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Manchmal verliert man und manchmal gewinnen die Anderen. Klingt wie Zufall, ist aber das Ergebnis eines gezielt manipulierten Systems. Unseres Systems. Es garantiert, dass Du der Verlierer bist und bleibst! Du weißt es nur nicht. Dieses Buch zeigt anhand alltäglicher Beispiele wie die Mehrheit der Menschen in Deutschland von den „oberen 1%“ benutzt und ausgenommen wird – auch Du. Es wird Dich wütend machen! Willst Du Dir das wirklich antun? Wieso zahlen dann Spitzenverdiener weniger Sozialversicherungsbeiträge? Warum gibt es höhere Steuern für Einkommen aus Arbeit als für Einkommen aus Kapitalanlagen? Wieso gibt es einen höheren Mehrwertsteuersatz auf Windeln als auf Blumensträuße? Warum müssen Besserverdiener weniger für ihre Krankenversicherung bezahlen und bekommen dafür auch noch bessere Leistungen? Warum erschweren Gesetze, dass arme Familien eine Mietwohnung bekommen? Warum zahlen Airlines und Kreuzfahrschiffer keine Steuern auf Kraftstoffe? Wieso ist pendeln mit dem ÖPNV oder Auto so teuer? Und wieso profitieren wir kaum vom wirtschaftlichen Aufschwung? Warum ignorieren die Medien viele dieser Themen? Die Antworten auf diese und viele weitere Fragen gibt Stefan Daniel Krempl nun in seinem neuen Buch: „Deutschland ist asozial“ Der Autor fasst anschaulich und gut erklärt zusammen, was jeder Bürger manchmal spürt: Wie wir von der Politik benachteiligt werden. Er zeigt die Mechanismen der sozialen Ungleichheit auf und hält uns allen vor Augen, wo Ressourcen in unserem politischen und wirtschaftlichen System ungleich verteilt werden. Gleichzeitig bietet er aber auch Lösungen für grundsätzliche Systemprobleme an. Der Autor erläutert zehn große Themenkomplexe und lädt Sie ein, sich einmal genauer mit Ihrem eigenen Alltag auseinander zu setzen: „Ihre Welt wird danach eine andere sein. Oder endlich jene, die sie in Wirklichkeit schon immer war...“
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Seitenzahl: 254
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Impressum
© 2021 RhinoVerlag Dr. Lutz Gebhardt & Söhne GmbH & Co. KG
Am Hang 27, 98693 IlmenauTel.: 03677 / 46628-0, Fax: 03677 / 46628-80www.RhinoVerlag.de
1. Auflage 2021
Alle Rechte vorbehalten.
Nachdruck, Vervielfältigung und Verbreitung – auch von Teilen – bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung des Verlages. Das gilt insbesondere für Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verbreitung in elektronischen Systemen.
Titelgestaltung: Verlag grünes herz®, Sibylle Senftleben
Satz: Verlag grünes herz®, Nicole Güntek
Druck: Florjančič tisk d.o.o., Maribor
ISBN: 978-3-95560-705-0
Stefan Daniel Krempl
Deutsch
land
ist
asozial
Wie wir von der Politik systematisch benachteiligt werden –
Mechanismen der sozialen Ungleichheit
Inhaltsverzeichnis
Einführung
Wie wir um unseren Lohn betrogen werden
Sozialversicherungsbeiträge
Steuerungleichheit bei Privatpersonen
Steuerfreibeträge für Kinder nur relevant für Besserverdiener
Erbschaftssteuer
Kosten für Pflegeheime
Mehrwertsteuer
Ökosteuer / CO2-Abgabe / EEG-Umlage
Rundfunkbeitrag
Steuerungleichheit Großunternehmen vs. Kleinunternehmer 27
Ungleicher Wettbewerb zwischen Großkonzernen und kleinen Unternehmen
Weshalb wir früher sterben
Covid19 trifft vor allem die Mittel- und Unterschicht
Zweiklassengesundheitssystem
Zuzahlungen für Gesundheitsleistungen
Hohe Kosten für Medikamente
Tabaksteuer und Tabakwerbung
Gesunde Lebensmittel teurer
Schlechte Arbeitsbedingungen
Rentenversicherung ignoriert Lebenserwartung
Warum für uns alles teurer ist als für Reiche
Teure Kinderbetreuung
Diskriminierung von Armen durch die Privatwirtschaft
Bürokratische Hürden für Sozialleistungen
Komplexes Einkommenssteuerrecht
Bürokratie für Kleinunternehmer
Agrarsubventionen und Betriebsgröße
Recht haben und Recht bekommen
Kurzlebigkeit von Konsumgütern
Wen die Politik beschenkt
Subventionen für Wohlhabende
Kirchen
Profifußball
Unternehmen
Indirekte Subventionen
Wer von Immigration profitiert
Einwanderung qualifizierter Fachkräfte
Einwanderung Geflüchteter
Belastungen für den Sozialstaat
Soziale Konflikte aufgrund von Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt
Soziale Konflikte aufgrund des Männerüberschusses
Probleme an Schulen
Höhere Mieten
Kriminalität
Sexualstraftaten
Gewalt gegen sexuelle Minderheiten
Übergriffe gegen Juden
Sind Menschen mit Immigrationshintergrund krimineller?
