Der Wunsch des Highlanders - Hannah Howell - E-Book
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Der Wunsch des Highlanders E-Book

Hannah Howell

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Beschreibung

Wird ihre Liebe seinen Zorn besänftigen? Der historische Liebesroman »Der Wunsch des Highlanders« von Hannah Howell als eBook bei venusbooks. Frankreich im Jahre 1458: Fern ihrer schottischen Heimat und dem Schutz ihrer Familie fällt die schöne Avery Murray in die Hände von Cameron MacAlpin, einem erklärten Feind ihres Bruders. Vom ersten Moment an lässt der attraktive Schurke keinen Zweifel daran, dass sie für ihn nichts anderes ist als eine Geisel, mit der er verfahren kann, wie immer es ihm beliebt – und doch gelingt es Avery einfach nicht, ihn zu hassen: Zu sehr fühlt sie sich zu ihm hingezogen, zu groß ist ihr Wunsch, sein Herz zu erobern. Aber kann es ihr wirklich gelingen, die Flammen seines Verlangens zu wecken, ohne Gefahr zu laufen, dadurch zu verbrennen? Jetzt als eBook kaufen und genießen: Das Romance-Highlight »Der Wunsch des Highlanders« von New-York-Times-Bestsellerautorin Hannah Howell. Lesen ist sexy! venusbooks – der erotische eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 572

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Über dieses Buch:

Frankreich im Jahre 1458: Fern ihrer schottischen Heimat und dem Schutz ihrer Familie fällt die schöne Avery Murray in die Hände von Cameron MacAlpin, einem erklärten Feind ihres Bruders. Vom ersten Moment an lässt der attraktive Schurke keinen Zweifel daran, dass sie für ihn nichts anderes ist als eine Geisel, mit der er verfahren kann, wie immer es ihm beliebt – und doch gelingt es Avery einfach nicht, ihn zu hassen: Zu sehr fühlt sie sich zu ihm hingezogen, zu groß ist ihr Wunsch, sein Herz zu erobern. Aber kann es ihr wirklich gelingen, die Flammen seines Verlangens zu wecken, ohne Gefahr zu laufen, dadurch zu verbrennen?

Über die Autorin:

Hannah Howell, geboren 1950 in Massachusetts, kann ihren amerikanischen Familienstammbaum bis in das frühe 17. Jahrhundert zurückverfolgen – liebt aber vor allem die Geschichte Englands und Schottlands; auf einer Reise dorthin lernte sie auch ihren späteren Ehemann kennen. Hannah Howell hat in ihrer schriftstellerischen Karriere über 60 Liebesromane veröffentlicht, darunter den großangelegten Zyklus über die Familie Murray, in dem sie mitreißend vom Schicksal mehrerer Generationen einer weitverzweigten schottischen Highlander-Dynastie erzählt. Hannah Howell wurde für ihr Werk mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Golden Leaf Award und dem Preis des Romantic Times Bookclub Magazine.

Bei venusbooks erschienen die folgenden Romane von Hannah Howell:

HIGHLAND HEROES

Das Schicksal des Highlanders

Die Lust des Highlanders

Das Schwert des Highlanders

HIGHLAND DESIRE

Die Hoffnung des Highlanders

Der Wunsch des Highlanders

Das Herz des Highlanders

HIGHLAND ROSES

Im Zeichen des Highlanders

Die Spur des Highlanders

Die Sehnsucht des Highlanders

HIGHLAND LOVERS

Der Fürst der Highlander

Der ungezähmte Highlander

Der Held der Highlands

HIGHLAND DREAMS

Das Begehren des Highlanders

Das Sehnen des Highlanders

Der Stolz des Highlanders

Die Versuchung des Highlanders

Der Mut des Highlanders

Der Traum des Highlanders

Bei den folgenden beiden Romanen handelt es sich um Einzelbände:

Der Kuss des Schotten

Die Geliebte des Earls

***

eBook-Neuausgabe November 2019, August 2022

Ein eBook des venusbooks-Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Dieses Buch erschien 2001 unter dem Originaltitel »Highland Knight« bei Zebra Books/Kensington Publishing Corp., New York, und in Deutschland erstmal 2008 bei Weltbild, Augsburg, unter dem Titel »Die Rache des Highlanders«.

Copyright der Originalausgabe © 2001 by Hannah Howell; published by Arrangement with KENSINGTON PUBLISHING CORP., New York, NY, USA

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2008 Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt 67, 86167 Augsburg

Copyright © der Neuausgabe 2022 venusbooks Verlag. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück, 30161 Hannover.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von shutterstock.com

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)

ISBN 978-3-96898-203-8

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des venusbooks-Verlags

***

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »Der Wunsch des Highlanders« an: [email protected] (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

***

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Hannah Howell

Der Wunsch des Highlanders

Roman

Aus dem Amerikanischen von Andrea Hahn

venusbooks

Kapitel 1

Frankreich, Frühling 1458

»Warum bringt Ihr das Mädchen hierher?«

Sir Bearnard, ein stämmiger Mann, verschob träge seinen muskulösen Arm, um die schlaff über seiner Schulter hängende Gefangene fester zu greifen. Skeptisch musterte er seinen Lehnsherrn Sir Charles DeVeau und antwortete: »Ich habe sie bei dem Überfall aufgegriffen«.

»Ich habe Euch nicht gegen die Lucette losgeschickt, um Frauen mitzubringen. Hier gibt es mehr als genug, die bereitwillig die Bedürfnisse jedes Mannes befriedigen.«

»Wir haben alles gemacht, wie Ihr es befohlen habt, Herr. Ich habe diese Frau gefunden, als wir schon von der brennenden Burg der Lucette wegritten, und da dachte ich mir, dass ich sie brauchen könnte, um eine offene Schuld zu begleichen.«

»Welche Schuld?« Sir Charles rieb sich das scharf geschnittene Kinn mit den langen, beringten Fingern seiner linken Hand und versuchte erfolglos, einen genaueren Blick auf Sir Bearnards Gefangene zu werfen.

»Eine Wette, die ich gegen Sir Cameron MacAlpin verloren habe.«

Sir Bearnard runzelte die Stirn, als Sir Charles leise lachte.

»Diese Frau ist kaum größer als ein Kind, schmutzig und voll blauer Flecken. Habt Ihr denn außerdem vergessen, dass unser großer schottischer Ritter ein Keuschheitsgelübde abgelegt hat?«

»Mir ist aufgefallen, dass er sich nicht mit Frauen abgibt, obwohl ihm viele zuzwinkern.«

»Nun, macht, was Ihr wollt. Meiner Meinung nach werdet Ihr allerdings feststellen, dass Sir Cameron lieber Geld sehen würde.«

»Vielleicht nicht, wenn ich ihm beide Frauen anbiete.«

»Beide Frauen? Ich sehe nur eine.«

»Die andere war noch kleiner als die hier, fast noch ein Kind. Sir Renford hat sie mitgenommen, er findet Gefallen an so zarten Dingern.«

Sir Charles zuckte die Schultern. »Geht und versucht Euer Glück. Sir Cameron verlässt uns bald. Vielleicht ist er also für den Handel zu gewinnen und weiß sogar, wie er für das Weibsbild Geld bekommt. Aber denkt daran: Wenn sie Ärger macht, seid Ihr dafür verantwortlich.«

Avery spürte, wie sich ihr Entführer leicht verbeugte. Ihr Magen war so verkrampft vor Zorn, dass es ihr fast unmöglich war, weiterhin die Ohnmächtige zu spielen, während Sir Bearnard sich von dem Mann mit den kalten Augen verabschiedete und aus der großen Halle schritt. Dieser Unmensch hatte gerade versucht, ihre Verwandten und alles, was ihnen lieb und wert war, zu vernichten. Und nun wollte er sie dazu benützen, irgendwelche Schulden abzuzahlen.

Sie konnte nicht glauben, wie schnell sich der idyllische Besuch bei der Familie ihrer Mutter in eine blutige Tragödie verwandelt hatte. Wie viele ihrer Cousins waren unter den Schwertern der DeVeau gestorben? War alles zerstört? Und wo war ihre Cousine Gillyanne? Gillyanne war noch ein Kind, erst dreizehn Jahre alt. All diese Fragen brannten Avery unter den Nägeln, doch ihr war klar, dass der brutale Kerl, der sie ihrem Schicksal entgegentrug, sich nicht die Mühe machen würde, ihr zu antworten.

Als Sir Bearnard schließlich vor einer massiven Holztür stehen blieb und daran klopfte, zuckte Avery zusammen. Jeder Schlag verstärkte das schmerzhafte Dröhnen in ihrem Kopf. Die Tür öffnete sich, und sie fluchte leise, als der Mann beim Betreten des Raums ihre Beine rücksichtslos gegen den Türrahmen stieß. Sie versuchte, einen Blick in den Raum zu erhaschen, doch ihre wirren Haare verschleierten die Sicht. Dann warf Sir Bearnard sie auf ein weiches Schaffell vor einer Feuerstelle. Der plötzliche Sturz machte sie benommen und steigerte ihre Kopfschmerzen derart, dass sie Angst bekam, tatsächlich ohnmächtig zu werden.

»Und was ist das?«, fragte eine tiefe, volle Stimme in ziemlich gebrochenem Französisch.

»Eine Frau«, antwortete Sir Bearnard.

»Das sehe ich. Was veranlasst Euch, sie zu mir zu bringen?«

»Ich will mit ihr meine Schuld begleichen«, erklärte Sir Bearnard.

