrechen vorliegt, oder nicht. Aber den Kuckuck kann niemand befragen. Dennoch, nur er hat miterlebt, wie eine Leiche abtransportiert wurde. Der Kuckuck weiß sogar, wer sie transportiert hat und ob noch jemand dabei geholfen hat. Der Polizei ist das natürlich keine Hilfe. Sie muss durch Befragung der Bezugspersonen der aufgefundenen Leiche ihre Untersuchung führen. Die Kunst dabei wird es sein, die richtigen Fragen zu stellen.

Die Handlung trägt sich am Schwielowsee in der Nähe von Potsdam zu. Rund um den See und angrenzenden anderen Gewässern, findet sich eine beschauliche und romantisch gelegene Umgebung. Es ist ein beliebter Landstrich für Feriengäste und Camper. Zahlreiche Boote sind in der wärmeren Jahreszeit auf dem See unterwegs. Der berühmte Albert Einstein lebte einst hier in der Nähe.

Es ist nun an der Zeit, sich mit den Figuren des Falles zu beschäftigen. Im Laufe der Entwicklungen kommen weitere hinzu, andere verschwinden in der Bedeutungslosigkeit. Nicht jeder ist so wichtig, dass er genau beschrieben werden müsste.

Das Verbrechen, um das es geht, ist ein Mord. Er wurde nicht als Mord bestätigt, es gab Verdächtige und Motive. Es gab mehr oder minder gute Alibis und es fehlten verwendbare Spuren. Offensichtlich hat sich der Täter viel Mühe gemacht, seine Untat geschickt zu verschleiern. Oder waren es vielleicht mehrere?

Nur der Autor weiß, was geschehen ist. Dieses Buch wird nun die ganze perfide Geschichte schildern. Eigentlich kann das ja nur der Täter - doch das bin ich nicht. Ich bin nur der Autor, der sich diese besondere Geschichte und natürlich die handelnden Personen ausgedacht hat.

Wir lernen Menschen kennen, deren Beziehungen untereinander, miteinander und gegeneinander verwoben sind. Die Protagonisten sind alle irgendwie kompliziert und individuell. Sie sind durch etwas verbunden, was ihnen entweder nicht bewusst ist, oder was sie lieber verdrängen, weil sie nicht darüber sprechen möchten. So hat es zumindest den Anschein.

Irgendwann entstehen daraus die folgenden furchtbaren Geschehnisse. Ist die Überlegung, einen Mord zu planen und zu begehen, irgendwo von irgendwem auf dem Weg dieser Menschen in ihrem Zusammenwirken entstanden? Aber wer weiß heute noch, an welcher Stelle genau? Es gibt viele Einzelheiten zu betrachten. Kleine Irrtümer oder Versehen können zu überraschenden Änderungen führen. Es kommt auf Details an. Natürlich spielen Planung und vorausschauendes Denken eine große Rolle.

Die Geschichte besteht aus zwei Teilen. Im Teil 1 versucht die Polizei einen Leichenfund aufzuklären. Seltsame Dinge kommen bei Befragungen möglicher Zeugen ans Licht. Einige Personen verhalten sich seltsam und sie berichten von bemerkenswerten Vorgängen rund um den aufgefundenen Toten. Der Verdacht einer Straftat ist nicht von der Hand zu weisen.

Im Teil 2, den man nur richtig begreift, wenn man Teil 1 gelesen hat, wird der Tathergang beschrieben. Der Tathergang für einen perfekten Mord. Und nur der stotternde Kuckuck war Zeuge.

Fangen wir also an. Und zwar mit dem Ende. Dem Ende von Markus Kleinert.

Kapitel 2 Eine Leiche und Ermittlungen

Wie fast jeden Morgen spazierte Laura Heitholm am Sonntag mit ihrem Golden Retriever morgens gegen 7:00 Uhr im Ortsteil Ferch die Uferpromenade am Schwielowsee entlang. Es war einer jener schönen warmen Tage, die sie so liebte. Der Kalender zeigte noch den Anfang des Wonnemonats Mai und viele Vögel veranstalteten ein fröhliches Konzert in den Zweigen der Bäume.

Die ersten wärmenden Sonnenstrahlen waren angenehm zu spüren, denn die Sonne erhob sich bereits am Horizont und tauchte den Schwielowsee in helles Licht. Ein leichter auflandiger Wind wehte aus Osten, der aber nicht unangenehm war. Die Natur war aus dem Winterschlaf erwacht und überall regte sich die Vegetation. Der Hund tollte übermütig umher, trottete dann wieder gelangweilt neben seiner stolzen Besitzerin.

Entgegen der Hinweise auf den Schildern der Gemeinde hatte Laura Heitholm ihren Hund nicht angeleint. Sie hielt das nicht für nötig, da sie fast allein um diese Uhrzeit unterwegs war. Sie war in dieser Hinsicht wie viele Hundehalter. Dem eigenen Lieblingstier traute man keine Untaten zu. Sobald ein Jogger oder Radfahrer näherkam, rief sie nur einen kurzen Befehl und der brave Hund würde sofort zu ihr kommen. Die Gemeinde hatte beim Aufstellen der Schilder aber mehr im Sinn gehabt. Die Tiere am See sollten geschützt werden. Enten und Wildgänse kamen oft ans Ufer und im dichten Schilf nisteten auf den sumpfigen Böden viele Vögel. Die Hunde sollten deren natürlichen Lebensraum nicht stören. Doch so etwas kam in der Gedankenwelt von Laura Heitholm nicht vor. Sie hatte nur das Wohlergehen ihres Hundes im Sinn.

An einer der Stellen, an der die Uferpromenade hoch zur Straße nach Werder und Ferch führt, rannte das Tier zum Ufer und platschte mit Tempo in das flache Wasser am dichten Schilf. Einige Enten ergriffen die Flucht. Etwa fünf Meter lief der Retriever vom Ufer ins flache Wasser und wandte sich nach links, wo das Schilf begann. Dort blieb der Hund wie angewurzelt stehen und begann zu bellen. Frau Heitholm erkannte am Tonfall des Gebells sofort, dass dort zweifellos etwas Ungewöhnliches sein musste. Sie folgte ihrem Hund bis ans Ufer und sah mit Entsetzen, was die Aufmerksamkeit des Tieres geweckt hatte. Vor dem Schilf trieb, mit dem Rücken nach oben, eine Leiche im seichten Wasser. Offensichtlich ein Mann.

Erschreckt und fast in Panik rief sie energisch den Hund zu sich, nahm ihn an die Leine und hielt ihn fest. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Was war nun zu tun? Weitergehen? Hilfe holen? Hilfe? Wozu? Man musste wahrlich kein Arzt sein, um hier die richtige Diagnose zu stellen. Polizei! Aber welche? Wasserschutzpolizei oder die normale? Egal. Es musste jemand benachrichtigt werden! Die Notfallnummer 110 dürfte wohl immer passen.

Sie kramte ihr Mobiltelefon aus der Jackentasche und tippte mit zittrigen Fingern den Notruf. Es läutete kurz und eine Frauenstimme meldete sich. Laura Heitholm erzählte aufgeregt, dass sie soeben eine Leiche im Wasser gefunden hatte. In ihrer Aufregung brachte sie die Informationen nicht geordnet vor. Es war ein hektisches Durcheinander von Fakten und Eindrücken. Die Beamtin am anderen Ende unterstützte durch strukturiertes Vorgehen. Sie fragte sachlich, kurz und bündig einige Fakten und den genauen Fundort ab. Dann bat sie Frau Heitholm um ihren Namen und wies sie an, bis zum Eintreffen der Polizei vor Ort zu bleiben. Ein Einsatzwagen sei unterwegs. So geschah es.