Konflikte aufgrund politischer Ausspielung zwischen Immigranten und Einheimischen
Übergriffe gegen Moscheen
Übergriffe gegen Geflüchtete
Teile und herrsche
Für eine bessere und sozialere Immigrationspolitik
Welche Geflüchteten sollten aufgenommen werden?
Aufnahmetests für Immigrationswillige
Rückführungen abgelehnter Geflüchteter
Anreize für Wirtschaftsgeflüchtete
Unterstützung von Menschen in Not
Wieso wir durch Mieten arm bleiben
Kaufnebenkosten erschweren den Immobilienerwerb
Hohe Mieten erschweren die Vermögensbildung
Pfändungsfreigrenzen erschweren Wohnungssuche von Geringverdienern
Wieso Sozialleistungsempfänger so schlecht eine Wohnung finden
Künstliche Verknappung von Wohnraum
Sozialer Wohnungsbau und Genossenschaftswohnungen
Immobilienmodernisierung auf Miete umlegbar
Kabelfernsehen oft Pflicht
Rauswurfrisiko Eigenbedarfskündigung
Was unsere Mobilität so teuer macht
Steuern auf Benzin und Diesel
Fahrverbote für ältere Benzin- und Dieselfahrzeuge
E10 Benzin und Bioanteil im Diesel
Autogas versus Benzin
Teure Anwohnerparkplätze
Kfz-Steuer meist höher für ältere Autos
Kfz-Haftpflichtversicherung oft teurer für Arme
Kaufsubventionen für Neuwagen
Autos sind Wegwerfprodukte
Öffentlicher Personennahverkehr
Welche Bildungs- und Karrierechancen wir nicht bekommen
Lehrerempfehlung zu Übertritt auf höhere Schule
Keine Erstattung der Fahrtkosten für Schüler
BaföG nicht an reale Wohnkosten gekoppelt
Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt
Netzwerke
Sprachgebrauch
Wo wir im großen Stil abgezockt werden
Wer profitiert von höherer Produktivität?
Aufschwung durch schlechte Entlohnung
EU-Zahlungen
Bankenrettungen
Hochfrequenzhandel
Inflation
Kaufkraftverlust durch Zinsen unter Inflationsniveau
Abwertung des Euro
Target-Salden
Geldschöpfung der Geschäftsbanken
Geldschöpfung der Europäischen Zentralbank (EZB)
Staatsverschuldung
Staatsfinanzierung durch die Zentralbanken
Aktienkäufe durch EZB
Wodurch das System uns manipuliert
Soziale Klasse
Medienkonzentration
Mechanismen zur Wählerbeeinflussung
Verbindungen zwischen Politik und Medien
Schlechte Bezahlung von Journalisten
Angst und Wut als Erfolgsrezept
Offizielle Verbindungen zwischen Medien, Großkonzernen und der Politik
Grosskonzerne bestimmen welche Informationen wir sehen
Unternehmen beeinflussen die öffentliche Meinung
Umfragen
Spezifische Wahlwerbung
Organisationen und Parteien
Wer wird (und bleibt) Politiker?
Bekämpfung politischer Gegner
Der Rechtsstaat
Parteispenden
Politiker in Wirtschaftspositionen
Lobbyismus
Korruption
Wahlentscheidungen nicht rationell
Systemevolution
Womit Deutschland demokratischer und sozialer wird
Wissensbasierte direkte Demokratie
Quellenverzeichnis
Einführung
Die soziale Ungleichheit in Deutschland kommt nicht aus dem Nichts – sie ist gemacht, und zwar von den Volksvertretern, die das Volk nicht „ver“treten, sondern eher „zer“treten.
