Der Waldgänger - Adalbert Stifter - E-Book

Der Waldgänger E-Book

Adalbert Stifter

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Beschreibung

Können falsche Entscheidungen das ganze Leben überschatten? Um diese Frage dreht sich Stifters Roman "Der Waldgänger". Hier geht es um einen alten einsamen Mann, der wie ein Nomade durch die Wälder streift. Eine Entscheidung, die er vor langer Zeit traf, lässt ihm keine Ruhe. Nun, da er alt wird, wird ihm erst die Tragweite der damaligen Entscheidungen bewusst. Gibt es noch Hoffnung für ihn und sein Leben? -

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Adalbert Stifter

Der Waldgänger

 

Saga

Der WaldgängerCoverbild / Illustration: Marie Lezhava und juan-davila Copyright © 1847, 2020 Adalbert Stifter und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726544367

 

1. Ebook-Auflage, 2020

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

 

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

– a part of Egmont www.egmont.com

I. Am Waldwasser

Wenn von unserem wunderschönen Lande ob der Enns die Rede ist, und man die Herrlichkeiten preist, in welche es gleichsam wie ein Juwel gefaßt ist, so hat man gewöhnlich jene Gebirgslandschaften vor Augen, in denen der Fels luftblau emporstrebt, die grünen. Wässer rauschen, und der dunkle Blick der Seen liegt: wer sie einmal gekannt und geliebt hat, der denkt mit Freuden an sie zurück, und ihr heiteres Bild mit dem duftigen Dämmern und dem funkelnden Glänzen steht in der Heiterkeit seiner Seele — aber es gibt auch andere unbedeutendere gleichsam schwermütig schöne Teile, die abgelegen sind, die den Besucher nicht rufen, ihn selten sehen und, wenn er kömmt, ihm gerne weisen, was im Umkreise ihrer Besitzungen liegt: wer sie einmal gekannt und geliebt hat, der denkt mit süßer Trauer an sie zurück, wie an ein bescheidenes liebes Weib, das ihm gestorben ist, das nie gefordert, nie geheischt und ihm alles gegeben hat.

