Der Vorabend des Weihnachtsfestes - Anna Rothpletz - E-Book

Der Vorabend des Weihnachtsfestes E-Book

Anna Rothpletz

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Beschreibung

Was ist's, das in den Tagen des Advents, wenn die Stürme des Dezembers unfreundlich wüthen, und schaurig dunkle Wolken keinem Sonnenblicke den Durchgang verstatten, dennoch die Gemüther der Menschen heiter stimmt und alle häuslichen Interessen in regerem Leben durch einander treibt? Wo liegt der Grund der frohen Erwartung, die man nicht nur in den holdseligen Gesichtern der muntern Kinderschaar abgezeichnet sieht, die sich auch in den Zügen älterer Personen, oft mit einer sanften Wehmuth vermischt, so sichtbar zeigt? Und warum werfen die Lichter des Weihnachtsfestes einen so wohlthätigen Schimmer auf die dunkle Erde, daß ihr Glanz die düstern Schatten der Nächte durchdringt, die in diesem Theile des Jahres beinahe dem Tage nicht mehr zu weichen vermögen? Warum entzünden sie selbst in den zerrissenen Herzen die Flammen der Hoffnung und erneuerten Lebensfreude? ... Der Vorabend des Weihnachtsfestes entschwindet nie, ohne Alle zu vereinigen, und der weite Saal der Großmama, in dessen Mitte jedes Mal ein für sie aufgeputztes Bäumchen steht, das des Freundes Hand geschmückt hat, ist bald nicht mehr geräumig genug, die Glücklichen zu fassen.

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Was ist's, das in den Tagen des Advents, wenn die Stürme des Dezembers unfreundlich wüthen, und schaurig dunkle Wolken keinem Sonnenblicke den Durchgang verstatten, dennoch die Gemüther der Menschen heiter stimmt und alle häuslichen Interessen in regerem Leben durch einander treibt? Wo liegt der Grund der frohen Erwartung, die man nicht nur in den holdseligen Gesichtern der muntern Kinderschaar abgezeichnet sieht, die sich auch in den Zügen älterer Personen, oft mit einer sanften Wehmuth vermischt, so sichtbar zeigt? Und warum werfen die Lichter des Weihnachtsfestes einen so wohlthätigen Schimmer auf die dunkle Erde, daß ihr Glanz die düstern Schatten der Nächte durchdringt, die in diesem Theile des Jahres beinahe dem Tage nicht mehr zu weichen vermögen? Warum entzünden sie selbst in den zerrissenen Herzen die Flammen der Hoffnung und erneuerten Lebensfreude?

Beinahe alle Menschen fühlen sich in jenen Tagen, wo der Schimmer eines göttlichen Lichts dem armen, irrenden Geschlechte aufging, mehr als gewöhnlich erregt und still fröhlich; es ist ein heimliches Treiben und Walten überall, wo nicht der Jammer dieses Erdenlebens jede aufkeimende Blüthe geknickt hat. Selten nur ist irgend Einer so arm oder so ganz mit sich und dem Dasein zerfallen, daß er nicht die Einwirkung einer Epoche empfinden sollte, die gleichsam mit mystischem Scheine das Herz und die Sinne umfängt; selten sind die, denen nicht wenigstens in diesem einen Momente des ganzen Jahres eine Regung der Freude gegeben ist, und deren matter Brust sich kein Laut des Frohsinns zu entwinden vermag. –

