Der zweite Mann - Leben zwischen Neid und Tod - Alexander Göttsche - E-Book

Der zweite Mann - Leben zwischen Neid und Tod E-Book

Alexander Göttsche

0,0
3,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Nachdem Elijah Cray nahezu 20 Jahre lang eine blutige Spur des Grauens im Land hinterlassen hat, findet er sich selbst in beinahe derselben Situation wieder, in die er normalerweise seine Opfer bringt. Seine Familie ist verschwunden und er setzt alles daran, sie wiederzufinden, um sie nicht auf dieselbe blutrünstige Art zu verlieren, durch die er seinen Opfern die Familien immer genommen hat. Um das Verschwinden seiner Frau und seiner Kinder aufzuklären, muss Elijah die Überlebenden seiner Taten aufsuchen und sich noch einmal mit seinem bisherigen Handeln auseinandersetzen. Er muss tief in seiner eigenen Vergangenheit und in der seiner Opfer graben, um Antworten auf seine Fragen zu finden. Dabei begibt er sich in einen Wettlauf mit der Polizei und allen voran Detective Morrigan, die er von sich und seinen Machenschaften fernhalten muss, doch verstrickt er sich immer mehr in Widersprüche und Ungereimtheiten. Wird er den wahren Täter finden? Und wie viel wird ihn das kosten? Und wer ist die mysteriöse Person, die ihm immer wieder Hinweise hinterlässt? Ein blutiger Thriller, gespickt mit Hinweisen und versteckten Botschaften über Neid, Hass, Verzweiflung und einen Mann, der alles dafür gibt, seine Familie aufzuspüren, doch sich selbst in immer größerer Gefahr und Unwissenheit wiederfindet.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 402

Veröffentlichungsjahr: 2021

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Alexander Göttsche

Der zweite Mann

Leben zwischen Neid und Tod

© 2021 Alexander Göttsche

Verlag und Druck:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN

Paperback:

978-3-347-38837-6

Hardcover:

978-3-347-38838-3

e-Book:

978-3-347-38839-0

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Alexander Göttsche

Der zweite Mann

Thriller

»Freude ist das Einzige, das mehr wird, wenn man es teilt«

»Traue Keinem, der alles gegeben hat. Denn er hat nichts mehr zu verlieren«

Prolog

So sehr Elijah auch das Morden liebte, so sehr hasste er auch das endlose Geschrei. Das Betteln, das Flehen, das Verhandeln und die ungeheure Lautstärke, die Menschen, selbst wenn sie gefesselt und geknebelt sind, aus ihrem tiefsten Inneren herauslassen, überraschte ihn immer wieder. Schon bei seinem ersten Mord, bei dem er gerade einmal 23 Jahre alt war und der mittlerweile 19 Jahre her war, hatte er es gehasst und er hasste es von Mord zu Mord mehr. Er hasste es nicht nur, es bereitete ihm körperliche Schmerzen. Ein stechender Kopfschmerz schoss schon immer, sobald jemand die Stimme erhob, durch seinen Kopf. Ein beinahe lähmender Schmerz, den er immer wieder zu unterdrücken versuchte. So ist es auch zu seinem ersten Mord gekommen. Seither hatte er viel gelernt. Er hatte gelernt, mit welchen Tricks er jeden, absolut jeden, zum Schweigen bringen konnte. Doch damals, als er auf Thomas traf, war er noch jung, unschuldig und unerfahren. Nichts davon war er heute noch. Am wenigsten wohl unschuldig, doch, wenn man ihn fragte, war er am wenigsten noch unerfahren.

Es war gar nicht geplant, es passierte einfach. Es war einst an einem kühlen Sommermorgen gewesen, an dem er sich gemütlich in seinen 67er Chevrolet Impala gesetzt hatte, um zum Lake Porkhead am Rande des mittleren Westens der USA zu fahren und dort die frühen Stunden zu nutzen, um eine Forelle nach der anderen aus dem See zu fischen. Schon direkt nach seiner Ankunft bemerkte er diesen unausstehlichen Charakter, nur wenige Meter von seinem liebsten Angelplatz entfernt. Es war gar nicht so sehr die Tatsache, dass er, wie sonst, nicht alleine war. Ihn störte auch nicht, dass dieser menschliche Abfall, wie er häufig in seinem Inneren über Menschen sprach, die in seinen Augen weniger wert sind als er, schon früh am Morgen die ersten Pabst Blue Ribbon Biere getrunken hatte und diese sorglos in den See warf. Selbst sein T-Shirt mit der plakativen Aufschrift „Good Night. White Pride“ störte Elijah nicht. Jeder hatte seine Meinung und das war für ihn ok. Er selbst ertappte sich häufig dabei, wie er abfällig über ethnische Minderheiten sprach. Dennoch war Elijah in seinen eigenen Augen kein Rassist. Was ihn jedoch störte, war der Lärm, den dieses Subjekt machte. Später sollte Elijah herausfinden, dass dieser Tag sein Leben für immer verändern würde, und dass dieser betrunkene, rechtsgesinnte menschliche Abfall Elijah eines der schönsten Geschenke seines Lebens machen sollte und zugleich für seinen größten Verlust verantwortlich war. Thomas war der Name seines ersten Opfers. Er war ein typischer Hinterwäldler. Er stand morgens betrunken auf, trank weiter, schlug seine Frau und seine Kinder. Er fuhr betrunken mit seiner Spritschleuder von Truck und griff und schrie jeden an, der sich für etwas Besseres als Thomas hielt. Meistens jedoch hielten sich die Leute nicht nur für etwas Besseres als Thomas, meistens waren die Leute auch etwas Besseres. All das wusste Elijah nicht und es wäre ihm auch egal. Thomas hätte ein Veteran, ein Feuerwehrmann, an Arzt - ein Held eben - sein können. Es hätte für Elijah nichts geändert. Thomas war für Elijah nur das Opfer, das ihn zum Mörder machte und so seinem Leben einen neuen Sinn gab.

Elijah hasste Thomas von der ersten Sekunde an. Wild rumkrakeelend, den See und die Fische anschreiend, stand Thomas da und sofort schoss dieser stechende Schmerz durch Elijahs Kopf. Ein Schmerz, der ihn immer wieder die Kontrolle verlieren ließ und ihn zu einem anderen Menschen machte. Er hatte diesen Schmerz schon früher und sollte ihn auch im Laufe seines Lebens immer wieder haben, doch nie wieder so, wie an jenem Sommermorgen. Vielleicht war es die Situation, die ihm komplett missfiel, vielleicht war es der Umstand, dass er seit Tagen wieder diese furchtbare Schlafparalyse hatte, vielleicht lag es an dem Streit, den er am Tag zuvor mit seiner damaligen Freundin hatte. Elijah war an jenem Sommermorgen sehr dünnhäutig. Schon auf dem Weg zum See war er mehrmals kurz davor zu explodieren - wegen Kleinigkeiten. Mal setzte sein Vordermann den Blinker falsch, mal musste er an einer roten Ampel stehen. Dieser Tag war für Elijah von Anfang an verflucht. Schon nach dem Aufstehen hatte er, seinem schlechten Schlaf und den vorhergegangenen Streit geschuldet, einen Hass und eine Wut auf die gesamte Welt. Daher wollte er Angeln gehen, beim Angeln ging es ihm immer besser. Er liebte das Wasser. Doch gerade heute musste er auf Thomas treffen. Anfangs war er noch ganz freundlich. Er ging langsam, noch mit der Angelrute in der Hand zu Thomas: »Könnten sie bitte ein wenig leiser sein, mein Freund? Ich versuche diesen herrlichen Morgen ein wenig zu genießen und zu entspannen«, sprach Elijah langsam, aber sehr bestimmt. Er glaubte selbst kaum, diese Worte gesagt zu haben. War es doch gar nicht seine Art. Die Worte brannten in seiner Kehle wie heißer Kaffee, der ohne Umwege aus der Kaffeemaschine direkt getrunken wurde.