Es gibt nicht einen einzelnen großen Umverteilungsmechanismus von arm zu reich, sondern viele verschiedene politische Maßnahmen, die zusammen genommen genau diesen Effekt begünstigen, sogar darauf abzielen. Einige davon werde ich in diesem Buch beschreiben und Alternativen aufzeigen.
Im Anschluss werde ich darauf eingehen, wie es der Elite in Deutschland gelingt, die Demokratie so zu manipulieren, dass die meisten Menschen von der Ungerechtigkeit wenig merken und die gegenwärtige Politik weiterhin unterstützen. Aber auch Menschen, denen bewusst ist, dass sie von der Politik benachteiligt werden, blenden dies oft aus. Denn niemand sieht sich gerne als Verlierer. Es gehört also ein gewisses Maß an Selbstsicherheit dazu, dieses Buch zu lesen, weil man gegebenenfalls erkennt, dass man selbst als gebildeter Mensch mit mittlerem Einkommen in vielen Lebensbereichen benachteiligt wird.
Abschließend stelle ich einen Lösungsvorschlag zur Diskussion, der die Probleme des gegenwärtigen Systems lösen könnte, indem die Demokratie gestärkt und weniger anfällig für Manipulation gemacht wird.
Begleiten Sie mich auf meinen Ausführungen und Sie werden feststellen, dass Ihre Welt am Ende dieses Buches eine andere ist… oder endlich die ist, die sie in Wirklichkeit schon immer war.
Wie wir um unseren Lohn betrogen werden
Wer wenig verdient, dem nimmt der Staat prozentual viel mehr weg als Gutverdienern. Das zeigt sich darin, dass Geringverdiener anteilig mehr Sozialversicherungsbeiträge und in vielen Fällen auch höhere Steuern zahlen müssen.
Sozialversicherungsbeiträge
Beitragsbemessungsgrenze bei Sozialversicherungsbeiträgen – das klingt zuerst mal so, als ob Geringverdiener erst ab einem bestimmten Einkommen Sozialabgaben auf ihren Verdienst entrichten müssten bzw. einen geringeren Prozentsatz abführen müssten. Aber das Buch heißt ja „Deutschland ist asozial“, also würde so eine soziale Politik nicht zum Titel und unserem Land passen. In der Realität ist es in Deutschland auch genau andersherum: Wer ein hohes Einkommen hat, muss prozentual weniger Sozialversicherungsbeiträge entrichten. Ab einem Jahreseinkommen von 82.800 Euro (alte Bundesländer) muss für alles was darüber hinaus verdient wird, kein Beitrag mehr für die Renten- und Arbeitslosenversicherung entrichtet werden. Bei der gesetzlichen Krankenversicherung wird das Gehalt über 56.250 Euro pro Jahr nicht mehr mit Krankenversicherungsbeiträgen belastet. Im Endeffekt muss ein Spitzenverdiener einen geringeren Prozentsatz seines Einkommens für Sozialabgaben abführen als ein Geringverdiener. Es wäre schon unsozial, wenn jeder, ungeachtet der Einkünfte, den gleichen Prozentsatz des Einkommens für Sozialversicherungen abführen muss – richtig asozial ist jedoch, dass diejenigen mit einem hohen Einkommen einen geringeren Prozentsatz zahlen.
Wieso wird die Beitragsbemessungsgrenze für Besserverdiener nicht abgeschafft und stattdessen eine Beitragsbemessungsgrenze für Geringverdiener eingeführt? Diese müssten dann keine Sozialabgaben abführen, was ihnen mehr Nettoeinkommen und damit weniger Abhängigkeit von sozialen Transferleistungen ermöglichen würde. Darüber hinaus würde somit auch die Schwarzarbeit zurückgedrängt werden. Denkbar wäre auch, Sozialversicherungsbeiträge über die progressive Einkommenssteuer zu erheben, damit Personen mit höheren Einkünften auch mehr Sozialbeiträge entrichten.
