Der Zinker - Edgar Wallace - E-Book

Der Zinker E-Book

Edgar Wallace

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Beschreibung

Seit Jahren treibt der „Zinker“ in der Londoner Unterwelt sein Unwesen. Immer wenn dort gestohlene Ware verhehlert werden soll, meldet er sich, um diese zu Tiefstpreisen an sich zu reißen. Falls die Diebe auf sein Angebot nicht eingehen, „verzinkt“ (verrät) er diese bei Scotland Yard ...

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Edgar Wallace

Der Zinker

idb

ISBN 9783963751011

Edgar Wallace

Der Zinker

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 1

Es war eine stürmische Nacht. Der Wind peitschte Regen und Schnee durch die Straßen. Kein vernünftiger Mensch trieb sich bei diesem Wetter auf Putney Common herum. Der eisige Wind drang durch Mantel, Kleider, Handschuhe. Die paar Straßenlaternen gaben in dieser stockdunklen Nacht so wenig Licht, daß Larry Graeme seine Taschenlampe zu Hilfe nehmen mußte, wenn er eine Straße überqueren und nicht über den Rinnstein stolpern wollte.

Er schaute auf das Leuchtzifferblatt seiner Armbanduhr. Es fehlten nur noch einige Minuten bis halb, und der ›Große Unbekannte‹ war pünktlich auf die Minute – niederträchtig, gemein war er, aber pünktlich! Larry hatte schon früher Geschäfte mit ihm gemacht, sich allerdings jedesmal geschworen, es nie wieder zu tun. Der Kerl drückte die Preise, aber er hatte stets Geld, und wenn man an ihn verkaufte, war das Risiko gleich Null. Larry hatte sich vorgenommen, sich diesmal nicht kleinkriegen zu lassen. Die van-Rissik-Diamanten hatten ihren bekannten Wert.

Alle Zeitungen waren voll von dem kühnen Raub gewesen, die Versicherung hatte den genauen Wert der einzelnen Schmuckstücke bekanntgegeben, und es bestand nicht der geringste Zweifel darüber, wieviel die Steine auf dem freien Markt einbringen würden.

Larry hatte die übliche verschlüsselte Zeitungsannonce aufgegeben:

»In der Gegend von Putney Common (in Richtung Wimbledon) wurde am Donnerstag, abends um 10:30, eine kleine, gelbe Handtasche verloren. Inhalt fünf Briefe, die nur für den Eigentümer von Wert sind…«

Die ›gelbe Handtasche‹ kündigte dem ›Großen Unbekannten‹ an, daß ihm Juwelen angeboten wurden, eine ›braune Handtasche‹ würde Pelzwaren, eine ›weiße‹ Banknoten bedeutet haben. Die ›fünf Briefe‹ zeigten an, daß sich der Wert der Ware in einer fünfstelligen Zahl bewegte.

Und jetzt war Donnerstagabend halb elf. Larry wartete in der Richmond Street. Der Wind trug die Schläge der Kirchturmuhr herüber.

»Pünktlich auf die Minute«, murmelte Larry.

Er sah weit vorn in der Straße zwei schwache Lichter auftauchen, die heller und heller wurden. Plötzlich blendeten die Scheinwerfer auf, und Larry stand im grellen Lichtkegel.

Das Auto fuhr langsamer und hielt direkt neben ihm. Der Regen prasselte auf das Wagendach.

Aus dem Innern erklang eine raue Stimme:

»Nun?«

»Guten Abend.«

Larry strengte sich an, etwas von dem Gesicht im Dunkeln zu erkennen. Aber er war sich im klaren darüber, daß ihm selbst seine Taschenlampe wenig nützen würde, da der ›Große Unbekannte‹ bestimmt eine Maske trug.

Doch dann fiel sein Blick auf die Hand, die auf dem heruntergelassenen Fenster des Wagenschlags lag. Er bemerkte, daß der Nagel des Mittelfingers gespalten war und quer über das erste Gelenk eine doppelte weiße Narbe lief. Die Hand wurde schnell zurückgezogen.

»Also?«

»Ich möchte etwas verkaufen – gute Gelegenheit. Haben Sie die Zeitungen gelesen?«

»Handelt es sich um die van-Rissik-Sache?«

»Wie Sie sagen. Wert zweiunddreißigtausend Pfund – macht hundertzweiunddreißigtausend Dollar, alles leicht zu verkaufen. Madame Rissik hat ihr Geld in Steinen angelegt – keine französische Ware, die blendend aussieht, aber keinen Wert hat! Ich will mindestens fünftausend…«

»Zwölfhundert«, erklärte die Stimme im Wagen. »Dabei bezahle ich Ihnen schon zweihundert mehr, als ich ursprünglich beabsichtigte.«

Larry atmete schwer.

