Der Wald der Rituale - Gerald Gräf - E-Book

Der Wald der Rituale E-Book

Gerald Gräf

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Beschreibung

Das verborgene Universum: Im Wald bei Vahlendorf scheint es zum Greifen nah. Bereits vor Jahrtausenden wurden hier Rituale praktiziert, Gräber angelegt und Geister beschworen. Einer uralten Sage zufolge soll sogar der Teufel persönlich dort gehaust haben. Als Michael Sallin das alte Gärtnerhaus am Rande des Waldes bezieht, ahnt der psychisch angeschlagene Fotograf noch nichts von den spirituellen Erfahrungen, die ihn bei der ortsansässigen Schamanin Charlotta Rheintaler erwarten, die auch als Hexe von Vahlendorf verrufen ist. In ihren Visionen sieht die Frau mit den roten Haaren die Toten des Waldes und erfährt, dass ein Opfer gebracht werden muss. Als Rheintaler spurlos verschwindet, schickt die Kripo Lübeck Kriminalkommissar Max Freimann. Zusammen mit der Dorfpolizistin Petra Maltow versucht der alkoholabhängige Polizist, Licht in das Dunkel des mysteriösen Falls zu bringen. Dabei werden beide von absonderlichen Visionen und quälenden Gedanken geplagt. Die magischen Kräfte des Waldes scheinen zu neuem Leben zu erwachen, denn nur hier, tief im Ritualwald, soll sich ein Portal in die geistige Welt befinden - der geheimnisvolle Megalith.

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Seitenzahl: 342

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Zum Buch

Das verborgene Universum: Im Wald bei Vahlendorf scheint es zum Greifen nah. Bereits vor Jahrtausenden wurden hier Rituale praktiziert, Gräber angelegt und Geister beschworen. Einer uralten Sage zufolge soll sogar der Teufel persönlich dort gehaust haben. Als Michael Sallin das alte Gärtnerhaus am Rande des Waldes bezieht, ahnt der psychisch angeschlagene Fotograf noch nichts von den spirituellen Erfahrungen, die ihn bei der ortsansässigen Schamanin Charlotta Rheintaler erwarten, die auch als Hexe von Vahlendorf verrufen ist. In ihren Visionen sieht die Frau mit den roten Haaren die Toten des Waldes und erfährt, dass ein Opfer gebracht werden muss. Als Rheintaler spurlos verschwindet, schickt die Kripo Lübeck Kriminalkommissar Max Freimann. Zusammen mit der Dorfpolizistin Petra Maltow versucht der alkoholabhängige Polizist, Licht in das Dunkel des mysteriösen Falls zu bringen. Dabei werden beide von absonderlichen Visionen und quälenden Gedanken geplagt. Die magischen Kräfte des Waldes scheinen zu neuem Leben zu erwachen, denn nur hier, tief im Ritualwald, soll sich ein Portal in die geistige Welt befinden – der geheimnisvolle Megalith.

Zum Autor

Gerald C. Gräf, Jahrgang 1957, lebt in einer kleinen Ortschaft am Rande Hamburgs. Neben zwei autobiografischen Werken und zwei Kurzkrimis, die in den Anthologien der AHRENSMORD-Serie erschienen sind, gehören folgende fiktive Werke zu seinen Buchveröffentlichungen: »DER SCHATTEN VON APOPHIS«, »GOTTES UNSICHTBARE ARMEE«, »DER MODELL-BAUER«, »DER PAKT DES TERRORISTEN« und »DER ALPTRAUMMÖRDER«. In seinem aktuellen Werk »DER WALD DER RITUALE« begibt sich der Autor auf eine geheimnisvolle Reise in die mythische Welt des Schamanismus.

»Der Wald ist ein Spiegel deiner Seele …«

(alte schamanische Weisheit)

Für Kirstin … und Michael, der schon mal das Portal durchschritten hat.

Inhaltsverzeichnis

PROLOG

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

PROLOG

VOR FÜNFTAUSEND JAHREN IM NORDEN EUROPAS …

Der große Stein sprach zu mir! Seine Botschaft trägt den Tod in sich. Wir fürchten uns vor dem Namenlosen, das in den Nächten um unsere Siedlung schleicht. Wie Wölfe will es uns zerfleischen. Die Geister des Waldes beschützen uns – doch wie lange noch …?

Der große See funkelte wie ein Juwel in der Abendsonne. Als der Regen nachließ, stiegen Nebelschwaden auf, und am Himmel erschien ein prächtiger Regenbogen, dessen Farben sich in unzähligen Tautropfen spiegelten, die wie Perlenketten in den Spinnennetzen schimmerten. Das Erdreich dampfte wie ein Auerochse, der nach langer Hetzjagd erschöpft zu Boden ging.

Stille erfüllte den Wald, in den bereits der Herbst einzog. Doch als sich die Jäger und Sammler am Rand einer Grube versammelten – umgeben von moosbedeckten Felsbrocken und mächtigen Eichen –, schallten ihre beschwörenden Gesänge durch das Gehölz, und das Wild des Waldes schreckte verängstigt auf.

Nicht weit von ihnen thronte der Megalith. Wie ein mächtiger Phallus wachte der geheimnisvolle Steinblock über den Wald und seine Bewohner. Ein Symbol für die Fruchtbarkeit, die Beständigkeit, für den Schutz der Natur und die spirituelle Verbindung zwischen Himmel und Erde.

Die Mitglieder des Stammes waren in kunstvoll bearbeiteten Tierfelle gekleidet, in denen bunte Federn steckten. Sie trugen Schmuck aus Muscheln, Zähnen, Knochen und Steinen. Ihre Haut war verziert mit mystischen Symbolen, die in Rot und Schwarz auf ihren Leibern glänzten. In den Gesichtern der Männer kräuselten sich lange Bärte, während die Frauen ihre Haare zu Zöpfen geflochten hatten. Einige trugen Kopfbedeckungen aus Fellen und Häuten.

Als die Sonne am Horizont versank, entfachten sie ein Feuer in der Grube. Während die gelbrote Glut ihre Körper erwärmte und die flackernden Flammen den Wald in ein gespenstisches Licht tauchten, bewegten sie sich singend um das Feuer, das sich wie ein lebender Organismus in ihren Augen spiegelte. Ihre Bewegungen steigerten sich zu einem wilden Tanz, der alle Mitglieder des Stammes in seinen Bann zog.

Rote Funken stoben in die Dunkelheit, die Schatten ihrer Körper wanderten durch das Gehölz und in der Ferne heulte ein Rudel Wölfe den Mond an.

Gedärme erlegter Tiere wurden herumgereicht, gefüllt mit einer süßlich riechenden, berauschenden Flüssigkeit. Begierig tranken sie, stampften mit den Füßen, verrenkten ihre Glieder und streckten die Arme hoch, als wollten sie den Sternenhimmel ergreifen, in dem sich ihnen die Milchstraße wie ein funkelnder Diamantenteppich darbot.