»Verpiss dich doch, du dummer Wichser« war die kurze, leicht gelallte Antwort von Thomas, der noch kurz seine Bierdose leerte und Elijah an den Kopf warf. Die restlichen Tropfen aus der Bierdose klebten in Elijahs kurzem und gepflegtem braunen Haar. Die leere Dose fühlte sich an wie eine Atombombe, die in Elijahs Kopf explodierte. Erst der stechende, betäubende Kopfschmerz und nun das. Über die Jahre hatte Elijah gelernt, sich unter Kontrolle zu haben. Er atmete tief durch, verschloss seine grünen Augen und versuchte es noch einmal: »Ich bitte sie wirklich, versuchen sie doch ein wenig leiser zu sein. Alles andere stört mich nicht. Betrinken sie sich ruhig, werfen sie die Dosen in den See und fahren sie danach betrunken mit ihrem Auto nach Hause. Das alles stört mich nicht, aber bitte seien sie leise«. Thomas musterte Elijah, der schon immer ein sehr großer und sportlicher Mann gewesen ist, langsam von oben nach unten und zog noch einmal an seiner Zigarette. Kurz bevor Elijah sich schon sicher war, es würde keine Reaktion mehr kommen und er hätte das kurze Wortgefecht gewonnen, sprach Thomas drei kleine Worte, die Elijah zu dem machten, der er heute ist: »Verpiss dich, Wichser!«

Das reichte Elijah und der stechende Schmerz übernahm die Überhand in seinem Kopf. Alles andere um ihn herum war nun vollkommen egal. Es war egal, ob andere Leute jeden Moment vorbeikommen könnten, dass er lange nicht mehr an seinen geliebten See zum Angeln könnte, oder dass er vielleicht nie wieder in Freiheit sein würde. Es war egal, denn jetzt zählte nur der Schmerz. Blitzschnell, nachdem Elijah Thomas‘ Worte vernommen hatte, warf er die Angelrute in seine Richtung und stürmte auf ihn los. Es war, als würde er über der Szenerie schweben und nur sehen, was passierte, ohne aktiv daran beteiligt zu sein. Thomas, der von der ihm entgegenfliegenden Rute vollkommen überrascht wurde, versuchte noch kurz in Deckung zu gehen, doch da traf ihn die Angelrute schon direkt im Gesicht. Kurz darauf traf Elijahs rechte Faust die Schläfe von Thomas. Erst links, dann rechts, dann wieder links. Elijah hatte nie Kampfsport gemacht, das hatte ihn nie interessiert. Woher er plötzlich dieses Können und diese Kraft hatte, konnte er sich nicht wirklich erklären. Natürlich hatte er eine Menge Kraft, hatte er doch schon immer eine sportliche Art an sich. Er ging mehrmals die Woche zum Tauchen und zum Krafttraining, dazu sein Job als Postbote, der ihn auch außerordentlich fit hielt. Doch er war wie ein anderer Mensch, der Thomas windelweich prügelte. Während Elijah völlig wahnsinnig auf Thomas eindrosch, merkte er, wie der Schmerz erträglicher wurde. Der Schmerz wurde nicht weniger, aber Elijah konnte besser damit umgehen. Es fühlte sich an, als würde der Schmerz Elijah dazu bringen, Dinge zu tun, die er sich vorher nie getraut hatte. Natürlich hatte er schon oft daran gedacht, jemanden umzubringen. Jeder hatte das schon Mal, aber die wenigstens machen es und trauen sich und zugeben würde es sicherlich niemand. Nicht einmal Mörder geben so etwas zu, warum also ein normaler, gutgesitteter Bürger wie Elijah? Er hatte sich nie getraut einen Menschen zu attackieren, geschweige denn umzubringen, auch wenn er es sich immer bis ins kleinste Detail ausgemalt hatte. Er fand immer Spaß daran, sich zu überlegen, wie er seine Opfer fesselte und folterte. Es war nichts Sexuelles, er hatte einfach Spaß daran, sich diese Dinge vorzustellen. Vielleicht war der Kopfschmerz, den er bis zu diesem Tage immer als Plage sah, vielleicht gar keine Plage. Sondern die Erlösung. Die Erlösung, endlich das zu tun, was er immer wollte. Als Elijah so auf Thomas einschlug, musste daran denken, wie er eines Abends, als er gerade 18 geworden war und noch bei seinem Vater wohnte, nach einer langen Kneipentour mit seinen Kumpels durch das Fenster im ersten Stock kletterte und sich dabei das Bein gebrochen hatte. Er fühlte den Schmerz, doch der Alkoholspiegel in seinem Blut und das Adrenalin durch den Sturz machten ihn wie beflügelt. Sein Vater fuhr ihn den Tag ins Krankenhaus, doch an kam Elijah in einem Krankenwagen. Er wusste nicht, dass dies das letzte Mal sein würde, dass er seinen Vater lebend sehen würde. Er war wie in Trance. Damals und heute. Der Schmerz benebelte nun schon seinen ganzen Körper und Elijah funktionierte nur noch. Ohne nachzudenken schlug er weiter auf Thomas ein. Außer ein paar kläglichen Versuchen die Schläge von Elijah zu parieren, war dieser ihm jedoch hoffnungslos unterlegen. Wenige Minuten nach dem ersten Aufeinandertreffen der beiden Männer lag Thomas bereits bewusstlos am Boden, Elijah über ihn gebeugt mit aufgeplatzten Fingerknöcheln, von denen noch das Blut tropfte. Niemand hätte sagen können, wessen Blut von Elijahs Händen tropfte, ob es sein eigenes oder das von Thomas war. Auch seine Hände schmerzten, doch das war Elijah egal, er war noch immer wie in Trance.

»Das hast du jetzt davon«, sprach Elijah mit derselben monotonen, aber dennoch kräftigeren Stimme als zuvor. Er war nicht aufgeregt, sein Herz raste nicht. Im Gegenteil, er fühlte sich selten so ruhig wie in diesem Moment. Noch immer als reiner Beifahrer in seinem Körper, als Beifahrer des Schmerzes, schulterte Elijah den bewusstlosen Körper von Thomas und lud ihn in den Kofferraum seines geliebten Chevrolet Impala aus dem Jahre 1967. Der Wagen war zwar nicht mehr besonders gut in Schuss, die Bremsen quietschten, der Blinker auf der linken Seite blinkte mal immer, mal gar nicht und die Lenkung hatte zu viel Spiel. Aber der Lack war noch immer glänzend und kein bisschen stumpf, das war Elijah schon immer wichtig. Ihm war schon immer egal gewesen, wie gut oder schlecht etwas funktionierte, wichtig war für ihn das Äußere. Nur das Äußere, das Innere war ihm schon immer egal. Auch bei seiner späteren Frau war ihm das Äußere wichtiger als alles andere. Hübsch sollte sie sein, schlau war ihm egal. Auch bei sich selbst achtete er mehr auf sein äußeres Erscheinungsbild, als auf sein Inneres. Sonst wäre er wegen des Kopfschmerzes sicherlich schon oft beim Arzt gewesen, doch er suchte nie einen auf. Als Elijah Thomas in den Kofferraum lud, gab die Federung ein wenig unter dem Gewicht des Körpers nach, doch nicht zu sehr, um Aufmerksamkeit zu erregen.