Es sind jetzt viele, viele Jahre, daß der Verfasser dieser Zeilen, der jetzt ein Mann ist, auf einem jener Scheidepunkte stand, wo das Auge beide Teile, die heiteren herrlichen Gebirgslandschaften und jene einfacheren unbedeutenderen Gegenden unseres Vaterlandes mit einem Male überschauen kann. Er war damals ein Jüngling mit stürmendem Herzen und voll fliegender Hoffnungen. Jetzt sind die Wünsche in das Geleise des Möglichen zurückgekehrt und wagen da noch nicht, an die äußeren und ferneren Grenzen zu langen: damals gab es gar keine Grenzen, und von dem Fernen und Unerreichbaren wurde nur bedauert, daß es nicht noch ferner und noch unerreichbarer ist. Er hatte sein Herz an ein Mädchen geheftet, das nichts besaß, keine sogenannte Bildung, keine folgerechte Entwicklung, als nur ihre schönen Augen, die an das Fabelhafte reichende Güte und das ahnungslose vertrauende Herz. Er wollte sie an sich heben, an das Herz drücken und auf den Armen durch alle gefahrvolle Welt der Zukunft tragen. Er stand auf dem Scheidepunkte und sah zurück in jene unbedeutenderen Teile, wo ihre Gestalt wandelte, woher er eben gekommen, wo er so lange neben ihr gewesen, und von wo er auf lange, auf unbestimmt lange, scheiden mußte. Es liegt ein vereinsamter Ort auf der Höhe der Scheidelinie mit einer kleinen vereinsamten Kirche. Der Ort ist kühl, meist windig, und seine Fenster schauen zum Teile nach Mitternacht, zum Teile nach Mittag auf beide Teile des Landes. Auf den kühlen Wiesen dieses Ortes, auf die sich eine mattwarme Herbstsonne legte, stand er und sah zurück. Es war jetzt lange eine schöne heitere Zeit gewesen mit vergleichweise bedeutender Wärme, die Herbsttage rückten vor, und heute schien es, als ob sich die Art des bisherigen Wetters ändern wollte, Über dem ganzen Mühlkreise, der mit den vielen vereinzelten Streifen seiner Wäldchen und den vielen dazwischen liegenden Feldern, die bereits gepflügt waren, und deren Scholle durch das lange schöne Wetter fahl geworden, bis in die tiefere Färbung der böhmischen Höhen zurückgeht, stand schon eine dunkelgraue Wolkendecke, deren einzelne Teile auf ihrer Überwölbung die Farbe des Bleies hatten, auf der Unterwölbung aber ein zarteres Blau zeigten und auf die mannigfaltigen zerstreuten Wäldchen bereits ihr Düster herabwarfen, daß sie in dem ausgedorrten Grau der Felder wie dunkelblaue Streifen lagen, bis ganz zurück der noch dunklere und noch blauere Rand des Böhmerwaldes sich mit dem Grau der Wolken mischte, daß seine Schneidelinie ununterscheidbar in sie verging. Neben, dem Beschauer säuselten und rauschten schon die einzelnen dürren Halmen des Heckengrases, von dem Windchen erregt, das sich nach so langer stiller Zeit erhob und den Umschwung der Dinge verkündete. Auf dem wärmeren Tieflande, das gegen Mittag ist, und auf dem ganzen Gürtel des glänzenden Hochgebirges der Alpen, wodurch es am Rande beschlossen wird, lag noch der helle leuchtende Sonnenschein, als würde erst später über jene gesegneten Länder das traurige Naßkalt des späten Herbstes hereinbrechen. Unten, gleichsam zu Füßen, in der Tat aber noch ziemlich weit entfernt, lag das weißbetupfte Scheibchen der Stadt Linz, geschnittenvon dem schimmernden Strome der Donau, der im zartgewebten Dufte des Landes gegen Osten ging. Dort, weit zurück gegen Mittag, wo das Grau und Violett des Flachlandes einen Streifen in den Äther des Hochgebirges schiebt, müßte der weiße Punkt der Abtei schimmern, wenn er sichtbar wäre, wo der Betrachter dieser Dinge so viele Jahre seiner Kindheit zugebracht, und wo er so viele Freuden des Herzens und der aufknospenden Seele genossen hatte. Aber weder hinaus zur Abtei, deren Türme gewiß jetzt im Sonnenscheine glänzen würden, noch zurück in das vereinsamte Land, das jetzt von Wolken beschattet ist, durften ihn seine Schritte tragen, sondern er schaute noch einmal auf das hinter ihm befindliche unscheinbare in beginnendem Regenwetter liegende Land zurück und stieg dann in das Rinnsal des abwärts führenden Tales hinein, das die Leute den Haselgraben nennen; der Glanz und die Hitze der auf seinen Laubwäldern gelinden Sonne empfing ihn, und wie mit einem Zauberschlage, kaum nach drei Schritten, war das hinter ihm liegende Land, die Streifchen der Wälder, die vielen Felder, die böhmischen Höhen, der graue Wolkenhimmel und die säuselnden Halmen versunken; die in der Tiefe des Engtales ruhig stehende warme und mildere Luft umfloß ihn und geleitete ihn abwärts. Aber auch das Feenbild gegen vorwärts war verschwunden, und das Auge sah nichts als den Himmel und die hereingehenden sich schneidenden Laubwälder der Nähe, auf denen mannigfaltiger Glanz und der unsägliche Reiz verschiedener herbstlicher Färbungen lag. In mancher Tiefe, vor allen Winden geschützt, war es noch so warm, man könnte sagen, heiß, daß manch ein Walnußbaum seine Äste und die noch grünen Blätter ausbreitete, als wäre es ein anderer Frühling, in dem er sich badete. Ganz oben, wo das Tal mit noch geringer Tiefe anfängt, begann auch ein winziges Wasserfädlein neben dem Wanderer abwärtszugehen. Es ging in dem Rinnsale neben dem Wege unhörbar und nur glitzernd vorwärts, bis es, durch die Menge des durch die Höhen sickernden Wassers gestärkt, vor ihm plaudernd und rauschend einherhüpfte, als wollte es ihm den Weg durch die Talmündung hinaus zeigen, und bis es endlich, durch die ungeheure Wucht des in die Tiefe gedrückten Wassers genährt, und von manchem aus dem Bauche des Berges hervorspringenden Brünnlein begrüßt, und von manchem schwarzen Steine aufgehalten, schäumte und tobte und ihn ermunterte zu folgen. Sie gingen an manchem Waldabhange, an mancher schattigen Stelle vorbei, es begegneten ihnen manche auf dem schmalen Wege mühsam aufwärtsgehende Fuhrwerke, oft mit einem einzigen Ochsen, oft mit einem starken meist wohlgenährten Pferde bespannt, — sie kamen an dem Schlosse vorüber, das aus dem edelsteinfunkelnden Laubdache mit seinen alten Mauern und mit dem finstern runden Turme in die Tiefe herniederschaut, und wo einst jener böhmische König Wenzeslaus gefangen war —, sie gingen an manchem zerstreuten Häuschen, an mancher Mühle, an mancher auf einem tiefgelegenen Wiesenfleckchen weidenden Kuh vorüber, bis endlich nach einigen Stunden Wanderns da, wo links eine Heiligenkapelle, rechts ein stattliche Mühle steht, die Berge sich auseinandertaten, das abwärts steigende Tal aus war, und die hingebreitete große Ebene begann. Der Bach ging breit und wallend links gegen die Felder und Bäume, wo schon in nicht sehr großer Entfernung der Silberblick der Donau durch die Zweige herübergrüßte und auf ihn harrte: der Wanderer ging rechts in die Gebüsche und aus ihnen auf der weißen Straße auf die schönen, ebenen Gefilde hinaus, die mit Herbstfrüchten besetzt und mit Obstbäumen bepflanzt waren und die er von oben als duftiges gewobenes Band erblickt hatte. Der Äther der Alpen stand tief im Süden wieder vor ihm — links auf dem Abhange, der von den zurückweichenden Bergen seitwärts gegen Morgen ging, stand im Schoße von Obstbäumen und Gebüschen das kleine Kirchlein Sankt Magdalena, überall blickten die dichten Strohdächer reicher Bauernhöfe hervor, überall standen Fruchtbäume und noch grüne nickende Gesträuche; denn der Oberösterreicher liebt den Baum und den Strauch und pflanzt eher einen, als er ihn umhaut — und geradeaus vorwärts vor den Augen des Wanderers glänzten die blankgehaltenen gelben Turmknöpfe der Stadt Linz in der Nachmittagsluft, und schimmerten die weißgetünchten Wände der Häuser, die geschnitten waren durch die grünen Fensterläden und gehoben durch das leuchtende Grün der neben ihnen ansteigenden Berge, die gegen Sonnenuntergang die Donau umstehen und sie verengen. In dem Herzen des Wanderers war eine Wehmut über das Scheiden von dem, was er liebte, welches Scheiden vielleicht kurz — oder auch lange dauern konnte: aber in seinen vertrauenden zuversichtlichen Augen spiegelte sich der klare österreichische Himmel, er dachte, er werde nun arbeiten, sich mühen, seinem Ziele entgegendrängen, und es könne ja gar nicht sein, daß es lange dauern könne, — und er werde wiederkommen und alles im Übermaße erreicht haben, wonach seine Wünsche gingen — er wanderte in die Stadt ein, besuchte manche Freunde, die er da hatte, und erzählte ihnen, wie es weiter nördlich gewesen ist, wie er da gelebt habe, was er gefunden, was er gestrebt habe, und was er zu erreichen hoffe — oder er erzählte es manchem von ihnen auch nicht, weil er es heilig und geheim in seinem tiefen Inneren behalten wollte. Er blieb diese Nacht in Linz. Am andern Tage morgens war alles weithin grau und regnerisch, der Wolkenbau des nördlichen bergigen Mühlkreises hatte sich bereits über das ganze Land gezogen, die zwei Türme einer Kirche, die, auf einem nordwestlichen Berge gelegen, sonst immer so freundlich auf die Stadt herniederschaun, waren mit einer Nebelhaube bedeckt, längs der ganzen Bergreihe, über die er gestern heruntergekommen ist, strichen, die Höhenspitzen eintrinkend, weiße und grauliche Wolkenbänke, teilweise trübe Regenschleier niedersendend; die südlichen Alpen waren ganz und gar verschwunden, und wie der Wanderer im Wagen saß und Strecke um Strecke auf der Straße nach Wien fortrollte, war es, als führe er auf einem kahlen Flachlande dahin, nicht in dem reizenden abwechselnden Lande, dessen Höhen und geschmückte Teile der immer dichter herniederfallende feine Sprühregen auch immer mehr verhüllte, in dem Lande, das er so liebte, zu dem er immer wieder zurückkehrte, und das er nie, nie in seinem Leben vergessen wird. Am dritten Tage, nachdem sie immer unter grauem Himmel, herabfallendem Regen und auf ruhig starrender Erde fortgefahren waren, trafen sie in Wien ein, wo auch die Türme in das niederhängende Grau getaucht waren, die wimmelnde Menge unter Regendächern ging, die Pflastersteine düster glänzten, und die Dachtropfen auf die Decke des langsam fahrenden Wagens niederfielen, als er unter dem Torwege des Gasthauses hineinschwankte.