»Mein Angebot ist einmalig…«

»Haben Sie die Sachen hier?«

»Nein, ich habe sie nicht hier«, stieß Larry hastig hervor, und der andere wußte, daß er log. »Ich werde sie erst bringen, wenn Sie vernünftig mit sich reden lassen. Ein Juwelier in Maida Vale hat mir schon dreitausend geboten und wird wahrscheinlich noch höher gehen. Aber ich würde die Sachen lieber Ihnen verkaufen – das Risiko ist kleiner. Sie verstehen, was ich meine?«

»Ich gebe Ihnen fünfzehnhundert. Das ist mein letztes Wort. Ich habe das Geld hier. Sie würden also gut daran tun, anzunehmen.«

Larry schüttelte den Kopf.

»Ich halte Sie nur auf«, sagte er höflich.

»Sie wollen also nicht verkaufen?«

»Wir vergeuden beide nur unsere Zeit –«, begann Larry von neuem, aber bevor er weitersprechen konnte, schoß der Wagen davon und das rote Schlußlicht verschwand in der stürmischen Nacht. Das Nummernschild hatte er nicht sehen können.

Er ging zu seinem kleinen Auto, das er in einer geschützten Ecke des Platzes abgestellt hatte, und zündete sich eine Zigarette an.

»Shylock dreht sich heute nacht im Grabe um!« murmelte er vor sich hin.

Kapitel 2

Kaum eine Woche später trat Larry Graeme aus dem Fiesole-Restaurant in der Oxford Street. Niemand hätte ihn für etwas anderes als einen smarten Geschäftsmann in mittleren Jahren gehalten, der gern gut aß und die Annehmlichkeiten des Lebens liebte. Die Nelke im Knopfloch wippte, und er war in bester Stimmung. Er hatte auch allen Grund, zufrieden zu sein – die Juwelen der Mrs. van Rissik waren gut verkauft, und niemand im weiten Umkreis Londons wußte etwas von seiner Tat, denn er arbeitete allein.

Als er auf dem Trottoir stand und auf ein Auto wartete, trat ein großer, stämmiger Mann hinter ihn und nahm ihn liebenswürdig am Arm.

»Hallo, Larry!«

Die lange, graue Asche an Larrys Zigarre fiel zu Boden – dies war aber auch das einzige Zeichen seiner plötzlichen Verwirrung.

»Hallo, Inspektor!« rief er mit dem gewinnendsten Lächeln. »Freue mich, daß ich Sie wieder mal treffe!«

Es klang ganz natürlich und überzeugend. Larry hatte, kaum den Kopf bewegend, blitzschnell nach beiden Seiten geblickt und in nächster Nähe drei andere Herren erkannt, die den gleichen Beruf wie Polizeiinspektor Elford ausübten. Er nahm deshalb sein Schicksal mit stoischer Ruhe hin und stieg mit den Detektiven ins Auto. Unterwegs rauchte und plauderte er gelassen, bis der Wagen die enge Einfahrt von Scotland Yard passierte und vor der Cannon Row Polizeistation hielt.

Die Verhandlungen und Feststellungen dauerten nicht lange. Auf Larry Graemes Gesicht lag ein melancholisches Lächeln. Schweigend hörte er zu, als ihm die Anklage vorgelesen wurde.

»Ich wohne in Claybury Mansions Nummer 98«, sagte er dann. »Es wäre sehr liebenswürdig, wenn Sie mir von dort einen andern Anzug besorgen könnten – ich möchte nicht gern wie ein Oberkellner vor dem Untersuchungsrichter erscheinen. Und, Inspektor Elford, wäre es möglich, daß ich mal Barrabal sprechen kann? Habe viel von ihm gehört, er soll sehr scharf sein, und da ist jemand, dem ich es besorgen möchte!«

Elford bezweifelte, ob Barrabal sich dazu bereit finden würde, versprach jedoch, den Wunsch weiterzuleiten. Als sich die Zellentür hinter Larry geschlossen hatte, ging er hinüber ins Zentralgebäude und suchte Chefinspektor Barrabal auf, der, eine Pfeife im Mund, vor seinem Schreibtisch saß. Er beschäftigte sich gerade mit einigen Schriftstücken, die er von der Geheimregistratur angefordert hatte.

»Wir haben Graeme festgenommen, Mr. Barrabal«, sagte Elford. »Er möchte Sie gern sprechen – ich sagte ihm schon, daß wenig Aussicht bestehe. Aber Sie wissen ja, wie diese Leute sind!«

Der Chefinspektor lehnte sich auf dem Stuhl zurück und runzelte die Stirn.