Elijah setzt sich hinter das Steuer, umfasste es kräftig mit beiden Händen und startete den Motor. Er horchte kurz auf, ob aus dem Kofferraum irgendwelche Geräusche zu vernehmen waren, die darauf hätten schließen lassen können, dass Thomas mittlerweile aufgewacht ist, doch dem war nicht so. Elijah fuhr los und er fühlte sich, als würde er auf dem Beifahrersitz seines eigenen Autos sitzen. Wie aus einer instinktiven Handlung heraus vollführte sein Körper jeden einzelnen Vorgang, um den Wagen problemlos an sein Ziel zu bringen. Selbst Elijah wusste nicht, wo genau er hinfuhr, bis er da war. Woher sollte er es auch wissen? Er hatte den Ort beinahe schon vergessen. Elijah stellte den Motor aus und horchte erneut nach jedem noch so kleinen Geräusch, doch er hörte nichts. Gar nichts. Es war totenstill. Das Einzige, was Elijah hörte, war sein eigener, ruhiger Atem. Langsam und gleichmäßig hob und senkte sich Elijahs Brust. Er atmete noch ein letztes Mal tief ein, bevor er die Fahrertür seines Wagens öffnete, ins Freie trat und das erste Mal bewusst wahrnahm, wo er sich befand.

Er war zu der alten Jagdhütte gefahren, in der er und sein Vater früher oft übernachtet und tagelang ausgeharrt hatten, bis sie auf ihrer morgendlichen Pirsch ein Reh geschossen hatten. Jene Hütte, die versteckt in den Ozarks, unweit des Lake Porkhead, lag.

»Perfekt«, murmelte Elijah.

Er wusste nicht, wieso er das sagte – oder für wen. Es war niemand da, der ihn hätte hören können. Rund um die Hütte lag ein riesiges Waldstück, das teils noch ihm, teils dem Staat gehörte. Hierhin verirrte sich niemand. Er war seit mindestens zehn Jahren nicht mehr hier gewesen. Das letzte Mal in dem Jahr, in dem seine Mutter starb. Wobei, starb ist der falsche Ausdruck. Als sie feige wie sie war, ihn und seinen Vater verlassen hatte und den Freitod wählte. Ihm war es egal, was sie glaubte für Probleme zu haben. Sie war immer erfolgreich gewesen, war gutaussehend und seine Familie war damals gut betucht. Es gab nie Gewalt, keine Eheprobleme und sie bildete sich ein, ein schweres Leben zu haben und brachte sich um, als Elijah und sein Vater wieder zu einem ihres Jagdausflüge aufgebrochen waren. Er hasste sie dafür. Selbst wenn sie, wie sie selbst glaubte, lächerliche Probleme hatte, hatte sie doch eine Verantwortung ihm und seinem Vater gegenüber. Doch sie floh einfach. Er weiß noch, wie sie beide eines Sonntagabends zurück in ihre Vorortsvilla kamen und sie dort mitten in der Eingangshalle hängen sahen. Ein Seil um ihren Hals geknüpft und am anderen Ende am Treppengeländer des ersten Stocks verknotet. Damals, als sein Vater anfing um seine Frau zu weinen, Gott auf den Knien verfluchte und schrie, bekam er das erste Mal diesen stechenden Kopfschmerz. In ihrem Abschiedsbrief gab sie lächerliche Floskeln von sich, die aus einer lächerlichen Teenager-Komödie hätten stammen können. „Es liegt nicht an euch, es liegt an mir“ oder „Es ist nicht eure Schuld“ oder sein persönlicher Favorit „Ich kann den Schmerz einfach nicht mehr ertragen“ waren nur einige der Floskeln. „Schmerz“ - wie lächerlich. Er musste immer schmunzeln, wenn er daran dachte. Beinahe genauso schmunzelte er, als er den Kofferraum öffnete und Thomas noch einmal schulterte, um ihn in die Jagdhütte zu bringen. Er stieg die vier Stufen zur Veranda hinauf und öffnete die Tür, die nie verschlossen war, mit einem kräftigen Tritt. Er stolperte hinein und warf Thomas auf den Boden. Der modrige Geruch von Holz und altem Leder stieg ihm in die Nase. Die Hütte sah noch genauso aus, wie er sie in Erinnerung hatte. Sie war etwa sieben Meter im Quadrat, hatte eine kleine Kochzeile direkt rechts neben der Eingangstür und eine kleine Sitzecke, bestehend aus zwei Sofas aus altem, ausgebleichtem grauem Büffelleder, einem alten Fliesentisch und einem Sessel, der mittlerweile mehr aus Fäden als aus Polstern bestand, auf der anderen Seite der Eingangstür. Direkt gegenüber der Eingangstür war mittig ein kleiner Kamin, davor zwei große, bequeme Ledersessel, die zum entspannten Whiskeytrinken einluden. Rechts an der Wand waren zwei Stockbetten. Die Betten waren hart und eher funktional, als dass sie wirklich erholsamen Schlaf boten. Eine Garderobe gab es nicht, nur hier und da ein paar einzelne Schränke, die meisten am gegenüberliegenden Ende der Betten, wo auch ein kleiner Esstisch und die Bodenklappe zum Keller war. Der Keller war nichts Besonderes. Erheblich kleiner, als die Hütte selbst, mit nur einer einzelnen von der Decke hängenden Glühbirne und ein paar wenigen Regalen, auf denen noch Konserven standen. Die Decke war gerade so hoch, dass Elijah mit seinen 1,83m dort stehen konnte. Früher, als Kind, kam ihm die Decke unheimlich weit weg vor, weiter als der Mond, die Sonne, der Himmel und alles was darin war. Doch jetzt passte kein Finger breit mehr zwischen seinen Kopf und die Decke. Neben dem Haus war, direkt neben dem Toilettenhäuschen, ein kleiner Generator, der die kleine Küchenzeile und die Beleuchtung mit Strom versorgte. Zu Elijahs Überraschung sprang der Generator nach dem dritten Startversuch bereits an, leider waren jedoch alle Glühbirnen, auch die wenigen Ersatzbirnen im Keller, mittlerweile vollkommen wertlos und spendeten kein einzigen Funken Licht mehr. Die einzige Beleuchtung, die Elijah so auf die Schnelle einfiel, war der Kamin und ein paar einzelne Kerzen. Die Hütte war nie für den Urlaub gedacht und bot wenig Luxus oder Annehmlichkeiten, so auch keine Fenster. Obwohl der kühle Sommermorgen mittlerweile einem warmen Sommermittag gewichen war, entfachte Elijah ein Feuer im Kamin und zündete ein paar Kerzen im Keller an, um ein wenig Licht zu haben. Immerhin wollte er sehen, was als Nächstes passierte.