Als dunkle Wolkenfetzen vor der Mondsichel erschienen und das Wasser im See schwarz glänzend schimmerte, nahm der Älteste von ihnen eine mit Tierhaut bespannte Trommel zur Hand. Er war der Schamane des Stammes, ein Wanderer zwischen der diesseitigen und der jenseitigen Welt.

Als Geisterbeschwörer, Heiler und Seher war er das Bindeglied zwischen dem Irdischen und dem Übernatürlichen. Mit monotonen, heftigen Schlägen versetzte er die Tanzenden in eine tiefe Trance, um die Geister des Waldes anzurufen.

Ihr Gesang wurde lauter, der Tanz immer wilder, und während der Mond das Firmament erklomm, verfielen sie in eine tiefe Ekstase, in der sie im Geiste die jenseitige Welt erkundeten.

Plötzlich änderte sich der Rhythmus der Trommel. Ihre Körper fielen wie Marionetten zu Boden. Mit geschlossenen Augen drückten sie sich in die feuchte Erde, rieben den Schlamm auf ihre vom Wetter gegerbte Haut, flüsterten Beschwörungsformeln und wandten sich in die Grube hinein, so als wollten sie mit der Erde verschmelzen.

Der Schlag der Trommel wurde schneller.

Regungslos lagen sie in der Grube, bis sich ihnen die unsichtbare Wahrheit des Kosmos offenbarte. Sie sahen Dämonen, fantastische Wesen, bizarre Formen, Farben und Landschaften, für die es keine Worte gab.

Die Geister der Unterwelt, die sie ehrfürchtig anbeteten, sprachen zu ihnen. Einige waren ihnen wohlgesonnen, andere trugen das Böse in sich, um ihnen düstere Prophezeiungen zu überbringen, die den Tod in sich trugen. Prophezeiungen über die Beute, das Wetter, über den Wald und die Feinde, die ihnen die Jagdgründe streitig machen wollten. Rätselhafte Vorhersagen, magisch und voller Widersprüche, die es zu deuten galt.

Der Geisterbeschwörer wusste: Das nächtliche Ritual – die Reise in die geistige Welt und die Begegnung mit den Geistern, ob wohlgesonnen oder boshaft – war von entscheidender Bedeutung für die Jäger des Waldes. Ihr Überleben hing von den unerbittlichen Gesetzen der Natur ab, die es zu achten und zu befolgen galt. In ihrer Vorstellung besaß alles, was existierte, eine Seele und einen Geist. Alles befand sich in einem fragilen Gleichgewicht, und nur jene, die sich in das gewaltige Räderwerk der kosmischen Kräfte einfügten, konnten überleben.

Die Balance entschied über Leben und Tod.

Doch für die Jäger des Waldes gab es nur wenige Pfade, um das Gleichgewicht der Kräfte zu erhalten: Sei wie Wasser, das sich der Veränderung anpasst. Begib dich auf die Reise zu den Geistern, lerne ihre Sprache, bitte sie um Hilfe, glaube inständig an ihre Kräfte und hüte dich vor den dunklen Mächten, die das Böse in dir wecken.

Du kannst sie nur an einem einzigen Ort finden:

Dem verborgenen Universum …

1.

IM JAHR 2024 …

Michael Sallin ging an der Wasserlinie entlang, den Blick gesenkt. Das Meer funkelte in der Mittagssonne wie die Sterne am Himmel. Die Luft war warm, der Wind streichelte milde sein Gesicht, und über den Köpfen der wenigen Menschen, die den sonnigen Tag im Watt genossen, kreischten Möwen.

Es herrschte Ebbe. Die Nordsee hatte sich weit zurückgezogen und ein schier endloses Wattenmeer hinterlassen, durchzogen von zahllosen Rinnsalen, in denen glasklares Wasser schimmerte.

Sallin besuchte in den Sommermonaten regelmäßig das Meer, um durch das Watt zu streifen. Vor zehn Jahren, an seinem fünfzigsten Geburtstag, hatte der hagere Mann mit den grauen Haaren zum ersten Mal den heilsamen Effekt der Nordsee-Exkursionen bemerkt.

Das Wattenmeer reinigte seine Seele. So wie das Meer sich zurückzog, spülte es den Abfall aus seiner Seele heraus, der sich mit beständiger Regelmäßigkeit dort immer wieder aufs Neue ansammelte.

Der freie Fotograf hatte seine Kamera stets dabei, doch im Watt fotografierte er selten. Jede Ablenkung behinderte den Heilungsprozess. Schließlich gab es gute Gründe, warum er vor zehn Jahren beschlossen hatte, das Meer als Therapie zu nutzen und ein Leben als moderner Nomade zu führen.

Alle paar Jahre wechselte er den Wohnort. In einem Radius, der es ihm erlaubte, die Tour an die Nordsee an einem Tag zu bewältigen.

Beides hatte Priorität: die Umzüge und seine Wanderungen durch das Watt. Auf diese Weise gelang es ihm, die Balance aufrechtzuerhalten.

Alte Häuser ohne viel Komfort in kleinen Städten hatten es ihm angetan. Dörfer, in denen jeder jeden kannte, mied er ebenso wie große Metropolen, von denen es im norddeutschen Raum ohnehin nicht viele gab.

Sallin hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, seinen Besitz zu dezimieren, bis alles in seinen VW-Bus passte: ein paar Möbel, Kameraausrüstung, Laptop, Kleidung und Alltagsgegenstände. Bei Bedarf mietete er einen Anhänger, um alles auf einmal zu transportieren.

Du läufst vor der Vergangenheit weg …

Du bist ständig auf der Flucht …

Diejenigen, die er in Berlin zurückgelassen hatte, echauffierten sich. Vielleicht aus Neid, denn ohne es zu wissen, waren sie Gefangene ihrer Lebensumstände. Sallins anspruchsloses Nomadenleben hingegen zeichnete sich durch Unabhängigkeit aus. Ein Privileg, das ihm nicht in den Schoß gefallen war. Seine Selbstständigkeit war ein Risiko gewesen; jeder Auftrag keine Selbstverständlichkeit. Doch die großen Magazine bezahlten gut für seine einzigartigen Bilder.

Im Laufe der Jahre war es ihm gelungen, Nähe zu Prominenten aufzubauen. Die Gabe des aktiven Zuhörens, die er bis zur Perfektion verfeinert hatte, öffnete dem Fotografen viele Türen und machte ihn zu einem gefragten Gesprächspartner.

Sallin hatte früh erkannt, dass die im Rampenlicht Stehenden sich vor allem nach Normalität und Ehrlichkeit sehnten. Das aktive Zuhören – authentisch und bedingungslos – bescherte ihm in kurzer Zeit viel Geld. Und es hatte ihm ermöglicht, sein Leben umzukrempeln, nachdem sich das Chaos an ihm ausgetobt hatte.

All dies hatte sich vor langer Zeit zugetragen.

Jetzt befand er sich seit Jahren auf Tour. Von Ort zu Ort, von Bleibe zu Bleibe – immer ein anderes Umfeld, ständig neue Bekanntschaften.