Die Polizeisirene war schon nach einigen Minuten zu hören und wurde schnell lauter. Ein Streifenwagen näherte sich aus Richtung Werder. Laura Heitholm war die etwa 75 Meter zur Straße hinaufgelaufen und winkte dem Fahrer, um auf sich aufmerksam zu machen. Die beiden Beamten folgten ihr rasch zum Ufer und begutachteten die Szene. Zwei Jogger kamen vorbei, warfen jedoch nur neugierige Blicke in Richtung des Ufers mit den Beamten. Sie setzten ihren Lauf fort, ohne den Grund für den Polizeieinsatz zu erkennen.

Während der eine Polizist über Funk Bericht erstattete und weitere Kräfte zur Spurensicherung anforderte, begann der andere mit der Absperrung des Uferbereiches. Er riegelte mit Flatterband das Umfeld um den Toten ab, das er aus dem Kofferraum des Streifenwagens holte. Der Fundort sollte möglichst unverändert untersucht werden können.

Bis zum Eintreffen weiterer Beamte, nutzten die Polizisten die Zeit. Sie kümmerten sich um Laura Heitholm und ließen sich genau schildern, wie sie ihren grausigen Fund entdeckt hatte. Einer der beiden schrieb ihre Aussage mit.

Nachdem Laura Heitholm zum Auffinden des Toten befragt worden war, wurden ihre Personalien von den Beamten aufgenommen. Dann durfte sie gehen. Sie wollte jetzt nicht nach Hause. Sie brauchte nun unbedingt die Anwesenheit einer Freundin. Dieser Morgen musste zunächst einmal verarbeitet werden. Und etwas zu erzählen hatte sie schließlich ebenfalls. Der Tag an sich war ihr zwar verdorben, aber im Leben einer 72-jährigen Witwe passierte nicht mehr jeden Tag etwas mit derartigem Sensationscharakter. Also machte sie sich auf den Weg zu ihrer langjährigen Freundin, Luise Borgner. Luise hatte ihre Wohnung in Ferch, „Am Dorfweg 4". Das war nur fünf Minuten zu Fuß entfernt. Den Hund durfte sie immer mitbringen, wenn sie dort einen Besuch machte. Luise mochte den Hund leiden und der Hund sie ebenfalls. Vor allem, weil er unablässig von ihr gestreichelt wurde.

Mittlerweile war außer mehreren Zivilbeamten ein Fahrzeug der Gerichtsmedizin Potsdam eingetroffen. Ein Arzt war vor Ort und stellte offiziell den Tod des mittlerweile aus dem Wasser geborgenen Mannes fest. Die Spurensicherung erkannte, dass die Leiche nicht an dieser Stelle auf dem Landweg ins Wasser gebracht worden war. Sie war über Nacht angetrieben worden. Der Einsatz der Spurensicherer war daher bald beendet.

Mit zahlreichen Fotos wurde der Zustand des Tatortes und der Leiche für die weiteren Ermittlungen dokumentiert. Der Tote wurde in einen Plastiksack mit Reißverschluss gepackt und in einem Zinksarg abtransportiert. Die für die Untersuchung kurzzeitig komplett abgesperrte Uferpromenade wurde wieder geöffnet, nachdem die Freigabe durch den Gerichtsmediziner und die Spurensicherung signalisiert worden war.

Der Polizeieinsatz war nicht unbemerkt geblieben und hatte Publikum angelockt. Da in dieser Biegung der Uferpromenade ein Mehrfamilienhaus steht, dessen Bewohner direkt auf den Uferbereich sehen können, hatte sich eine Schar Schaulustiger und Anwohner eingefunden. Die Beamten befragten alle Bewohner der Wohnanlage, ob sie vielleicht eine Beobachtung im Zusammenhang mit dem Leichenfund gemacht hätten. Das Ergebnis war mager. Niemand konnte etwas zur Aufklärung beitragen.

Die Beamten wollten gründlich sein und suchten alle Häuser und Wohnungen auf, die im unmittelbaren Sichtbereich der Fundstelle der Leiche am Ufer lagen. Die Anwohner waren mehr oder minder aufgeregt, als sie befragt wurden. Leider war auf diesem Weg der Ermittlungen kein besseres Ergebnis zu erzielen. Die Leute schliefen um die fragliche Zeit in ihren Betten. Niemand hatte während der Nacht aus dem Fenster gesehen oder darauf geachtet, ob sich irgendwo ein Boot bewegte. Und selbst wenn es so gewesen sein sollte, waren Boote alles andere als ungewöhnlich in diesem Bereich. Immerhin gab es dort in unmittelbarer Nähe eine größere Steganlage.

Während die Leiche in die Gerichtsmedizin transportiert wurde, verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer in der ganzen Gegend. Es passierte nicht viel in den umliegenden Gemeinden, das potenziell eine Sensation werden konnte. Vor allem stand die Frage im Raum, ob es um einen natürlichen Tod ging, oder ob ein Kapitalverbrechen vorlag. Man rätselte, wer der Tote sein mochte und ob man ihn vielleicht sogar kannte. Die Gerüchteküche produzierte, wie in solchen Fällen üblich, einige Fehlinformationen. Der Sache sollten sie wohl ein wenig mehr Spannung verleihen, aber ohne Ermittlungsergebnisse der Polizei oder Pressemitteilungen, gab es nicht wirklich viel an Informationen zu verbreiten.

In der Gerichtsmedizin obduzierte der Arzt am nächsten Montagvormittag die Leiche. In seinem Bericht standen noch am selben Nachmittag die Fakten, die er aus dem Toten sozusagen „herauslesen" konnte.

Der etwa 50-jährige Mann besaß normale, schlanke Statur, 1,62 Meter groß. Er hatte braunes Haar mit deutlichen Geheimratsecken. Man fand keinerlei Papiere oder eine Geldbörse bei ihm, woraus seine Identität hätte ermittelt werden können. Zum Zeitpunkt des Auffindens war der Tod vier bis fünf Stunden vorher eingetreten. Etwa ebenso lange hatte der Körper im Wasser gelegen. Der Tod musste demnach gegen 2:00 bis 2:30 Uhr eingetreten sein. Die Schuhgröße wurde mit 39 angegeben. Er hatte gepflegte Hände und es lag kein Herzinfarkt vor. Das Gehirn wies keine Anzeichen eines Schlaganfalls auf. Im Magen befanden sich Reste eines fast verdauten Abendessens, offensichtlich vom Grill.

Allgemein befand sich der Mann in gutem körperlicher Zustand. Es störte lediglich die Tatsache, dass seine Lunge voll mit Schwielowseewasser war, was offensichtlich den Tod durch Ertrinken verursacht hatte. Eine Wasserprobe direkt vom Fundort der Leiche und drei weitere im Abstand von einigen hundert Metern genommene Proben, bestätigten die Herkunft des Wassers. DNA-Spuren waren durch die Nässe kaum vorhanden und nicht auswertbar. Eine Einwirkung von Gewalt ließ sich am gesamten Körper nicht feststellen.

Im Nacken entdeckte man eine kleine Schürfwunde. Sie war recht frisch, stellte aber keine wirkliche Verletzung oder Gesundheitsgefahr dar. Die Blutuntersuchung ergab keinen vorherigen Drogenkonsum, aber einen Alkoholspiegel von 1,6 Promille. Die Kleidung war unauffällig, keine Arbeitskleidung, Uniform oder Freizeitdress für Wassersport. Insgesamt eine unspektakuläre und fast langweilige Leiche. Einzig und allein die Art der Todesursache bei einem ansonsten offensichtlich gesunden Mann, ließ Fragen aufkommen.