Elijah wuchtete einen der alten Ledersessel aus der Sitzecke zur Kellerklappe und stieß ihn die Treppe herunter. Mit einem Knall krachte dieser in die eingestaubten Regale und warf die wenigen übriggebliebenen Konservendosen auf den Boden. Elijah räumte die Regale und Konserven zur Seite und platzierte den Sessel in der genauen Mitte des Raumes. Es musste ganz genau die Mitte sein, dies ist ihm schon immer sehr wichtig gewesen. Er war versessen auf Genauigkeit. Fragte man ihn, wie spät es sei, antwortete er nie mit etwas wie „viertel nach eins“ oder „halb zwei“ er sagte immer die exakte Uhrzeit, bis auf die Sekunde genau. Viele störte das, aber Elijah nicht. Er war immer der Auffassung, dass Genauigkeit der Schlüssel zum Erfolg sei. Nachdem er den Sessel daher in der Mitte des Kellerraums platziert hatte, drapierte er neben den Sessel den kleinen Couchtisch aus der Sitzecke, sowie fünf fein übereinander gestapelte Rollen Klebeband. Eine Rolle war an den Rändern bereits ausgefranst, doch das störte ihn nicht. Er musste sie ja nur ein einziges Mal benutzen. Nachdem Elijah den Kellerraum vorbereitet hatte, begab er sich die alten, knarzenden Stufen wieder nach oben, dorthin, wo noch immer Thomas lag. Elijah kam gerade noch rechtzeitig, denn Thomas kam bereits wieder zu sich und fing sofort an, wie sollte es auch anders sein, lautstark seinen Unmut kundzutun. Und da war er wieder, der stechende Kopfschmerz. Elijah packte Thomas in seiner bestimmten, ruhigen Art und verpasste ihm einen Schlag mitten auf die rechte Schläfe. Eine neue, kleine, nicht zu große, Wunde tat sich auf, aus der wenige Tropfen Blut auf den alten Holzboden tropften. Thomas wurde ohnmächtig. Als er wieder zu sich kam, befand er sich bereits sitzend auf dem Sessel. Sein linker und rechter Unterarm waren je an die Armstützen des Sessels gefesselt. Damit Elijah Thomas besser an den Sessel fesseln konnte, entfernte er Teile der Lederverkleidung unter den Armlehnen, direkt unter dem Holzgestell. Dasselbe tat er auf der Höhe der Fußknöchel. So konnten Arme und Beine von Thomas mit Klebeband mehrfach umwickelt an die Holzkonstruktion des Sessels gefesselt werden.

»Wa maffst du?«, stammelte Thomas mit dem Knebel im Mund. »Biffe, biffe nicht!«

Die Worte, so unverständlich sie auch waren, waren Elijah ohnehin vollkommen egal. Elijah war noch immer völlig von Sinnen und es gab nichts, was Thomas hätte sagen können, um Elijah von dem abzubringen, was er vor hatte zu tun. Jedes Mal, wenn Thomas den Mund auch nur aufmachte, sich bewegte oder irgendeinen Laut von sich gab, trieb er damit den Schmerz in Elijahs Kopf weiter hinein. –

Während Thomas schlief, hatte Elijah im nahegelegenen Ort ein paar Spielsachen, wie er sie nannte, organisiert, um Thomas‘ Aufenthalt so kurz und unangenehm wie möglich zu gestalten. Seine Spielzeuge, zu denen unter anderem verschiedene Hämmer, Sägen, Schraubendreher, Klemmen, Kabel, eine Autobatterie, Schrauben, verschiedene Kanthölzer, Bunsenbrenner und vieles, vieles mehr gehörten, positionierte er auf dem kleinen Couchtisch im Keller neben den übrigen drei Rollen Klebeband. Elijah hatte selbst keine Ahnung von Anatomie, war aber sehr aufgeweckt und durch seine Detailverliebtheit speicherte er so ziemlich jede Information, die er einmal bekommen hatte, sofort ab. So wusste er auch, wie er Wunden ausbrannte, um den Blutverlust schnell zu unterbinden. Doch er hatte so etwas nie gemacht, so fing er also langsam an. Um das Erlebnis für ihn angenehmer, und Thomas deutlich unangenehmer zu machen, versuchte er immer im Detail zu beschreiben, was genau er vorhatte. Er empfand es nicht als schlimm, was Thomas antun wollte. Doch sein Wissen anderen vorzuenthalten, hielt er für unangebracht. Er war schon immer der Auffassung, dass Wissen nichts mit Macht zu tun hat und man mit Wissen, alles und jeden beeinflussen kann. Vor hunderten Jahren wussten die Menschen, dass die Erde eine Scheibe ist. Man wusste, dass Hexen verbrannt werden müssen und manche Menschen meinen zu wissen, dass sie selbst die wertvollsten auf der Welt sind - auch wenn sie nichts als Abfall waren. Alles Schwachsinn in Elijahs Augen. Das Wissen als solches ist nur ein gesellschaftliches Konstrukt. Wissen ist nur Macht, wenn man weiß, wie man sein Wissen, oder eben vermeintliches Wissen, zu seinem Vorteil nutzen kann.

»Als erstes entferne ich dir die Augenlider. Du sollst sehen, was passiert«, sprach Elijah mit seiner sonoren Stimme. Thomas schrie sofort in seinen Knebel, versuchte seine Fesseln zu lösen und schlug seinen Kopf nach rechts, dann links, rechts und immer so weiter. Elijah hielt, das Messer noch in seiner rechten Hand haltend, kurz inne. »Je mehr du zuckst oder wackelst, desto unsauberer schneide ich«. Thomas konnte nicht anders, als weiter zu schreien und versuchte mit aller Kraft sich loszureißen, während Elijah mit dem Messer immer näher an sein linkes Auge kam. Ein erster, vorsichtiger Schnitt am oberen linken Augenlid hatte zur Folge, dass Thomas noch mehr versuchte, sich von seinem Sessel zu lösen. Dabei schlug er den Kopf erneut zur Seite und Elijahs Messer rutschte über die Schläfe bis an die Ohrmuschel von Thomas und schnitt diese ab. Thomas schrie vor Schmerz in seinen Knebel.

»Nun, das hast du davon«, fügte Elijah der Situation nur hinzu. Das Messer in der einen Hand haltend griff Elijah nun zu seinem kleinen Bunsenbrenner.