»Wie, er hat nach mir gefragt? Schade –« meinte er halb vorwurfsvoll, »wie kommt er darauf?«

Barrabal, durch den schon mancher Missetäter unerwartet vor Gericht gestellt worden war, erschien selbst nie auf der Zeugenbank und blieb deshalb ziemlich unbekannt. Selbst Zeitungsreportern bedeutete er nicht mehr als ein Name. Seit acht Jahren saß er in seinem Büro im dritten Stock zwischen Stößen von Akten. Er prüfte und verglich die verschiedenartigsten Beweisstücke, beschäftigte sich mit kleinsten Details und entlegensten Hinweisen. Auf diese Weise hatte er schon viele gerissene Täter überführt.

»Was soll ich ihm sagen?« erkundigte sich Elford.

»Ich komme gleich mit.«

Barrabal folgte dem Inspektor, um den mißmutigen Larry Graeme zu besuchen, der in seinem eleganten Gesellschaftsanzug mit der welken Nelke im Knopfloch eine etwas sonderbare Figur machte.

Larry, der schon viele Polizeibeamte in England und in Amerika kennengelernt hatte, begrüßte ihn mit gezwungenem Lächeln.

»Ich freue mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Herr Chefinspektor. Sie haben mich geschnappt. Mein Fall wird Ihnen keine große Mühe bereiten. In meinem Koffer im Shelton-Hotel finden Sie genug, um mich ein paarmal zu überführen. Zu große Vertrauensseligkeit ist immer meine Schwäche gewesen.«

Barrabal erwiderte nichts, sondern wartete auf die Frage, die unweigerlich kommen mußte.

»Wer hat mich angezeigt, Chefinspektor? Ich möchte nur dies eine erfahren, bevor ich im Gefängnis verschwinde. Ich muß wissen, wer der ›Zinker‹ ist, der mich verpfiffen hat!«

Barrabal sagte noch immer nichts.

»Es gibt nur drei Leute, die es gewesen sein könnten.« Larry zählte sie an den Fingern auf. »Ich möchte keine Namen nennen, aber da ist erstens der Mann, der die Sachen gekauft hat – der hält dicht. Nummer zwei ist zwar schlecht auf mich zu sprechen, treibt sich aber jetzt irgendwo in Frankreich herum und kommt gleichfalls nicht in Frage. Bleibt also als dritter nur der Kerl mit dem gespaltenen Nagel, der mir fünfzehnhundert für die Sache geboten hat, die doch mindestens zwölftausend wert ist – freilich habe ich nicht damit gerechnet, daß der mich kennt!«

»Nun gut, wenn Sie schon so behandelt worden sind, dann verzinken Sie doch selbst! Wer ist der Kerl mit dem gespaltenen Nagel?«

Larry grinste.

»Sollen solche Kreaturen verzinken, wenn es ihnen Spaß macht – ich jedenfalls bin mir zu gut dazu. Was ich fragen wollte, Chefinspektor – es hat wohl noch nie einen Polizeibeamten gegeben, der einen Zinker preisgegeben hätte?«

Barrabal nickte kaum merklich.

»Sie glauben also, daß einer der drei Hehler Sie angezeigt hat? Sagen Sie mir die drei Namen, ich gebe Ihnen mein Wort, daß ich Ihnen den richtigen bestätige, wenn Sie ihn nennen.«

Larry sah ihn spöttisch an.

»Ich kann ja nicht drei verraten, wenn es nur um einen geht. Niemand weiß das besser als Sie! Außerdem sagte ich Ihnen bereits, daß nur der dritte in Frage käme.«

Der Chefinspektor strich über seinen kleinen schwarzen Schnurrbart.

»Ich habe Ihnen eine Chance gegeben. Vielleicht besuche ich Sie morgen noch mal, bevor Sie ins Untersuchungsgefängnis gebracht werden. Sie würden nur gut daran tun, wenn Sie mir im Vertrauen die Namen angeben würden.«

»Ich will erst die Nacht darüber schlafen«, antwortete Larry.

Barrabal ging in sein Büro zurück, schloß den Stahlschrank auf und nahm eine Kassette heraus, die zahlreiche maschinengeschriebene Papierstreifen enthielt. Ganz offensichtlich waren alle mit der gleichen Maschine geschrieben worden. Manchmal standen nur ein paar Zeilen darauf, zuweilen auch lange Berichte. Jeder dieser Zettel war eine anonyme Anzeige. Irgendwo in London gab es einen Mann, der die Hehlerei in ganz großem Maßstab betrieb und in jedem Distrikt der Stadt Agenten haben mußte. Bei jeder schmutzigen Sache hatte er die Hand im Spiel, und diese vielen kleinen Zettel waren die Rache dafür, daß die Diebe ihre Beute nicht ihm, sondern anderen verkauft hatten.

Er nahm das oberste Papier auf.