Die Zurückgelassenen in Berlin, zu denen er den Kontakt abgebrochen hatte, lagen falsch. Natürlich lagen sie falsch. Der Nomade mit den wachen Augen verabscheute die Isolation. Er befand sich auch nicht auf der Flucht – vielmehr entzog er sich der Monotonie eines durchschnittlichen Lebens. Das war etwas völlig anderes.

Sein unstetes Leben war das Gegenmodell, der Ausweg aus dem Hamsterrad, in dem er sich irgendwann totgelaufen hätte. Er zählte sich nicht zu den Einzelgängern, die Kontakte mieden. Im Gegenteil: Immer, wenn er die Zelte hinter sich abbrach, hinterließ er Zufallsbekanntschaften, die sich fragten, warum dieser nette, langhaarige Mann mit der Kamera, der so einfühlsam zuhören konnte, plötzlich verschwunden war.

Sallin begann zu frösteln. Zurück am VW-Bus nahm er die Canon, um den Sonnenuntergang einzufangen. Die Abenddämmerung war spektakulär, doch die Fotos waren nur Kitsch, dem er keine Beachtung schenken würde.

Auf der Autobahn Richtung Hamburg zog er Zwischenbilanz.

War es die richtige Entscheidung gewesen? Zehn Jahre auf Achse! Erst kürzlich hatte er seinen fünften Umzug gemeistert – ein Kraftakt, bei dem er alle Habseligkeiten in die obere Etage eines alten Gärtnerhauses schleppen musste. Ein Wermutstropfen, denn ansonsten entsprach das Objekt seinen Vorstellungen: ein Glückstreffer.

Oder war es an der Zeit, nach Berlin zurückzukehren? Die düsteren Ereignisse lagen weit zurück, vielleicht hatte sich sein Zustand stabilisiert, um das alte Leben wiederauferstehen zu lassen.

Doch wozu? Um anderen einen Gefallen zu tun?

Das ist keine Option … ging es Sallin durch den Kopf, als er die A24 bei Mölln verließ.

Schließlich musste er sich eingestehen, Gefallen am Nomadenleben gefunden zu haben.

Sicher gab es Nachteile und oft auch Ärger mit den Vermietern, die er über die Dauer des Mietverhältnisses im Unklaren ließ. Doch unter dem Strich genoss er die Unabhängigkeit und das Gefühl von Abenteuer, das ihn immer überkam, wenn er ein neues Domizil bezog.

So auch jetzt in Vahlendorf.

Die kleine Gemeinde in Schleswig-Holstein, östlich von Mölln und nahe dem Schaalsee, beeindruckte vor allem durch eines: Abgeschiedenheit.

Mit knapp achttausend Einwohnern zählte Vahlendorf zu den größeren Orten in der Region, die von Wäldern, Seen, Mooren und landwirtschaftlichen Flächen geprägt waren. Das Gebiet lag am Rande des UNESCO-Biosphärenreservats Schaalsee, durch das einst die innerdeutsche Grenze verlief.

Sallin zog das Ladekabel seines Smartphones aus der USB-Buchse und atmete tief durch. Zukünftig würde er den Weg nach Vahlendorf auch ohne Navi finden.

Er schaltete das Radio ein. Amy Winehouse sang »Valerie« und er ertappte sich dabei, wie seine Daumen im Takt der Musik auf das Lenkrad tippten.

Es war meine Schuld gewesen. Ich hätte es verhindern können. Vielleicht …

Plötzlich wurden seine Augen feucht. Der Song hatte etwas in ihm ausgelöst.

Er bremste ab und parkte den VW-Bus auf einem kleinen Parkplatz hinter dem Ortsschild von Vahlendorf. Erschöpft blickte er aus dem Seitenfenster und unterdrückte ein Schluchzen.

Der Anfall währte nur kurz. Sallin schnäuzte sich heftig und warf einen Blick in den Rückspiegel. Die auffallende Narbe auf der Stirn, die ihn bereits seit seiner Kindheit begleitete, befand sich noch an ihrem angestammten Platz. Die grünbraunen Augen waren gerötet, die Wangen eingefallen und die ehemals schwarzen Haare waren jetzt von einem aschfahlen Grau durchzogen. Tiefe Falten hatten sich um die Mundwinkel gebildet, und die Tränensäcke unter den Augen waren größer geworden.

Du hast schon mal besser ausgesehen …

Er lehnte sich zurück, schloss die Augen und ging im Geiste die Dinge durch, die er in den nächsten Tagen erledigen wollte.

Sein Blick fiel auf die Uhr. Gegen Mitternacht würde er zu Hause sein – noch genügend Zeit, um einen Happen zu essen.

Morgen früh stand ein Besuch bei seinem Vermieter Gropius auf der Liste, der gleich um die Ecke wohnte. Die erste Miete war fällig, und Gropius, ein seltsamer Kauz mit Bart, dessen Alter sich vermutlich jenseits der Achtzig befand, hatte auf Barzahlung bestanden. Der ehemalige Rechtsanwalt lebte allein. In einem riesigen, über hundert Jahre alten Herrenhaus aus roten Backsteinen, umgeben von einem parkähnlichen Landbesitz, der verträumt und unberührt am Rande der Gemeinde lag.

Sallin erinnerte sich an seinen ersten Besuch.

Er starrte auf eine wuchtige, grüne Holztür und ein unleserliches Namensschild, daneben ein weißer, abgegriffener Klingelknopf, der keine Töne verursachte, so oft er auch draufdrückte.

Sallin wartete, doch der Hausherr ließ sich nicht blicken. Er ging die Steintreppe hinunter, um sich einen Überblick zu verschaffen.

Das Areal – vermutlich mehrere tausend Quadratmeter – wurde von einem verwitterten, mannshohen Holzzaun abgegrenzt, der an einigen Stellen bereits schadhaft war. Der Vorgarten, eine riesige, mit zahlreichen Maulwurfshügeln übersäte Rasenfläche, wurde von einem Schotterweg zerschnitten, der wie eingeschlafen dalag.

Hier fuhren zuletzt vielleicht Kutschen, dachte Sallin amüsiert.

Auf dem kleinen Parkplatz neben dem Anwesen stand Sallins Bus, beladen mit Säcken voller Kleidung und einigen wenigen Gebrauchsgegenständen. Mehr benötigte er nicht. Das alte Gärtnerhaus war vollständig ausgestattet. Kein Luxus, doch für Sallin die perfekte Mischung aus Minimalismus und Individualismus.

Alle Dinge des täglichen Lebens würde er in der fußläufig erreichbaren Rathausstraße einkaufen, die man als die pulsierende Lebensader des Ortes bezeichnen konnte.

Hier gab es alles, was das Herz begehrte: ein Café, eine Eisdiele, einen Bäcker, eine Drogerie, eine Apotheke, einen Optiker, einen Friseur, einen Blumenladen, mehrere Supermärkte, einen Uhrmacher, die Sparkasse, Bücher und Zeitungen, Ärzte und sogar einen Bestatter, der verschiedene Särge im Schaufenster ausstellte. In den oberen Stockwerken der Ladenzeilen hatten sich Versicherungs- und Immobilienmakler, Physiotherapeuten und Anwälte niedergelassen.

