Der Traum der Lady Gulbranor - Walther Kabel - E-Book

Der Traum der Lady Gulbranor E-Book

Walther Kabel

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Beschreibung

Der Hausmeister Sadik lächelte …
»Tatsache, Mr. Harst …! Tatsache! Die Lady heißt in unserer Nachbarstadt Multan nur die verrückte Lady …!«
»Die Lady ist die Witwe des früheren Gouverneurs von Multan, Mr. Harst,« erzählte der würdige Alte nun weiter, indem er sich die Zigarre anzündete, die Harald ihm gereicht hatte. »So lange ihr Gatte lebte, war sie ganz vernünftig … dann aber endete einer ihrer Anbeter, der Hauptmann Lenglen, auf schauerliche Weise durch Selbstmord und …«
»Wie denn?« warf Harst ein …
Sadik wurde sehr ernst …
»Haben Sie davon nicht in den Zeitungen gelesen, Mr. Harst?! Lenglen hat sich selbst … enthauptet …«
Wie Edward Lenglen starb …
»Ah — gut, daß Du munter bist, mein Alter …« flüsterte er. »Lady Alix gibt mit dem Rechtsanwalt im Garten und verhandelt noch wegen des Hauskaufs, der nun durch Patricks Tod rechtlich auf Schwierigkeiten stößt. Ich habe diese Gelegenheit benutzt, in einer nicht gerade vornehmen Weise zu spionieren … In dem Salon unserer Gastgeberin interessierte mich der Schreibtisch … Man muß ja leider häufig manches tun, was einem innerlich widerstrebt … Die Lady hatte den Schlüssel des Mittelfaches stecken lassen. Ich öffnete es … Da war ein Kistchen mit Photographien und anderen scheinbaren Nichtigkeiten. Scheinbaren!! — Denn — unter diesen Bildern fand ich eine Visitphotographie, bei deren Anblick mir’s wahrhaftig ganz heiß wurde …«

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Der Detektiv

Kriminalerzählungen

von

Walther Kabel.

 

Band 155

 

Der Traum der Lady Gulbranor

1925

© 2023 Librorium Editions

ISBN : 9782383838463

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Inhalt

Die Blitzlichtaufnahme.

Was die Lady erzählt …

Patrick O’Neils Aussage.

Das Zeichen am Fenster.

Nalak, der Koch.

Wie Edward Lenglen starb …

Die zweite Photographie.

Eine gemeine Intrige.

Abendstunden …

Was in Sekunden passierte …

Der Inhalt des Wertbriefes.

 

Der Traum der Lady Gulbranor

1. Kapitel.

Die Blitzlichtaufnahme.

Der Hausmeister Sadik lächelte …

»Tatsache, Mr. Harst …! Tatsache! Die Lady heißt in unserer Nachbarstadt Multan nur die verrückte Lady …!«

Harald lag im Liegestuhl auf dem Balkon und genoß Morgenluft. Ich saß an einem Tischchen neben ihm und schrieb unser voriges Abenteuer nieder, war gerade bis zum zweiten Teil gelangt und hatte nach einigem Nachsinnen als Titel »Der andere Skorpion« gewählt …

Dann war der Hausmeister der Prinzessin Sadukala von Bawalar, bei der wir seit acht Tagen als Gäste weilten, erschienen und hatte uns erzählt, daß der Bungalow des treulosen Polizeichefs O’Neil durch Kauf in den Besitz einer Lady Alix Gulbranor übergegangen sei, die in Multan seit zwei Jahren ständig die ganze Europäerkolonie in Atem gehalten hatte … — durch ihre tollen Streiche …

»Die Lady ist die Witwe des früheren Gouverneurs von Multan, Mr. Harst,« erzählte der würdige Alte nun weiter, indem er sich die Zigarre anzündete, die Harald ihm gereicht hatte. »So lange ihr Gatte lebte, war sie ganz vernünftig … dann aber endete einer ihrer Anbeter, der Hauptmann Lenglen, auf schauerliche Weise durch Selbstmord und …«