Die Staatsanwaltschaft ordnete Ermittlungen an. Es mussten die letzten Stunden vor Eintritt des Todes recherchiert werden. Die zunächst nach Routine aussehende Aufgabe, wurde der Kriminalpolizei übertragen, der Auftrag noch am selben Tag an Hauptkommissar Bertram erteilt.

Herrmann Bertram war ein 62-jähriger Beamter und ein alter Hase mit viel Erfahrung. Er begrüßte die willkommene Abwechslung, da er in den letzten Jahren mehr und mehr zu unspektakulären Büroarbeiten eingesetzt worden war. Ihm war nie der Durchbruch zu einer weiterführenden Karriere gelungen. Dazu hätte es eines sensationellen von ihm gelösten Falles bedurft. Er galt als guter Ermittler, aber bei seinen Vorgesetzten nicht als Spitzenkraft. Dort schätzte man ihn als gutes Mittelmaß ein. Jedoch schätzte man seine Gründlichkeit und sein Wissen.

Ein paar persönliche Ermittlungen und Kontakte mit Menschen täten ihm sicher gut, dachte Bertram. Seit dem Tod seiner Frau lebte er allein. Ihre beiden längst erwachsenen Kinder kümmerten sich nicht viel um ihn und er sich nicht um sie. Enkelkinder gab es keine. Man hatte wenig Kontakt miteinander, nur sporadisch zu den üblichen Familienterminen oder ab und zu ein kurzes Telefonat. Mehr nicht.

Herrmann Bertram galt bei Kollegen und Vorgesetzten als etwas verschroben. Nicht selten bekam er zu spüren, dass er wegen seiner von der allgemeinen Meinung abweichenden Auffassung, als seltsam angesehen wurde. Ihm war das in fast allen Fällen gleichgültig. Er äußerte seine Meinung. Es lag ihm fern, sich einfach der Mehrheitsmeinung anzuschließen, wenn etwas nicht seiner Überzeugung entsprach.

Bertram interessierte sich nicht sonderlich für Sport. Nur ab und zu sah er sich ein Fußballspiel an. Zu Zeiten von Olympiaden reizten ihn nur wenige Sportarten. Es reichte ihm meistens, wenn er die Ergebnisse mitbekam. Besonders nervtötend fand er die überlangen Berichte im Fernsehen, die man live übertrug. In seinen Augen war das eine Verschwendung von Gebührengeldern. Den abendlichen Diskussionsrunden im Fernsehen über die Leistungen der Sportler konnte er gar nichts abgewinnen. Bei den meisten Kollegen stieß sein geringes Interesse an diesen Vorgängen auf Unverständnis. Sie selbst waren dagegen häufig fasziniert von den Turnieren und ihren Sportstars.

Seit der großen Dopingaffäre im Radsport und den zahlreichen Bestechungsskandalen im Profiboxen, verstand Bertram den Sport nur noch als ein kriminelles Geschäft um Wettbetrug, Werbeeinnahmen und Siegprämien. Der einstige Amateurstatus, der früher als Voraussetzung zur Teilnahme an Olympiaden galt, war völlig verloren gegangen. In den letzten Jahren wechselten millionenschwere Profis für die Dauer einer Olympiade angeblich in das Lager der Amateure. Gleich nach Abschluss der Spiele wechselten sie unter großem medialem Tamtam zurück zu den Profis. Für derartige Machenschaften hatte Bertram nichts übrig. Für ihn war es verwunderlich, wieso sich der Rest der Menschheit von solchen Sachen nicht veralbert fühlte. Er jedenfalls fühlte sich für dumm verkauft, wenn er solche Vorgänge erfuhr. Wie man sich, wie es einige seiner Kollegen taten, derartig unkritisch für den Sport begeistern konnte, erschloss sich ihm nicht.

Die Gehälter von Fußballprofis und deren Ablösesummen bei Wechsel in andere Vereine, lösten bei ihm Unverständnis aus. Nach seiner Vermutung dienten die Transfergeschäfte in erster Linie zur Verschleierung der wirtschaftlichen Situation von Vereinen. Da wurde international Geld hin und her transferiert und verschwand letztlich in den Taschen der Funktionäre, Vereinsvorstände, Manager und Berater. Wenn im Kollegenkreis über Sport sprach, wurde seine Einstellung zu diesen Geschehnissen oft deutlich. Die Kollegen teilten praktisch nie seine Meinung. Leistung müsse bezahlt werden, war die einhellige Sichtweise über ihre verherrlichten Stars. Mit seiner Haltung grenzte sich Hauptkommissar Bertram praktisch selbst aus. Ihm war das nicht unangenehm, andererseits sorgte es für einen kleinen Bekannten- und Freundeskreis. Das bedauerte er bisweilen.

Nachdem Bertram den Obduktionsbericht und die Protokolle des Leichenfundes gelesen hatte, überlegte er sich die erforderliche Vorgehensweise. Er studierte die Fotos des Fundortes, wie die Leiche am Schilf im Wasser trieb und später an Land auf dem Rücken lag. Vermutlich würde das Ergebnis seiner Nachforschungen einen Freitod oder Unfall nennen. Um professionell in seinem Vorgehen zu bleiben beschloss er, nicht zu sehr an diesen vorgefassten Gedanken festzuhalten. Er würde nach Anzeichen für ein Verbrechen suchen. Wenn dabei nichts herauskam, könnte er von einem Unfall mit nicht rekonstruierbarem Hergang ausgehen. Man übertrug ihm immer wieder solche unspektakulären Fälle.

Als erste Maßnahme musste die Identität des Toten geklärt werden. Um damit zu beginnen, startete er seinen Computer, der seitlich auf dem Schreibtisch stand und gab eine Abfrage nach eventuellen Vermisstenmeldungen ein. Fehlanzeige. Also blieb als nächste sinnvolle Maßnahme eine öffentliche Nachforschung, ob jemand als vermisst galt. Bertram erledigte das mit einigen Anrufen bei den drei größten Regionalzeitungen. Allen schickte er zusätzlich eine E-Mail, mit der Bitte um Veröffentlichung. Ein leicht unscharfes kleines Bild vom Gesicht des Toten war im Hilfeaufruf an die Bevölkerung enthalten. Das sollte Erfolg bringen, da war sich Bertram sicher.

Alle benachrichtigten Zeitungen wollten zusätzliche Informationen zu dem Hilfeaufruf haben. Sie beabsichtigten, dazu einen kleinen Artikel zu verfassen, um damit ihre lokalen Nachrichten aufzupeppen. Das war das übliche Vorgehen. Hauptkommissar Bertram gab bereitwillig Auskunft, als ihn die zuständigen Reporter im Abstand einiger Minuten nach dem Erhalt seiner E-Mail anriefen.

Es war ihm lieber, die Journalisten am Telefon zu informieren. Er hatte es nicht gern, wenn sich die Presse in seinem Büro einfand. Für diesen Berufsstand hatte er nicht viel übrig und mied diese Leute, wenn er konnte. Zu oft ärgerte er sich über die Auswahl der verbreiteten Nachrichten und wie sie dargestellt wurden. Er fand Journalismus sei eine Verpflichtung zur neutralen Recherche und Berichterstattung. Nach seiner Beobachtung hatten sich immer mehr Zeitungen zur Haus- und Hofpostille von Politikern und Parteien entwickelt. Mittlerweile unterhielt Bertram kein einziges Zeitungsabonnement mehr.

Schon am nächsten Morgen, Dienstag, sollte er sich zufrieden mit einem kleinen Erfolg in seinem Bürostuhl zurücklehnen. Na also. Der Tote hieß Markus Kleinert, 54, geb. in Berlin Treptow, wohnhaft in Ferch, einem Ortsteil der Gemeinde Schwielowsee. Beruflich war er selbstständig tätig. Er betrieb zusammen mit seiner Ehefrau in Werder einen Copyshop.