»Selbst wenn ich die Absicht hätte, sie in Zahlung zu nehmen«, erwiderte die tiefe Stimme gedehnt, »scheint sie nicht einmal die Hälfte von dem wert zu sein, was Ihr mit schuldet.«

Bei dieser gelassenen Beleidigung knirschte Avery mit den Zähnen und beschloss, dass sie ihre Ohnmacht lange genug vorgetäuscht hatte. Sie wischte sich die wirren Strähnen aus dem Gesicht – und fast stockte ihr der Atem. Der Mann, der neben Sir Bearnard stand und finster auf sie herabstarrte, war riesig. Und er sah nicht nur so groß aus, weil sie zu seinen Füßen auf dem Boden lag.

Er trug weiche hirschlederne Stiefel und eine braune Wollhose über langen, wohlgeformten Beinen. Sein weißes Leinenhemd war aufgeschnürt und enthüllte einen straffen, muskulösen Bauch und eine breite, glatte Brust. Seine Haut war so dunkel wie die vieler Franzosen, die hier in Diensten standen. Selbst sie würde neben diesem Mann vornehm blass erscheinen. Auf seinem dunklen, schmalen Gesicht spiegelte sich kein Interesse, keine Spur einer Gefühlsregung. Trotzdem war es ein fast schönes Gesicht. Dichte rabenschwarze Haare fielen in weichen Locken über die breiten Schultern. Er besaß ein festes Kinn, ausgeprägte Wangenknochen, eine gerade Nase und einen Mund, der selbst auf sie verführerisch wirkte, obwohl er zu einer strengen Linie zusammengepresst war. Doch besonders seine Augen fesselten ihre Aufmerksamkeit. Unter dunklen, leicht gebogenen Brauen, eingefasst von auffallend langen Wimpern, lagen die dunkelsten Augen, die sie je gesehen hatte. Schwarz wie Kohle und beinahe ebenso hart. Sie konnte in ihnen weder Erbarmen noch Hilfsbereitschaft lesen. Endlich zeigte sie ihm deutlich ihre Wut und beobachtete, wie sich seine Augenbrauen daraufhin ein wenig hoben.

»Ich habe gehört, dass Ihr uns mit Euren Männern bald verlassen wollt, Sir Cameron«, sagte Sir Bearnard.

»In zwei Tagen«, antwortete der Angesprochene.

»Ich fürchte, ich kann das Geld, das ich Euch schulde, bis dahin nicht aufbringen.«

»Dann hättet Ihr die Wette nicht eingehen dürfen.«

Sir Bearnard wurde dunkelrot. »Ja, das war unüberlegt. Aber Ihr könnt etwas für die Frau bekommen. Benützt sie, verlangt Lösegeld für sie oder verkauft sie.«

»Ihr habt sie bei dem Angriff auf die Lucette gefangen genommen?«

»Oui, unmittelbar vor den Toren.«

»Dann könnte sie ein Bauernmädchen sein und kein Lösegeld wert.«

»Non, Sir Cameron, schaut Euch ihr Gewand an. Ein Bauernmädchen würde niemals solche Kleider tragen.«

Als sich Sir Cameron bückte, um ihr Gewand näher zu betrachten, gab Avery der Wut nach, die sich in ihr aufgestaut hatte. Sie trat nach ihm, zielte direkt unter sein markantes Kinn. Aber er war schnell – beängstigend schnell. Er fing ihr Bein ab und schlang seine langen Finger fest um ihre Wade. Ihre Röcke rutschten nach oben und gaben ihre Beine frei. Zu ihrer Bestürzung hielt er sie einen Augenblick so fest. Ihr blieb vor Wut die Luft weg, als er plötzlich ihre Röcke hob und einen Blick darunterwarf, wobei sich sein schön geschnittener Mund zu einem flüchtigen Lächeln verzog.

»Eine Hose«, murmelte er.

Sir Bearnard erhaschte einen Blick, bevor Sir Cameron die Röcke wieder fallen ließ. »Ungewöhnliche Aufmachung für eine Frau.«

»Ihr habt also nicht von dem Geschenk gekostet, das Ihr mir machen wollt«, stellte Sir Cameron fest.

»Non, das schwöre ich. Ich habe sie nur mitgenommen, um meine Schulden bei Euch abzuzahlen.«

Sir Cameron hockte noch immer neben ihr, umfasste noch immer ihr Bein. Er strich mit seiner linken Hand darüber, während er es mit der rechten unverwandt festhielt. Avery kochte vor Wut, und ihre Hilflosigkeit verstärkte den Zorn. Dieser Mann behandelte sie wie ein Pferd, das er kaufen wollte. Was sie aber in Anspannung und Angst versetzte, war nicht verletzte Scham, sondern die Furcht vor einer Entdeckung. Einen Augenblick später glitten seine Finger hoch genug, um das Futteral des Dolches zu ertasten, der an ihrem Oberschenkel befestigt war. Sie fluchte. Als er sie ansah, blitzte in seinen dunklen Augen kurz etwas wie Heiterkeit auf. Sie funkelte ihn wütend an.

»Ich glaube Euch, Sir Bearnard«, antwortete Sir Cameron gedehnt, während er ihren Dolch aus dem Futteral zog, ihr Bein freigab und aufstand.

»Merde.« Sir Bearnard schüttelte den Kopf. »Ich habe nie daran gedacht, sie auf Waffen zu untersuchen. Immerhin ist sie nur eine Frau.«

Avery trat nach Sir Bearnard, doch dieser entfernte sich schnell aus ihrer Reichweite, und sie zog ihre Röcke wieder glatt. Während Sir Cameron stirnrunzelnd ihre Waffe musterte, trat ein Jüngling zu ihm. Sie schätzte ihn auf ihr Alter, achtzehn Jahre, oder jünger. Seine Haare waren so rot wie Sir Camerons dunkel, er war groß gewachsen und fast zu dünn.

»Cameron, das ist ein …«, begann der Junge auf Englisch und blickte mit weit aufgerissenen Augen zunächst auf den Dolch, dann auf Avery.

»Ich weiß, Donald«, entgegnete Sir Cameron in derselben Sprache und schnitt dem Jungen das Wort ab.

Donald starrte weiterhin auf Avery und flüsterte: »Sie hat Augen wie eine Katze.«

»Ja, und ich glaube allmählich, dass sie so wild ist wie die schlimmste Raubkatze.« Cameron sah finster zur Tür, als es klopfte. »Plötzlich bin ich ein äußerst gesuchter Mann«, murmelte er auf Französisch und warf einen raschen Blick auf Sir Bearnard.

»Bearnard, Lumpenkerl, ich weiß, dass Ihr hier seid!«, brüllte eine tiefe Stimme.

»Aha, das ist für Euch.« Cameron nickte Sir Bearnard zu. »Ihr stellt wohl besser fest, was der Mann will.«

»Ist meine Schuld beglichen?«, fragte Sir Bearnard.

»Ich denke noch darüber nach.«

Sir Bearnard ging die Tür öffnen, und ein klobiger, braunhaariger Mann stampfte in den Raum. Avery allerdings hatte nur Augen für das kleine, dünne Mädchen, das er hinter sich herzog. »Gillyanne!«, schrie sie und wollte aufspringen, wurde aber von Sir Cameron an Ort und Stelle gehalten, indem er ihr sanft, aber bestimmt einen Fuß auf die Brust stellte.

»Ihr könnt dieses kleine Miststück zurückhaben«, schimpfte Sir Renford, der Gillyanne auf Sir Bearnard zustieß. »Sie ist krank.«

Nach einem Blick auf Gillyanne trat Sir Bearnard hastig von ihr zurück und streckte abwehrend seine Hände aus. Gillyanne beachtete die beiden Männer nicht und rannte auf Avery zu. Das Mädchen blieb unvermittelt stehen und kreischte vor Angst leicht auf, als Cameron sein Schwert zog und es ihr entgegenstreckte.

»Ihr würdet ein Kind töten?«, fragte Avery herausfordernd. Sie hatte viel zu große Angst um Gillyanne, um länger zu schweigen oder die Französin zu spielen.

»Sie ist krank«, stellte Cameron fest.

Avery musterte Gillyanne, und langsam breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Die helle Haut des Mädchens war mit Flecken, Quaddeln und Pickeln übersät. Ihre ein wenig schielenden Augen waren geschwollen und rot.

»Erdbeeren?«, fragte sie ihre Cousine. »Hat er dir Erdbeeren gegeben?«

»Ja. Na ja, nein«, erwiderte Gillyanne. »Er hatte welche in seinem Gemach, und als er nicht hingeschaut hat, habe ich mir ein paar in den Mund gestopft.«

Cameron zögerte einen Moment, dann schob er sein Schwert zurück in die Scheide. »Es war also eine List.« Er nahm seinen Fuß von Averys Brust und legte die Stirn in Falten, als sich das junge Mädchen in die Arme der gertenschlanken Frau warf. »Eine bewusste Täuschung.«

»Würdet Ihr es für ehrenhafter halten, dem französischen Schweinehund zu erlauben, sie zu schänden?«, fuhr ihn Avery an.

»Sie ist noch ein Kind«, schimpfte Donald, der Sir Renford einen Blick kaum verhüllter Abscheu zuwarf.

»Die sprechen Englisch«, meinte Sir Bearnard, indem er die Tür hinter einem fluchenden Sir Renford schloss.