Es sind die Bilder unserer Jugend, die leise grüßend an uns vorüber gleiten; es sind die Erinnerungen an eine Zeit, wo die Welt noch in überirdischem Glanze vor den jugendlichen Sinnen lag, und Alles, was herrlich und groß und lieblich sich dem kindlichen Auge darstellte, so leicht zu erreichen schien, die mit ihren harten Schwingen das enttäuschte Herz beschwichtigen und es noch einmal zurückführen in die Tage der heitern Kindheit; es sind die Freuden längst vergangener Zeit, deren verwelkte Blumen sich uns noch einmal auffrischen, und deren Andenken wir in der Sorge um die, welchen an unserer Statt nun die Genüsse der frohen Jugend gegeben sind, festzuhalten streben. Auch die ärmsten jener Kleinen, denen der Heiland das Reich Gottes verhieß, freuen sich, so lange die Mutterliebe, die Alles möglich zu machen weiß, an ihrer Seite steht, einer unbedeutenden Gabe, die auch auf sie einen Strahl der Millionen Lichterchen hinleitet, welche in reicher Eltern Hause die jubelnden Kinder entzückt. Auch in der kleinsten Hütte weicht die bittere Sorge auf einzelne Minuten irgend einem Genusse, der nur darum erfreuen kann, weil sonst die Befriedigung der ersten Bedürfnisse nur selten über die niedere Schwelle tritt. Und wo der Jammer eines verkümmerten Daseins zu groß ist, um auch dieser geringen Erleichterung Eingang zu gestatten, da fällt der Abglanz einer höhern Weihnachtsfreude in das verarmte Herz und führt die Seele von den Entsagungen dieses Erdenlebens hinweg den schönen Hoffnungen zu, welche die Feier des Weihnachtsfestes zur frohen Gewißheit macht.

Mit glänzender Umgebung erhebt sich hingegen die Weihnachtsfreude in den Häusern der Reichen und Wohlhabenden, denen wohl der Kummer unter jeder Gestalt nahen kann, denen aber der Mangel und Alles in seinem Gefolge, das so mächtig auf das innere und äußere Leben wirkt, fremd bleibt. Laut und schallend treibt sich die fröhliche Menge in den Straßen großer Städte, die der Wiederschein glänzender, mit allem Ueberflusse asiatischer Pracht prangender Buden erhellt, und die von dem Schimmer der unzähligen Lichter freundlich belebt sind, welche die Bescheerungen umgeben, die nicht auf das Bedürfniß berechnet, und Alles erschöpfend, was nur die Lust der Sinne zu reizen vermag, oft in dem Herzen der kleinen, unschuldigen Wesen, denen sie bestimmt sind, entweder die schlimme Begierde nach immer glänzendern Besitzungen rege machen oder, indem sie alle ihre Wünsche befriedigen, den jungen Gemüthern viel zu frühe eine Uebersättigung geben, deren nachtheiliger Einfluß durch das ganze übrige Leben sichtbar bleibt. Der rauschende Lärm, das Wogen der lustwandelnden und kaufenden Menge, die Fröhlichkeit, die sich selbst oft gegen den eigenen Willen mitten in diesem bunten Gewirre des Geistes der Theilnehmer bemächtigt, das Sinnen und Trachten nach Zerstreuung und Vergnügen, entfernt natürlicher Weise jeden ernstern Gedanken an die Veranlassung des frohen Festes, der vielleicht mehr als jeder andere geeignet wäre, dauernde Freude zu verbreiten, und Alles taumelt und rennt von einer Lust zu der andern, bis der Schall der mitternächtlichen Glocken den lauten Jubel übertönt, bis die Menschenmenge in die mit tausend Lichtern geschmückten Tempel wallt, und unter dem schönen Chorgesang: »Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede auf Erden!« die sterbliche Natur es fühlt, daß ein erhabneres Interesse dem irdischen Tand vorangehen sollte, und auf die Knie sinkend das Göttliche in sich aufnimmt und den Herrn der himmlischen Heerschaaren freudig anbetet.