Wie war seit jenen Jahren alles anders geworden! Jedes Ungeheure und Außerordentliche, welches sich in der Zukunft des Wanderers vorgespiegelt hatte, war nicht eingetreten, jedes Gewöhnliche, was er von seiner Seele und seinem Leben fernehalten wollte, war gekommen — an jenem Morgen, wo er mit einem Händedrucke und dem frohen Versprechen des baldmöglichsten Wiederkommens geschieden war, und wo er dann von der Scheidelinie in das Land zurückschaute, in dem seine Liebe wohnte, hatte er sie zum letzten Male gesehen — kühle Erde deckte schon seit langem ihr gutes Herz — was er sonst anstrebte, erreichte er nicht, oder er erreichte es anders, als er gewollt hatte, oder er wollte es nicht mehr erreichen; denn die Dinge kehrten sich um, und was sich als groß gezeigt hatte, stand als Kleines am Wege, und das Unbeachtete schwoll an und entdeckte sich als Schwerpunkt der Dinge, um den sie sich bewegen. Oft hatte er wieder die Wälder, die Berge, die Täler gesehen, wo er einst an ihrer Hand gewandelt war, sie hatten einen Teil des schönen Dufts abgestreift und standen bekannt und klar und einsam um ihn herum, und öfters war es ihm nicht anders, als sähe man noch den Glanzhauch aus dem Himmel hinaus ziehen von dem Herzen, das einstens hier gelebt hatte und nun fortgegangen ist.