»Es sieht so aus«, erwiderte Sir Cameron. »Ich glaube, sie könnten sogar aus Schottland kommen.«

»Die Lucette haben eine Verwandte in Schottland. Ähm, ist es eine gute Idee, diesem kranken Kind zu erlauben, die Frau zu berühren?«

»Habt Ihr Angst, dass das ihren Marktwert mindert? Nicht nötig. Was das Kind hat, ist nicht ansteckend.«

»Nehmt Ihr sie beide in Zahlung?«

»Ich habe wohl kaum eine andere Wahl. Wenn sie mir nichts einbringen, kann ich Euch schließlich wieder aufsuchen, nicht wahr?«

Avery war ein wenig überrascht, als sie sah, wie Sir Bearnard blass wurde und ruckartig nickte. »Gott mit Euch auf Eurer Heimreise, Sir Cameron.« »Ein Schotte«, flüsterte Gillyanne, als Sir Cameron Sir Bearnard zur Tür begleitete. »Sind wir jetzt in Sicherheit?«

»Ich bin mir nicht sicher«, flüsterte Avery zurück. »Er hat uns als Bezahlung für Wettschulden akzeptiert. Das spricht nicht gerade für diesen Mann. Er sieht auch nicht so aus, als wäre er ganz und gar ungefährlich. Und irgendetwas am Namen MacAlpin beunruhigt mich, ich komme aber nicht darauf, was.« Die Tür schloss sich hinter Sir Bearnard, und Avery berührte vorsichtig das Gesicht ihrer Cousine. »Wird das bald heilen?«

»Ja, es juckt nur.«

»Lass mich mit ihm reden«, riet Avery, als Sir Cameron wieder zu ihnen trat.

Cameron blickte auf die beiden kleinen Frauen, die ihm gerade übergeben worden waren. Er fand das Verschachern von Frauen ausgesprochen widerlich, hatte aber schon vor langer Zeit festgestellt, dass er da eine Ausnahme bildete. Die meisten Männer, an deren Seite er in den vergangenen drei Jahren gekämpft hatte, hatten wenig mit ihm gemein. Er und seine Gefolgsleute sonderten sich mehr und mehr von den anderen Söldnern ab, und das brachte Schwierigkeiten mit sich. Cameron wünschte nur, er wäre nicht mit einem weiteren Problem konfrontiert worden, bevor er seine Heimat Schottland wiedersah und, so Gott wollte, dort Frieden fand.

Diese neue Schwierigkeit bereitete ihm größtes Unbehagen: Sie war zerzaust und schmutzig und schien auch nicht den mädchenhaften Anstand zu besitzen, sich zu fürchten. Sie trug eine Unterhose und einen Dolch um ihren reizenden Oberschenkel. Ihre schönen Beine faszinierten ihn, und das fand er alarmierend. Er hatte fast die ganzen achtundzwanzig Jahre seines Lebens gebraucht, um zu erkennen, dass begehrenswerte Frauen ihm nichts als Ärger einbrachten. Daher war er nicht besonders entzückt darüber, dass diese zierliche Frau mit den goldenen Augen seine Leidenschaft, die er beinahe drei Jahre lang so streng unter Kontrolle gehalten hatte, zu neuem Leben erweckte. Während dieser langen, kalten Jahre seines selbst auferlegten Zölibats war er nicht ein einziges Mal schwankend geworden. Aber jetzt …

Er musterte die Frau eingehend, um eine Erklärung dafür zu finden, warum er plötzlich diese schmerzhafte Anspannung fühlte, warum ihm das Blut in den Adern pochte. Sie war nicht groß, reichte ihm wahrscheinlich gerade einmal bis zur Brust. Zudem war sie gertenschlank, das genaue Gegenteil jener üppigen Frauen, die er in der Vergangenheit immer bevorzugt hatte. Ihre Brüste waren klein, aber fest und verführerisch geformt. Sie hatte eine sehr schmale Taille und sanft geschwungene Hüften. Ihre wunderschönen, schlanken und überraschend langen Beine hatte er schon gesehen. Die Haut schien am ganzen geschmeidigen Körper von einem leichten Goldhauch überzogen. Donald hatte recht: Sie hatte Katzenaugen. Nicht nur waren sie bernsteinfarben, sie standen auch ein wenig schräg, was ihre Katzenhaftigkeit verstärkte. Unter gebogenen Brauen und langen, dunklen Wimpern beherrschten sie das kleine herzförmige Gesicht mit der schmalen Nase und den vollen Lippen. Alles wurde umflutet von schweren, goldbraunen Locken, die – durchsetzt von aufschimmerndem Rot – bis über ihre Hüften herabfielen.

Cameron fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, rieb sich den Nacken und verzog kaum merklich das Gesicht. Sie war vom zerzausten Scheitel bis zu ihren zierlichen Füßen eine goldfarbene Frau. Er konnte mit sich selbst diskutieren, bis ihn die Zunge schmerzte, aber er konnte nicht leugnen, dass sie etwas ganz Besonderes war. Wenn er seinem Keuschheitsgelübde treu bleiben wollte, musste er sich möglichst fern von ihr halten. Das würde sich allerdings als schwierig erweisen, wenn er sie mit nach Schottland nahm.

»Wer seid Ihr?«, wollte er wissen.

Avery erwog kurz, zu lügen, kam aber zu der Überzeugung, dass das keinen Sinn hätte. Gillyanne wäre nicht fähig, die Lüge dauerhaft aufrechtzuerhalten. Sie war zu jung für ein längeres oder kompliziertes Täuschungsmanöver. »Ich bin Avery Murray, Tochter von Sir Nigel Murray und Lady Gisele of Donncoill. Das hier ist meine Cousine Gillyanne Murray, Tochter von Sir Eric und Lady Bethia Murray of Dubhlinn.« Sie stockte, als sein Gesichtsausdruck innerhalb eines Herzschlags von Fassungslosigkeit zu rasendem Zorn wechselte.

»Cameron, war es nicht ein Murray, der …«, begann Donald.

»Ja, es war ein Murray«, knurrte Cameron, packte Avery an ihrem schlanken Arm und zog sie auf die Beine. »Kennt Ihr einen gewissen Sir Payton Murray, Mistress?«

»Er ist mein Bruder«, antwortete sie und fragte sich, was Payton wohl angestellt hatte, dass dieser Mann so in Wut geriet. Sie bog sich nach hinten weg von ihm, und Angst durchzuckte sie, als er schließlich kalt und hart lächelte.

»Vielleicht hat der alte Bearnard seine Schuld tatsächlich voll und ganz beglichen.«

»Meine und Gillyannes Familie wird Euch trefflich entlohnen, wenn Ihr uns sicher nach Hause bringt.«

»Oh ja, sie werden ganz bestimmt bezahlen. Endlich ist mir das Schicksal gewogen. Ich bekomme ein Mädchen in die Hände, damit ich Lösegeld dafür einfordern kann – und der Narr, der damit seine Wettschulden begleicht, übergibt mir die Schwester des feigen Bastards, der meine Schwester geschändet hat.«

Bestürzt über die beleidigende Anschuldigung, sah Avery den Mann mit offenem Mund an. Dann wurde sie von einer Woge des Zorns überschwemmt. Sie warf ihm Schimpfnamen an den Kopf, ballte ihre kleine Faust und schlug ihn auf den Mund. Er stieß einen Fluch aus, doch ihr überraschender Angriff ließ ihn zurücktaumeln. Dabei prallte er gegen einen Hocker und fiel nach hinten, wobei er Avery mit sich zog. Sie landete so hart auf ihm, dass ihr die Luft wegblieb, aber sie packte, ohne zu zögern, mit beiden Händen seine dichten Haare und schlug seinen Kopf auf den Boden. Sie klammerte sich fest, bis sein Griff um ihre Handgelenke zu schmerzhaft wurde, dann ließ sie ihn unvermittelt los. Er löste seinen Griff, um sich den misshandelten Kopf zu reiben, und sofort machte sie sich ihre Freiheit zunutze. Während sie sich aufrichtete, schlug sie ihm noch einmal ins Gesicht. Dann versuchte sie, zu fliehen, aber er ergriff ihren Rock und zog heftig daran.

Als Avery hart auf dem Boden aufschlug, entwich ihr ein Fluch. Schnell drehte sie sich auf den Rücken und sah, dass er im Begriff war, sie mit seinem Körper niederzudrücken. Da trat sie ihm ins Gesicht. Er schimpfte, gab aber nicht nach. Sie drehte und wand sich, trat und boxte ihn, sie tat ihr Äußerstes, um zu verhindern, dass er sie auf den Boden presste.

Aus den Augenwinkeln sah Avery eine Bewegung. Einen Augenblick später hatte sich Gillyanne auf den Rücken des Mannes geworfen und ihre Arme fest um seinen Hals geschlungen. Avery schlug Sir Cameron wieder, während Gillyanne sich abmühte, seinen Kopf nach hinten zu ziehen.

»Donald!«, schrie Sir Cameron auf. »Nimm dieses Teufelsbalg von mir!«

Donald brauchte nicht lange, um die kleine, fluchende Gillyanne von Sir Cameron herunterzubefördern. Noch weniger lang brauchte Sir Cameron, um Avery fest auf den Boden zu drücken. Sie durchbohrte ihn mit wütenden Blicken, obwohl sie zugeben musste, dass er sich offensichtlich bemühte, sie nicht ernsthaft zu verletzen. Darüber konnte sie später noch nachdenken. »Mein Bruder ist kein Mädchenschänder«, fuhr sie ihn an.

»Meine Schwester sagt, dass er einer ist«, entgegnete Cameron mit fester Stimme und zog sie hoch, ihre Fäuste mit seiner großen Hand umklammernd.