»Wie denn?« warf Harst ein …

Sadik wurde sehr ernst …

»Haben Sie davon nicht in den Zeitungen gelesen, Mr. Harst?! Lenglen hat sich selbst … enthauptet …«

»Enthauptet?! Sich selbst?!«

»Ja … Das heißt: eigentlich doch nicht selbst … Nein — er ließ sich enthaupten …«

Ich rückte mit meinem Stuhl näher …

»Lenglen besaß nämlich einen zahmen Jagdelefanten … Das Tier war sehr klug, und der Hauptmann brachte ihm bei, ein indisches großes Hauschwert mit dem Rüssel zu umklammern und so allerlei Gegenstände zu zerkleinern … Lenglens Diener haben später ausgesagt, daß der Hauptmann auch menschenähnliche Puppen mit großen Melonen als Köpfen herstellte, die der Elefant enthaupten mußte. Eines Tages fand man dann den Hauptmann selbst in dem Elefantengehege ohne Kopf vor … Der Kopf lag ein paar Schritt weiter als der Rumpf im Gebüsch … — Das seltsamste aber: der Elefant ist sehr bald krepiert. Er verweigerte jede Nahrungsaufnahme, und allgemein nimmt man an, daß er aus Gram über den Tod seines Herrn gestorben ist. Die polizeiliche Untersuchung des Falles ergab einwandfrei, daß Lenglen sich hatte töten lassen … Er hatte einen Brief für Lady Gulbranor zurückgelassen und in diesem Schreiben betont, daß er das Leben nicht länger ertragen könne, weil sie seine Werbung zurückgewiesen hatte …«

Harald und ich waren sprachlos …

Derartiges konnte wirklich nur in Indien geschehen!! Man denke: ein Mann, der aus Liebeskummer sich von einem Elefanten enthaupten läßt!

»Ist die Lady denn schön?!« fragte Harst nach einer Weile …

Und der alte Inder erwiderte:

»Sie galt noch vor einem Jahre für die schönste Frau Indiens … Nun hat ihr tolles Leben ihr sehr geschadet … Man sagt, sie wolle sich betäuben! … Sie habe Lenglen geliebt … Frauen sind unberechenbar …«

»Wie lebt sie denn?!«

»Mr. Harst, eigentlich gehört sie wohl in eine Anstalt … Sie schläft am Tage. Abends um neun steht sie auf. Dann besteigt sie ihr Motorrad und fährt davon — irgendwohin … Morgens kehrt sie zurück. Um zehn Uhr vormittags geht sie schlafen, aber stets in Kleidern und benutzt nur einen Diwan als Bett … In der Europäerkolonie in Multan ist sie unmöglich geworden. Deshalb wohl hat sie jetzt hier den Bungalow O’Neils erworben. Ihre Möbel sollen schon heute eintreffen. Ihre Kammerzofe ist schon hier … Übrigens hat sie nur taubstumme Bediente, fünf an der Zahl …«

Ich konnte mich nicht enthalten zu erklären:

»Die Witwe ist fraglos verrückt.«

Sadik nickte …

»Das muß wohl sein, Mr. Schraut … Jedenfalls ist sie aber harmlos … Sie hat bisher noch kein Unheil angerichtet, denn für Lenglens Tod ist sie schließlich nicht verantwortlich …«

Harald lag jetzt mit halb geschlossenen Augen im Liegestuhl …

Rauchte …

Meinte versonnen:

»Und was treibt sie nachts auf ihren Radausflügen?«

»Nichts,« antwortete Sadik achselzuckend … — »Gar nichts … Sie fährt planlos und ziellos weite Strecken …«

»Ist sie reich?«

»Das glaube ich nicht … Ihr Gatte hatte ein hohes Gehalt, und ihre Witwenpension dürfte für ihre Ansprüche genügen … — Ich selbst habe die Lady dreimal gesehen — flüchtig und stets nachts, wenn sie mit ihrem Motorrad hier am Palast der Prinzessin vorübersauste …«

Sadik erhob sich …

»Wenn die Herren nun zum Frühstück auf die Terrasse kommen wollen … Die Prinzessin dürfte schon dort sein …«

Wir folgten Sadik.