Ein Kollege Bertrams nahm die Vermisstenmeldung, erstattet durch die Ehefrau, auf. Sie hatte ihren Mann seit Samstagnachmittag nicht mehr gesehen und war im Laufe des Sonntages unruhig und besorgt geworden. Am Samstag dachte sie sich noch, er sei mit seinen Freunden bei einem schon länger geplanten Männerabend gehörig alkoholisiert gewesen und wollte ihr in seinem Zustand nicht den Abend verderben. Bestimmt hatte er bei einem Freund übernachtet, vermutete sie. Als auch der Sonntag sich zum Abend neigte, hatte sie ernste Sorgen bekommen, wo er wohl sein könne. Sein Handy klingelte zwar, wenn sie versuchte ihn anzurufen, aber dann meldete sich nur die Mailbox. Sie beschloss, noch den Montag abzuwarten, spätestens Dienstag wollte sie zur Polizei gehen. Als der Beamte wegen der Verzögerung nachfragte, erklärte sie, sie könne begründen, warum sie so lange gezögert habe.

So hatte sie es dem Kollegen, der den Anruf entgegennahm, am Telefon in kurzen Worten beschrieben. Sie klang aufgeregt und angespannt, fügte der Kollege ergänzend hinzu. Offensichtlich erreichte die Nachricht sie über einen ihrer Nachbarn aus dem Haus, der ihr morgens die Zeitung mit dem Foto vor die Nase hielt. Das sei wohl nicht besonders sensibel von dem Nachbarn gewesen. Dieser Meinung des Kollegen schloss sich Bertram an.

Der Nachbar war bestürzt und aufgeregt, als er bei Elisabeth Kleinert vorsprach. Es war ihm zunächst nicht in den Sinn gekommen, dass er der Nachbarin mit der Nachricht einen Schock versetzte. Er betrachtete seinen Mitbewohner von nebenan zwar nicht als seinen Freund, aber immerhin wohnte man seit einigen Jahren im selben Haus Tür an Tür. Es hatte das eine oder andere Gespräch gegeben und auch einmal einen kleinen Disput über die Nutzung der Parkplätze in der Tiefgarage. Aber das war lange her und eigentlich schon fast vergessen. Seitdem er ihn in seine Schranken gewiesen hatte, stellte Kleinert sein Auto penibel und gerade in die ihm zustehende Parklücke. So behinderte er die anderen Mitbewohner nicht mehr beim Ein- und Ausparken. Die Tiefgarage war recht eng, da kam man nur mit gegenseitiger Rücksichtnahme klar.

Erst war es ihm damals unangenehm gewesen, seinen Nachbarn auf rücksichtsvolleres Verhalten anzusprechen. Aber letztlich hatte seine Frau ihn dazu angetrieben. Er dürfe sich nicht alles gefallen lassen. Wenn er nichts sagen würde, ändere sich gar nichts. Wenn der Nachbar nicht von selbst darauf käme, dass dessen großes Auto sorgfältig auf dem Stellplatz abgestellt werden müsste, dann sei ihm die Rücksichtslosigkeit wahrscheinlich angeboren. Sie hatte nicht locker gelassen, bis er sich zu dem Schritt, Kleinert anzusprechen, aufraffte. Tatsächlich stieß er auf Unverständnis und sogar Arroganz. Markus Kleinert erdreistete sich zu behaupten, er und seine Frau könnten wohl nicht gut Auto fahren. Und nun war er also tot, der Herr Kleinert.

Die Todesnachricht dominierte nun die Gedankenwelt des Nachbarn und er fragte sich, wie er der armen Frau von nebenan helfen könne. Sie konnte ja schließlich nichts für das Auftreten ihres verstorbenen Mannes.

Bertram rief im Sekretariat der Gerichtsmedizin an und ließ sich einen Termin für die offizielle Identifizierung durch die Ehefrau bestätigen. Man sagte ihm, er könne im Laufe des Vormittages mit der Witwe erscheinen, jedoch bitte nicht vor 10:00 Uhr. Ansonsten sei die Zeit egal. Der zuständige Leichenbeschauer sei momentan bei der Arbeit in einem anderen Todesfall. Sollte es noch Fragen seitens der Angehörigen geben, wollte der Arzt gern zur Verfügung stehen. Daher die zeitliche Eingrenzung.

Bertram notierte sich diese Information und machte sich auf den Weg zu seiner ersten Zeugin: Elisabeth Kleinert.

Kapitel 3 Der erste Ermittlungsschritt

Hauptkommissar Bertram belegte für den Tag ein Dienstfahrzeug und machte sich auf den Weg nach Ferch. Sein kurzfristiges Auftauchen kündigte er vorab bei Frau Kleinert telefonisch an. Sie hatte in ihrer unerwarteten Situation natürlich das Geschäft nicht geöffnet und war zu Hause geblieben. Am Vormittag sollte sie in der Gerichtsmedizin zwecks Identifizierung ihres Mannes erscheinen. Das wusste sie momentan noch nicht, sie sollte es während ihrer Erstbefragung erfahren.

Bertram begleitete die Hinterbliebenen oft bei diesem schwierigen Schritt. Manchmal waren sie nur Zeugen oder Angehörige, manchmal waren sie Verdächtige. Er wollte sich stets einen eigenen Eindruck von der Reaktion der Personen verschaffen. Viele waren ihm dankbar dafür, dass sie in diesem sehr belastenden Moment eine Begleitung hatten. Bertram hatte Routine darin. Ihm machte es nach so vielen Jahren nichts mehr aus, Verstorbene zu sehen. Lediglich bei jungen Menschen oder bei Kindern ging es ihm sehr nahe.

Elisabeth Kleinerts Adresse lautete, „Ferch, Am Dorfweg 4". Sie wohnte in einem 4-stöckigen Haus mit acht Wohneinheiten. Ihre Wohnung befand sich in der obersten Etage. Er klingelte und kurz darauf summte der elektrische Türöffner. Mit dem Aufzug fuhr Bertram hinauf. Gemeinsam mit ihm betrat eine ältere Dame den Aufzug, die ebenfalls in die 4. Etage hinauf wollte. Sie musterte ihn unverhohlen. Offensichtlich wohnte sie im Gebäude und sah sich den Fremdling im Aufzug argwöhnisch an.

Die Aufzugkabine war auf einer Seite komplett von oben bis unten verspiegelt. An der gegenüberliegenden Seite waren das Bedienfeld mit den Tastern und dem Notrufknopf montiert. Rundum war ein Handlauf angebracht. Die Verspiegelung war praktisch, denn so stellte Bertram fest, dass seine Krawatte nicht mittig saß und richtete sie. Nun würde er bei seinem Auftreten bei Elisabeth Kleinert korrekt gekleidet erscheinen. Als er die Krawatte gerichtet hatte, trafen sich die Blicke der beiden im Spiegel. Ein anerkennendes Lächeln für die Korrektur der Krawatte huschte über ihr Gesicht. Bertram erwiderte es freundlich. Er wünschte ihr einen schönen Tag, als sie gemeinsam in der 4. Etage ausstiegen. Er wartete kurz, bis sie in ihrer Wohnung verschwunden war und wandte sich zu Elisabeth Kleinerts Wohnungstür, die sich sogleich öffnete. Sie empfing ihn mit ängstlichem Blick und etwas wirrer Frisur. Bertram stellte sich vor und wurde eingelassen.

Elisabeth Kleinert war eine gut erhaltene Endvierzigerin, blond, schlank und mit durchaus gefälligen Gesichtszügen. Sie war wohl etwas größer als ihr verschiedener Gatte. Mit einem Schritt zur Seite bat sie Bertram herein.