»Larry Graeme hat die Juwelen der Mrs. van Rissik geraubt. Als Aushilfsdiener verschaffte er sich bei einem großen Empfang Eintritt in ihr Haus. Die Steine verkaufte er an Moropolos, einen griechischen Juwelier in Brüssel. Nur die eine Diamanten-Sternbrosche, die in Graemes Koffer im Shelton Hotel liegt, wollte Moropolos nicht kaufen, weil sie aus rötlichen Diamanten besteht; er fürchtete, daß sie zu leicht erkannt werden könnte.

P.S. Die Sternbrosche befindet sich im Geheimfach des Koffers.«

Keine Unterschrift. Das gleiche Papier wie bei allen andern anonymen Anzeigen, die man bisher in Scotland Yard erhalten hatte.

Der Chefinspektor schaute mit halbgeschlossenen Augen auf das Blatt und strich dabei wieder mechanisch über seinen Schnurrbart.

»Zinker, ich werde dich noch erwischen!« sagte er halblaut zu sich selbst.

Kapitel 3

Zwei Jahre und sechs Monate waren vergangen, seit Larry Graeme, erstaunt darüber, nicht mehr als drei Jahre Zuchthaus erhalten zu haben, sich fast dankbar vor dem Richter verneigt hatte.

Die Blätter im Park färbten sich herbstlich.

Zwei Menschen spazierten auf dem gepflegten Weg, der die breite Straße zwischen Marble Arch und Hyde Park Corner säumt. Die Sonne strahlte, doch von Osten blies ein scharfer Wind, und eine Kälte lag in der Luft, die den kommenden Winter ankündigte.

Captain Leslie war etwas über vierzig und von kräftiger Gestalt. Auf den ersten Blick wirkte sein jugendlich frisches Gesicht bedeutend jünger, und erst bei genauerem Hinsehen wurde dieser Eindruck durch das Grau, das sich in sein schwarzes Haar mischte, wieder korrigiert.

»Man muß sehen, wie man durchkommt«, sagte er gerade. »Gute Stellen sind nicht mehr so leicht zu haben wie vor dem Krieg, und außerdem ist es ja wirklich kein schlechter Posten.«

»Trotzdem, es ist nicht das Richtige für Sie, Captain Leslie«, widersprach Beryl Stedman zögernd. »Aber noch etwas anderes kann ich nicht verstehen. Ich möchte Sie natürlich nicht beleidigen, wenn ich es Ihnen sage –.«

»Ich bin nicht so leicht beleidigt. Nur los!«

»Frank erzählt, daß Sie im Geschäft wenig beliebt sind, und das kann ich nicht verstehen – aber bitte, sagen Sie ihm nicht, daß ich mit Ihnen darüber gesprochen habe.«

»Ja, es stimmt schon, ich bin wenig beliebt – verflucht wenig. In gewisser Beziehung bin ich das genaue Gegenstück zu Ihrem Verlobten, Miss Stedman. Frank Sutton hat es heraus, sich die Verehrung seines Personals zu sichern. Es macht mir immer Spaß, zu sehen, wie ihn seine Leute begrüßen. Man könnte sagen, daß sie vor ihm auf den Knien liegen, wenn er morgens ins Geschäft kommt…«

»Das ist nicht nett von Ihnen!« rief sie tadelnd.

»Ich habe nicht die Absicht, unliebenswürdig zu sein. Es ist nur amüsant – nein, lehrreich ist ein besserer Ausdruck. Wenn Frank Sutton seine Leute bitten würde, für ihn eine ganze Woche lang die Nächte durchzuarbeiten, glaube ich bestimmt, daß sie es noch als große Gnade ansehen würden! Behalte ich sie aber fünf Minuten über Geschäftsschluß da, gibt es Aufruhr und Revolution!« Er lachte leise. »Nur einer von den Angestellten scheint mich einigermaßen zu mögen – ein gewisser Tillman. Allerdings ist er auch erst seit vierzehn Tagen im Büro, und ich bin auch nicht sicher, ob das Interesse, das er an mir nimmt, so ganz ohne Hintergedanken ist. Sonst ist da nur noch…« Er schwieg.

»Nun, wer bewundert Sie denn sonst noch?« fragte sie ironisch.

»Ich weiß nicht – Suttons Sekretärin ist ganz nett zu mir. Das heißt, sie kommt mir wenigstens freundlich entgegen. Vielleicht ist sie auch schon so lange in Frank Suttons Diensten, daß ihr seine ewige Güte und Freundlichkeit langweilig geworden sind!«

»Jetzt werden Sie aber wirklich schrecklich!«

»Ich weiß.«

Als John Leslie Beryl Stedman zum erstenmal sah, empfand er das glückliche Gefühl der Erleichterung und Erlösung, endlich gefunden zu haben, wonach er sich schon immer gesehnt hatte. Sie war sehr hübsch. Als Leslie erfuhr, daß sie die Braut seines Chefs war und bald heiraten würde, war seine Bestürzung groß.