»Und Ihr habt diese falsche Anschuldigung den ganzen Weg bis hierher mit Euch rumgeschleppt? Um dann diesen Mörderschweinen, den DeVeau, zu dienen?«

Sie sprach »DeVeau« aus, als sei es der abscheulichste aller Flüche. Das weckte Camerons Interesse, aber er beschloss, die Befriedigung seiner Neugier auf später zu verschieben. »Mein Cousin Iain, der mich als Laird von Cairnmoor vertritt, schickte einen Boten, um mir die Nachricht zu überbringen. Es hat mich zwei Wochen gekostet, um mich von all meinen Verpflichtungen zu befreien, aber jetzt bin ich endlich in der Lage, nach Hause zu reisen, um mich um diese Angelegenheit zu kümmern.«

Plötzlich wusste Avery, wo sie den Namen MacAlpin schon einmal gehört hatte. Er war im letzten Brief ihrer Mutter aufgetaucht. Sie hatte von »einer kleinen Verwirrung« zwischen den MacAlpins und den Murrays geschrieben, die geklärt werden müsse. Ihre Mutter hatte dezent formuliert, dass Avery und Gillyanne bestimmt gerne noch länger bei ihren französischen Verwandten bleiben wollten. Also schrieb Avery zurück, um nachzufragen, was genau unter »einer kleinen Verwirrung« zu verstehen sei. Genau zu diesem Zeitpunkt hatten die Männer von DeVeau sie überfallen. Jetzt verstand sie, warum ihre Mutter wollte, dass sie und Gillyanne ihren Besuch verlängerten. Die Schändung der Verwandten eines Laird war ein ernst zu nehmendes Verbrechen, eine Verletzung der Ehre, die zu blutigen Kämpfen und oft auch zu einer langen, tödlichen Fehde führen konnte.

»Habt Ihr jemals meinen Bruder oder jemanden aus meiner Familie kennengelernt?«, wollte sie wissen.

»Ich habe einmal Sir Balfour Murray bei Hof getroffen«, antwortete Cameron, der sie zum Bett hinüberzog und ein Paar Handfesseln von einer großen Truhe nahm.

Einen Augenblick lang war Avery abgelenkt. Als er sie an den stabilen Bettpfosten fesselte, sah sie ihm ins Gesicht. »Handfesseln neben dem Bett? Ihr habt wohl Probleme, die Mädchen in Eurem Bett zu halten?« Sie hörte Donald nach Luft schnappen, sah eine schwache Röte über Camerons dunkle Haut huschen und fragte sich, ob es sonderlich klug war, ihren Geiselnehmer zu erzürnen.

»Ich habe sie gekauft, um sie nach Cairnmoor mitzunehmen, weil sie stärker und doch angenehmer sind als unsere«, stieß er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor und fragte sich gleichzeitig, warum er sich vor dieser unverschämten Frau rechtfertigte.

Sie zuckte nur die Achseln. »Und wo soll mein Bruder dieses abscheuliche Verbrechen an Eurer Schwester und Eurem Clan begangen haben?«

»Bei Hofe. Iain und meine Tante brachten meine Schwester dorthin. Sie wollten einen Bräutigam für sie finden.«

»Aber warum hat man dann dieses Problem nicht dort geklärt? Der König selbst hätte helfen können, es in Ordnung zu bringen.«

»Weil meine Schwester nichts davon erzählt hat, bis alle wieder auf Cairnmoor waren. Sie wurde zu einer Hochzeit mit Sir Malcolm Cameron gedrängt, aber sie weigerte sich beharrlich. Schließlich erzählte sie, dass sie nicht heiraten kann, weil Euer Bruder sie entjungfert hat. Als ob das nicht schon schlimm genug ist, hat er ihr auch noch ein Kind gemacht. Iain hat versucht, die Angelegenheit schnell und friedlich ins Reine zu bringen, aber Euer Bruder leugnet die Tat und weigert sich, meine Schwester zu heiraten.«

»Dann habt Ihr also meinen Cousin Payton sicher nicht kennengelernt«, warf Gillyanne ein. »Er muss sich von keinem Mädchen irgendetwas mit Gewalt nehmen.«

»Genau«, stimmte Avery zu. »Warum sollte ein Mann sich gewaltsam nehmen, was ihm von so vielen Frauen bereitwillig und oft angeboten wird?«

»Oh? Und warum sollte sich ein Mädchen mit einer Lüge in Schande bringen?«

»Das weiß ich nicht. Ich habe Eure Schwester nie kennengelernt.« »Und ich denke, Ihr schätzt Euren Bruder falsch ein.« Cameron packte Gillyanne am Arm und hielt auf die Tür zu.

»Wo bringt Ihr meine Cousine hin?« Avery wollte unwillkürlich aufspringen und fluchte, als sie von der Fessel um ihr Handgelenk rüde zurückgehalten wurde.

»Sie soll sich waschen. Komm mit, Donald. Ich werde auch Euch jemanden schicken, der Badewasser und ein sauberes Kleid bringt«, fügte er hinzu, nicht ohne Avery einen kurzen herablassenden Blick zuzuwerfen.

»Wie soll ich baden und mich umkleiden, wenn ich gefesselt bin?«

»Ihr scheint ein kluges Mädchen zu sein. Ich bin sicher, Euch fällt etwas ein.«

Kapitel 2

Als die beiden Mägde, die ihr beim Baden und Ankleiden geholfen hatten, aus dem Gemach eilten, sah Avery an ihrem dunkelblauen Kleid hinab. Es war entzückend, oder zumindest war es entzückend gewesen, bevor die Mägde es auf einer Seite aufgeschlitzt hatten, um es über die schwere Handfessel zu ziehen. Das dunkle Garn, mit dem sie die Teile wieder zusammengebunden hatten, hob sich unschön vom weichen Stoff ab. Avery fragte sich, wo dieser unzivilisierte Mensch etwas so Hübsches gefunden hatte. Falls er das Kleid einer Geliebten oder Verwandten schenken wollte, dann war es jetzt zu spät: Es war ruiniert. Bei diesem Gedanken empfand Avery eine gewisse Genugtuung.

Mit einem wütenden Blick auf die Fessel versuchte sie erneut, ihre Hand daraus zu befreien, zuckte aber zusammen, als die scharfen Kanten ihre Haut aufschürften. Die Kette zwischen Handfessel und Bettpfosten war nicht einmal so lang wie das Bett selbst. Sie ließ ihr nicht viel Bewegungsfreiheit. Avery lächelte kalt. Immerhin war sie lang genug, um sie dem schwarzäugigen Schurken um den Hals zu wickeln. Als ihr Peiniger das Gemach betrat, liebkoste sie selbstvergessen die schweren Kettenglieder und stellte sich vor, wie sie sich in seine Kehle drückten, bis sein Gesicht blau anlief. Eigentlich hätte sie über ihre eigene Blutrünstigkeit entsetzt sein sollen, aber sie war viel zu aufgebracht, um sich darüber den Kopf zu zerbrechen.

»Wo ist Gillyanne?«, fragte sie herausfordernd, denn Sir Cameron war ohne ihre Cousine und den jungen Knappen zurückgekehrt.

»Ich habe sie bei den Frauen gelassen«, erwiderte Cameron, zog sein Hemd aus und ging zum Tisch, wo eine große Schüssel mit Wasser stand.

»Welche Frauen?«

»Ein paar Frauen begleiten meine Männer.«

»Lagerdirnen? Ihr habt ein junges Mädchen bei den Lagerdirnen gelassen?«

»Es sind keine Huren. Zwei sind verheiratet, und die anderen beiden werden es vermutlich auch bald sein.«

»Gut, aber ich will sie bei mir haben.«

»Ach, bei Euch? Ich fürchte, diesen Gefallen kann ich Euch nicht tun.«

Avery beobachtete, wie er sich wusch, und wünschte, ihre Kette wäre länger, damit sie nahe genug herankommen könnte, um ihm einen Tritt zu versetzen. Er klang fast charmant, sein Bedauern schien fast aufrichtig, aber unter der falschen Liebenswürdigkeit hörte sie den Spott. Noch nie war sie einem Menschen begegnet, dem sie so leidenschaftlich gerne Schaden zugefügt hätte.

»Sie hat bestimmt Angst und macht sich Sorgen um mich.« An dem Blick, den er ihr beim Abtrocknen zuwarf, erkannte sie, dass es ihr nicht gelungen war, in ihm Mitleid für das Mädchen zu wecken.

»Die Frauen werden sie verhätscheln. Sie freuen sich über ihre Gesellschaft.«

Cameron behielt sie genau im Auge, während er sich auf die Bettkante setzte und seine Stiefel auszog. Es bestand kein Zweifel, dass sie vor Wut kochte. Ihre goldenen Augen flackerten vor Zorn. Die langgliedrigen Finger hatte sie so fest ineinander verschlungen, dass die Knöchel weiß schimmerten. Hätte sie ihren Dolch gehabt, sie hätte ihm die Kehle durchgeschnitten.

Er stand auf, um die Kerzen auszublasen, und legte sich anschließend auf das breite Bett. Die Arme unter dem Kopf verschränkt, warf er einen flüchtigen Blick auf die andere Bettseite – nur um festzustellen, dass sie noch immer stand. Einzig der Leuchter auf seiner Bettseite brannte noch. Obwohl sie im Dunkeln stand, ließ das Kerzenlicht ihre Augen aufschimmern und verstärkte ihre katzenhafte Ausstrahlung. Als sein Blick über ihren schlanken Körper glitt, entdeckte er, dass das Kleid an der Seite aufgeschlitzt war und musste fast lächeln.

»Kommt zu Bett«, befahl er.

