Der Teckel mit zwei Köpfen - Walther Kabel - E-Book

Der Teckel mit zwei Köpfen E-Book

Walther Kabel

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Beschreibung

Der Leser wird sofort an eine Mißgeburt denken — und denkt daneben.
Dieser Teckel steht auf dem zweiten Brett unseres Raritätenschrankes neben anderen Erinnerungsstücken an merkwürdige Abenteuer, die uns in den meisten Fällen ein Zufall bescherte, denn die ganz seltenen, wirklich eigenartigen Probleme sind ja gewöhnlich so beschaffen, daß die zunächst Beteiligten, die Opfer geheimer Ränke, Anschläge oder anderer Verbrechen, zu spät das sich immer enger zusammenziehende Netz bemerken.
So sind es denn in den weitaus meisten Fällen dieser Art lediglich Fernstehende, die irgendeine besondere, auffällige Beobachtung gemacht haben und die in Gedanken das Geschaute, Erlauschte oder sonstwie zu ihrer Kenntnis Gelangte oft tagelang als unruhestiftenden Fremdkörper in ihres Alltagstrotts geregelter Bahn verspüren, bevor sie sich entschließen, sich an eine berufene Stelle zu wenden.

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Der Detektiv

Kriminalerzählungen

von

Walther Kabel.

Band 193

Der Teckel mit zwei Köpfen

1927

© 2023 Librorium Editions

ISBN : 9782385740795

 

 

Inhalt

Der Teckel mit zwei Köpfen

Ein Trunkenbold.

Und ein Raubmörder.

Und noch eine »Dame« …

Wie man auch mich klappte …

Um Therese Lengners Tod.

Das Geheimnis um Frau Lengner.

Der Ausgang in den Flur.

Der Schimpanse.

Ein gut gestelltes Bild.

Andere Rollenverteilung.

Doktor Ibrahim Gandur.

 

 

 

 

 

1. Kapitel.

Ein Trunkenbold.

Der Teckel mit zwei Köpfen …

Der Leser wird sofort an eine Mißgeburt denken — und denkt daneben.

Dieser Teckel steht auf dem zweiten Brett unseres Raritätenschrankes neben anderen Erinnerungsstücken an merkwürdige Abenteuer, die uns in den meisten Fällen ein Zufall bescherte, denn die ganz seltenen, wirklich eigenartigen Probleme sind ja gewöhnlich so beschaffen, daß die zunächst Beteiligten, die Opfer geheimer Ränke, Anschläge oder anderer Verbrechen, zu spät das sich immer enger zusammenziehende Netz bemerken.

So sind es denn in den weitaus meisten Fällen dieser Art lediglich Fernstehende, die irgendeine besondere, auffällige Beobachtung gemacht haben und die in Gedanken das Geschaute, Erlauschte oder sonstwie zu ihrer Kenntnis Gelangte oft tagelang als unruhestiftenden Fremdkörper in ihres Alltagstrotts geregelter Bahn verspüren, bevor sie sich entschließen, sich an eine berufene Stelle zu wenden.

Es war an einem sehr ungemütlichen Herbstabend. Sturm und gelegentliche Regenschauer umfauchten das alte Harstsche Familienhaus. So gegen neun Uhr saßen Harald und ich in der Bibliothek, die ja gleichzeitig Musikzimmer ist.

Harst spielte auf dem Bechstein ganz leise die wundervollsten Stellen aus Puccinis sentimentaler, etwas weichlicher Boheme. Ich las im Klubsessel neben dem Kaminofen Doktor Alders Berichte über die neuesten Forschungen in der Adelsberger Grotte.

Plötzlich brach Harst mitten im Spiele ab.

»Ich werde dich sofort munter machen, mein Alter …« sagte er …

Ich wandte den Kopf …

»Das Geknatter des Regens gegen die Fenster schläfert ein …« entschuldigte ich mich.

Haralds Gesicht lag im Schatten. Die elektrische Klavierlampe beschien den leeren Notenständer, die Tasten und Harsts reglos auf der Klaviatur ruhende schmale, weiße, nervöse Hände mit dem stark hervortretenden bläulichen Adernetz.

»Ja — die Fenster!« nickte er nur. »Die sind’s …! Du hast die Vorhänge nachlässig zugezogen und die Läden überhaupt nicht geschlossen. Du spielst zuweilen mit unserem Leben … Wenn nun die Frau da draußen auf dem Mauervorsprung, die durch das Eckfenster uns beobachtet und nicht ahnt, daß sie mit ihrem Kopf mir die Aussicht auf die Straßenlaterne versperrt, eine Pistole hätte und zu denen gehörte, die uns nicht gerade wohlgesinnt sind, etwa die Geliebte eines durch uns zu Zuchthaus Verknackten, dann könnte die Kugel mich unschwer erledigen, wenn die Person mit einer Waffe umzugehen weiß. Aber sei unbesorgt, die Frau beabsichtigt nichts derartiges. Sie hätte sonst längst abgedrückt. Sie ist jung und gewandt, denn unser Zaun ist nicht gerade leicht zu überklettern, und sie ist kräftig, denn sie steht nun schon eine Viertelstunde dort in einer immerhin recht unbequemen Stellung, außerdem gehört sie zu den wohlhabenden Kreisen, denn ihr Seidenhütchen mit Reihergarnierung dürfte bei diesem Hundewetter zum Teufel gehen, und die Ringe an ihrer unbehandschuhten Linken brillieren sehr stark …«

Er spielte ein paar Akkorde, lächelte …

»Zur Strafe wirst du nun gähnend dich erheben, wirst dich recken und strecken und mir scheinbar Gute Nacht wünschen, dann durch den Hof in den Vorgarten schleichen und die Dame freundlichst einladen, näherzutreten …«

Weiß Gott — ich war munter geworden …

Tat, wie Harald befohlen, drückte ihm die Hand und gähnte so kräftig, daß er meinte, nur in der Mäßigung zeige sich der Meister …

Dann war ich in Regenpelerine mit über die Glatze gestreifter Kapuze im Vorgarten.