Dennoch ist ihm die Gegend immer lieb und teuer geblieben. Es sind noch Reihen von Jahren vergangen, und wenn auch das Bild, von dem er einstens geglaubt hatte, daß er es mit höchster Glut ewig im Herzen tragen werde, bis zu milder Ruhe ausgebleicht worden war, so sind doch wieder andere dafür in seiner Erinnerung aufgestanden, die er damals nicht beachtet hatte und die sich jetzt mit sanftem Reize vor seine Seele stellten — sei es nun ein düsterer Föhrenwald, an dessen schwarzen Wurzeln die dunklen Wässer dahin wuschen — sei es ein lieber Fels, der emporragte und auf dem Haupte gesellschaftliche Pflanzen trug — seien es gegen ein Rinnsal hereingehende Birkenwälder, die den Fluß einsogen, scheinbar verbargen und unsichtbar zu den weiteren ebeneren Ländern hinausleiteten: — oder seien es Menschen und einfache Charaktere, die er dort gekannt, geliebt, bedauert, geachtet hatte. Manches würde mit holdem Reize auf der Tafel des Landschaftsmalers stehen und mit beschwichtigendem Maße zu der Seele des Beschauers reden, manches würde in dem Munde des Menschenmalers Gestalten erzeugen, die mit Gegenständlichkeit und mit ihrer klaren Einfalt unsere Seele füllen würden. Es ist so Mannigfaltiges emporgetaucht, wenn er den Blick in die Vergangenheit richtete, und er hat es gerne und mit Liebe zu den Erinnerungen seiner reiferen Mannesjahre gesellt. Er würde vieles zur Festhaltung in seinem eigenen Angedenken, aus dem im Laufe der Zeiten Gestalten und Erscheinungen so unaufhaltsam fliehen, aufzeichnen, wenn er nicht fürchten müßte, daß die Züge, die so unscheinbar sind und doch den ganzen Menschen machen, in seinen Händen zergingen, und er nur Schattenlinien bewahrte.

Tief zurück im Reiche der Erinnerungen steht ein alter Mann, den der Verfasser einst gekannt hat, der etwas fremdländisch redete, dessen Aussprüchen er oft gelauscht hatte, und dessen Geschicke er, in sein eigenes Gefühl versunken, das ihm wie der Mittelpunkt der Welt erschien, wenig Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Nach vielen Jahren sind seine Verhältnisse bekannter geworden, nach denen einst wegen der Unscheinbarkeit des Mannes niemand gefragt hatte, und wir wollen uns dieselben zu unserer eigenen Erinnerung aufzeichnen, wenn sich anders etwas so wenig Gegliedertes darstellen läßt, das eher durch sein einfaches Dasein als durch seine Erregung wirket.