»In dieses Bett? Neben Euch?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube nicht.«

»Gut.« Er schloss die Augen. »Dann steht eben die ganze Nacht mit hilflos funkelnden Augen da. Mir macht das nichts aus.«

Das Wort hilflos ließ sie knurren. Wenn ihre Kette ein wenig länger gewesen wäre, hätte sie ihn damit schlagen können. Einen Augenblick lang genoss Avery diese Vorstellung, dann seufzte sie. Selbst wenn die Kette lang genug gewesen wäre, um ihn damit zu verprügeln, hätte Cameron sich wohl kaum von ihr besinnungslos schlagen lassen.

Besonders ärgerte sie, dass seine Worte zutrafen und sie im Augenblick tatsächlich hilflos war. Er hatte auch recht, wenn er es für eine Dummheit hielt, die ganze Nacht zu stehen. Dennoch wünschte sie sich von Herzen, sie könnte es durchhalten. Er wirkte zwar nicht wie ein Vergewaltiger, aber Avery wusste, wie schnell bei einem Mann Freundlichkeit in Gefährlichkeit Umschlägen konnte.

Langsam setzte sie sich auf den Boden und lehnte sich an die Seite des Betts. Ihr Kopf ruhte an der daunengefüllten Matratze. Dieser Luxus erstaunte sie, und sie fragte sich gedankenverloren, ob es seine eigene war oder ob sein Gastgeber DeVeau inzwischen so reich war, dass er es sich leisten konnte, seine Söldner derart zu verwöhnen. Der Gedanke, ihren geschundenen Körper in die weichen Falten der Matratze sinken zu lassen, war verführerisch, doch sie widerstand der Versuchung. Es wäre der Gipfel der Torheit gewesen, sich neben einen Mann ins Bett zu legen, den sie nicht kannte und der glaubte, er besitze einen rechtmäßigen Grund, ihre Familie anzuklagen.

Sie runzelte die Stirn und warf einen kurzen Blick auf seinen großen Körper. Er hatte nicht verraten, wie er sie benutzen wollte, um Vergeltung für die angebliche Schändung seiner Schwester zu üben. Da er ihren Bruder für schuldig hielt, war es durchaus möglich, dass er diese Ehrverletzung mit gleicher Münze heimzahlen wollte. Dennoch hatte er bislang nicht versucht, sie zu berühren, obwohl sie allein waren und sie an sein Bett gefesselt war.

Der bloße Gedanke, dass jemand Payton eine Vergewaltigung vorwarf, brachte Avery auf. Dass dieser Idiot dem Märchen Glauben schenkte, machte sie rasend. In gewisser Hinsicht konnte man ihn entschuldigen, weil die Anklage von seiner Schwester stammte. Aber bevor er irgendeine Rachehandlung an ihr vollzog, musste er sich doch versichern, ob die Rache wirklich gerechtfertigt war.

Sie fragte sich, welche Form seine Vergeltung annehmen könnte. Je länger sie ihn beobachtete, desto weniger konnte sie sich vorstellen, dass er sich soweit erniedrigen würde, sie zu vergewaltigen. Gewiss sah er groß, dunkel und gefährlich aus, doch fühlte sie keine drohende Gefahr von ihm ausgehen. Avery hoffte, dass sie sich nicht von seinem attraktiven Gesicht täuschen ließ. Wenn ihre Wachsamkeit nachließ, war sie womöglich zu langsam, um sich in Sicherheit zu bringen.

»Was habt Ihr mit mir vor?« Avery konnte ihre verworrenen Gedanken nicht länger ertragen. Sie brauchte einfach klare Antworten, egal wie schaudererregend diese sein mochten.

Cameron öffnete ein Auge und sah sie an. Im Sitzen überragte ihr Kopf kaum die Bettkante. Trotz ihres ausgesprochen erwachsenen, wütenden Gesichtsausdrucks sah sie jung aus, zerbrechlich, sogar erschreckend unschuldig. Ein Teil von ihm war restlos angewidert von seinem Plan. Ein anderer Teil fühlte sich so sehr von ihrer feenhaften Schönheit angezogen, dass es ihn trieb, seinen Plan in die Tat umzusetzen und jeden aufkommenden Zweifel schonungslos im Keim zu ersticken. Rache und Begehren verbanden sich zu eng miteinander, um diesem Bedürfnis zu widerstehen. Er versuchte, seine plötzlich aufwogenden Schuldgefühle zu beschwichtigen, indem er sich schwor, sie nicht zu verletzen. Er wollte sie freundlicher behandeln, als viele andere es unter diesen Umständen tun würden.

»Ich habe vor, Euch zu verführen«, antwortete er und war ein wenig gekränkt, als sich ihr Gesichtsausdruck von Erstaunen zu Erheiterung wandelte.

»Das habt Ihr vor?«, antwortete sie ironisch. »Und Ihr glaubt, Ihr seid ein solch tapferer, gut aussehender Kerl, dass ich einfach zu Euren großen Füßen niedersinke?«

Er widerstand dem Drang, einen Blick auf seine geschmähten Füße zu werfen. »Nicht zu meinen Füßen, Mädchen, und ich würde es vorziehen, dass Ihr vernünftig seid.«

»Und ich würde Euren Tod vorziehen. Aber wir können nicht alles haben, was wir uns wünschen, nicht wahr?«

»So gewalttätig! Eine kleine Frau wie Ihr sollte nicht so rasch von Körperverletzung und Mord sprechen.«

»Fügt ruhig noch Verstümmelung hinzu, denn dazu hätte ich ebenfalls Lust.«

»Es ist klar, dass Ihr der Zähmung bedürft. Jemand hat Euch zu sehr verwildern lassen. Jetzt faucht und zischt Ihr mich an, aber bald werde ich Euch zum Schnurren bringen.«

»Welch Überheblichkeit!«

Avery kreischte überrascht auf, als er plötzlich an ihrer Kette riss. Sie kämpfte heldenhaft, aber es gelang ihm doch, sie auf das Bett zu zerren. Als sie sich neben ihm fand, versuchte sie, ihn noch einmal ins Gesicht zu schlagen, aber er drückte sie mühelos auf die Matratze.

»Wie wahr, meine kleine Katze«, sagte er und lächelte fast, als sie ihn anfunkelte.

»Ich bin weder so schwach noch so ein Flittchen, dass ich mich Euren Bedürfnissen bei einem Kuss oder einem Streicheln beuge. Nein, und schon gar nicht, wenn dadurch meinem Bruder Schande bereitet werden soll.«

Avery kam zu dem Schluss, dass der Mann viel zu verführerisch aussah, wenn er lächelte. Abgesehen davon war sein Lächeln unverschämt arrogant.

»Euer Bruder hat mir Schande bereitet, und er ist dabei nicht gerade sanft vorgegangen.«

»Selbst wenn Payton getan hätte, was Ihr behauptet – was er aber nicht getan hat, nicht hätte tun können und nie tun würde –, selbst dann wäre es nicht Eure Schande. Es ist überhaupt keine Schande, außer für den Mistkerl, der dieses Verbrechen begangen hat.«

»Meine Schwester ist keine Jungfrau mehr«, raunzte er.

»Seid Ihr es denn?« Angesichts seines verblüfften Gesichtsausdrucks war ihr plötzlich zum Lachen zumute. Sie wusste instinktiv, dass nur wenige diese Miene von ihm kannten.

»Das ist nicht dasselbe«, warf er ein, und es schien ihm, dass ihre Gedanken genauso eigenwillig waren wie ihr Aussehen.

Avery ließ ein leises verachtungsvolles Schnauben hören. »So spricht einer, der sich gerade alle Mühe gibt, ein Mädchen zu entjungfern, nur um es dann dafür zu verurteilen, dass es keine Jungfrau mehr ist. Außerdem ist es der Gipfel der Ungerechtigkeit, von Schande zu sprechen, wenn einem armen Mädchen ohne eigenes Zutun die Unschuld entrissen wurde.«

In diesen Sätzen lag viel Wahrheit, aber Cameron interessierte sich mehr für die Wut, die in ihren Worten mitschwang. »Dieses Thema regt Euch auf. Ich frage mich, warum.«

»Meine Cousine wurde brutal niedergeschlagen und vergewaltigt. Gillyannes ältere Schwester Sorcha. Einige Feinde ihres Vaters griffen sie und eine andere Cousine von mir auf. Sie schlugen und vergewaltigten die arme Sorcha. Sie hatten das Gleiche mit meiner Cousine Elspeth vor, doch dann kamen mein Onkel Eric, Onkel Balfour und Vater und hinderten sie daran. Sorcha wird bald Nonne. Glaubt Ihr wirklich, dass mein Bruder, der das Entsetzliche eines solchen Verbrechens kennt, es trotzdem jemandem antun könnte?«

Auch diese Frage klang plausibel, aber Cameron gab es nicht zu. »Nur weil er weiß, dass jemand ein Unrecht erlitten hat, heißt das noch lange nicht, dass der Mann unfähig ist, es selbst zu begehen. Und vielleicht hat meine Schwester es falsch ausgedrückt. Vielleicht war es eher eine Verführung als eine Vergewaltigung, oder sie hat einfach zu lange gewartet, um sich zu wehren. Aber das ändert nichts. Er hat meiner Schwester die Unschuld geraubt und weigert sich, ihre verlorene Ehre durch eine Heirat wiederherzustellen. Also nehme ich Euch zur Strafe Eure Unschuld.«

»Wie romantisch.« Ihrer belegten Stimme war der Hohn deutlich anzuhören. »Ich fühle mich dank Eurer süßen Schmeicheleien und Eures zarten Werbens der Ohnmacht nahe.« Avery klimperte mit ihren Wimpern.