Die Einkaufsmeile wirkte überdimensioniert, doch Gropius hatte eine Erklärung parat: »Die Kunden kommen auch aus den umliegenden Gemeinden; das Einzugsgebiet ist groß – und die nächste Stadt weit weg«, hatte er grinsend erzählt und dabei sein schief sitzendes Gebiss klappernd hin- und hergeschoben. Die Vahlendorfer Rathausstraße hatte schon vor Jahrzehnten an Attraktivität gewonnen und entwickelte sich schnell zur Haupteinkaufsmeile der Region.

Sallin nahm es mit einer Mischung aus Gelassenheit und stiller Freude.

Er schüttelte den Gedanken ab und erinnerte sich wieder an seinen ersten Besuch bei Gropius.

Sein Blick fiel auf das alte Herrenhaus aus Backsteinen, in dem der alte Sonderling residierte. Über der Eingangstür thronte ein imposanter Giebel, der sich über zwei Stockwerke erstreckte. Sallin zählte drei doppelflügelige, weiße Sprossenfenster, die von dunkelgrünen Fensterläden eingerahmt waren. Die Dachflächen links und rechts waren mit blassroten Ziegeln gedeckt, die trotz ihres Alters noch erstaunlich gut aussahen. Der schmale, ungewöhnlich hohe Schornstein sah aus, als würde er jeden Moment einstürzen. Vom Erdgeschoss konnte Sallin nicht viel erkennen, da das Haus von dichtem Buschwerk umgeben war, doch durch die Blätter hindurch erkannte er dieselben grünen Fensterläden, die ihm bereits am Giebel aufgefallen waren – nur waren diese deutlich größer.

An der linken Seite des Hauses gab es einen eingeschossigen Anbau, dessen Dach als Terrasse diente. Das Geländer darauf war aus grauem, verwittertem Holz, und als Sallin darüber nachdachte, ob es stabil genug war, um sich gefahrlos dagegen zu lehnen, öffnete sich die schwere Haustür mit einem knarrenden Geräusch.

»Michael Sallin …?«, fragte Gropius übellaunig und musterte ihn von oben bis unten.

»Genau. Der neue Mieter …«, entgegnete Sallin und deutete in Richtung des Gärtnerhauses. Ihm fiel auf, dass Gropius ungepflegt wirkte. Die wenigen grauen Haare standen wirr ab, und auf seiner Nase thronte eine braune Hornbrille, die so schief auf der Nase saß, dass Sallin den Zwang in sich aufkeimen spürte, sein Gegenüber darauf hinzuweisen. Doch er verkniff sich die Bemerkung.

»Warten Sie hier. Ich hole den Schlüssel!« Der Alte drehte sich um und verschwand in der Dunkelheit des Flures.

Alexa kam ihm in den Sinn. Auch sie war in der Dunkelheit verschwunden – für immer. Vor seinem inneren Auge sah er das Blut, das ihren nackten Körper wie zähfließender Sirup umspülte. Er sah den leeren Blick ihrer Augen, den seltsam verdrehten Körper und …

Sallin zuckte zusammen, als Gropius plötzlich vor ihm stand. Der Mann hielt ein braunes Lederband hoch, an dessen Ende ein Schlüssel baumelte. Sein grünes Hemd spannte sich über seinen Bauch.

»Passen Sie gut darauf auf«, murrte Gropius, der sich zwischenzeitlich die Haare gekämmt hatte. »Es gibt keinen Ersatzschlüssel. Haben Sie das Geld dabei?«

»Gut zu wissen«, antwortete Sallin einsilbig, steckte das Stück Metall am Band in die Hosentasche und überreichte Gropius einen Umschlag mit der vereinbarten Miete. Sein Gesicht fühlte sich plötzlich heiß an, und obwohl die Temperaturen an diesem sonnigen Junitag nicht über zwanzig Grad hinauskamen, trat ihm der kalte Schweiß auf die Stirn.

Irritiert wandte er sich hastig ab.

»Und achten Sie um Himmels willen darauf, dass nicht einer von diesem Archäologen-Pack den Garten umgräbt«, rief ihm Gropius aufgekratzt hinterher. »Die buddeln schon seit Jahren im Wald herum und stellen alles auf den Kopf. Genau wie die Ameisen-Forscher, diese durchgeknallten Spinner. Mit ihren Experimenten bringen sie das ganze Ökosystem des Waldes durcheinander. Die Toten sollte man besser ruhen lassen.«

Sallin blieb abrupt stehen und drehte sich um. »Was meinen Sie damit?«, fragte er irritiert. »Ich verstehe nicht so ganz? Was suchen die, diese …?«

Weiter kam er nicht.

»… es gibt hier einen Spruch, den Sie beherzigen sollten, Herr Sallin«, murmelte Gropius.

»Der da lautet?« Sallin schaute ihn fragend an.

»Höre nie auf die Geister des Waldes. Es sind Dämonen, sie bringen dich um«, entgegnete Gropius mit erhobenem Zeigefinger.

»Ich werde Ihren Ratschlag beherzigen«, versprach Sallin amüsiert und schüttelte den Kopf.

»Hier in Vahlendorf ticken die Uhren anders, Herr Sallin. Der Wald hat seine Geheimnisse. Wer zu tief gräbt, schaufelt unter Umständen sein eigenes Grab«, sagte Gropius nebulös und knallte die Tür hinter sich zu.

2.

Das Klingeln des Telefons klang bedrohlich. »Eine Leiche im Ritualwald? Schon wieder!« Freimann seufzte, den Hörer fest an das Ohr gepresst. Seine linke Hand hing zitternd vom Freischwinger, so als ob sie sich der Kontrolle ihres Besitzers entziehen wollte. In der Schublade seines Schreibtisches lag die Flasche Cognac – halb gefüllt.

Er würde sie leeren, direkt nach diesem Telefonat. Und das aus gutem Grund, denn schlechte Nachrichten lieferten immer einen guten Grund.

»Du tust ja gerade so, als wäre ich dafür verantwortlich, Max«, maulte der Kollege aus der Funkzentrale.

Der Kriminalkommissar aus Lübeck wiegelte ab. »Kennst mich doch. Um diese Uhrzeit brauche ich erst mal einen Kaffee.«

»Noch steht ja nichts fest«, spekulierte sein Gesprächspartner. »Die Archäologen graben ständig irgendwelche Knochen aus. Und die Spinner aus Vahlendorf haben schon oft Leichen gemeldet, die sich dann als Tierkadaver herausgestellt haben.«

»Ich weiß«, sinnierte Freimann. Der 53-jährige Glatzkopf mit der Boxervisage blickte gedankenverloren aus dem Fenster. »Ich schaue mir das mal an. Sag der Spusi trotzdem schon mal Bescheid. Vielleicht brauchen wir das Team.«

»Natürlich, Max. Schon geschehen. Die sind bereits unterwegs, zusammen mit dem Typen von der Gerichtsmedizin.«

Die Sonne stand steil an einem makellos blauen Himmel, als Freimann den Dienstwagen auf dem holperigen Waldweg parkte.