Er bekam einen Platz im Wohnzimmer angeboten und sie berichtete ihm, dass sie von einem Verbleib ihres Mannes auf dem Männerabend ausgegangen war. „Wie mein Mann ins Wasser geraten ist, ist mir unerklärlich. Sie sagten mir ja, dass er wohl ertrunken ist."

„Ja, Frau Kleinert, davon müssen wir als Tatsache ausgehen. Ich habe den Auftrag, die Stunden vor diesem schrecklichen Ereignis zu rekonstruieren. Können Sie mir Angaben über die Teilnehmer bei diesem Grillabend machen?", erkundigte sich Bertram.

Natürlich konnte sie detaillierte Angaben zu den anderen Teilnehmern des Grillabends liefern: „Es handelt sich um vier Freunde, mit denen mein Mann privat und bisweilen geschäftlich zu tun hatte. Ich selbst habe keine richtige Freundschaft zu den Herren. Nur ab und zu, also eigentlich eher selten, bin ich bei gemeinsamen Restaurantbesuchen dabei gewesen. Aber nur, wenn auch die anderen Frauen teilnahmen. Das ist wirklich nur selten vorgekommen, weil die Männer wohl am liebsten unter sich gewesen sind. Zu den anderen Damen pflege ich keine regelmäßigen Kontakte. Wir kennen uns eben, das ist alles."

Bertram notierte sich die Telefonverbindungen, Namen und Anschriften der Herren. Frau Kleinert hatte alle Daten in einem kleinen Büchlein parat. Als das erledigt war, bat er sie, ihn in die Gerichtsmedizin zu begleiten. Das kam überraschend für sie. Jedenfalls hatte Bertram den Eindruck. Sie wirkte nicht besonders begeistert von der Vorstellung, ihren toten Ehemann zu sehen.

„Ich brauche einige Minuten Zeit, Herr Bertram. Ich muss mich ein wenig frisieren und etwas anderes anziehen, wenn Sie gestatten", gab se bekannt.

„Aber selbstverständlich, Frau Kleinert. Das ist gar kein Problem." Fast hätte er noch hinzugefügt, dass Eile wohl keine Rolle spielen würde, da ihr Mann wohl nicht mehr weglaufen würde. Er verkniff sich die Bemerlung in letzter Sekunde.

Für Bertram war das kurze Warten tatsächlich kein Problem. Er nutzte die Zeit und sah sich während der Wartezeit unbeobachtet in der Wohnstube um. Er betrachtete die Bilder an der Wand, einige Fotos und las den einen oder anderen Buchtitel auf den Rückseiten einiger weniger Bücher in einem kleinen Regal. Es war nichts Auffälliges dabei. Durchschnittsliteratur, Krimis, Romane, ein Kochbuch und ein Ratgeber für Fitnesstraining, standen einträchtig nebeneinander. Daneben lagen zwei Kataloge mit Druckmaschinen, Kopierern und ähnlichen Geräten.

Das Mobiliar machte einen hochwertigen Eindruck auf ihn. Der Teppich schien ein echter Orientteppich zu sein. Die Tür zur Küche stand offen. Zu erkennen war eine Markenküche mit erstklassigen, modernen Küchengeräten. Ebenfalls eine durchaus gehobene, wenn nicht gar gediegene Ausstattung, bemerkte Bertram anerkennend.

Frau Kleinert war bald fertig und eröffnete Bertram ihre nächsten Absichten: „Ich möchte mit dem eigenen Wagen fahren, weil ich gleich im Anschluss ein paar Dinge zur Bestattung erledigen will. Außerdem muss ich ja wieder irgendwie nach Hause kommen. Ihre weiteren Fragen kann ich problemlos dort oder in Ihrer Dienststelle beantworten. Spricht aus Ihrer Sicht etwas dagegen?"

„Das ist völlig in Ordnung, Frau Kleinert. Am Besten wird es sein, wenn Sie einfach hinter mir herfahren", antwortete Bertram. Ihm war es gleichgültig, an welchem Ort er mit Frau Kleinert seine Routinefragen erörtern konnte.

Die beiden begaben sich zum Aufzug und fuhren gemeinsam bis ins Erdgeschoss, wo Bertram ausstieg. Frau Kleinert fuhr weiter in die Tiefgarage, um ihr Auto zu holen. In der Zwischenzeit stieg Hauptkommissar Bertram in seinen Dienstwagen und ließ den Motor an. Schon bald öffnete sich ein Rolltor unten an der Einfahrt zur Tiefgarage und Frau Kleinert fuhr die Rampe herauf.

Bertram hob eine Augenbraue. Ein ziemlicher neu anmutender, schwarz glänzender Luxusschlitten einer süddeutschen Nobelmarke in ansprechender Aufmachung stand dort im Sonnenlicht. Vielleicht hatte er doch den falschen Beruf gewählt? Ein Copyshop schien jedenfalls eine ergiebige Geldquelle zu sein. Das schöne Auto, die gediegene Wohnungseinrichtung, da konnte man schon ein wenig neidisch werden. Vielleicht war aber alles ganz anders und einer von den beiden kam aus begütertem Elternhaus. Es konnte schließlich viele Erklärungen geben. Aber nun ja: „Jeder ist seines Glückes Schmied", dachte Bertram laut und fuhr voraus, um ihr den Weg zu weisen. Sie folgte ihm und blieb während des Potsdamer Stadtverkehrs geschickt dicht am Heck des Dienstwagens.

Im Leichenschauhaus angekommen, gingen sie, geführt von einem weiteren Beamten, in einen fensterlosen Raum. Dort stand in der Mitte eine Bahre mit Fahrgestell. Die großen Deckenlampen leuchteten den Raum hell aus. Den auf der Bahre liegenden Körper bedeckte ein weißes Leinentuch.

Als der Beamte es am Kopfende zurückschlug, identifizierte Frau Kleinert ohne zu Zögern ihren Mann: „Ja, das ist mein Ehemann", sagte sie leise, drehte sich um und verließ den Raum.

Eine Gefühlsregung konnte Bertram bei ihr nicht erkennen, obwohl er genau darauf geachtet hatte. Er hatte den Eindruck, dass sie gut auf den Moment vorbereitet war und der Anblick für sie keine Überraschung darstellte. Nachdem ein Formular für die Identifizierung des Toten ausgefüllt und unterschrieben war, durfte Frau Kleinert gehen.

Sie fuhren zur Dienststelle und setzten sich in sein Büro. Er ließ Kaffee bringen, den sie gerne annahm. Dafür war eine der beiden Schreibkräfte zuständig. Die beiden Damen wurden zur Unterstützung der insgesamt 16 Beamten der Mordkommission eingesetzt. Neben ihren Aufgaben als Schreibkräfte, kümmerten sie sich um den Betrieb der kleinen Kaffeeküche. Wenn Publikum mit in die Büros gebracht wurde, übernahmen sie die Versorgung mit Getränken.

Bertram fragte immer nur die eine der beiden Schreibkräfte, wenn er etwas benötigte. Die ältere der beiden Frauen. Er konnte sie gut leiden. Die andere war in seinen Augen eine arrogante junge Ziege, die sich für unwiderstehlich hielt und oft mit seinen jüngeren Kollegen herumkokettierte. Ein schnippisches und unreifes weibliches Wesen, welches ununterbrochen plapperte. Dabei alberte sie mit den Kollegen oft mit ziemlich dümmlichen Bemerkungen herum. Sie hatte bestimmt vor, sich einen Mann zu angeln, war seine Vermutung.