Es ist die einförmige harmlose Gestalt des Waldgängers, von welchem ich spreche.

Wenn die Leute in jenen Gegenden etwas anderes lesen würden, als ihr Gebetbuch, und ihnen diese Zeilen zu Gesichte kämen, so würde jeder den Mann kennen, der so lange unter ihnen gelebt hat, fortgegangen ist und vielleicht noch auf einem Teile der Erde lebt. In der letzten Zeit hatte er immer kurze lederne Beinkleider an, wie sie noch vielfältig in jenen Tälern vorkommen, er hatte sie unter den Knieen mit ledernen Riemen gebunden, hatte blaue Strümpfe und niedere bequeme Schnallenschuhe an, deren Sohlen mit starken Nägeln beschlagen waren. Als Oberkleid hatte er keinen Rock, sondern jene Jacke, wie sie noch in der Gegend zu sehen ist, deren Schoße breit, aber kurz sind, deren große Taschen von oben nach abwärts gehen und mit einem Tuchlappen, gleichsam wie mit einem Regendächelchen, überschlossen sind. Der breite Hut, den er immer trug, war wohl in einer früheren Zeit, jetzt aber nicht mehr in jenen Gegenden im Gebrauche und hat dem kleineren runden Hute Platz gemacht, um den eine Schnur geschlungen ist, die bei Jünglingen, namentlich bei eitlen, schön, oft sogar von Goldzwirn sein muß. Der Hut des alten Mannes war noch aus der alten Zeit, die breiten Flügel hingen etwas nieder und waren schon sehr gebleicht. In seiner Gesellschaft hat man fast unablässig einen barfüßigen barhäuptigen Knaben mit schlechten Kleidern gesehen, der aber nicht sein Sohn war, überhaupt nicht mit ihm zusammenhing, sondern einem armen Manne in der Gegend gehörte.

Wenn man von dem einsamen Orte mit dem kleinen einsamen Kirchlein, dessen wir oben gedachten, als wir von der Scheidelinie sprachen, von welcher man beide Teile des Landes ob der Enns, den nördlichen und südlichen, zugleich überschauen kann, seine Schritte nach Norden wendet, die wunderschönen blauen leuchtenden Alpen im Rücken läßt, dabei immer ein klein wenig nach West abschlägt und über die vielen hügligen Felder und durch die vielen Waldstreifchen des Mühlkreises gegangen ist, gelangt man zu jenen Höhen, in denen der Böhmerwald mit zerworfenen Waldstücken und kahlgeschlagenen Büheln nach Osten ausläuft und sich in ein Land zersplittert, wie der Mühlkreis, kleinhüglig und kleinwaldig; nachdem er vorher in dichter Schönheit zwischen Böhmen und Bayern nach Süden ging und da, wo er Österreich berührte, mit breitem dämmervollem Rücken gegen Morgen beugte. Wenn man der Straße folgend an jener Linie anlangt, wo Österreich und das böhmische Land aneinander stoßen, trifft man auf schlechte kalte Feldstücke, dem einstigen Walde abgerungen, dazwischen sind nasse Wiesen, und die einzelnen beinahe schwarzdunklen Waldballen, gleichsam stehengebliebene Tropfen von dem zerworfenen Strome. Dann geht man über einen kahlen Hügel, die höchste Höhe, auf welchem Haidegras wächst, die Preißelbeeren und einzelne vom Sturme und vom Winter hart verknotete Föhren stehen. Von da steigt man durch ein Dorf, dessen Häuser weit voneinander entfernt und auf einem großen Raume herumgestreut sind, wie es bei Walddörfern gewöhnlich ist, in ein milderes, wärmeres Tal hinab, in welchem das dunkelbraune Wasser der Moldau langsam gegen Morgen fließt. Wir haben schon einmal an einer anderen Stelle gesagt, daß von Friedberg an, welches auf einem Abhange in diesem Tale liegt, das Moldauwasser, nachdem es eine Weile in offenem Lande gegangen ist, wieder schwarze Tannen- und Föhrenwurzeln netzt und erst in die Schatten des Jesuiterwaldes und des Kienberges fließt und dann durch die Schlucht der Teufelsmauer verschlungen wird.

Wir müssen an diesem Orte, weil es unser Zweck erheischt, ein wenig länger bei dem Gegenstande verweilen.