Frank Sutton, ein stattlicher Mann in den besten Jahren, besaß eine unbeugsame Energie und stand im Rufe, ein unermüdlicher Arbeiter zu sein. Trotz seiner vielen Erfolge blieb er persönlich immer liebenswürdig. In seinen Büros in Calford Chambers wurde fleißig gearbeitet. Er leitete eine Exportfirma und verschmähte keinen Auftrag, wenn er auch noch so klein war.

Erfolgreiche Leute mit unbeugsamer Energie sind selten bei ihren Angestellten beliebt. Frank Sutton dagegen wurde von seinen Leuten vergöttert. Sein wohlwollendes Lächeln, mit dem er sie bei Erfolgen aufmunterte und bei Mißerfolgen tröstete, gewann ihm alle Herzen. Wenn er durch die Räume ging, übertrug sich etwas von seiner Tatkraft auf das Personal, und wenn er jemandem die Hand gab, war es für den Betreffenden ein zusätzlicher Ansporn.

»Ich wünschte, er wäre nicht ganz so vollkommen.« Beryl Stedman seufzte. »Kennen Sie übrigens einen Mann namens Barrabal, einen höheren Polizeioffizier von Scotland Yard?« fragte sie unvermittelt.

»Nicht persönlich, niemand kennt ihn genau, aber ich habe viel von ihm gehört. Neulich wurde sein Name in der Zeitung erwähnt. Warum fragen Sie?«

»Frank sprach gestern abend von ihm. Er fragte Mr. Friedman, ob er ihn kenne. Frank ist nämlich der Meinung…« Sie zögerte. Wieder schien sie zu befürchten, einen Vertrauensbruch zu begehen, aber dann sprach sie rasch weiter. »Es sind nämlich ein oder zwei Pakete im Geschäft verschwunden, aber das wissen Sie ja, und Frank beabsichtigte, Mr. Barrabal zu benachrichtigen. Oder haben Sie nichts davon erfahren?«

»Ich wußte es bis jetzt noch nicht«, antwortete Leslie nachlässig. »Aber ich glaube kaum, daß Barrabal sich damit beschäftigen würde. Er gehört nicht zu der Sorte von Beamten, die ihre Zeit damit vergeuden, kleine Diebstähle aufzudecken. – Sehen Sie, dort kommt jemand, der nicht gut auf mich zu sprechen ist.«

Zwei Herren, beide ziemlich groß, kamen ihnen entgegen. Lew Friedman wirkte durch seine gebeugte Haltung etwas kleiner. Er war ein Mann mit harten Gesichtszügen, einer Adlernase, großem, geradem Mund und ausgeprägtem Kinn. Man sah ihm an, daß er sich im Leben schwer herumgeschlagen hatte. Sein Begleiter war jung, hübsch, blond und blauäugig. Beim Anblick von Beryl und John Leslie lächelte er, wobei seine tadellos weißen Zähne sichtbar wurden. Mr. Friedman dagegen zeigte sich weniger liebenswürdig. Er zog die Stirne kraus und schaute auf die junge Dame.

»Ich dachte, du wärst bei Mrs. Morden zu Tisch geladen, Beryl?« erkundigte er sich schroff.

»Ich traf Captain Leslie in der Oxford Street.«

»Natürlich zufällig? Na gut.« Er wandte sich John Leslie zu. »Sie haben anscheinend nicht übermäßig viel zu tun, Leslie?«

»Nicht besonders viel«, antwortete John kühl.

Frank Sutton hatte die Szene amüsiert verfolgt.

»In meinem Geschäft braucht sich auch niemand totzuarbeiten. Jeder, der einen kleinen Spaziergang machen will, hat Zeit dazu – nicht wahr, Leslie?« Er zwinkerte seiner Braut zu. »Laß dich vom alten Lew bloß nicht einschüchtern, Beryl! Er bildet sich ständig ein, daß jedermann mit dir durchbrennen will!«

Er stieß Lew mit dem Ellbogen an und lachte. Doch Mr. Friedman war durchaus nicht belustigt. Es entstand eine peinliche Pause, bis Sutton Leslie am Arm nahm.

»Sie brauchen mich nicht mehr, Lew, und ich bin sicher, daß auch Leslie hier nicht mehr benötigt wird!«

John versuchte noch einen Blick Beryls zu erhaschen, aber aus irgendeinem Grund hatte sie sich verwirren lassen, und so ging er neben seinem Chef den Weg zurück, den er gekommen war. Sutton zeigte sich gesprächig und äußerst liebenswürdig. Er ließ sich weitschweifig darüber aus, welch engherzige Vorurteile alte Leute im allgemeinen doch hätten.