Petra Maltow von der Polizeistation Vahlendorf, mit der Freimann schon öfter zu tun hatte, erwartete ihn bereits.

»Punktlandung!«, begrüßte ihn die schwarzhaarige Polizistin, die neben dem Hünen der Lübecker Mordkommission fast zwergenhaft wirkte. »Du siehst mitgenommen aus, Max.«

Freimann ging nicht näher darauf ein. Seine Hand zitterte. »Deine Wegbeschreibungen sind immer allererste Sahne, Petra.«

»Na, dann komm mal mit«, sagte sie mit einem Achselzucken und steckte sich einen Kaugummi in den Mund. »Die Kollegen von der Spusi haben schon mit der Arbeit begonnen. Nur der Medizinmann fehlt noch.«

Freimann nickte. Er ahnte nichts Gutes.

Eine gefühlte Ewigkeit später standen sie an der Ausgrabungsstätte. Die Beamten der Spurensicherung hatten das Areal abgesperrt und ein Zelt aufgeschlagen. Zwei von ihnen standen bis zur Hüfte in einer frisch ausgehobenen Grube.

»Moin Max«, rief ihm einer der beiden entgegen. Der weiße Zellstoffanzug, mehrere Nummern zu groß, umhüllte seinen Körper wie ein überdimensionaler Müllsack. »Die Archäologen sind hier in etwa einem Meter Tiefe auf eine fast vollständig skelettierte Leiche gestoßen.«

»Also eine von diesen Ritualgruben?«, wollte Freimann wissen.

»Sicher nicht.« Der Beamte lächelte kraftlos. »Genaueres nach der amtlichen Untersuchung, aber … nein, das ist keines dieser Skelette, die hier seit Jahrtausenden liegen. Eher Jahrzehnte …«

»Du kennst doch das –aua!– Prozedere«, mischte sich Maltow ein. Sie hatte sich auf die Zunge gebissen. »Wenn das Grabungsteam sich nicht sicher ist, ob es sich um einen archäologischen Fund handelt, der jahrtausendealt ist, wird die Polizei eingeschaltet.«

»Dann also das volle Programm«, resümierte Freimann, der mit den Gedanken bereits bei der nächsten Vertuschungsaktion war. Schließlich war die Flasche leer und der Tag noch lang. Im Dienst war der Nachschub immer ein Problem.

Die Leiche sah schrecklich aus, denn der Verwesungsprozess war noch nicht vollständig abgeschlossen. Undefinierbare Fetzen hingen zwischen den fahlen Knochen, die an vielen Stellen gebrochen waren. Ein Teil des Schädels fehlte.

Maltow schien unbeeindruckt.

»Die alte Sage scheint sich wieder mal zu bestätigen«, sagte sie, und ihre Stimme klang geheimnisvoll.

»Hör bloß auf mit den alten Kamellen«, meinte Freimann unwirsch. »Das ist unprofessionell.«

»Was für eine Sage?«, schaltete sich einer der Spusi-Beamten ein, der seinen Dienst bei der Tatortgruppe erst vor Kurzem angetreten hatte.

»Der ganze Wald ist voll von Ritualgruben und Opferstätten«, klärte ihn Maltow auf und legte ihr breitestes Grinsen auf. Freimann hasste es, wenn sie mit diesen abgefahrenen Schauergeschichten prahlte.

»Die gibt es hier schon seit Jahrtausenden. Deswegen nennt man unseren Wald den Wald der Rituale. Außerdem …«

Freimann stöhnte. »Außerdem besagt die Sage, dass niemand Geringeres als der Teufel in diesem Wald gewohnt haben soll«, vervollständigte er Maltows Satz. »Zufrieden?«

»Hm … ein altes Ammenmärchen aus dem Mittelalter«, mutmaßte der Spusi-Beamte lächelnd.

»Max vergaß zu erwähnen, dass es hier in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Morde gab, die niemals aufgeklärt wurden«, sagte Maltow mit stolzgeschwellter Brust und stemmte die Hände in die Hüften. »Vielleicht ist nicht der Teufel dafür verantwortlich, aber auffällig ist das schon. Oder etwa nicht?«

Vahlendorf war ein Kaff, in dem nichts los war, abgesehen von belanglosen Vergehen und Kavaliersdelikten. Jeden Tag dasselbe: Falschparker, Ruhestörung und Nachbarschaftsstreitigkeiten. Da kam der Wald mit seinen Toten gerade recht, um den Sensationshunger einiger Gelangweilter zu stillen.

Petra Maltow, die Dorfpolizistin, war eine derjenigen, die sich nach Abwechslung sehnte.

Freimann hätte lieber seine Ruhe gehabt.

Maltows Hinweis auf die ungelösten Fälle störte ihn, doch die kleine Frau mit der Pferdeschwanz-Frisur und der stets akkuraten Uniform hatte recht.

»Wir warten auf das Ergebnis aus der Rechtsmedizin«, sagte Freimann und krempelte die Ärmel seines graumelierten Hemdes hoch. Der Schweiß trat ihm auf die Stirn. »Vermutlich ist es wieder eines der Opfer von diesem Todesmarsch. Dann kommt sowieso nichts dabei raus. Das kennen wir ja schon.«

Das neue Gesicht aus dem Spusi-Team runzelte die Stirn. »Teufel, Todesmarsch …? Wo bin ich hier reingeraten? Was für ein Todesmarsch?«

Der Leichenwagen rückte an, zusammen mit dem Gerichtsmediziner.

»Erzähl ich dir später«, vertröstete Maltow den Kollegen. »Jetzt packt die Knochen ein, unser Freund hier geht auf Reisen.«

3.

In der darauffolgenden Woche regnete es fast jeden Tag. Michael Sallin registrierte den Wetterumschwung mit Wohlwollen und nutzte die Gelegenheit, sein neues Zuhause in Beschlag zu nehmen, denn in dem alten Gärtnerhaus gab es jede Menge zu entdecken.

Das solide Backsteinhaus hatte eine kleine Grundfläche, dafür aber zwei Stockwerke und einen geräumigen Dachboden mit alten Möbeln. Der Wohnbereich im Obergeschoss war über eine steile Holztreppe erreichbar. Die Fassade war mit grün gestrichenem Holz verkleidet; kleine Sprossenfenster mit weißen Rahmen, die wie frisch gestrichen glänzten, verliehen den Räumen eine Puppenhaus-Atmosphäre.

Das unbeheizte Erdgeschoss war nicht bewohnbar und glich eher einer Scheune. Neben unzähligen angerosteten Gartengeräten standen hier mehrere Schubkarren, Gießkannen aus Metall, Körbe in verschiedenen Größen und einige hölzerne Kisten, deren Verwendungszweck ihm verborgen blieben. Außerdem entdeckte er unter einer Kiste eine verschlossene Falltür, die vermutlich in einen Vorratskeller führte.