»Ich werde dir nun die Wunde ausbrennen. Bitte schrei nicht und bewege dich nicht, ansonsten kann es passieren, dass ich dir deine Augenhöhle ausbrenne.«

Zwar sagte Elijah es in seinem typischen monotonen Tonfall, doch seine Stimme hatte nun etwas Bedrohliches, etwas Düsteres an sich. Thomas konnte nicht genau fest machen, was es war, doch er hatte zum ersten Mal keine richtige Angst mehr vor dem, was folgte, sondern vor Elijah selbst. Während Thomas die abgetrennte Ohrmuschel von Elijah langsam ausbrannte, floss ihm eine Träne über die Wange und das Schreien war zu einem leisen Wimmern verstummt. Er wusste, er konnte der Situation nicht entkommen. Die Tatsache, dass er sterben würde, war für ihn gar nicht das Schlimmste. Das Schlimme war, dass er ein weinerliches Etwas geworden war, das sich mit seinem Tod abgefunden hatte. Elijah, der mittlerweile fertig mit dem Ausbrennen war, setzte Thomas kurzerhand wieder davon in Kenntnis, dass er ihm nun die Augenlieder abtrennen wird, »damit du genau siehst, was folgt.« Und da war es wieder, das Böse, Düstere in Elijahs Stimme. Elijah, der das Messer die ganze Zeit nicht aus seiner Hand gelegt hatte, setzte zum erneuten Schnitt an Thomas‘ linkem Augenlid an. Ein kurzer, kleiner Schnitt. Mehr war nicht nötig und das Augenlid fiel zu Boden. Beim Aufkommen klang es, als wären wenige al dente gekochte Nudeln auf den glatten Fliesenboden in Thomas‘ Küche gefallen. Es lief Thomas kalt den Rücken hinunter. Das Geräusch, so dachte er, würde er sein Leben nicht mehr vergessen. Auch wenn er ohnehin nicht mehr lange leben würde. Elijah setzte zum nächsten Schnitt an und trennte so das zweite Augenlid ab.

»Als nächstes werde ich dir deine Finger nehmen«, sagte Elijah zu Thomas. Er fing am linken kleinen Finger an und hatte vor, sich so bis zum rechten kleinen Finger der rechten Hand vorzuarbeiten.-»Den ersten Finger werde ich dir mit einer Rosenschere nehmen, den zweiten werde ich mit einem Hammer zertrümmern, den dritten werde ich dir abbrennen, den vierten mit einer Säge entfernen und den fünften mit zehn Schrauben durchlöchern. Den darfst du also sogar behalten.«

Elijah erklärte alles sehr langsam und ruhig. Damit Thomas auch genau verstand, was er wie vorhatte, nahm er jedes Mal eines seiner Spielzeuge zu Hilfe, um Thomas genau aufzuzeigen, was als Nächstes kam. Er fand es schon beinahe lustig, dass das Wissen, was er Thomas über den Verlust seiner Finger verliehen hatte, zum Verlust der anderen fünf Finger führen würde. Bei jeder Erklärung beobachtete er jede noch so kleine Regung in Thomas‘ Gesicht. Jedes noch so kleine Zucken registrierte er mit seinen klaren, grünen Augen. Er bemerkte, dass Thomas besonders vor dem Verlust des dritten und fünften Fingers Angst zu haben schien. Diesen beiden schenkte er somit besondere Aufmerksamkeit. Die Reaktionen von Thomas fielen alle recht ähnlich aus. Er schrie, wie es lauter gar nicht hätte sein können. Elijah musste sich immer wieder vergewissern, dass er wirklich noch geknebelt war, produzierte er doch eine Lautstärke, die Elijah selten, wenn nicht sogar nie, zuvor von einem Menschen wahrgenommen hatte. Beim fünften Finger angekommen hielt Elijah kurz inne.

»Warte kurz«, sagte er zu Thomas und verschwand daraufhin kurz aus dem Keller und trat die knarrenden Stufen hinauf. Kurze Zeit später stieg er wieder hinab. Die knarzende Treppe hinunterstapfend fing Elijah an zu pfeifen. Als wäre die Situation für Thomas noch nicht beängstigend genug. Er wusste nicht genau wieso, er hatte nie zuvor gepfiffen, doch jetzt tat er es. Später sollte er immer pfeifen, wenn er einen Menschen umbrachte. Er pfiff all das, was ihm einfiel. Er war ein Fan klassischer Musik wie Wagner oder Tschaikowski, Mozart oder Bach wiederum konnte er nichts abgewinnen. Neben Musicals, von denen er ein großer Fan war, hörte er kaum Musik. Zu seinem liebsten Stücken zählte Les Miserables. Ein Mann, der von der Gesellschaft verstoßen wurde, obwohl er nur das tat, was er musste, um sich und seine Lieben am Leben zu erhalten und sich dann ein neues Leben aufbaute. Er fand die Geschichte schon immer sehr beruhigend. Es gab ihm das Gefühl, alles erreichen zu können, was er wollte, und dass jeder sein Schicksal selbst bestimmen konnte. Unten im Kellerraum angekommen pfiff Elijah weiter und rezitierte Textzeilen seines liebsten Musicals im Kopf, dabei hielt er ein merkwürdig aussehendes Gerät in der Hand. Das Blut der abgetrennten Augenlider schoss Thomas immer wieder in die ungeschützten Augen und er versuchte das Blut ein wenig an seiner Schulter abzuwischen, so sehr wünschte er sich zu sehen, was ihn nun erwarten würde.

»Hiernach kannst du wiedersehen«, sagte Elijah und es stellte sich heraus, dass er, umsichtig wie er war, zusammen mit seinen Spielzeugen auch eine Augendusche im nahegelegenen Ort gekauft hatte. Er spülte Thomas‘ Augen überraschend behutsam aus und widmete sich so wieder dem letzten Finger an Thomas‘ ursprünglich so starker Hand. »Hier werde ich die erste Schraube setzen«, sagte Elijah und machte mit einem schwarzen Marker einen kleinen Punkt direkt auf das mittlere Gelenk von Thomas‘ Daumen.

»Hier und hier die nächsten zwei«, er setzte Punkte links und rechts davon. »Dann noch drei direkt unter den Fingernagel und einen oben durch den Fingernagel.«

Die übrigen Markierungen setzte er an das Sattelgelenk und an beide äußere Enden des Kahnbeins, zwar wusste er zu diesem Zeitpunkt weder, wie die jeweilige anatomisch korrekte Bezeichnung war, dies lernte er erst in den folgenden Jahren, doch wusste er, dass es schmerzen würde. Die letzte Markierung war Thomas nur allzu bekannt. Zu häufig hatte er einem Kellner mit dem Zeigen auf eben genau diese Stelle klar gemacht, dass er sein Steak gerne medium hätte. Elijah setzte die erste Schraube und Thomas‘ gesamter Körper spannte sich an. Ein unheimlicher Schmerz, den er nicht kontrollieren konnte, machte sich in seinem Körper breit. Die Knochen knarzten, als die Schrauben nach und nach in sie eindrangen und Thomas‘ Hand fühlte sich an, als würde sie durch die Masse des zusätzlichen Metalls in ihr langsam explodieren. Nach der achten Schraube war Thomas nicht mehr in der Lage den Schmerz zu verkraften und wurde ohnmächtig. »Weißt du, ich habe dich beobachtet, als ich dir sagte, wie ich deine Finger abtrenne«, sprach Elijah zu Thomas, als dieser gerade wieder zu sich gekommen war. »Ich war mir nicht ganz sicher, was am Schlimmsten für dich sein würde. Ich hätte gedacht, es wäre das Abbrennen gewesen, aber die Schrauben haben dich wohl echt fertig gemacht«, führte er weiter aus.

»Glückwunsch, genauso wirst du die übrigen Fünf verlieren.« Thomas konnte nicht fassen, was Elijah ihm gerade gesagt hatte. War es denn nicht schon schlimm genug, dass er ihn umbringen würde?

»Biffe nich«, stammelte er in seinen Knebel. »Ich hawe Geld!«

»Ich zahe waf du wiffst«, versuchte er Elijah irgendwie mitzuteilen. Natürlich stimmte das nicht, aber er hätte alles getan, um der Situation noch entkommen zu können. Thomas wurde wieder ohnmächtig.