Weit einfacher, stiller, aber gewiß nicht minder zweckmäßig, geht in den kleinern wie in den größern Städten der reformirten Schweiz die Feierlichkeit, wie die Freude der Weihnachtsabende und vorzüglich des wichtigsten vorüber, der dem Menschengeschlecht die herrliche Kunde brachte: »Euch ist ein Heiland geboren!« Beschränkt in ihren Hülfsmitteln, sich selten über den glücklichen Mittelstand erhebend, kennt die größere Zahl der Einwohner kaum dem Namen nach alle die Gegenstände des höchsten Luxus, die anderwärts als Bedürfniß erscheinen. Hier ist wirklich die Freude des Christfestes noch in ursprünglicher Reinheit zu finden; und wenn irgend Etwas außer dem heimlich erregten, diesen Tagen eigenthümlichen Sinne noch auf die Gemüther bedeutend wirkt, so ist es das Entzücken der Kinder, es find die kleinen wohlthuenden Ueberraschungen, die von Freunden und Bekannten einander gemacht werden, nur selten aber die Grenzen einer lobenswerthen Bescheidenheit übersteigen. Freilich sprechen die reformirten Kirchen, von allem äußern Schmuck entblößt, vielleicht zu einfach für die von solchen Eindrücken abhängenden Menschen, nicht so feierlich und erregend zu den Andächtigen, die in ihrem Raume sich sammeln; freilich rufen nicht in mitternächtlicher Stunde die Glockentöne zum Tempel, sondern sie thun es im abendlichen Dämmer-lichte, wo der Geist noch nicht so gespannt und das Herz noch nicht für alles Ungewöhnliche so empfänglich ist; freilich schimmert statt dem Glanze von tausend Lichtern, die in magischer Beleuchtung die Sinne überraschen, nur hie und da ein einsames Lämpchen, dessen einzelner Schein die Gegenstände in unsichern Umrissen kaum erkennen läßt: aber in diesem feierlichen Dunkel, abgezogen von allem äußern Einflusse, sammelt sich die Seele zu wohlthätiger Betrachtung; – in deutlichen Bildern geht das Schlimme und Gute des verflossenen Jahres an dem innern Auge vorüber, das bange Herz öffnet sich bereitwillig den göttlichen Verheißungen, der Kummer, dessen jedes Wesen, sichtbar oder unsichtbar, gewiß seinen Theil trägt, mildert sich, es werden Entschlüsse gefaßt, deren heilsame Folgen sich oft auf das Leben erstrecken, und wenn die einfachen Töne der Orgel, jeden Schmerz beschwichtigend, die befriedigten Menschen nach Hause geleitet haben, und in stiller Freude jeder Einzelne des kommenden festlichen Morgens gedenkt, so empfängt ihn daheim der Jubel jugendlicher Wesen; die brennenden Lichter, die anmuthige Wärme, der einladende Theetisch, um den sich bald ein kleiner traulicher Kreis sammelt, vollenden den Genuß des freundlichen Abends, und in dem Bewußtsein, daß nur das häusliche Glück es sei, um dessen willen es sich lohne, gelebt zu haben, gehen nach einigen Stunden Alle zu der friedlichen Ruhe über, die einem solchen Feste geziemt.

Ein Bild solcher einfachen Weihnachtsfreuden, solcher still, aber mächtig empfundener Eindrücke, denen einige zusammentreffende Umstände eine höhere Bedeutung gaben, legen wir in diesen Blättern den Lesern vor die Augen, wünschend und hoffend, es möge hie und da ein Laut zum Herzen sprechen, und denjenigen, die das Leben hart getroffen hat und denen der Weihnachtsabend kein freudiges Gefühl zu geben vermag, wenigstens eine erleichternde Stunde verschaffen.

In der freundlich hellen Stube ihres Unterhauses saß an dem Vorabend des Weihnachtsfestes Frau von Detmund, die ziemlich bejahrte Wittwe eines der ersten Beamten in einem der Kantone der deutschen Schweiz, die, von Sehnsucht nach einem stillen, von der Welt abgezogenen Leben getrieben, nach dem Tode ihres Gatten sich in einem der kleinen Städtchen angekauft hatte, welche in unserm Vaterlande sich so zahlreich finden und mit allen Nachtheilen eines beschränkten Wirkungskreises auch viele Vortheile verbinden, die man vergeblich in den Mauern größerer Städte, mitten unter den mannigfaltigen Beziehungen des höhern gesellschaftlichen Lebens suchen würde. Die Umgebungen, in denen wir sie heute zum ersten Mal erblicken, sind etwas seltsam, aber mit dem ganzen Aeußern übereinstimmend, das den Beobachter in zartem Wohlwollen anspricht, und dessen einzelne Züge unwidersprechlich den Weich derjenigen beurkunden, die, den eigenen Täuschungen längst entronnen, fern allen Ansprüchen, die das Herz in frühem Jahren macht, dennoch beiden nicht so entfremdet ist, daß sie es nicht vermöchte, den Wünschen und Hoffnungen Anderer mit mildem Sinne entgegen zu kommen, und den Reiz des Lebens in dem Wiederscheine fremden Glückes zu finden. Auf Tischen und Stühlen, auf dem Kanapee und rings auf dem Boden lagen ausgebreitet eine Menge Dinge, deren Mannigfachheit leicht errathen ließ, daß sie Personen von ungleichem Alter und verschiedenartigem Geschmacke bestimmt sein müßten. Auf bunten Shawls ruhten Hanswürste und Bullenbeißer, köstliche Zeuge mischten sich mit Trommeln, Peitschen und Puppen; Nähkästchen und Schreibpulte hielten sich traulich Gesellschaft und natürliche und künstliche Blumen pflegten bei vergoldeten Nüssen, Zuckerplätzchen, Makaronen und Leckerbischen jeder Art gemeinsame Ruhe.