Es überraschte Cameron, dass er kurz davor war zu lachen. Zum einen war es unpassend, Äußerungen von Sir Paytons Schwester erheiternd zu finden. Zum anderen war er kein Mensch, dem die Leichtigkeit des Humors geschenkt war. Lady Avery war so klein und schlank, dass er es nicht wagte, sich mit seinem ganzen Gewicht auf sie zu legen, und sich mit den Unterarmen abstützte. Dennoch versuchte sie, ihn mit Worten zu verletzen, ihm zu drohen und griff ihn bei jeder sich bietenden Gelegenheit an.

Er betrachtete ihren Mund und stellte fest, dass er sie küssen wollte. Ihre vollen Lippen waren vor Verärgerung leicht zusammengepresst, aber sie wirkten trotzdem äußerst verlockend. Als er seinen Mund dem ihren näherte, spürte er, wie sie sich anspannte, sah, wie sich ihre wunderschönen Augen weiteten, und wusste, dass sie seine Absicht erraten hatte.

»Denkt nicht einmal daran«, sagte sie, froh über den harten, kalten Klang ihrer Stimme, denn im Augenblick fühlte sie sich ganz und gar nicht so – vielmehr sehnte sie sich fast danach, seinen Kuss zu kosten.

»Ach, ich denke aber daran.« Er strich mit seinen Lippen über ihre, bemerkte, wie sie ihre Zähne entblößte, und warnte: »Es wäre sehr unklug, mich zu beißen.« Er legte sich mit seinem ganzen Gewicht auf sie und hielt sie unter sich fest. Mit seinen Händen umfing er ihr Gesicht. »Ich möchte nur meine Neugier befriedigen.«

Bevor sie etwas erwidern konnte, bedeckte sein Mund den ihren. Avery bemühte sich, die Wärme und Weichheit seiner Lippen zu ignorieren, bekämpfte die langsam ansteigende Hitze, die sich in ihren Adern ausbreitete, während er sanft an ihren Lippen knabberte. Als sie ihren Mund zusammenkniff, um das Eindringen seiner Zunge zu verhindern, biss er sie in die Unterlippe. Gegen ihren Willen musste sie nach Luft schnappen, und seine Invasion war gelungen. Eine Bewegung seiner Zunge reichte aus, um ihren Plan, ihn zu beißen, zunichtezumachen. Avery fand sich mitten in einem verzweifelten Kampf gegen ihr eigenes, schnell aufflammendes Begehren.

Plötzlich war sie froh, dass sie so fest auf das Bett gedrückt wurde. Sie wollte nicht, dass dieser finstere Räuber erfuhr, wie gerne sie ihren Körper an seinem gerieben hätte. Oder wie sehr sie sich danach sehnte, seine weiche, dunkle Haut zu berühren, die Wärme seines starken Rückens und seiner breiten Brust unter ihren Fingern zu spüren. Oder wie es sie in den Fingern juckte, die Hände in seinen dichten schwarzen Haaren zu vergraben. Die köstliche Weichheit seiner Locken, die über ihr Gesicht strichen, reizte sie. Avery wünschte, sie könnte ihren beschleunigten Atem, ihr heftig schlagendes Herz und die zunehmende Nachgiebigkeit ihrer Lippen verbergen.

Mit wachsender Leidenschaft stieg auch Averys Angst. Sie verstand das Ganze nicht: Dieser Mann beabsichtigte, sie zu entehren, um damit ihrer Familie Schande zu bereiten. Er beschuldigte und beleidigte ihren Bruder und damit ihren Clan. Er war für sie ein völlig Fremder, der sie als Bezahlung für eine Wette angenommen hatte. Sie dürfte nichts weiter empfinden als Abscheu und Angst. Stattdessen war sie entflammt vom ersten Kuss. Sie wollte das weiche Leder wegreißen, das seine Lenden bedeckte, wollte jeden Zoll seines starken Körpers berühren und küssen, sehnte sich mit solcher Heftigkeit danach, ihn in sich zu spüren, dass ihr Schoß davon schmerzte.

Als er endlich seinen Kopf hob, schloss sie fest die Lider. Ihre Mutter neckte ihren Vater immer damit, wie leicht sie ihm seine Lust an den Augen ablesen könne. Avery hatte die Augen ihres Vaters und fürchtete, Sir Cameron könnte ihre Leidenschaft darin erkennen. Sie fuhr heftig zusammen, als er ihr Kinn mit seiner großen Hand fest umfasste, öffnete aber trotzdem nicht die Augen.

»Schaut mich an, Avery«, forderte Cameron, nicht überrascht von der rauchigen Heiserkeit seiner Stimme.

Das Begehren belebte ihn, und sein Körper pochte vor ungestilltem Hunger, obgleich Avery Murray nichts besaß, das seine Leidenschaft hätte wecken dürfen. Sie war zu dünn, zu unverschämt und zu emotional. Dennoch begehrte er sie mit einer Intensität, die er nie zuvor empfunden hatte. Seine lange Enthaltsamkeit konnte das nicht ausreichend erklären. Avery weckte etwas, das tief in seinem Inneren zu schlummern schien, und er wollte wissen, ob sie etwas Ähnliches spürte. Er wusste bereits, dass ihre Augen ihre Gefühle verrieten, und brannte darauf, ihrem Blick zu begegnen. Die Tatsache, dass sie sie so krampfhaft geschlossen hielt, steigerte seine Entschlossenheit nur.

»Öffnet Eure Augen, Mädchen«, befahl er.

»Ich kann nicht«, entgegnete sie. »Ein Anfall von übermäßigem Ekel hat mir die Sinne geraubt.«

Cameron hätte diese Bemerkung als Beleidigung empfunden, wäre ihre Stimme nicht genauso heiser gewesen wie seine. Sie würde gewiss auch weiterhin widerspenstig sein. Eine kleine List war also erforderlich. Er bewegte sich ein wenig, hob sich nur leicht von ihrem Körper und sah zur Tür.

»Ah, Donald«, sagte er, während er Avery genau beobachtete, »warum hast du das kleine Mädchen wieder hierhergebracht?«

»Gillyanne?«, flüsterte Avery. Im selben Moment, in dem sie die Augen öffnete, wusste sie, dass sie hereingelegt worden war. »Ihr erbärmlicher, hinterlistiger Mistkerl!«, schimpfte sie, während er ihr Kinn festhielt und verhinderte, dass sie sich seinem Blick entzog.

Heiße Siegesfreude durchzuckte ihn, als er sah, wie ihre Augen vor Begehren glühten. Auch Wut konnte er in ihnen erkennen, ohne jedoch zu erraten, ob sie auf ihn oder auf sich selbst wütend war. Vermutlich beides. Verständlicherweise war Leidenschaft das Allerletzte, was die kleine Avery Murray für ihn empfinden wollte. Obwohl er tatsächlich die Tiefe seines Gefühls genoss und sich darauf freute, seinen Hunger ausgiebig zu stillen, war er ein bisschen über sich selbst bestürzt. Solch eine heftige, schnell entflammte Leidenschaft konnte leicht zu Schwierigkeiten führen, die er weder brauchte noch wollte. Er würde deshalb seine Pläne nicht ändern, aber es mochte klug sein, ein wenig Vorsicht walten zu lassen.

»Ja, das bin ich«, pflichtete er ihr heiter bei. »Und ich bin auch der Mann, den Ihr begehrt. Warum gebt Ihr nicht einfach nach, Mädchen?«

Bei dieser Zurschaustellung seiner alles überbietenden Arroganz hätte Avery sich beinahe verschluckt. Natürlich begehrte sie ihn, obwohl ihr dieses Eingeständnis bitter aufstieß. Er war ein außergewöhnlich gut aussehender Mann: groß, kräftig und auch ein bisschen gefährlich. Und es bestand durchaus die Möglichkeit, dass sie, wie ihr Bruder Payton es so ungehobelt ausdrückte, »reif« war. Zudem musste man in Betracht ziehen, dass dieser Mann ziemlich gut küssen und seine Geschicklichkeit darin ein Mädchen um den Verstand bringen konnte. Besonders entrüstet war sie darüber, dass er laut über ihr kopfloses, verräterisches Verlangen sprach und scheinbar annahm, sie würde einfach klein beigeben. Glaubte er wirklich, dass er so unwiderstehlich war und sie so schwach?

»Warum kriecht Ihr nicht einfach in die Höhle zurück, aus der Ihr herausgestolpert seid?«, sagte sie mit zuckersüßer Stimme.

»Und das ist derselbe Mund, der mir eben einen so köstlichen Willkommensgruß geboten hat.«

»Reine Einbildung!«

Cameron rollte sich von ihr herunter, obgleich er sich nur ungern von der sanften Wärme ihres Körpers trennte. Er streckte sich auf dem Rücken aus und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Ein flüchtiges Grinsen umspielte seinen Mund, als er wahrnahm, wie sie möglichst weit von ihm wegrückte. Ihm fiel auf, dass sie trotzdem das Bett nicht verließ.

Als er registrierte, dass er die Umstände bedauerte, unter denen Klein-Avery und er sich kennengelernt hatten, verfluchte er sich selbst. Das waren gefährliche Gedanken. Sie konnten ihn nicht nur dazu bringen, bei der Suche nach Gerechtigkeit und Vergeltung zu zögern, sondern er konnte auch ganz schnell vergessen, warum er sich Enthaltsamkeit geschworen hatte. Die bitteren Lektionen über weibliche Heimtücke durfte er nicht wegen eines spindeldürren Mädchens mit Katzenaugen vergessen. Bald würde er sein lange ertragenes Zölibat beenden, aber er wollte nie wieder der Leidenschaft erlauben, Besitz von ihm zu ergreifen.