»Das Merkwürdige dabei ist, daß Lew Friedman Sie ganz gern hat – das heißt, wenn er Sie allein trifft, denn er nimmt an, daß Sie eine Art Don Juan sind. Friedman ist nun mal argwöhnisch, und es ist ganz sinnlos, dagegen anzukämpfen.«

Leslie nahm eine Zigarette aus seinem Etui und drückte sie zurecht. Ein schwaches Lächeln spielte um seinen Mund.

»Und Sie selbst – haben Sie denn nichts dagegen, wenn ich Miss Stedman gelegentlich treffe?«

Seltsamerweise machte er keinerlei Versuch, sich zu entschuldigen oder wenigstens die Harmlosigkeit seiner Zusammenkünfte mit Beryl zu beteuern.

Frank Sutton zuckte die Achseln.

»Großer Gott, nein, ich habe nichts dagegen! Ich sehe die Sache so – in den letzten zehn Jahren haben Sie infolge unglücklicher Umstände keine Gelegenheit gehabt, hübsche Frauen zu sehen, und ich glaube, daß Ihnen der Anblick eines schönen Mädchens ganz guttut. Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich so offen mit Ihnen spreche? Sie sind für mich eben ein Experiment – ich mache stets Experimente. Die meisten sind ungünstig für mich ausgegangen. Ich möchte Sie – ich will nicht sagen, bessern, das klingt zu pedantisch, vielleicht heilen. Aber halbe Maßnahmen liegen mir nicht, ich muß eine Sache ganz durchführen.« Er sprach eifrig, ganz natürlich, in seinem Ton lag keine Spur von Bevormundung. »Beryl ist schön. Es ist ganz klar, daß auch andere das so empfinden müssen. Doch ich bin kein Pascha, der glaubt, daß Frauen in Gegenwart anderer Männer sich nur verschleiert zeigen dürfen. Meiner Meinung nach kann ein Mädchen nicht genug Männer kennenlernen. Das habe ich auch dem alten Lew gesagt, aber er ist eben ein altmodischer Mensch…«

Er äußerte sich weiter in dieser Weise, bis sie zur Oxford Street kamen. Dort wartete sein Wagen. Auch auf der Fahrt zum Büro verbreitete er sich noch über dieses Thema.

Die Büroräume der Firma Frank Sutton & Co. nahmen drei Stockwerke in einem Eckhaus in der Nähe des Middlesex-Hospitals ein. Es war eine Geschäftsstraße, die mit der Oxford Street parallel lief. Mr. Sutton hatte vor sechs Jahren ganz klein angefangen und besaß nun ein gutgehendes Exportgeschäft und Niederlassungen in aller Welt. Ein großer Warenspeicher in der Nähe der East India Docks gehörte ihm. Im Gegensatz zu den meisten Exporteuren, die sich auf ein Spezialgebiet beschränkten, befaßte sich Frank Sutton mit den verschiedenartigsten Waren und Geschäften.

Er sprach gerade über die rapide Ausdehnung seiner Firma, als sie den Korridor entlanggingen, an dem ihre Büros lagen.

»Sie haben hier bei mir eine große Chance, Leslie, wenn Sie die Sache nur mit der nötigen Energie und Umsicht anpacken…« Plötzlich änderte er seinen Ton und sah ihn scharf an. »Aber Sie müssen mir gegenüber offen sein!«

»Ich verstehe Sie nicht ganz«, erwiderte John Leslie und sah ihm direkt in die Augen.

»Und ich verstehe Sie nicht! Ich möchte gern mehr von Ihnen wissen, als ich jetzt weiß. Wo bringen Sie Ihre Nächte zu? Was treiben Sie außerhalb meines Geschäftes? Ich habe ein großes Risiko auf mich genommen, als ich Sie engagierte. Lew Friedman weiß das noch gar nicht. Sie verstecken irgend etwas vor mir, und ich möchte wissen, was.«

Leslie antwortete nicht gleich, sah eine Weile zu Boden und lachte dann.

»Ich dachte, Sie wüßten genug von mir. Aber da Sie so furchtbar neugierig sind, muß ich Ihnen ja wohl meine Liebhabereien beichten. Ich kaufe nämlich Dinge sehr billig ein und verkaufe sie teuer. Und wenn ich gerade Zeit habe, benütze ich sie dazu, andere Leute zu verzinken.«

Frank Sutton sah seinen Begleiter verblüfft an.

»Sie kaufen Dinge billig ein und verkaufen sie teuer?« wiederholte er langsam. »Und Sie benützen Ihre freie Zeit dazu, andere zu verzinken? Ich verstehe Sie nicht.«

»Das glaube ich. Sie hatten eben nicht meine Erziehung!«

Sutton wechselte ebenso schnell, wie er ernst geworden war, die Unterhaltung wieder ins vergnügt Unverbindliche.