Frau von Detmund saß auf einem Lehnstuhle, vor ihr stand ein Tischchen, auf welchem ein schöner hoher Weihnachtsbaum prangte, der oben mit Lichterchen und glänzenden Gaben der mannigfaltigsten Gattung geschmückt werden sollte, von denen sie eine nach der andern, an rosenfarbene Bänder gereiht, einer jugendlich hohen Gestalt darbot, die neben ihr stehend sich bald auf den Spitzen der fein gebildeten Füßchen wiegte, bald den Lockenkopf tief hinunter bückte, um die dargereichten Gegenstände in geschmackvoller Mischung an die Aeste zu knüpfen. Ein Blick reichte hin, um das emsig beschäftigte Mädchen als eine südliche Natur zu bezeichnen; denn diese dunkle und dennoch belebte Gesichtsfarbe, dieses schwarze Rabenhaar, diese tiefen Augen voll innerer Gluth und die gewandte, leichte Sylphidengestalt mußte beinahe das südliche Frankreich oder Italien als Vaterland verrathen, wenn auch nicht der holdselige Mund die deutschen ungewöhnlichen Laute in sonderbaren Veränderungen wiedergegeben und hingegen mit seltener Geläufigkeit französischen Sätze, die Ausrufungen und liebkosende Worte, zwischenein geflickt hätte.

Auf einem kleinen Stühlchen kniete an der andern Seite neben der alten Frau das leibhafte Gegenstück zu dem vorhin beschriebenen. lebendigen Wesen; eine zarte, beinahe ätherische Figur, eine Fülle von blonden Locken, ein Auge, in welchem sich das lichte Blau des Himmels zu spiegeln schien, und die Blüthe der Lilien und Rosen auf der zarten Haut ließen eine jener Schönheiten ahnen, die unter den Strahlen einer heißen Sonne nicht gedeihen können, und welche nur ein kälteres Klima hervorbringt. In freundlicher Liebe ruhte ihr Blick auf den geistreichen, oft muthwilligen Zügen ihrer Gefährtin, deren heitere Scherze ihr recht zu behagen schienen, ohne daß sie dieselben zu erwiedern sich berufen gefühlt hätte; denn so verschieden das Aeußere der beiden Mädchen erschien, eben so ungleichartig waren die Einzelnheiten ihrer Charaktere, und lebendiger Frohsinn von der einen, tiefer Ernst von der andern Seite hätten es beinahe unbegreiflich gemacht, wie diese beiden heterogenen Gemüther sich lieben und verstehen konnten, wenn nicht dem scharfsichtigen Menschenkenner täglich klar werden müßte, daß eben die verschiedensten Naturen einander mit der innigsten Liebe zu umfassen vermögen, während die allzu übereinstimmenden sich unwillkürlich von einander abgestoßen fühlen.