„Frau Kleinert, ich muss Ihnen nun ein paar Fragen stellen", begann er seine Untersuchung.

„Nur zu, fangen Sie an", antwortete sie.

„Zunächst möchte ich gern erfahren, warum Sie Ihren Mann erst so spät als vermisst meldeten. Am Telefon sagten Sie, dass er seit Samstag schon weg war. Den Sonntag erklärten sie sich noch mit einer Übernachtung bei einem der Freunde. Erst ab Sonntagabend begannen ihre Sorgen, weil sie ihn auch telefonisch nicht erreichen konnten. Habe ich das so richtig verstanden, Frau Kleinert?"

Sie sah ihn an und nickte leicht. „Ja, so habe ich es erzählt und so war es auch. Sie müssen dazu wissen, dass mein Mann mir nicht Bescheid gibt, wenn er sich etwas anderes vornimmt. Er tut es dann einfach. Das kann schon mal zwei oder drei Tage dauern, dann ist er wieder da. Jedenfalls war das bisher so."

„Ich finde das ungewöhnlich", streute Bertram ein. „Was für Dinge nahm sich Ihr verstorbener Mann denn spontan vor?"

„Davon erzählte er mir meistens nach seiner Rückkehr. Aber nicht immer." Sie senkte den Blick und wirkte verletzt. Dann fuhr sie fort: „Am Montag habe ich den ganzen Tag allein im Geschäft gestanden. Ich habe überlegt, wen von den Freunden ich anrufen könnte, aber dann war es mir zu peinlich. Wie sieht das denn aus, wenn ich nicht weiß, wo sich mein Ehemann ´rumtreibt?"

„Sie hatten sich also noch für weiteres Warten bis zum Dienstag entschlossen?"

„Ja. Wenn er im Laufe des Dienstagvormittags nicht nach Hause gekommen wäre, dann wäre ich am Mittag, wenn das Geschäft für die Pause geschlossen ist, wegen einer Vermisstenanzeige zur Polizei nach Werder gefahren."

Bertram beschloss, diese Erklärung erst einmal zu akzeptieren. Sie wirkte auf ihn zwar wegen der langen Zeit zwar außergewöhnlich, aber er wollte zu Anfang ein Grundwissen zu der ganzen Sache aufbauen. Dann würde sich daraus erfahrungsgemäß die eine oder andere Antwort oder Erklärung ergeben. Man musste seine Zeugen erst einmal kennenlernen, dachte er.

„Zur endgültigen und offiziellen Todesursache Ihres Mannes, muss ich eine Straftat ausschließen können. Hatte Ihr Mann Feinde, oder hatte jemand Grund, Ihrem Mann Schaden zuzufügen?", fuhr Bertram fort.

„Mein Mann war nicht überall beliebt, um es vorsichtig auszudrücken. Er hat in den letzten Jahren einige Geschäfte sehr hart durchgezogen. Das hat bestimmt Zorn erzeugt."

Bertram war über die Offenheit überrascht und fragte: „Können Sie mir ein Beispiel nennen?"

Das konnte Elisabeth Kleinert: „Er zog Geschäftspartner gern über den Tisch und nutzte dazu Informationen. Insiderwissen von Behördenmitarbeitern oder anderen, etwa bei Grundstücksangelegenheiten. Die Informanten setzte er anschließend gern unter Druck, damit er über ihre Indiskretionen Stillschweigen bewahren würde. Sie mussten weiter liefern, um nicht aufzufliegen." Frau Kleinert sah aus dem Fenster, um seinem direkten und überraschten Blick auszuweichen.

„Informationen aus Indiskretionen also, deren Bekanntwerden sehr unangenehm hätte werden können. Wussten Sie Details?", hakte Bertram nach.

„Nur wenige. Ich wollte davon möglichst wenig erfahren, um nicht in irgendwelche Dinge verwickelt zu werden. Wenn Sie darüber mehr wissen wollen, können Sie sich bei seinen sogenannten Freunden erkundigen." Wieder sah sie aus dem Fenster, nachdem sie geendet hatte.

„Sogenannte Freunde?", wollte Bertram es genauer wissen. Das Gespräch mit Frau Kleinert nahm insgesamt einen unerwarteten Verlauf.

„Ja, sogenannte Freunde. Nicht jeder davon war von seinen Machenschaften verschont geblieben. Und nicht jede dieser Freundschaftsbeziehungen bestand freiwillig. Da herrschte ein gewisser Erwartungsdruck, dass man ein Freund meines Mannes sein musste." Diesmal sah sie ihn direkt an.

„Konnte ihr Mann schwimmen?", fragte Bertram und wechselte damit unvermittelt das Thema.

„Er konnte schwimmen. Gar nicht mal so schlecht, denke ich", lautete ihre Antwort.

„Was hielten Sie von Ihrem Mann in menschlicher Hinsicht, Frau Kleinert?"

Bertrams Frage schien sie nicht zu überraschen, denn sie antwortete sofort: „Er war charakterlich ein Schwein! Andere Menschen waren ihm egal. Er betrachtete jeden als Opfer zum Ausnutzen. Während unserer Ehe war er mir nicht immer treu. Nun verstehen Sie vielleicht, warum ich so viel Zeit bis zur Vermisstenanzeige verstreichen ließ. Es bestand immer die Möglichkeit, dass er bei einer anderen Frau war." Sie machte eine kurze Pause. „Dennoch habe ich ihn einmal geliebt." Sie wandte den Blick wieder zum Fenster.

Nach einigen Sekunden fragte Sie: „Sind diese Fragen wirklich zur Klärung der Todesursache erforderlich? Für welche Abteilung der Kriminalpolizei arbeiten Sie eigentlich, Herr Bertram?"

Der sah ihr direkt in die Augen: "Ich bin bei der Mordkommission", antwortete er. „Können Sie sich einen unnatürlichen Tod Ihres Mannes vorstellen?", stellte er fragend in den Raum.

Frau Kleinert ließ bis zu ihrer Antwort einige Sekunden verstreichen. Dann erwiderte sie leise: „Das könnte wohl möglich sein."

Frau Kleinert wurde von Hauptkommissar Bertram zunächst entlassen. Er wollte sich die eingeholten Informationen nun in Ruhe ansehen und sie bewerten. Zum Schluss stellte er noch die Frage nach ihrem Aufenthalt zur Todeszeit Ihres Mannes: „Wo waren Sie in der Nacht von Samstag auf Sonntag zwischen 1:00 und 3:00 Uhr, Frau Kleinert?"

„Ich war zu Hause. Ich lag im Bett und schlief", gab sie zur Antwort. „Bezeugen kann das vielleicht niemand für diese nächtliche Zeit, aber eventuell kann meine ältere Nachbarin aus der Wohnung gegenüber in der Etage, Frau Luise Borgner, etwas dazu sagen. Sie hat mich abends im Aufzug gesehen und kann sich vielleicht daran erinnern. Über die Nacht weiß sie aber bestimmt nichts."

„Was gedenken Sie nun als Nächstes zu unternehmen?", wollte Bertram wissen.

„Ich werde nun zügig die Bestattung einleiten. Sobald mein Mann von der Gerichtsmedizin freigegeben wird, lasse ich ihn einäschern. Jetzt, nachdem er von mir identifiziert worden ist, kann das ja wohl nicht mehr lange dauern. Die Beisetzung wird anonym und ohne große Beteiligung Dritter stattfinden. Ich habe keine Lust, für meinen untreuen Ehemann eine langjährige Grabpflege zu leisten. Da es keinen weiteren oder interessierten Angehörigen gibt, kann ich das rasch erledigen. Niemand wird sich aufregen."

Bertram wollte dazu noch etwas wissen und fragte: „Was meinen Sie mit der Bezeichnung „interessierte" Verwandte?"