»Sie sind mir ein Rätsel. Ich habe noch nie einen Menschen wie Sie getroffen. Ich will nicht einmal fragen, was das heißen soll, daß Sie andere verzinken – es klingt so, als ob es etwas sehr Niederträchtiges wäre.«

»Ich bin niederträchtig«, erklärte Leslie, »und zwar in einem Ausmaß, daß ich Mr. Lew Friedman vollkommen recht geben muß. Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, Mr. Sutton, und Sie wären an meiner, würde ich Ihnen verbieten, mit Miss Beryl Stedman zusammenzukommen. Wenn ich Frank Sutton wäre, würde ich wahrscheinlich John Leslie sein Gehalt auszahlen und ihm die Tür weisen. Sie handelten nicht sehr klug – verzeihen Sie die Offenheit –, als Sie mich engagierten. Sie sind aber auch in Ihrer Art ganz einzigartig!«

Frank lachte, als ob er sich dessen vollkommen bewußt wäre.

»Möglicherweise war es nicht sehr klug von mir«, meinte er und fragte unvermittelt: »Was macht eigentlich dieser Tillman bei uns?«

Leslie blieb einige Schritte vor seiner Bürotür stehen. Frank Sutton strich sich über das Kinn.

»Ich weiß nicht – er ist ebenso merkwürdig und sonderbar wie Sie. Ich war eigentlich etwas mißtrauisch, aber an seinen Zeugnissen und Empfehlungen gab es nichts auszusetzen. Es wäre mir sehr lieb, wenn Sie mir Ihre Meinung über ihn sagten.«

»Wenn Sie ihn in irgendeinem Verdacht haben, wäre es doch das beste, ihn wieder zu entlassen.«

»Gutmütigkeit war immer meine Schwäche. Der arme Kerl suchte eine Stelle, und so engagierte ich ihn. Ich möchte ihn jetzt nicht gern auf die Straße setzen, nur weil mir sein Gesicht nicht sympathisch ist.«

Vom Gangende her rief jemand Sutton etwas zu, und mit einer kurzen Handbewegung eilte er weg.

Leslie öffnete leise seine Bürotür.

Das Auffallendste in dem Büro war ein großer, in die Wand eingelassener Geldschrank. Außer seinem eigenen umfangreichen stand noch ein kleinerer Schreibtisch darin, denn der Geschäftsführer teilte den Raum mit der Privatsekretärin Frank Suttons.

Als Leslie eintrat, war sie nicht zugegen – aber jemand anders war da. Ein Mann neigte sich über den großen Schreibtisch und durchsuchte anscheinend die Papiere. Leslie beobachtete ihn einen Moment.

»Haben Sie etwas verloren, Tillman?«

Der Angesprochene fuhr schnell herum. Auf seinem hageren, gebräunten Gesicht zeigte sich Bestürzung.

»Ja, ich habe eine Rechnung verlegt.«

»Wie lange sind Sie eigentlich schon in der Firma?«

Tillman sah mit hochgezogenen Brauen zur Decke, als ob er überlegen müßte. Er war etwa in Leslies Alter und hatte eisengraues Haar.

»Einen Monat«, sagte er.

»Und in dieser Zeit habe ich Sie nun schon zweimal dabei überrascht, daß Sie meine Papiere durchsuchen. Ich glaube nicht, daß wir noch lange zusammenarbeiten werden.«

Um Tillmans Lippen zuckte ein Lächeln.

»Das würde mir leid tun, denn ich hoffte, daß wir uns besser kennenlernen könnten.«

Leslie ging schnell die Papiere durch, die auf dem Tisch lagen, aber er fand nichts von Bedeutung darunter. Die Schubladen, in denen er wichtige Dokumente aufhob, waren fest verschlossen. Er hielt es für besser, das Thema zu wechseln.

»War jemand hier?«

Tillman sah ihn nicht an. Das war auch eine seiner Eigentümlichkeiten, wie geistesabwesend auf einen Punkt zu starren.

»Ja, ein Mr. Graeme war hier – Mr. Larry Graeme.«

Tillman sah Leslie vorsichtig von der Seite an und bemerkte, wie sein Gesicht sich verfinsterte.

»Graeme? Was wollte denn der?«

»Ich vermute, daß er Sie sprechen wollte. Es schien etwas sehr Dringendes zu sein. Er sagte, daß er um sechs Uhr wiederkommen wolle. Er benahm sich nicht besonders zurückhaltend, und allen Anzeichen nach schloß ich, daß er eben aus dem Gefängnis entlassen wurde. Kennen Sie ihn?«

»Oberflächlich.« Plötzlich fuhr Leslie auf: »Was, zum Teufel, bilden Sie sich ein, mich hier auszufragen?« Mit einer Kopfbewegung wies er zur Tür. »Und wenn ich Sie nochmals dabei erwische, daß Sie hier herumspionieren, lasse ich Sie augenblicklich an die Luft setzen! Haben Sie mich verstanden?«

Tillmans Gesicht verzog sich zu einem Grinsen.