So wie die Freundschaft die beiden jugendlichen Herzen enge verknüpft hatte, so waren sie von verwandtschaftlichen Banden fest umschlungen und vereinten sich noch unauflöslicher in der tiefen Verehrung, in der unbegrenzten Anhänglichkeit an die edle Frau, die den frühe Verwaisten Großmutter und Mutter zugleich war, und in dem heitern Sinne, welcher von den Enkelinnen ausging, die eigene Jugend wiederfand. Nicht immer hatte Frau von Detmund eine so wohlthuende Ruhe genossen, wie sie das eben entworfene Gemälde und das verklärende Lächeln ausspricht, das ihre Züge erhellt, wenn ihr Auge auf den beiden Lieblingen weilt, die sich so sichtbar bestreben, der theuern Großmutter behülfich und gefällig zu sein, Ein Leben, reich an Schmerz und bitter empfundenen Entbehrungen, war ihr langsam und trübe an der Seite eines ungeliebten Gatten dahin geschwunden, den nicht eigene Wahl, den fremder Wille ihr gegeben hatte, und dem nur die eiserne Pflicht angehörte, während ihr Herz einem jungen Freunde folgte, von welchem ungerechte Gewalt sie getrennt hatte, und der von seiner hoffnungslosen Liebe durch Länder und über Meere getrieben ward. Mit dem Gefühle eines unstillbaren Heimwehs an einen Mann gefesselt, dessen gemüthlicher Sinn in einem abgezogenen Geschäftsleben längst untergegangen war, der für hohe Weiblichkeit wenig empfänglich, die Frau nur als die oberste Dienerin seines Hauses ansah, und wenn sie für Wäsche, Kleidung und den Bestand seines Hauswesens gesorgt hatte, weiter Nichts von ihr verlangte, noch viel weniger geneigt war, ihr etwas Besseres zu geben, als den Namen seiner Gattin und der Mutter seiner Kinder, vermochte Frau von Detmund in den ersten Jahren ihrer Ehe nur mit dumpfer Ergebenheit ihr Leben fortzuschleppen, und oft und sehnsuchtsvoll suchten die flüchtigen Gedanken, den trennenden Raum schnell durcheilend, den Geliebten ihrer Jugend auf, und mit seinem Bilde traten auch die Träume einer glücklichen Liebe aus dem Dunkel der Vergangenheit hervor. Erst als die Mutterliebe ihr Recht geltend machte, als ein Sohn und später noch zwei Töchter Ansprüche an ihre Sorge und Thätigkeit zu machen begannen, erst da entfaltete sich aufs Neue die Blüthe der innigsten Liebe, die, wenn auch unverstanden und zurückgedrängt, dennoch in des Weibes Brust nie erstickt und aus Mangel an mündigen Gegenständen derselben so oft auf Unmündige übergetragen wird. Mit leidenschaftlicher Hingebung weihte sie sich den kleinen Wesen, die in ihr allein die Zärtlichkeit fanden, welche sonst dem Vater- wie dem Mutterherzen eigen ist, die aber Herr von Detmund, dessen Trockenheit sich auch auf dieses Verhältniß ausdehnte, nicht zu empfinden schien. Die Stelle, die früher in ihrer Brust dem Festhalten an theure Erinnerungen, dem Andenken eines geliebten Geschiedenen gewidmet war, wurde nun ganz von dem mächtigen Gefühle eingenommen, das nie altert, nie sich schwächt, das Zeit und Raum, das Tod und Grab überlebt und das also unwidersprechlich einem bessern Dasein angehört. Das Bild ihrer zerstörten Hoffnungen trat allmälig in den Hintergrund; stiller und immer stiller ward es in ihrem Herzen, das Gefühl, das der Mutterliebe unausgesetzt zur Seite schreitet, der schöne Glaube, die herrlichen Hoffnungen, welche die Religion uns gibt, und ohne welche des Weibes Seele sich nicht ganz und unbedingt ihren schweren Pflichten hinzugeben vermag, bemächtigte sich ihres ganzen Wesens; in dem frohen Kreise ihrer Kinder, unter ihren zärtlichen Liebkosungen, bei der Freude an ihrer Entwicklung fühlte sie nicht mehr, daß der höchste Zauber des Glückes ihrem Leben gefehlt hatte, und selbst die Gleichgültigkeit oder vielmehr die Abneigung gegen ihren Gatten wandelte sich in Wohlwollen um, denn er war ja der Vater der süßen Geschöpfe, in denen sie ihr einziges Glück fand.

Ein Reihe von Jahren hindurch blieb diese Ruhe in ihrer Brust heimisch. Die Erziehung der Kinder war ihrer Leitung überlassen; sie