„Er hat noch irgendwo einen Bruder. Die beiden haben schon seit mindestens 20 Jahren keinen Kontakt mehr. Ich weiß nicht, wo der Bruder lebt. Er heißt Ottmar Kleinert. Mein Mann hat ihn offensichtlich so vergrault, dass er jeden Kontakt abgebrochen hat. Ich weiß nicht einmal, ob er noch lebt."

Elisabeth Kleinert fragte, ob noch etwas zu beantworten wäre. Bertram antwortete, dass es für den Anfang erst einmal genug sei. Er käme wieder auf sie zu, wenn er weiteren Informationsbedarf hätte. Er gab ihr eine seiner Visitenkarten, falls sie ihm nachträglich noch etwas mitzuteilen habe. Nach kurzer Verabschiedung verließ sie sein Büro und ging zu ihrem Wagen.

Bertram saß nachdenklich da und sah ihr nach. Passte das zu ihrer Aussage, sie habe ihren Mann geliebt? Ihr Auftritt und die Äußerungen ließen eher den Schluss zu, dass ihr das Ableben ihres Ehemannes nicht ungelegen kam. Zumindest machte es ihr nicht viel aus. Das galt es auf alle Fälle zu beobachten. Er schrieb sich Notizen zum Verlauf des Vormittages und der Befragung auf. Am Computer verfasste er einen kurzen Bericht an seinen Vorgesetzten zum Beginn der Ermittlungen und des aktuellen Standes. Er fügte an, dass er weitere Ermittlungen aufgrund der vorliegenden Informationen für unbedingt erforderlich halte. Diese wollte er nach der Mittagspause beginnen.

Es gab noch viele Dinge zu klären. Wo waren Kleinerts Handy und seine Geldbörse? Das Alibi der Ehefrau war dürftig. Nach eigener Aussage war sie zum Todeszeitpunkt, also um 2:00 Uhr morgens, zu Hause. Wenn ein gewaltsamer Tod nachgewiesen werden sollte, wäre das keine gute Ausgangsposition für sie. Ihr Verhalten war ein weiterer Grund, über den er sich Gedanken machte. Sie schien fast ungerührt über den Tod ihres Mannes zu sein. Normalerweise flossen bei derartigen Angelegenheiten Tränen. Hier nicht, keine Spur von Trauer. Alles sollte schnell abgewickelt werden. Sehr ungewöhnlich in einem plötzlichen Todesfall. Es schien fast, als sei der Handlungsablauf für den Todesfall schon vorbereitet gewesen zu sein.

Zu seiner ursprünglichen Erwartung, dass hier ein natürlicher Tod oder ein Unfall vorliegen könnte, hatten sich Zweifel gesellt.

Kapitel 4 4 Freunde, 1. Klaus Machner

Mit gut gefülltem Magen, nach der wie immer zu kurzen Mittagspause, machte sich Bertram auf den Weg zum ersten der vier genannten Freunde des toten Herrn Kleinert.

Klaus Machner wohnte laut Angaben der Witwe in „Caputh, Landweg 12". Ein Telefonanruf hatte bestätigt, dass Herr Machner zu Hause war. Die Todesnachricht hatte ihn bereits am Vormittag telefonisch durch einen Bekannten erreicht.

Nachdem die Adresse ins Navigationsgerät eingespeichert war, setzte Bertram den Wagen in Bewegung und folgte den Sprachanweisungen des Gerätes. In diese Gegend kam er selten. Er war mehr nach Norden in Richtung Berlin orientiert und nicht zu von Potsdam aus südlich gelegenen Gebieten. Er würde also neue Erfahrungen sammeln.

Bertram wurde in Caputh schon am Gartentor eines großzügigen Einfamilienhauses von Frau Machner freundlich empfangen. Sie beschäftigte sich mit Unkrautziehen an einem der üppig bepflanzten Blumenbeete. Sie begrüßte ihn und begleitete ihn in ein geräumiges Wohnzimmer. Herr Machner las, in einem großen Ledersessel sitzend, Zeitung. Er erhob sich bei Bertrams Eintreten und begrüßte ihn mit kräftigem Händedruck. Bertram stellte sich und den Grund seines Besuches vor.

Frau Machner fragte, ob sie benötigt würde, was Bertram verneinte. Sie reagierte erleichtert und setzte ihre Gartenarbeit fort.

Klaus Machner war ein etwa 1,80 Meter großer und nicht ganz schlanker Mann von etwa 50 Jahren. Sein hellbraunes Haar war noch ziemlich vollständig erhalten. Hinter seiner dunklen Hornbrille leuchteten zwei stechend blaue Augen. Auf Bertrams Bitte um einen Bericht, begann er zu reden.

„Also wir trafen uns bei einem Freund zum Grillabend in Ferch. Markus Kleinert kam ebenfalls. Insgesamt waren wir fünf Teilnehmer. Einer davon hat mich wegen des Todesfalls angerufen, als die Zeitungsnachricht mit dem Foto am Montag verbreitet wurde. Wir haben uns im Garten eines Bekannten, Herrn Paul Cordelius, in Ferch getroffen und den Grill fertig vorbereitet vorgefunden. Die Adresse lautet, „Am Alten Rathaus 4". Bei der Hausnummer bin ich mir aber nicht ganz sicher. Jeder hatte sich seine vorgesehene Portion Fleisch selbst mitgebracht. Das ist bei unseren Treffen so üblich. Salat und Beilagen sind bei diesen Grillveranstaltungen reine Nebensache. Oft haben wir gar keine Beilagen vorbereitet. Eine gemeinsame Leidenschaft der Gruppe ist das gemischte Grillfleisch, also verschiedene Sorten. Dazu gibt es immer scharfe Soßen."

Machner sah Bertram nachdenklich an: „Vielleicht sollte ich mich umgewöhnen und nicht mehr im Präsens von Markus und unserer Gruppe sprechen. Daran muss ich mich erst noch gewöhnen. Es wird ja nie wieder so sein, wie es war."

„Die Zeitform ist mir nicht wichtig, erzählen Sie einfach wie der Grillabend verlaufen ist. Jedes Detail kann wichtig sein", ermunterte Bertram ihn.

Machner setzte seine Schilderung fort: „Wir unterhielten uns ganz gut. Es gab diverse Biere und anschließend gönnten wir uns zwecks besserer Verdauung ein paar Schnäpse. Die Getränkeversorgung obliegt jeweils dem Gastgeber, denn die Treffen wurden reihum veranstaltet. Nachdem ich mich gegen 22:30 Uhr mit einem der anderen Gäste in einer für mich nervigen Diskussion über Politik wiedergefunden habe, beschloss ich zu gehen. Auf einen Streit mit meinem angetrunkenen Bekannten hatte ich keine Lust."

„Verraten Sie mir den Namen des befreundeten Diskussionspartners?", fragte Bertram dazwischen.

„Thomas Malecki. Als einen Freund würde ich den übrigens nicht bezeichnen. Ja, wir kennen uns schon lange und sind natürlich im Umgang miteinander beim vertrauten „Du". Aber ich bin nicht unbedingt der gute Freund von Thomas. Meine Bekanntschaft mit ihm wurde ursprünglich durch Markus Kleinert initiiert. Der brachte Thomas Malecki eines Tages einfach zu einem Skatabend mit. Warum er zu einer Skatrunde von vier Männern noch einen fünften anschleppte, hat sich mir nie erschlossen."

„Da werden die Spielpausen wohl zu lang, was?", warf Bertram verständnisvoll ein.