Auf der Terrasse begrüßten wir Sadukala und ihren Leibarzt Doktor Morton.

Beide sind dem Leser genau so bekannt wie der brave Sadik. Ich habe im vorigen Band meinen lieben Lesern diese Personen vorstellen dürfen. — Und da ich nun gerade diese kurze Zwischenbemerkung einschalte, will ich hier gleich noch etwas anderes erledigen. — Ich erhalte sehr viele Briefe, in denen man mich entweder um eine Ansichtskarte oder um eine Photographie von Harald und mir bittet oder mir sonstige Wünsche vorträgt … Wenn es meine Zeit zuläßt, antworte ich gern. Die Briefschreiber müssen nur etwas Geduld haben. Und dann: wollte ich alle die Bitten um Hergabe von Gratisphotographien erfüllen, so würde es mir ergehen wie jenem Manne, der das große Los gewann und in der ersten Freude auf alle Bittbriefe hin den Leuten kleine Summen schickte, bis er merkte, daß sein Geld unheimlich zusammenschmolz. Wer also ein Bild von uns mit eigenhändiger Unterschrift wünscht, muß schon den Betrag von 1,60 M. an den Verlag einsenden. — Und noch etwas: Letztens schrieb mir ein eifriger Berliner Leser, daß er jene unserer Abenteuer am schönsten findet, die in Berlin spielten. Ich möchte also noch möglichst viel Berliner Probleme bringen. — Verehrter Freund, Ihnen folgendes zur Antwort: Meine Lesergemeinde erstreckt sich nicht nur über ganz Deutschland, sondern auch über das Ausland … Sogar aus Algier erhalte ich Briefe … Und diese ausländischen Leser, die zum größten Teil Berlin nicht näher kennen, finden sicherlich die Berliner Abenteuer keineswegs interessanter. Mithin: ich schildere hier unsere Kriminalfälle so, wie die reizende Dame Phantasie sie mir huldvollst in den Schoß wirft … — Ihnen aber, Berliner freundlicher Leser, hier an dieser Stelle nach Wunsch besten Gruß! —

Und jetzt zurück ins Märchenland Indien …

Zurück zum Frühstückstisch auf der Terrasse des alten Palastes, dessen Geheimnisse Harald so genial aufgedeckt hatte — bis auf eines: die diamantene Fürstenkrone von Bawalar, die der eine Radscha im Jahre 1853 während des großen indischen Aufstandes versteckt hatte, konnte auch Harst nicht wiederfinden. —

Das Gespräch am Frühstückstisch drehte sich um Lady Gulbranor …

Doktor Morton und die Prinzessin hatten übergenug von der »verrückten« Lady gehört und bestätigten uns alles, was Sadik erzählt hatte …

»Es stimmt schon,« meinte der liebenswürdige bejahrte Leibarzt … »Ja — die Lady schläft am Tage und fährt nachts mit dem Motorrad ungeheure Strecken, taucht bald hier, bald dort auf … — wie ein Gespenst … Und was den Selbstmord Lenglens betrifft: auch das ist richtig! Der Elefant starb vor Kummer …«

Wir schwiegen eine Weile …

Und ich empfand dunkel in einem geheimen Winkel meiner Seele, in dem die Vorahnungen schlummern, daß diese Lady uns noch näher beschäftigen würde …

Nach dem Frühstück machten Harald und ich unseren üblichen Spaziergang …

Diesmal nach dem alten Mohammedanerfriedhof im Westen der Stadt, wo vorgestern das Drama der roten Rakete, das ich im vorigen Band geschildert habe, seinen traurigen Abschluß gefunden.