Er wusste nicht, wie spät es war, als er wieder aufwachte oder wie lange er schon an den Sessel gefesselt war. Es muss jedoch lange gewesen sein, denn die Kerzen, die seinem Folterer Licht spendeten, waren schon fast erloschen. Das Einzige, was er wusste, war, dass er, während er ohnmächtig in dem Sessel saß, sich selbst bepisst hatte. Es roch nach verbranntem Fleisch, Blut und Urin. Ein Gestank, der jedes Raststättenklo übertüncht hätte. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er allein im Keller war. Es gab keine Spur von Elijah und auch über ihm hörte er keine Schritte oder Bewegungen auf dem alten Holzfußboden. Er blickte sich in dem kleinen Keller um und suchte nach etwas, das ihn hätte retten können. Er fragte sich nicht, wieso die Kerzen noch brannten und wieso Elijah sie nicht erloschen hatte. Vielleicht hatte er es vergessen, dachte sich Thomas. Er konnte nicht wissen, dass Elijah so etwas Lächerliches nie vergessen würde. Thomas blickte sich um und sah rechts vor ihm, etwas weniger als einen Meter entfernt, das Messer liegen, mit dem sein Peiniger ihm zuvor die Augenlider genommen hatte.

»Wenn ich da nur rankommen würde«, dachte sich Thomas, »dann könnte ich meine Fesseln lösen.« Er überlegte kurz und begann dann seinen Oberkörper blitzartig nach vorne zu bewegen, um ihn dann im richtigen Moment wieder nach hinten zu ziehen. So versuchte er genug Schwung aufzubauen, um den Sessel in eine stetige, kippelnde Bewegung zu bekommen. Langsam aber sicher gelang es Thomas durch sein Kippeln immer mehr, den Sessel in eine konstante Vorwärts- und Rückwärtsbewegung zu versetzen. Mit den Fingerspitzen seiner rechten Hand, Elijah hatte die Finger während seiner Ohnmacht offenbar noch nicht verstümmeln wollen, berührte er schon beinahe das Messer. »Nur noch einmal Schwung holen«, dachte er sich, »dann hab ich’s.« Als Thomas ein letztes Mal seinen Rücken gegen die Rückenlehne warf, um mehr Schwung aufzubauen, legt er seinen Kopf in den Nacken und blickte das erste Mal nach oben. Dort sah er Elijah, der die ganze Zeit regungslos hinter ihm stand und seinen Kopf über Thomas beugte, der noch immer im Sessel saß. Thomas wurde sofort kreidebleich und das Letzte, was er sehen sollte, bevor Elijah ihm die Kehle durchschnitt, waren Elijahs wunderschöne grüne Augen. Elijah summte: »Look down, look down… upon your fellow man…«

Kapitel 1 – Die Geister der Vergangenheit

»Gibt es sonst noch etwas, das Sie mir sagen können?«, fragte Detective Morrigan Elijah. Sie setze noch einmal ihre Tasse an ihre Lippen und trank einen Schluck Kaffee. Elijah wusste, dass der Kaffee mittlerweile schon eiskalt und bitter sein musste. Detective Morrigan hatte die Tasse, zu der Zeit noch heiß und dampfend, mit in ihr Büro genommen, als sie Elijah hineingebeten hatte und seitdem nicht wieder aufgefüllt. Es fühlte sich wie Stunden an, die Elijah und Detective Morrigan in ihrem kleinen Büro saßen, um das Verschwinden von Elijahs Familie genauestens zu erörtern. Der Blick zur kleinen, tickenden Uhr rechts neben dem Fenster zum Innenhof gab ihm Recht. Exakt 09 Stunden, 05 Minuten und 18 Sekunden, als Elijah auf die Uhr schaute. Er war mittlerweile knappe zwei Stunden in dem kleinen Büro, noch immer völlig aufgelöst und den Tränen nahe. »Nein«, antwortete Elijah mit ruhiger, aber dennoch leicht zitternden Stimme. Er wusste nicht, ob seine Stimme zitterte, weil er Angst um seine Familie hatte oder aber, weil er Angst um sich hatte und Angst davor, dass Detective Morrigan durchschauen würde, wer er war und was er getan hatte. Er hatte sich in den letzten siebzehn Jahren ein Leben aufgebaut. Ein Leben, dass er jetzt in Gefahr sah zu verlieren. Und das konnte er nicht zulassen. Elijah wollte nicht, dass sein Leben durch die Taten eines Fremden geändert wird, hatte er doch Angst davor, enttarnt zu werden. Natürlich hatte er auch Angst um seine Familie. Er liebte seine Frau und seine vier Kinder. Er zeigte es zwar selten – und sagen tat er es nie – doch er liebte die fünf. Er war jahrelang einsam gewesen und lebte als gebrochener Mann, doch seine Familie gab ihm einen neuen Lebenswillen. Er hatte dafür kämpfen müssen, was seinen Opfern einfach so zuflog. Diesen Umstand fand Elijah schon immer schmerzend. Er akzeptierte zwar die Ungerechtigkeit der Welt, wollte jedoch seinen Teil dazu beitragen, die Welt in seinen Augen ein wenig gerechter zu machen. Und das konnte er nur, wenn er auf freiem Fuß war und wenn seine Familie da war, um ihm Kraft zu geben. Auch wenn seine Familie natürlich nie etwas von dem erfahren durfte, was er tat.

»Nein, da gibt es nichts«, setze er nach. »Ich wüsste auch nicht, ob ich noch irgendetwas vergessen hätte.«

»Ist ihnen in den letzten Tagen irgendetwas ungewöhnlich vorgekommen?«, fragte ihn Detective Morrigan, während sie ihn mit ihrem musternden Blick anschaute. Doch auch das verneinte Elijah. Dieses Mal hatte er kein Zittern in der Stimme, denn es war die absolute Wahrheit, die reine Wahrheit. Es gab nichts in den letzten Tagen, was ihn hätte stutzig machen müssen. Er war immer sehr aufmerksam, er bemerkte jede noch so kleine Veränderung. Einmal fragte er seine Nachbarn, ob bei ihnen alles ok sei, weil sie nicht wie gewohnt an jedem zweiten Dienstag das Gras schnitten, sondern erst am Donnerstag.

»Nein, wir sind nur nicht dazu gekommen, aber wieso fragen sie das? Stalken sie uns?«, blaffte ihn damals nur sein etwas mürrischer, aber eigentlich immer sehr zuvorkommender Nachbar Hank an. Er war ein wenig in Erklärungsnot geraten und flüchtete sich mit der Notlüge, dass er das nur wissen würde, weil er auch an jedem zweiten Dienstag im Restaurant mit seiner Frau war und ihnen jedes Mal auf dem Rückweg der frisch geschnittene Rasen auffiel. Natürlich eine glatte Lüge und zum Glück hatte Hank nicht weiter gefragt, wie er im Dunkeln den Rasen sehen könne, aber das fiel ihm in dem Moment nicht ein und er reichte Elijah die Hand.

»Ich bin übrigens Hank«, sagte er ihm.