Die Frau hatte ihren Beobachtungsposten noch nicht aufgegeben. Sie trug einen vor Nässe triefenden, dunklen, seidig glänzenden Gummimantel, moderne, helle Strümpfe und ausgeschnittene Lackschuhe.

Unbemerkt war ich ihr in den Rücken gelangt. Der breite Schatten einer der Kastanienbäume schützte sie gegen Sicht von der Straße her. Unsere Blücherstraße war freilich auch bei derartigem Sauwetter stets wie ausgestorben.

»Meine Gnädigste, darf ich Ihnen vielleicht von dem Mauervorsprung herabhelfen?«

Sie drehte ohne Eile den Kopf …

Harsts Klavierspiel war gedämpft bis hierher zu hören.

»Ah — Herr Schraut …!«

Und elegant sprang sie herab, stand dicht vor mir …

»Ich schwärme für Puccini, Herr Schraut … Ich hätte längst Einlaß begehrt, wenn’s nicht gerade Boheme gewesen wäre …«

»Sie sind leider etwas feucht geworden, meine Gnädigste.«

»O — das macht nichts … Es war sehr schön …«

»Wenn ich Sie bitten dürfte, hineinzukommen, meine Gnädigste … Mein Freund hat Sie längst bemerkt …«

»Das wußte ich …« Sie lachte übermütig. »Auch ich kann beobachten … Als Sie beide sich soeben da drinnen Gute Nacht sagten, durchschaute ich den … Schwindel — — verzeihen Sie! — Sehr liebenswürdig, daß Sie mich nun holen … Gehen wir … Es regnet in der Tat recht kräftig … Aber Puccini geht mir über alles …«

»Sie sind eine eigentümliche Musikschwärmerin, Gnädigste … Bitte folgen Sie mir …«

Im Vorderflur half ich ihr aus dem Mantel. Sie nahm vor dem Spiegel auch den teuren, durchweichten Hut ab, ordnete ihr aschblondes Haar und betrat Haralds hell erleuchtetes Arbeitszimmer.

Harst stand schon wartend unter dem brennenden Kronleuchter.

Seine grauen Augen musterten flüchtig die schlanke Gestalt in dem braunen Tuchrock und dem englischen braunen Pullower. Mit leichter Verbeugung sagte er:

»Schraut, — dies hier ist Fräulein Gerda Alster, die bekannte Tennisspielerin, Tochter des Kommerzienrats Jan Alster … — Gnädiges Fräulein, nehmen Sie bitte dort am warmen Kamin Platz, denn diese Halblackschuhe sind für dieses Wetter und für derartige spätabendliche Exkursionen wenig geeignet …«

Nun, bei Licht entpuppte sich Gerda Alster, die in Sportzeitschriften oft genug abgebildet wurde, als ein frisches, rassiges junges Mädchen mit offenen, regelmäßigen Zügen, braunen Augen und einem etwas sinnlichen Munde, aber recht energischer Kinnpartie.

Mit der zwanglosen Sicherheit der Dame von Welt, setzte sie sich in den Saffiansessel und streckte die Füße mit den durchnäßten Strümpfen und Schuhen gegen das Kamingitter vor.

Harst kam mit einem Glase Portwein … »Bitte, gnädiges Fräulein …« — »Zu nett von Ihnen … Wie anders ich mir Sie doch vorgestellt habe, Herr Harst …! Man macht sich ja zumeist von Berühmtheiten ein so vollkommen falsches Bild … Sie sehen weit jünger aus, als die Bilder in Zeitschriften Sie zeigen … Tatsache!« Sie hob mit graziösen Lächeln ihr Glas gegen uns … »Ihr Wohl, meine Herren … — Ja, so ein wenig durchgefroren bin ich wirklich … Auch die Zigarette nehme ich mit Dank an … Besonders, da Sie mir sicherlich keine zweite anbieten werden, Herr Harst, wenn Sie erst wissen, welcher Nichtigkeit wegen ich Sie belästige …«

Wir setzten uns ihr gegenüber. Harst in den alten, geschnitzten Eichensessel. »So — eine Nichtigkeit?! Das glaube ich nicht, gnädiges Fräulein … Zumal Sie einen so interessanten Nachbar haben …«

Sie errötete plötzlich …

»Wahrhaftig, — Sie sind Gedankenleser, Herr Harst! Indirekt handelt es sich wirklich um Doktor Griffon. Kennen Sie ihn?«

»Persönlich nicht. Ich weiß nur aus seinen gelegentlichen Aufsätzen über Tibet, daß er seinerzeit der jüngste Begleiter Sven Hedins bei dessen letzter Tibetdurchquerung war, daß er die Villa neben der Ihres Herrn Vaters in der Grunewaldstraße in Steglitz, unweit des Botanischen Gartens, seit einem Jahre bewohnt und daß er dem … Trunke ergeben ist — leider …!«