Er beschloss, sich zu einem späteren Zeitpunkt darum zu kümmern, und verbrachte den Rest der Woche damit, das Obergeschoss einzurichten. Dort befanden sich drei hintereinanderliegende, gleich große Räume, von denen der erste als Wohnküche diente. Ein winziges Badezimmer am Ende der Reihe vervollständigte die ungewöhnliche Raumaufteilung. Da es keinen Flur gab, musste man zuerst sämtliche Zimmer durchqueren, um zur Toilette zu gelangen.

In einem Eichenholzschrank brachte Sallin einen Großteil seiner Kleidung unter; der Rest verschwand in zwei massiven Kommoden. Die antiquarisch anmutenden Möbel ließ er größtenteils an ihren angestammten Plätzen, doch im zweiten der drei Zimmer nahm er einige Veränderungen vor, sodass er seinen Arbeitsplatz mit dem Laptop direkt am Fenster einrichten konnte. Er blickte in den verwilderten Garten, nahm die Canon zur Hand und zoomte in das Gestrüpp hinein. Ein alter Tennisplatz am Ende des Gartens erregte seine Aufmerksamkeit. Den Pflanzen war es fast gelungen, das Areal zurückzuerobern, doch mit etwas Fantasie konnte man längst verstorbene Stars aus der Stummfilmzeit dabei beobachten, wie sie das letzte Match der Saison anspielten.

Sechs beide, erster Satz, neues Spiel …

Die Tage flossen wie zäher Sirup dahin.

Sallin gingen Gropius‘ Worte über die Archäologen nicht aus dem Kopf. Er befragte das Internet und fand heraus, dass sein Vermieter nicht übertrieben hatte. Der angrenzende Wald wurde bereits seit Jahren von Archäologen aus Lübeck, Hamburg und Berlin zu Forschungszwecken genutzt.

Es gab zahlreiche Ritualanlagen im Wald – Gruben, Gräber und Bauwerke aus Findlingen –, in denen Pfeilspitzen, Schmuck, Knochenfragmente und sogar komplette Skelette gefunden wurden. Die Ausgrabungsstätten lieferten eine Fülle an Material, wobei es auch Funde gab, bei denen die Polizei eingeschaltet werden musste, da das Alter der Knochen nicht eindeutig bestimmt werden konnte.

Ein Fall für die Archäogenetiker, die das Erbmaterial der Toten aus ihren Knochen extrahierten, um es zu analysieren, las Sallin wissbegierig und wunderte sich darüber, bisher so wenig über den Vahlendorfer Wald und seine Ausgrabungen gehört zu haben. Die Spezialisten arbeiteten Hand in Hand mit den Polizeibehörden, sofern von einem Verbrechen ausgegangen werden musste. Was gelegentlich vorkam.

Schamanische Rituale, Opfergaben, Totenrituale, Beerdigungszeremonien und in den Tiefen des Waldes eine jahrtausendealte Kultstätte: der Megalith.

Dem riesigen Felsklotz wurden geheimnisvolle Kräfte zugeschrieben.

Sallin war fasziniert von einer untergegangenen Welt, die hier vor langer Zeit existiert haben soll. Ein gefundenes Fressen für Esoteriker und Anhänger des Okkultismus, die an das Böse im Wald glaubten.

Und mittendrin aktuelle Leichenfunde, die nicht in die archäologische Welt der Jungsteinzeit passten. Dieser Wald schien etwas Besonderes zu sein.

Wow … pfiff Sallin laut vor sich hin.

4.

In der Ferne hallte Kanonendonner. Nebelschwaden zogen durch den Wald; der Frost der Nacht wich nur langsam. Die Kälte stand zwischen den hohen, kahlen Tannen wie in einer Schraubzwinge gefangen.

Zerlumpte Gestalten schwankten kraftlos durch das Unterholz. Ihr Atem hüllte zerfurchte Gesichter ein, in denen sich der Tod bereits einzunisten schien.

Vor Wochen waren sie aufgebrochen. Tausend Menschen, gefangen, geschunden, auf einen Marsch getrieben wie Vieh zur Schlachtbank.

Unsagbares Leid.

Die Hälfte von ihnen war bereits tot.

Ermordet, von Krankheit gezeichnet, zu Boden gegangen, verhungert oder erfroren.

Die Überlebenden mussten sie verscharren. In aller Eile, denn die Kolonne der Gefangenen wurde angetrieben. Immer weiter, immer schneller. Keine Gnade, kein Erbarmen, keine Hoffnung auf ein Ende der Gräuel.

Die Schergen mit den Maschinenpistolen hatten Befehle. Grausame Befehle für grausame Bewacher ohne Gewissen. Peiniger mit Totenköpfen an den Uniformmützen, die jeden erschossen, der nicht ihren Anforderungen entsprach. Jeder noch so nichtige Grund war ihnen recht, um ein Leben auszulöschen.

Mit beispielloser Kaltblütigkeit, seelenlos und ohne Respekt vor dem Leben handelten sie wie Tötungsmaschinen, programmiert auf Vernichtung.

Der Wald schwieg.

Er nahm die Toten auf, verleibte sie sich in die schwarze Erde ein und führte sie zurück in den ewigen Kreislauf von Leben und Tod.

Am Himmel türmten sich Gewitterwolken, die Uniformierten blickten grimmig empor.

Schneller, voran, schneller, hallten ihre Rufe durch den Wald. Das Moos schien ihre Worte aufzusaugen, als wollte es die Brutalität tilgen, die die Schönheit des Waldes auf so widerliche Weise verunstaltete.

Die Todgeweihten sagten nichts. Mit gesenkten Köpfen und unsicheren Schritten betraten sie den Pfad der Hoffnungslosigkeit – gleichgültig vor Schwäche, mit leeren Augen und ausgebrannten Seelen.

Einer strauchelte, fiel auf die Knie und suchte Halt an einem Baum, doch seine Kräfte versagten.

Ein Mann mit Maschinenpistole, groß, hager, mit eingefallenen Wangen und kalten, blauen Augen bemerkte den Zurückgebliebenen.

Er kam näher, lächelte und schoss dem Gefangenen in den Kopf. Die hagere Gestalt fiel wie eine Marionette in sich zusammen. Hastig wurde der Leichnam verscharrt und die Kolonne der Elenden zog weiter.

Die Geister des Waldes schwiegen – bis heute …

Charlotta Rheintaler öffnete die Augen.

Natürlich gab es einen Grund für den Traum, den sie in ähnlicher Weise schon öfter erlebt hatte, aberbisher hatten ihr die Geister nichts darüber offenbart.

Es waren schreckliche Bilder aus einer leidvollen Zeit, voller Krieg, Propaganda, Hass und menschenverachtender Brutalität.

Als erfahrene Schamanin konnte Charlotta das Gesehene verkraften – ihre Schutzgeister halfen ihr dabei –, doch selbst ihr waren Grenzen gesetzt. Die Fünfundfünfzigjährige hatte im Geiste zahllose schamanische Reisen unternommen, alleine oder mit Kunden, die sie aufsuchten, um Antworten auf Fragen zu erhalten, die ihnen auf der Seele lasteten.