Avery legte sich so nahe an die Bettkante, dass sie bei der kleinsten Drehung auf den Boden fallen konnte. Sie hoffte, dass Sir Cameron kein unruhiger Schläfer war, verbarg ihren Blick hinter tief gesenkten Wimpern und schaute den Mann an, der ihr Blut so mühelos in Wallung versetzt hatte.

Der finstere Ausdruck auf seinem Gesicht machte sie nachdenklich. War er beleidigt, weil sie seinem Zauber nicht sofort erlag? Genau genommen hatte sie ihm leider allzu deutlich gezeigt, dass sie sehr leicht zu verführen war. Er müsste eigentlich selbstgefällig aussehen. Die meisten Männer wären zufrieden, eine so einfache Eroberung vor Augen zu haben. Stattdessen wirkte er, als hätte er gerade in einen sauren Apfel gebissen.

Ihre Augen weiteten sich leicht, als es ihr in den Sinn schoss, dass er die plötzliche Leidenschaft zwischen ihnen vielleicht ebenso beunruhigend fand wie sie selbst. Sie war beunruhigt, und sei es nur wegen der Art und Weise, wie er ihre Leidenschaft gegen sie verwenden wollte. Diese Lust war stark, überwältigend und daher sehr schwer zu bekämpfen. Bedeutete das für sie schon eine mögliche Niederlage? Für ihn könnte es ebenfalls eine Niederlage sein, wenn auch in anderer Hinsicht: Gewiss wäre es nicht einfach, alle Sinne weiter auf seine Vergeltungspläne zu richten, wenn das Verlangen zu heftig wurde.

Einen kurzen Moment überlegte sie, seine heftige Leidenschaft gegen ihn einzusetzen und so den Spieß umzudrehen. Doch dann befahl sie sich, nicht so verdammt einfältig zu sein. Ein solches Spiel erforderte Geschicklichkeit und Erfahrung – beides besaß sie nicht. Obwohl sie sehr wohl wusste, was zwischen Männern und Frauen vorging, und ein paar Tatsachen von ihren Brüdern und Cousins erfahren hatte, hatte sie vor diesem finsteren Laird noch nie einen Mann geküsst. Ihre ganze Erfahrung bestand aus ein paar Übungsküssen mit ihren Cousins, und keiner von ihnen hatte in ihrem Unterleib Feuer entfacht. Avery seufzte und versuchte, es sich bequem zu machen, während sie sich befahl, weiterhin kräftigen Widerstand zu leisten.

»Wenn Ihr nicht wünscht, jetzt zu schlafen, können wir jederzeit zu unserem vorherigen Spiel zurückkehren«, warf Cameron gedehnt ein.

»Das glaube ich nicht, Dummkopf«, schnappte sie zurück. »Ich habe einen schwachen Magen.« »Ihr solltet Euren Gegner eingehender studieren, bevor Ihr Eure Krallen schärft.«

»Ist das eine Drohung?«

»Könnte sein.«

»Oh je, ich zittere schon am ganzen Leib.«

»Reizt mich nicht zu sehr, Mädchen.«

»Oder was? Wollt Ihr mir wehtun?« Über die Schulter warf sie ihm einen schnellen Blick zu und freute sich über den flüchtigen Ausdruck von Betroffenheit auf seinem Gesicht. »Ihr habt mich angekettet, meinen Clan beleidigt und hegt die Absicht, mich zu entehren – das alles wegen einer völlig unangebrachten Beschuldigung gegenüber meinem Bruder. Verzeiht, wenn weitere Drohungen ihre Wirkung verfehlen.«

Cameron starrte auf ihren geraden, schmalen Rücken. Es gab in der Tat nichts, was er dieser harten Wahrheit entgegenhalten konnte, also schwieg er. Als er die Augen schloss, kam er zu der Überzeugung, dass er sich eine neue Taktik ausdenken musste, um diese Frau einzuschüchtern. Als Erstes wollte er morgen früh eingehend über wirkungsvollere Drohungen nachdenken.

Kapitel 3

»Avery!« Gillyannes Ruf lenkte Averys Aufmerksamkeit von Camerons breitem Rücken ab, den sie finster angestarrt hatte, während er sich von ihr entfernte. Obwohl sie froh war, ihre kleine Cousine so gesund und furchtlos zu sehen, dämpfte das ihren Zorn nur wenig. Zwei Tage lang war sie an das Bett gekettet gewesen, und jetzt hatte er sie mit den Handgelenken an seinen Sattel gefesselt. Wenn er sie weiterhin so behandelte, würde es ihr nach der Ankunft in Schottland vermutlich wenig ausmachen, wenn ihr Clan nach Cairnmoor stürmte und auch noch den letzten MacAlpin niedermetzelte. Mit Vergnügen würde sie sie dabei anfeuern.

»Geht es dir gut, Gillyanne?«, fragte sie, befriedigt über den bösen Blick, mit dem Gillyanne erst ihre Fesseln und dann Cameron musterte. Auch wenn ihre Cousine zu jung war, um ihr zu helfen, war es doch schön, jemanden auf seiner Seite zu wissen.

»Ja«, erwiderte Gillyanne. »Die Frauen verhätscheln mich, obwohl sie mir bis jetzt nicht erlauben wollen, zu dir zu gehen.

Ich glaube, sie würden fast alles für mich tun, außer gegen Sir Camerons Befehle verstoßen. Ebenso die Männer. Sie sagen es mir nicht so direkt, aber ich habe ihr Gemurmel belauscht, und das hat mir verraten, dass nicht alle Leute dem Plan des Laird zustimmen. Trotzdem sind sie alle darauf versessen, Payton leiden zu sehen.«

»Er ist unschuldig.«

»Das musst du mir nicht sagen. Ich weiß es. Er gehört zu den wenigen Cousins und Brüdern, die uns nicht einmal den Po versohlen, wenn wir sie bis zur Weißglut treiben. Ein Mann, der sich selbst dann zurückhält, wenn jemand seine edlen Stiefel mit Schweinemist gefüllt hat, kann keiner Frau wehtun.«

Avery schmunzelte. »Du warst das also?«

»Ja, seine Neckereien haben mich an jenem Tag so geärgert.« Zusammen mit Avery lachte sie kurz auf, bevor sie den Strick um Averys schlanke Handgelenke anstarrte. »Wie geht es dir?«

»Soweit ganz gut. Das da macht mich wütend«, Avery nickte zu den Fesseln, »aber siehst du, wie er darunter Seide um meine Gelenke gewickelt hat? Trotz böser Blicke und Flüche zeigt das, dass er mir nicht wirklich wehtun will.«

»Er hat vor, dich zu verführen und dich in Schande zu bringen!«

»Ja, so ist es. Er hat es bisher aber noch nicht geschafft, falls du dir darüber Sorgen machst.«

»Dann bin ich ja beruhigt. Du musst jetzt einfach durchhalten, bis unsere Familie uns retten kann.«

Als ob das so einfach wäre, dachte Avery und seufzte. Cameron nutzte jede Gelegenheit, um sie zu berühren, ihre Sinne zu reizen, sie mit heißen Worten zu entflammen und ihr Küsse zu stehlen. Dass sie kaum die Willenskraft aufbrachte, diese Küsse abzuwehren, ängstigte sie mehr, als sie sagen konnte. Im Augenblick gab ihr nur ihre Wut über das ständige Gefesseltsein die Stärke, ihn von sich zu stoßen. Wenn Cameron aufhörte, sie festzubinden, könnte ihre Wut nachlassen und damit auch ihr Widerstand gegen seine Verführungskünste.

»Ich werde dir die Wahrheit sagen. Cousine, ich bin mir nicht sicher, ob ich so lange dagegen ankämpfen kann.« Sie lächelte traurig über Gillyannes entsetztes Gesicht.

Gillyanne räusperte sich. »Er sieht sehr gut aus.«

»Oh ja, sehr gut, obwohl er so finster ist wie die Sünde. Und zur Sünde verführt er mich.«

»Du bist fast neunzehn. Du musst schon anderen Versuchungen standgehalten haben.« »Leider nicht.« – »Liebst du ihn?« – »Gillyanne, dieser Mann hat mich ans Bett gekettet, an sein Pferd gefesselt und will mich benutzen, um meiner Familie eine schwere Schmach zuzufügen und den armen Payton zu einer Heirat zu zwingen. Ich wäre eine Närrin, wenn ich ihn lieben würde.«

»Nicht ganz. Er irrt sich zwar, aber er handelt genauso wie viele andere in seiner Situation. Und es ist klar, dass er keine Gewalt gegen dich anwenden wird. Wenn du ihn also nicht liebst, dann begehrst du ihn.«

»Es scheint so.« Avery wiederholte Gillyannes Seufzen.

Die Kleine klopfte Avery auf die Schulter. »Du kannst nur dein Bestes geben. Ich verurteile dich nicht, wenn du schwach wirst. Bedenkt man, wie oft unsere Brüder und Cousins schwach werden, müssten sie eine kräftige Tracht Prügel bekommen, wenn sie dich verurteilen würden.« Die Mädchen tauschten ein kurzes Schmunzeln, dann wurde Gillyanne wieder ernst. »Ich finde, du solltest so heftig dagegen ankämpfen, wie du nur kannst. Aber quäle dich nicht, wenn du den Kampf verlierst. Vielleicht findest du sogar eine Möglichkeit, ihn von seinen Racheplänen abzubringen, wegen denen er dich verführen will. Und wir wissen beide: Eines Tages wird er merken, dass seine Schwester ihn angelogen hat.«

»Ja, und dann wird er den Wunsch haben, alles in eine ehrenhafte Sache zu verwandeln«, knurrte Avery.