»Das würde eine sensationelle Erfahrung für mich bedeuten«, erwiderte er und war im nächsten Augenblick schon draußen.

Als er allein war, wurde sich Leslie der merkwürdigen Situation bewußt und lachte leise vor sich hin.

Suttons Sekretärin war an diesem Nachmittag nicht im Dienst, und er hatte das Büro für sich allein. Obgleich genug Arbeit auf ihn wartete, setzte er sich doch nicht an den Schreibtisch. Alle paar Minuten ging er zum Fenster und beobachtete die Straße. Als es zu dunkeln anfing und die ersten Straßenlaternen angezündet wurden, entdeckte er den Mann, den er erwartete. Er konnte ihn deutlich sehen. Larry Graeme stand unter einer Laterne, Zigarre im Mund, die Hände in den Taschen. Immer wieder kehrte Leslie zum Fenster zurück, aber Graeme verließ seinen Posten nicht.

Kapitel 4

Larry Graeme war ein Dieb, der seine Geschäfte allein, ohne die Mithilfe anderer betrieb. Als er an einem rauen Februarmorgen aus Dartmoor entlassen wurde, ging er sofort zu seiner Wohnung in Southwark, die er in bester Ordnung vorfand. Sie befand sich in einem Häuserblock, einige hundert Meter von der Dover Street entfernt, in dem teils illustre und wohlhabende Leute wohnten. Auch der große Barrabal wußte nichts von diesem Schlupfwinkel, sonst hätte er sicher vermutet, daß in dieser Wohnung versteckt ein respektables Reservekapital den Heimkehrer erwartete.

Die Hausmeisterin begrüßte ihn gleichgültig; sie war an Mr. Graemes häufige Abwesenheit schon gewöhnt. Da er sein Geld gut anzulegen verstand und eine Hypothek auf dem Haus besaß, konnte ihm die Wohnung nicht gekündigt werden.

Auch diesmal fand er alles so, wie er es verlassen hatte. Nicht einmal eine Zigarre war aus der Zedernholzkiste auf dem Kaminsims verschwunden.

Fürs erste interessierte er sich weniger für das in einer Kassette aufbewahrte Geld als für seine Browningpistole und die Schachtel Patronen, denn er war mit einem Plan aus dem Gefängnis zurückgekommen. Der Aufenthalt hatte ihm diesmal sehr zugesetzt. Er war zu alt für das Gefängnis geworden. Die Wärter waren wenig liebenswürdig, zweimal hatten sie ihn abgefaßt, als er sich Tabak verschaffen wollte. Man beschäftigte ihn im Waschhaus des Gefängnisses, und obgleich er ein ruhiger und eher philosophischer Mensch war, wurde sein Haß durch den Klatsch, den er dort hörte, immer wieder aufs neue angestachelt.

Im Waschhaus begegnete er einem Mann, der genau wie er auf Grund einer anonymen Anzeige des ›Großen Unbekannten‹ zu zehn Jahren verurteilt worden war. Aber niemand außer Larry wußte von dem gespaltenen Nagel. Dieses Geheimnis behielt er auch für sich. Es tat ihm jetzt leid, daß er Barrabal davon erzählt hatte.

Er kam nach London zurück, grübelte, überlegte, dachte an den Zinker und an die Browningpistole.

Einen Anhaltspunkt hatte er – den gespaltenen Nagel am dritten Finger. Dazu kam noch etwas anderes. Der Zinker kaufte in großem Stil gestohlene Autos und ließ seine Geschäfte durch Zwischenhändler in Soho abwickeln. Larry streifte durch Soho und beobachtete. Durch Zufall traf er in der Regent Street die junge Dame, die ›den Mann mit dem gespaltenen Fingernagel‹ manikürte. Sie kannte auch die doppelte weiße Narbe auf dem ersten Gelenk.

»Ich kenne seinen Namen nicht«, sagte sie, »aber ich sah ihn öfters in ein Geschäftshaus in der Mortimer Street gehen. Ich wohne in der Nähe der Tottenham Court Road und komme immer dort vorbei. Es wäre schön, wenn Sie durch mich Ihren Bruder wiederfinden würden!«

»Da haben Sie recht«, antwortete Larry. Die Geschichte vom lang vermißten Bruder war der Vorwand gewesen, unter dem er seine Erkundigungen eingezogen hatte. Die junge Dame besaß eine gute Beobachtungsgabe. Obwohl Larry den Zinker nie richtig gesehen hatte, konnte er ihn sich nach ihrer Beschreibung ziemlich genau vorstellen.