Reisen in eine andere Realität, eine verborgene Wirklichkeit, die sich nur über den schamanischen Bewusstseinszustand erreichen ließ. Dann fiel sie in Trance, durch den rhythmischen Klang der Trommel geleitet, um ihre Aufgabe als Vermittlerin zwischen der diesseitigen und der jenseitigen Welt zu erfüllen.

Doch Visionen, die sie im Schlaf heimsuchten, waren etwas anderes, das nur sie persönlich betraf. Ihre schamanischen Fähigkeiten ermöglichten es ihr, mit Geistern zu kommunizieren, doch die Regeln des Schamanismus wurden hier auf den Kopf gestellt: Nicht Charlotta rief die Geister, sondern die Geister kamen von sich aus zu ihr.

Es waren die Geister von Toten, die ihr im Schlaf erschienen und die so real wirkten wie die Realität selbst. Mehr als eine diffuse Erinnerung an einen Traum, in dem die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Fantasie zu verschwimmen schienen.

Die Geister überbrachten eine Botschaft, die sie nicht verstand – noch nicht. Viele von ihnen irrten noch durch den Wald, der gleich neben Charlottas Haus begann und der so viele Geheimnisse in sich trug, sodass sich auch heute noch Mythen und Legenden um ihn rankten.

Doch ihre Visionen hatten einen realen Hintergrund, der auf brutalen Fakten basierte. Die gelernte Buchhalterin hatte frühzeitig damit begonnen, entsprechende Recherchen durchzuführen. Was sie entdeckte, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren:

April 1945: Kurz vor Kriegsende gab Reichsführer- SS Heinrich Himmler den Befehl, die Konzentrationslager zu räumen. Kein Gefangener sollte in die Hände der Alliierten fallen. Zahlreiche Todesmärsche wurden angeordnet, darunter vier in Schleswig-Holstein. Der Todesmarsch durch den Vahlendorfer Wald führte die Häftlinge nach Neustadt an der Ostsee, wo bereits ein Schiff auf sie wartete.

Ein Albtraum, der für viele KZ-Gefangene den qualvollen Tod bedeutete – kurz vor der Kapitulation, ohne Hoffnung auf Befreiung. Eines der zahlreichen teuflischen Verbrechen, für die das Hitler-Regime die Verantwortung zu tragen hatte.

Charlotta grub tiefer und erkannte, dass dieses Land im Norden Deutschlands, das ihr immer so bieder und idyllisch erschienen war, auch nach Kriegsende noch voll von blutbefleckten Händen war.

Die Totenkopfverbände der SS, die auch die Todesmärsche begleiteten, ergriffen kurz vor dem Eintreffen der Alliierten die Flucht und überließen die wenigen Überlebenden sich selbst.

Zur Rechenschaft wurden nur wenige gezogen.

Vielen Tätern von damals gelang es, sich eine neue, nicht selten erfolgreiche Existenz aufzubauen. So wollten es die an Zynismus nicht zu überbietenden Verhältnisse in der jungen Bundesrepublik. Und ausgerechnet in Charlottas Heimatland Schleswig-Holstein gelang es zahlreichen ehemaligen Nazis, ein unbescholtenes Leben zu führen. So viele wie sonst nirgendwo.

Ein Skandal, für den sich im Nachkriegsdeutschland niemand zu interessieren schien.

Es war die Zeit der Verdrängung.

Und diejenigen, die nicht hierbleiben konnten, flüchteten über die berüchtigte Rattenlinie – mit gefälschten Papieren über die Alpen nach Genua und von dort mit dem Schiff nach Südamerika oder in den Nahen Osten. Oft mit Unterstützung der katholischen Kirche.

Charlotta resignierte. Nach so vielen Jahren würde es keine Sühne mehr geben. Die Täter waren tot, lange begraben und vergessen. Nur wenige lebten noch ein greisenhaftes Leben am Rande der Ewigkeit.

Was also wollten sie: die Toten in ihren Träumen?

Sie lebte seit zwanzig Jahren in dem alten Haus am Rande des Waldes, doch die Visionen vom Todesmarsch stellten sich erst vor einigen Monaten ein.

Seitdem hatte Charlotta immer wieder schamanische Reisen unternommen, um ihre Schutz- und Hilfsgeister nach dem Sinn der Visionen zu befragen. Doch alles, was sie sah, war Nebel und schemenhafte Gestalten, die mehr tot als lebendig durch das Dickicht des Waldes irrten.

Manchmal gelang es ihr, den Todgeweihten mit ihrem geistigen Auge zu folgen. Dann erkannte sie, versteckt zwischen den Bäumen, etwas, das ihr bekannt vorkam. Nur einen Wimpernschlag lang, undeutlich und von Nebel umhüllt, doch irgendwann war sie sicher: Es war der große Megalith …

5.

Der Vahlendorfer Wald und seine Geheimnisse hatten Sallins Interesse geweckt. Zukünftig wollte er einige Exkursionen dorthin unternehmen, schließlich lag das Gärtnerhaus nur wenige Kilometer vom Waldeingang entfernt.

Nach dem Frühstück, das aus Toast, Honig und schwarzem Kaffee bestand, verteilte er die Einzelteile seiner Kameraausrüstung auf dem Computertisch. Eine Bridgekamera von Nikon mit Megazoom, diverse Teleobjektive und auch die alte, etwas klobig wirkende Canon waren noch gut in Schuss. Er beschloss, zukünftig die kleine Nikon mitzunehmen.

Sallin schaltete den PC aus und warf einen Blick in den Kühlschrank. Die Vorräte waren fast aufgebraucht – höchste Zeit, der Rathausstraße einen Besuch abzustatten.

Der Wald konnte warten.

Da sich die Regenwolken verzogen hatten, nahm er den leichten Blouson vom Haken, schulterte seinen schwarzen Einkaufs-Rucksack und hängte sich die Nikon um den Hals.

Zwanzig Minuten später. In der Rathausstraße brummte das Leben. Jetzt, am Vormittag, schienen viele ihre Einkäufe zu erledigen. Die Parkplätze waren voll, und auf dem Bürgersteig vor dem Café saßen zahlreiche Gäste an kleinen runden Tischen unter riesigen Sonnenschirmen, vor sich Kaffeebecher und voll beladene Kuchenteller.

Sallin bemerkte, wie ihm der Magen knurrte, doch sein erster Weg führte ihn in den Eingangsbereich der Sparkasse. Der Geldautomat spuckte hundert Euro aus. Sallin beobachtete am Gerät neben sich eine grauhaarige, ältere Dame, stark übergewichtig, mit riesigen Ohrringen und auffallender Kleidung, die sichtlich überfordert war. Er überlegte kurz, ob er seine Hilfe anbieten sollte, doch die Entscheidung wurde ihm abgenommen.