»Na ja, wenn du bis dahin nicht nur Leidenschaft, sondern auch Liebe spürst, ist das vielleicht gar nicht so verkehrt.«

»Das hängt davon ab, was er empfindet. Aha, der Grobian kehrt zurück.«

Cameron fing die finsteren Blicke der Murray-Mädchen auf und musste fast grinsen. Sie hatten mehr Mut als mancher Mann, den er kannte. Wenn sie so groß und stark wie Männer wären, würde er sich in ernsthaften Schwierigkeiten befinden. Beide schienen versessen darauf, ihn zu verletzen.

»Geht zu den Frauen zurück«, befahl er Gillyanne. Sie stieß beim Weggehen ein paar sehr lebhafte Flüche aus, und er musste sich das Lachen verbeißen. »Wenn dieses Mädchen einmal groß ist, wird sie irgendeinem Mann eine Menge Ärger bereiten.«

»Gut so«, sagte Avery. »Sie ist ein wertvoller Preis, und einen solchen sollte man niemals zu einfach erlangen.«

»So einfach, wie ich Euch erlangt habe?«

»Stimmt, ich wurde Euch zu Füßen geworfen. Ihr habt die Waffe gegen meine Familie tatsächlich sehr leicht in die Hände bekommen. Wie auch immer, Ihr werdet lange und schwer kämpfen müssen, um sie zu handhaben.«

»Werde ich das?«

Er trat näher und drängte sie gegen sein Pferd. Ihre Nähe reichte aus, um sein Blut in Wallung zu bringen. Wenn er das feurige Aufflackern in ihren Augen richtig deutete, genügte es auch, um sie zu entflammen. Er hoffte sehr, dass er sich darin nicht irrte.

Der letzte Verrat einer Frau hatte ihn dazu gebracht, sich von dem Spiel namens Liebe zurückzuziehen. Seitdem war er unsicher, ob er Frauen überhaupt richtig einschätzen konnte. Früher hatte er in seiner Überheblichkeit geglaubt, er könne im Herzen einer Frau lesen. Er war sich sicher gewesen, dass nur er allein ihr Begehren wecken konnte. Aber immer und immer wieder hatte er nicht etwa Liebe, sondern Treulosigkeit und Verrat erfahren. So lange, bis es ihn nicht mehr entsetzte oder überraschte, so lange, bis er allen Frauen den Rücken kehrte. Seine Unsicherheit wurde jetzt dadurch verstärkt, dass Avery Murray keiner Frau glich, die er kannte. Bedeutete diese Glut in ihren Augen Leidenschaft? Oder flackerte in ihnen bloß das Bedürfnis, ihn wie ein Schwein abzustechen? Bei Avery, vermutete er, konnte es durchaus beides gleichzeitig sein.

»Ja, mein Schuft mit dem hübschen Gesicht, Ihr werdet!«, fuhr sie ihn an, außer sich vor Wut, weil er sah, wie sie schwach wurde, weil ihr Körper so gedankenlos auf seinen reagierte.

»Und doch fühlt Ihr Euch genötigt, mich mit süßen Schmeicheleien zu peinigen.«

Avery war hin- und hergerissen zwischen dem Bedürfnis, zu lachen, und ihm ihr Knie in die Leisten zu stoßen. Der Lachreiz beunruhigte sie fast so sehr wie ihre verirrte Leidenschaft. Humor, feinsinnig oder lautstark, scharfzüngig oder liebenswürdig, fand immer Anklang bei ihr. Sie wollte keine weiteren Vorzüge an diesem Mann entdecken. Doch bevor sie ihren Ärger über sich selbst gegen ihn wenden und ihm ordentlich ihre Meinung sagen konnte, warf er sie in den Sattel und stieg elegant hinter ihr auf.

Kaum hatte Cameron sein Pferd in Bewegung gesetzt, da wurde Avery bewusst, wie qualvoll diese Reise werden würde. Sein großer, kräftiger Körper presste sich fest gegen ihren Rücken. Wie eine Geliebte war sie zwischen seine Oberschenkel gebettet. Seine Arme umfingen sie, als er die Zügel ergriff. Es war wie eine Umarmung, und zwar eine, die sie jeden Tag stundenlang aushalten musste. Jede Bewegung des Pferdes bewirkte, dass sich ihre Körper aneinander rieben. Sie waren eben erst aus dem Burgtor der DeVeau geritten, als sie schon an den mächtigen Auswirkungen seiner Nähe litt.

Sie versuchte, sich ihm zu entziehen. Er zog sie zurück und hielt sie unerbittlich fest. Sie versuchte, sich starr zu machen, unnachgiebig, aber dadurch wurde das Reiten nicht nur unbequem, sondern auch gefährlich, denn wenn sie nicht sicher saß, konnte sie ihn und sich leicht zu Boden werfen. Die Vorstellung, wie Cameron schwerfällig vom Pferd fiel und im Schlamm lag, war zwar angenehm, aber sie würde sich selbst damit in Gefahr bringen. Der Strick um ihre Handgelenke war am Sattel festgebunden. Fiel er, konnte sie ihm allzu leicht nachstürzen und von einem in Panik geratenen Pferd über den Boden geschleift werden. Dies würde bestimmt ihre Begeisterung über Camerons Demütigung dämpfen, dachte sie bei sich und müsste über ihre fantasiereichen Grübeleien lächeln.

»Ich freue mich, Euch in besserer Stimmung zu finden«, bemerkte Cameron, der einen flüchtigen Blick auf ihr Gesicht erhaschte.

»Ja, ich habe mir gerade vorgestellt, wie herrlich Ihr aussehen würdet – mit dem Gesicht im Schlamm«, antwortete sie mit süßer Stimme.

Schnell verwandelte er sein leises Lachen in ein Husten. Diese verwegene Frau brauchte keine Ermutigungen. Trotz der Weichheit ihres Körpers waren diese grazilen Rückenwirbel aus fein geschliffenem Stahl geformt. Selbst wenn er in Bezug auf das in ihr geweckte Begehren recht hatte, hatte sie wiederum recht in Bezug auf den langen, schweren Kampf, der ihm bevorstand, bis er den Gewinn davontragen würde. Sie würde vermutlich selbst dann noch wegzukrabbeln versuchen, wenn sie brennend vor Verlangen vor ihm in die Knie ging.

»Wenn ich falle, fallt Ihr mit mir«, sagte er und war sich nicht ganz sicher, ob er damit ausschließlich einen Sturz vom Pferd meinte.

»Ich weiß. Deswegen werde ich nicht versuchen, Euch aus dem Sattel zu stoßen.«

»Welch bewundernswerte Zurückhaltung.«

»Das finde ich auch. Ihr achtet darauf, dass niemand Euch in den Rücken fällt, nicht wahr?«

»Ja, und das, obwohl Ihr unbewaffnet seid und vor mir sitzt.«

»Und achtet Ihr auch auf DeVeau? Es würde mich nicht überraschen, wenn dieser mörderische Esel versucht, den Sold, den er Euch ausgezahlt hat, wieder zurückzubekommen. Oder wenn er verhindern möchte, dass Ihr über alles sprecht, was Ihr in seiner Burg gesehen oder getan habt.«

»Aha, jetzt seid Ihr besorgt um meine Sicherheit?«

»Diese Eitelkeit! Meine kleine Cousine reitet mit uns. Ich würde es begrüßen, wenn sie unversehrt in Schottland ankommt. Und«, fügte sie mit harter Stimme hinzu, »wenn Euch jemand abschlachtet, dann möchte ich das übernehmen.« »Ihr seid eine harte Frau, Avery Murray.« Er ließ einen übertriebenen Seufzer vernehmen, dann fragte er unvermittelt: »Warum hasst Ihr die DeVeau so?«

»Diese Mörderschweine haben beim Überfall gegen die Lucette wahrscheinlich einen Großteil meiner Verwandten umgebracht.«

»Vielleicht, aber ich glaube, Euer Hass gegen sie ist älter und stammt aus einer Zeit vor diesem Überfall.«

Einen Augenblick lang erwog Avery, ihm zu sagen, das ginge ihn nichts an. Aber die lange Fehde zwischen den DeVeau und den Lucette war kein streng gehütetes Geheimnis. Es war bekannt, welche Probleme die DeVeau ihrer Familie in der Vergangenheit bereitet hatten. Wenn sie ihm die Geschichte erzählte, konnte sie vielleicht sogar dafür sorgen, dass nie wieder ein MacAlpin an der Seite der DeVeau kämpfen würde – egal, wie dick der angebotene Geldbeutel auch war. Sie war froh, dass Cameron und seine Männer bei dem jüngsten Verbrechen nicht beteiligt gewesen waren.

»Es hat mit meiner Mutter angefangen«, antwortete sie, »auch wenn die DeVeau meine Verwandten schon vorher nicht in Ruhe ließen. Sie waren schon immer hinter den Schwächeren her, hinter denen, die weniger Macht und Geld hatten. Um des Friedens und des Geldes willen wurde meine Mutter zu einer Ehe mit Lord Michael DeVeau gezwungen – trotz all der bösen Dinge, die man sich von ihm erzählte. Aber diese finsteren Erzählungen entsprachen der Wahrheit. Er war ein Scheusal, brutal und treulos. Eines Nachts fand ihn meine Mutter verstümmelt und mit durchschnittener Kehle. Sie rannte weg.«

»Warum? Hat sie ihn ermordet?«

Avery hörte seiner Stimme keine Spur von Verachtung an. Obwohl sie nicht alle Gräuel der ersten Ehe ihrer Mutter geschildert hatte, reichte das Wenige offensichtlich aus, dass er die Situation verstand. Also hatte auch Cameron einige Kenntnis davon, wie die DeVeau-Männer waren.