»Nun Mr. Cray, so leid es mir tut, aber aktuell können wir nicht viel machen. Gehen sie nach Hause und ruhen sie sich aus. Wenn ihnen noch irgendetwas einfällt, melden sie sich«, sagte Detective Morrigan. »Wir haben, falls sich der Täter bezüglich einer Lösegeldforderung oder dergleichen bei Ihnen melden sollte, ein Aufnahmegerät an ihr Telefon angeschlossen, dies zeichnet alle eingehenden und ausgehenden Anrufe auf«, sagte der Detective noch.

»Können Sie nicht eine Fangschaltung einrichten, um den Täter aufzuspüren?«, fragte Elijah den Detective hoffnungsvoll.

»Sie sehen zu viele Filme, Mr. Cray. Im echten Leben funktioniert das nicht so einfach. Natürlich können wir Telefonsignale und auch Handysignale zurückverfolgen, aber binnen weniger Sekunden geht das nicht. Außerdem lässt sich so ein Gerät einfach austricksen und würde ohnehin nur funktionieren, wenn der Täter kein Wegwerfhandy benutzt.«

»Aber sie müssen es doch wenigstens versuchen Detective«, bettelte Elijah schon fast.

»Keine Sorge, Mr. Cray. Wir wissen, was wir tun«, sagte Detective Morrigan.

»Außerdem erwarten wir in den nächsten Stunden, maximal in den nächsten Tagen, Unterstützung von der CARD, die werden sich dann der Sache annehmen.«

»CARD?«, fragte Elijah.

»Child Abduction Rapid Deployment, eine Sonderabteilung des FBI«, antwortete ihm Detective Morrigan.

»FBI?«, fragte Elijah.

»Ja, FBI. Wenn bei einer Entführung Kinder beteiligt sind, wie in ihrem Fall, wird automatisch das FBI verständigt, dass dann einige Delegierte losschickt, um den ortsansässigen Behörden mit ihrer Infrastruktur und ihrem Know-How zur Seite zu stehen.«

»Verstehe«, sagte Elijah.

Er war in der Tat mittlerweile völlig erschöpft, nickte deshalb zustimmend und stand auf. Er drehte sich um, ging drei Schritte nach vorne und öffnete die Tür.

»Bitte, finden sie sie«, sagte er noch kurz, dieses Mal mit einer überraschend weinerlichen Stimme. Dann ging er durch die Tür und verschwand.

Zu Hause angekommen, setzte sich Elijah auf die Couch, atmete tief ein, und fing an zu weinen. All der Schmerz, den er die letzten Stunden verstecken musste, viel von ihm ab und er weinte, wie er seit seiner Kindheit nicht mehr geweint hatte. Er brauchte beinahe eine Stunde und etliche Packungen Taschentücher, bis er sich wieder gefangen hatte und einen klaren Gedanken fassen konnte.

»Denk nach! Denk verdammt noch mal nach! Wer kann dir das angetan haben?«

Er überlegte. Er überlegte lange und genau, wessen Familien er in der Vergangenheit ausgelöscht hatte und wer ihm das hätte antun können. Es musste jemand sein, den er schon kannte, die Gemeinsamkeiten zu den Morden, die Elijah in den letzten Jahren begangen hatte, von denen aber niemand wusste, und dem Vorgehen des Täters beim Verschwinden seiner Familie hier, waren einfach zu auffällig. Das war auch schon der Polizei aufgefallen. Elijah liebt es, die Familien von Männern, die in seinen Augen unzulänglich waren und eine Familie nicht verdient hatten, zu entführen und umzubringen. Er tötete nur die Frauen und Kinder, die Männer ließ er in ihrem Leid zurück. Manche, so erfuhr er später immer, nahmen sich das Leben, manche heirateten wieder, manchen hing er die Morde an und manche waren für ihr Leben gebrochen. Über die letzten Jahre war er immer routinierter und sicherer geworden, wusste genau, wo er welche Schnitte setzen musste, wann er wie ein Fenster einschlagen musste, damit es niemandem auffallen würde und wie er seine Opfer betäubte, damit er sich, ohne gestört zu werden, an sein Werk machen konnte. Aus den dutzenden, beinahe hunderten Morden, die er verübt hatte, lernte er eine Menge über den menschlichen Körper und darüber, wozu Menschen in der Lage waren. Einmal warf er eine junge Frau, nicht älter als er zu der Zeit, auf den Boden und brach ihr den Oberschenkel, bevor er sich an ihr Neugeborenes machte. Trotz gebrochenem Oberschenkel stand diese dumme Schlampe auf und wagte es ihn anzugreifen. Er hielt es bis dahin immer für unmöglich, mit einem gebrochenen Oberschenkel aus liegender Position aufzustehen. Das, so meinte er, war das, was alle ›gefährliches Halbwissen‹ nannten. Ein anderes Beispiel dafür war, dass es durchaus mehr als nur zwei bis drei Sekunden dauerte, bis jemand von Chloroform Ohnmächtig wird. Dies lernte er direkt bei seinem ersten Opfer nach Thomas. Beinahe fünf Minuten dauerte es, bis sein Opfer, Julius hieß er, ohnmächtig wurde. Seitdem hatte er viele verschiedene Alternativen gesucht. Ketamin war für ihn, nachdem Chloroform ausschied, die erste Alternative, da diese aber ebenso wenig wirksam war wie Diazepam, testete er weiter. Schließlich war er dann bei Gamma-Hydroxy-Butyrat hängen geblieben. Der Vorteil dabei war, dass er verschiedene Getränke präparieren konnte und dann nur warten musste. Außerdem war es schwer nachzuweisen und verhältnismäßig einfach zu besorgen. Er lernte nicht nur viel über fremde Körper, sondern auch über seinen eigenen. Der Kopfschmerz, den er jahrelang immer und immer wieder hatte, sobald jemand die Stimme erhob oder die Lautstärke leicht erhöht war, verschwand von Mord zu Mord mehr, bis er zwischenzeitlich komplett befreit davon war. Zu diesem Zeitpunkt hatte er aber schon zu viel Spaß an seinen Machtspielchen gefunden, um jemals wieder aufzuhören. Dass er, seit er regelmäßiger mordete, immer schlechter schlief, hatte für ihn nichts damit zu tun. Später sollte sich herausstellen, dass dies eine der wenig wahren Annahmen war, die er hatte.