„Ja, genau. Es wird langweilig. Markus, drängte sich gerne in den Vordergrund und war immer bestrebt, im Mittelpunkt zu stehen. Er wollte nicht davon ablassen und brachte Malecki fortan immer mit. Eigentlich wurde immer das gemacht, was Markus wollte. Das ging nun schon sieben oder acht Jahre so und hat sich damit ganz einfach eingebürgert."

Hauptkommissar Bertram wollte etwas näher auf das Verhältnis zum Toten eingehen: „Sagen Sie, Herr Machner, wie nah standen sie sich, Herr Kleinert und Sie?"

„Wir hatten eine gute Bekanntschaft. Eine enge Freundschaft würde es nicht richtig beschreiben. Wir lernten uns vor etwa zehn oder zwölf Jahren, Ende November auf der Bootsmesse in Berlin im internationalen Kongresszentrum ICC, zufällig kennen. Beide interessierten wir uns für ein gebrauchtes Segelboot, das dort zum Kauf angeboten und ausgestellt war", fuhr Machner fort.

„Wir kamen beim Besichtigen des Bootes ins Gespräch und diskutierte miteinander über die Angemessenheit des Preises. Von Segelbooten hatte Markus offensichtlich Ahnung. Als der anwesende Verkäufer ein Entgegenkommen in der Preisgestaltung bei sofortiger Kaufzusage in Aussicht stellte, habe ich nach etwa halbstündiger Besichtigung dem Verkäufer ein Angebot gemacht. Ich wollte 16.000,00 € für das Boot zahlen. Der Verkäufer hatte 17.750,00 € gefordert. Für ihn war das ein zu großer Preissprung, um sofort den Zuschlag zu erteilen. Er sagte, er brauche etwas Bedenkzeit, so etwa eine Stunde. Ich war einverstanden und setzte meinen Rundgang auf dem Messegelände allein fort. Ich wollte mir noch andere Boote und vor allem Zubehör ansehen."

Bertram dachte im Stillen, dass er eigentlich nicht die Lebensgeschichte von Machner und Kleinert nachgefragt hatte. Er wollte noch etwas Geduld aufbringen, nahm er sich vor. Vielleicht kam Machner ja nun bald auf den Punkt der Story.

Machners setzte seinen Bericht fort: „Als ich kurz vor Ende des Messetages zur vereinbarten Zeit wieder bei dem angebotenen Segelboot eintraf, hing ein Schild am Rumpf. „Verkauft". Der Verkäufer war weit und breit nicht zu sehen. Ich war ziemlich betrübt darüber, dass mir das attraktive Boot entgangen war und ich fuhr nach Hause zurück. Als Kompromiss hätte ich mich auf ein etwas höheres Angebot auf alle Fälle eingelassen. Nun ärgerte ich mich darüber, dass ich nicht sofort dem Kaufpreis zugestimmt hatte. Das Boot wirkte sehr gepflegt, war elegant geschnitten und hatte es mir auf den ersten Blick angetan."

„Ist das Boot wirklich so wichtig?", fragte Bertram ungeduldig dazwischen.

„Ja, ist es. Sie wollten wissen, wie Markus und ich zueinander standen. Das Boot ist der Grund, warum wir keine richtigen Freunde werden konnten", entgegnete Machner leicht gereizt.

„Entschuldigen Sie. Dann nur zu, ich bin gespannt auf den Zusammenhang", lehnte sich Bertram wieder zurück.

„Einige Tage später, also in den ersten Dezembertagen, fiel mir beim Blick aus dem Wohnzimmer ein vorbeifahrender Bootstransport auf. Der fuhr die Straße seitlich an meinem Grundstück entlang und hatte auf dem Trailer exakt das schöne Boot aus der Bootsausstellung. Der Transport fuhr in Richtung Ferch. Zu dieser Jahreszeit ein ungewöhnlicher Anblick, dachte ich mir und schnappte mir meine Autoschlüssel. Ich wollte herausfinden, was es mit dem Transport auf sich hatte. Vielleicht war es mir möglich, den Besitzer ausfindig zu machen. Schon nach wenigen Minuten hatte ich den gemächlich fahrenden Bootstransport auf der Straße von Caputh nach Ferch eingeholt und folgte ihm. Wir fuhren hinab zum Bootslagerplatz in Ferch, neben dem sich die große Steganlage und der Kran zum Heben der Boote befindet. Offensichtlich sollte das Boot dort auf den Lagerplatz bugsiert werden.

Ich stieg aus und sah mich nach Ansprechpartnern um. Zu meinem Erstaunen entdeckte ich den kürzlich auf der Bootsausstellung getroffenen Mann, der mit mir die Preisgestaltung erörtert hatte. Ich sprach ihn an und stellte mich vor. So lernten wir uns kennen. Markus Kleinert erinnerte sich sofort und begrüßte mich. Ja, er hätte das Boot gekauft, kurz nachdem ich gegangen sei. Den Preis wollte er aber nicht verraten. Es sei ein sehr schönes Boot und er war sehr stolz darauf. Dieser Meinung schloss ich mich an, ich beglückwünschte meinen neuen Bekannten zum Erwerb des Bootes. Eigentlich war ich ganz schön neidisch auf ihn."

„Wollen Sie mir sagen, dass Sie mit Herrn Kleinert nicht eng befreundet waren, weil er Ihnen das Boot weggeschnappt hat?", fragte Bertram irritiert dazwischen. So kindisch konnte der Mann doch nicht ernsthaft sein.

„Nein, nein. Natürlich nicht. Warten Sie noch ein wenig ab, dann verstehen Sie es. Markus hat mir während unserer Unterhaltung den Vorschlag gemacht, zu Saisonbeginn vielleicht einmal gemeinsam zu segeln. Dann könnten wir zusammen das Boot ausgiebig auf seine Segeleigenschaften testen. Das nahm ich gerne an und wir tauschten unsere Adressen und Telefonnummern aus. Tatsächlich habe ich Anfang Mai dann einen Anruf von ihm und eine Einladung zum Segeln erhalten, die ich annahm. So hat meine Bekanntschaft mit Markus begonnen, den ich zunächst als möglichen Freund in Betracht gezogen hatte. Doch das schlug dann jäh in Zorn auf ihn um."

Bertram horchte auf: „Zorn? Was ist denn zwischen Ihnen vorgefallen, Herr Machner?"

Dieser schaute ihn an und antwortete: „Zuerst dachte ich, ich hätte einen netten Menschen getroffen. Vielleicht würde daraus eine Freundschaft erwachsen. Aber wie sich nach einigen Monaten herausstellte, hatte er den Zuschlag für das Boot durch eine Lüge erhalten."

Bertram hakte sofort nach: „Das interessiert mich, Herr Machner. Bitte schildern Sie mir, was passiert ist."

Klaus Machners Miene verfinsterte sich sichtlich, als er zu erzählen begann: „Da mir Markus von Anfang an unter keinen Umständen den Kaufpreis verraten wollte, wurde ich gegenüber Markus sehr misstrauisch. Während eines Segelausfluges, die anderen Begleiter waren gerade im Wasser zum Baden, sah ich die Mappe mit den Schiffspapieren in der Kajüte auf dem Tisch liegen. Obwohl ich kein gutes Gefühl dabei hatte, öffnete ich sie und sah kurz die darin befindlichen Bootspapiere durch. Dabei stieß ich auf Namen und Anschrift des Vorbesitzers, die ich mir schnell im Smartphone notierte. Am nächsten Tag suchte ich nach der Telefonnummer des Mannes und konnte tatsächlich Verbindung zu ihm aufnehmen. Ich brachte das Gespräch auf den Bootsverkauf und erfuhr vom Vorbesitzer die Wahrheit über den Ablauf."

Bertram dachte im Stillen, dass Machner nun endlich auf den Punkt käme.