»Hey Sie da, kommen Sie mal schnell her!«, brüllte die Frau zum Personal im Kundenraum. »Der Apparat hier funktioniert nicht mehr!«

Sallin ging wieder nach draußen. Er sah noch, wie einer der Angestellten hastig zum Automaten eilte.

Laut, aber resolut, dachte er beiläufig und erinnerte sich an die Starallüren der exzentrischen Divas, die er damals in den Achtzigern abgelichtet hatte.

» … ziemlicher Befehlston, was?«, raunte ihm ein dicker, glatzköpfiger Mann im Vorbeigehen zu. Er trug ein zerknittertes blaues Sommerhemd, das sich über seinen Schmerbauch spannte. »Frau Dr. Luise Rotlieb. Die gehört zu den Reichen hier im Ort. Und sitzt im Bauausschuss …«

Sallin nickte verunsichert und ging schnurstracks in den Supermarkt, um seine Einkäufe zu erledigen. Obgleich ihm sein Kontostand einen respektablen Lebensstil garantierte – und das auf viele Jahre hinaus –, favorisierte er einen bescheidenen Lebensstil. Keine Delikatessen, wenig Fleisch, nichts Aufwendiges. Stattdessen legte er Obst, Gemüse, Nudeln, Beeren, Nüsse und einige Fertiggerichte in den Einkaufswagen.

Dreißig Minuten später schlenderte er mit prall gefülltem Rucksack durch die Rathausstraße. Ihm fiel auf, dass sich die Mehrzahl der Gebäude Wand an Wand aneinanderreihten. Alte Bausubstanz, teilweise mit roten Steinen verklinkert oder durch unansehnliche Styropor-Dämmplatten verunstaltet. Unten lagen die Geschäfte, darüber schienen sich Mietwohnungen zu befinden. Gelegentlich gab es einen frei stehenden Neubau, wie den Supermarkt, in dem er eingekauft hatte. Auch das Gebäude mit dem Café gehörte dazu.

»Feuer?« Ein großer, schlanker Mann mit wirren braunen Haaren schaute ihn fragend an. In der Rechten hielt er eine selbstgedrehte Zigarette, aus der Tabak herauskrümelte.

Sallin blieb stehen und zuckte mit den Schultern.

»Nein, ich rauche nicht«, antwortete er und fügte hinzu: »Hab leider auch keine Streichhölzer …«

»Was meinen Sie, wie alt bin ich?«, fragte der Mann und warf Sallin einen eindringlichen Blick zu. »Viel jünger als fünfzig, nicht wahr?«

Sallin ging zwei Schritte zurück, da ihm der Fremde immer dichter auf die Pelle rückte.

»Ist doch so, oder? Ich seh doch viel jünger aus, stimmt’s?«

Dieser Mann ist offensichtlich psychisch beeinträchtigt.

»Kann schon sein«, antwortete Sallin ausweichend und nickte dem Fragesteller freundlich zu. »Ich muss jetzt weiter. Schönen Tag noch.«

Mit schnellen Schritten steuerte er grinsend das Café an, ohne sich noch einmal umzudrehen. Bisher waren ihm hier in Vahlendorf überwiegend seltsame Typen begegnet. Zufall? Natürlich, was sonst? Die Mehrzahl der Bewohner waren sicher normale, nette Leute, die hier ihr Leben lebten. Wie anderswo auch.

Vielleicht lag aber auch ein Fluch auf dem Wald? Jede Menge Tote, haufenweise Knochen und geheimnisvolle Rituale, die hier vor Jahrtausenden abgehalten wurden. Vahlendorf befand sich in unmittelbarer Nähe des Waldes. Durchaus denkbar, dass die Bewohner was von dem Fluch abbekommen hatten. Vielleicht lag es ja auch an den Koordinaten? Energieknoten, Wasseradern oder Erdstrahlen?

Klar doch, dachte Sallin in sich hineinlachend.

Nachts treffen sich im Wald die Hexen aus dem Ort. Die fliegen dann bei Vollmond auf Besen zum Hexensabbat. Lustiger Gedanke …

Im Café am Tresen bestellte er Kakao und einen Kopenhagener. Mit dem Tablett in der Hand steuerte er nach draußen, doch alle Plätze waren besetzt. Wieder drinnen winkte ihm der dicke Glatzköpfige zu, dem er bereits in der Sparkasse begegnet war.

»Hier an meinem Tisch sind noch alle Plätze frei. Setzen Sie sich doch hier hin.« Der Dicke deutete auf die andere Seite des Tisches.

Da auch drinnen reger Betrieb herrschte, nahm Sallin das Angebot dankend an.

»Vielen Dank. Ziemlich was los hier heute«, sagte Sallin und ließ sich auf die gepolsterte Bank fallen. »Ist das immer so voll?«

Der Dicke hielt ihm die Hand hin und nickte. »Thomas Zweitlinger … Sie sind wohl nicht von hier, Herr … äh?«

Sallin räusperte sich. »Michael Sallin«, antwortete er und nahm einen kräftigen Schluck heißen Kakao, der ihm fast die Zunge verbrüht hätte. »Nein, ich bin nicht aus Vahlendorf. Frisch zugezogen, sozusagen.« Während Zweitlinger seinen Tee umständlich zubereitete, fand Sallin Gelegenheit, den Mann näher zu betrachten. Er hatte ein rundliches Gesicht, schokoladenbraune Augen und einen verkniffenen Mund. Sein Alter lag vermutlich irgendwo in den Fünfzigern, wobei Sallin das Schätzen schwerfiel, da der Dicke kaum Falten im Gesicht hatte.

»Ich lebe schon mein Leben lang hier in dem Kaff«, sagte Zweitlinger plötzlich. »Hab früher beim Bauhof als Gemeindearbeiter gearbeitet, mir dann aber den Rücken kaputt gemacht.«

»Frührentner …?« Sallin schaute ihn fragend an.

»Genau«, sagte Zweitlinger, und auf seiner Stirn bildeten sich einige Sorgenfalten. »Da muss man jeden Euro zweimal rumdrehen. Aber was soll’s, dafür hab ich jetzt den ganzen Tag Zeit, um zu beobachten, was hier im Ort so alles abgeht.«

»Interessant!«, sagte Sallin mit vollem Mund und kratzte sich verunsichert am Kopf. »Und was geht hier so ab …?«

»Na ja, irgendwas geschachert wird immer«, sorgte sich Zweitlinger, »ein bisschen Korruption, eine Hand wäscht die andere, allerlei Streitigkeiten, Geldverschwendung, Bauskandale, dann dieser ganze Esoterik-Quatsch mit dem Wald … ich gebe Ihnen da mal meine Visitenkarte …«, er beförderte seine Brieftasche ans Tageslicht, »… mit meiner Handynummer darauf. Falls Ihnen was auffällt, wäre ich dankbar, wenn Sie mir Bescheid sagen. Ich sammle alles. Hab schon viele Briefe an den Bürgermeister geschrieben, aber die pennen ja alle da im Rathaus. Doch Aufgeben kommt nicht in die Tüte.«

Sallin steckte die Karte kommentarlos ein.