Nun waren seine Frau Michelle und seine Söhne Conner und Jonah, sowie seine beiden Zwillingstöchter Emily und Jessica, spurlos verschwunden. Die Polizei glaubte, es war derselbe Täter, der seit nunmehr 19 Jahren mordete, doch Elijah wusste, dies konnte nicht sein. Und er wusste, dass es nur einen einzigen Menschen auf der Welt geben konnte, der ebenso wusste, dass Elijah hier nicht der Täter war, wie er selbst es wusste. Irgendjemand aus Elijahs Vergangenheit musste das geschafft haben, was die hiesigen Polizeibehörden nie zu schaffen vermochten: Ihm auf die Schliche zu kommen! Doch wer konnte es sein? Er waren so viele in den letzten beinahe zwei Jahrzehnten gewesen. Doch warum jetzt? Warum heute? Hatte er so lange gebraucht, um herauszufinden, wer Elijah war? Oder war es jemand, dessen Leben er erst vor Kurzem mit seinen Spielzeugen beeinflusst hatte? Er wusste, wenn er seine Familie finden und, sofern sie noch lebten, sie retten wollte, musste er jeden einzelnen Mord in seiner Vergangenheit noch einmal durchgehen. Er brauchte hierfür keine Notizen, Andenken oder sonst etwas. Sein, wie er von sich selbst dachte, perfektes Gehirn und seine Detailverliebtheit besorgten dies schon. Er merkte sich alles. Jeder andere hätte sicherlich ein Buch mit perfiden Erinnerungen, abgeschnittenen Ohren, Füßen oder sonst irgendwelche widerlichen Andenken. Sinnloses Morden fand er immer abstoßend. Einmal hörte er sogar von einem Mörder, der seine Mutter und eine ihrer Freundinnen tötete, vergewaltigte und den Kopf seiner Mutter abschnitt, nur um sich dann selbst mit ihrem Mund befriedigen zu können. Doch Elijah war anders. Er tötete nur, um Männer, die er für wertlos erachtete, dem zuzuführen, was sie verdienten – Leid! Er selbst hatte viel zu viel Negatives im Leben erlebt und so wuchs von Tag zu Tag mehr der Hass und die Eifersucht auf seine Mitmenschen. Ob ihn das zu einem schlechten Menschen machte? Darüber dachte er nie nach. Und selbst wenn, dann wäre es auch egal gewesen. Über die Jahre hatte er zu viel Freude an dem gefunden, was er tat. Es war ein perfekter Ausgleich zu seinem täglichen, monotonen Leben, auch wenn er die Monotonie auf seine verschrobene Art sehr schätzte. Sie hatte etwas Beständiges und sehr Genaues. Er liebte Genauigkeit.

Noch immer auf der Couch sitzend fasste Elijah einen detaillierten Plan, um herauszufinden, welches widerliche Subjekt ihm das angetan hatte. Er fasste auch bereits einen Plan, wie er diesen menschlichen Abfall mit seinen Spielzeugen das größtmögliche Leid zufügen könnte. Er hatte nie vorausgeplant, er ließ sich immer von der Situation und der Reaktion seiner Opfer beeinflussen. Wobei, er fand immer ›Opfer‹ sei das falsche Wort, Spielkameraden würde besser passen. Doch bei diesem Stück Scheiße, diesem Abfall, diesem unnötigen Luftverschwender würde ‚Opfer‘ passen. Und er brauchte einen Plan. Einen Plan, der alles übertreffen würde, was er jemals getan hatte. Wo die ersten Punkte seines Plans, nämlich das Auffinden des Subjekts, schnell gefasst waren, nahm er sich für das Ausmahlen des Todes seines Opfers mehr als genug Zeit. Um herauszufinden, welcher genetische Abfall ihm das angetan hatte, würde er erst sein Haus von oben bis unten nach Hinweisen durchsuchen. Die Polizei hatte dies zwar schon getan, doch er wusste, worauf er achten muss. Wer auch immer das war, wird Elijah zu verstehen geben wollen, wer er ist. Es musste Hinweise geben. Als nächstes würde er, nachdem er alle Hinweise und Beweise zusammengetragen hatte, alle seine ehemaligen Spielkameraden durchgehen, um herauszufinden, wer in Frage kommt. Danach ist alles einfach. Er würde seine gedankliche Liste nach und nach abarbeiten und jeden so lange mit seinen Spielzeugen bearbeiten, bis einer endlich einknicken und er seine Familie wiederhaben würde. Und wer auch immer dies getan hatte, er würde ihn verstümmeln und foltern. Tage- vielleicht sogar wochenlang. Er würde ihm jeden Finger und Zeh einzeln und langsam mit seiner alten, rostigen Säge abtrennen. Er würde ihm, beinahe schon obligatorisch, die Augenlider abschneiden und die Zähne einzeln mit einer Rohrzange ziehen. Er würde die Ohren abtrennen, Autobatterien an die Brustwarzen klemmen, Nägel durch seine Gelenke schlagen und seine Genitalien langsam mit einem Teppichmesser entfernen. Seinen Schwanz würde er ihm in den Mund stopfen und seine Eier vor ihm an die Wand nageln, damit er sie sehen konnte, bevor er ihm die Kehle durchschneiden würde.

Elijah erwischte sich dabei, wie er, noch mit Tränen auf der Wange, auf der Couch saß und anfing zu lachen. Er freute sich mehr auf dieses Opfer, als auf alle anderen zuvor. Er redete sich ein, dass dies daran lag, dass er dann auch endlich wieder seine Familie wiederhaben würde, doch tief in seinem Inneren wusste auch er, dass dies gelogen war. Er freute sich darauf, eine neue Grenze zu überschreiten. Mittlerweile war es 12 Uhr am Nachtmittag, 05 Minuten und 0 Sekunden, beinahe Zeit für das Mittagessen. Elijah aß immer um genau fünf vor zwei. An jedem Tag. Unter der Woche ließ sich dies immer gut mit seiner Arbeit verbinden, am Wochenende war es einfach Bequemlichkeit. Elijah stand von der Couch auf, vollführte eine Vierteldrehung nach rechts, ging ein paar Schritte aus dem offenen Wohnzimmer heraus und steuerte direkt auf die Vorratskammer zu. Als er so vor der Kammer stand, überlegte er noch, er müsste etwas essen, dass in etwa 20 Minuten fertig sein würde. Später essen, nur weil seine Familie entführt wurde, kam nicht in Frage. Elijah griff mit der rechten Hand an die alte, leicht verroste Türklinke der massiven Eichentür, drückte sie runter und öffnete selbige. Von der Decke hing eine alte Glühbirne mit einem Seilzug, um diese anzuschalten. Elijah mochte das Aussehen, es erinnerte ihn immer an die Horrorfilme, die er gerne sah. Er zog einmal an dem Seilzug und die Glühbirne flackerte kurz auf, bis sie ihr konstantes, gelbliches Licht abgab. Elijah trat in die Kammer und blickte sich um. Die Vorratskammer war immer gut gefüllt. Seine Frau Michelle war immer der Meinung, man müsse genug Essen im Haus haben, um ohne Probleme ein bis zwei Monate überleben zu können.

»Man weiß ja nie, wann die Schlitzaugen kommen und wir nicht mehr einkaufen können«, sagte sie einmal zu Elijah. Elijah, der selbst schwarze Vorfahren hatte, sah es ähnlich. Zwar waren weder er noch seine Frau Rassisten, aber es gab bestimmte Rassen, die sie einfach nicht mochten. Italiener, Polen, Chinesen & Japaner, die ja quasi dasselbe sind, Mexikaner und Australier waren halt einfach genetisch nicht so gut entwickelt in ihren Augen. Elijah ließ seinen Blick durch die ganze Kammer schweifen, vorbei an dutzenden Gurkengläsern, Mehl, Nudeln, Toilettenpapier, Konservendosen, Wasserkanistern und einem ganzen Fach voller Werkzeuge. Keine Werkzeuge, wie Elijah sie verwendete, richtiges Werkzeug. Elijah entschied sich für eine Konservendose Ravioli mit Fleisch. Fleisch war wichtig und Menschen müssen Fleisch essen. Veganer und diese ganzen dummen Hippies waren in Elijahs Augen beinahe genauso schlimm wie die dämlichen Bohnenfresser. Aber die Bohnenfresser aßen wenigstens noch Fleisch. Veganer - so ein widerliches Pack. Immer krank, mit