Steuerungleichheit bei Privatpersonen
A ist Arbeitnehmer. Er erwirtschaftet für seinen Arbeitgeber Leistungen im Gegenwert von rund 100.000 Euro im Jahr. Die Aufwendungen von A’s Arbeitgeber (für seinen Lohn sowie die Lohnnebenkosten) betragen pro Jahr für ihn rund 50.000 Euro. B ist faul. Sie arbeitet nicht, aber hat geerbt und sich dafür ein Mehrfamilienhaus gekauft. Das war günstig, weil es schon alt und nicht modernisiert ist. Sie vermietet die Wohnungen und lässt mit den Mieteinnahmen, die über dem Steuerfreibetrag liegen, jedes Jahr Modernisierungsmaßnahmen durchführen, die sie von der Steuer abziehen kann. Somit zahlt B auf ihre Mieteinnahmen nicht nur keine Sozialabgaben, sondern auch keine Steuern. Nach 10 Jahren ist das komplette Haus top renoviert und damit viel mehr wert. Jetzt verkauft B es und macht einen Gewinn von 500.000 Euro – darauf muss sie weder Sozialabgaben noch Steuern zahlen – und das alles ganz legal.
Kommen wir zurück zu A. Von den 50.000 Euro pro Jahr, die sein Arbeitgeber für ihn aufwendet, bleiben A nach Abzug aller Steuern und Sozialabgaben gerade einmal rund 26.000 Euro übrig (Nettolohn.de, 2020). Nach 10 Jahren geleisteter Arbeit im Gegenwert von einer Million Euro, für die A’s Arbeitgeber 500.000 Euro für A ausgegeben hat, hat A nur 260.000 Euro bekommen – davon musste er natürlich Kosten tragen, z. B. für die Fahrten zur Arbeitsstätte oder fürs Essen in der Mittagspause, die er aufgrund seiner Berufstätigkeit hat. Von den 500.000 Euro Gewinn durch die Immobilienveräußerung von B bleiben ihr hingegen die kompletten 500.000 Euro.
Das Beispiel ist übrigens nicht unrealistisch, denn eine Investition in Immobilien hat in den letzten 10 Jahren z. B. in Berlin einen Wertzuwachs von 152 % erbracht (also 15 % jährlich, während es auf dem Sparbuch 0 % Zinsen gab). In München war die Wertsteigerung übrigens noch größer (Müller, 2019). Berlin und München sind keine absolute Ausnahme, denn auch in einigen Städten die als B-Lage klassifiziert werden, wie z. B. Nürnberg, haben sich die Immobilienpreise in den letzten 15 Jahren verdoppelt (Fuchsbauer, 2019).
Aber nicht nur im Immobilienbereich zeigt sich, wie ungerecht die deutsche Einkommenssteuer ist.
Angestellte A ist begabt und fleißig. Ihr Arbeitgeber lässt sich ihre Arbeit deshalb 100.000 Euro pro Jahr kosten. B spekuliert gerne an der Börse und erwirtschaftet damit 100.000 Euro pro Jahr. Beide sind alleinstehend und kinderlos und haben demnach beide die Steuerklasse 1. Nun bleiben A von den 100.000 Euro aber lediglich 47.000 Euro Nettogehalt übrig (Nettolohn.de, 2020). B muss auf seine Spekulationsgewinne und Dividenden aber maximal 25 % Steuern (plus einen geringen Solidaritätszuschlag und bei Kirchenmitgliedschaft evtl. Kirchensteuer) aber keine Sozialabgaben bezahlen. Damit bleiben B am Ende des Jahres 73.836 Euro – und wenn B keine weiteren Einkünfte hat und der Sparerpauschalbetrag nicht anderweitig genutzt wurde, sogar noch viel mehr.
Denn 25 % ist die maximale Steuer für Börsengewinne bzw. Dividenden. Erstmal kann der Sparerpauschalbetrag und dann der Steuerfreibetrag der Einkommenssteuer abgezogen werden, danach kann eine viel niedrigere Einkommenssteuer angesetzt werden. Erst wenn der Betrag die Einkommenssteuerschwelle von 25 % übersteigt, wird die maximale Steuer von 25 % für diese Einkommensart fällig.
Für Personen mit besonders hohen Einkünften kommen noch ganz andere legale Steuervermeidungsmethoden dazu, z. B. kann jemand seinen Wohnsitz in ein Steuerparadies verlegen – ob die Person wirklich mehr als 180 Tage im Jahr dort ist, kann nicht überprüft werden. Fakt ist, die Steuerpflichtigkeit ist an das Land gekoppelt, in dem jemand gemeldet ist. In Monaco z. B. gibt es in den meisten Fällen überhaupt keine Einkommenssteuer (Monte-Carlo.mc, n. d.).
Anders als Deutschland lassen sich aber die USA z. B. von Steuervermeidern nicht auf der Nase herumtanzen – denn jeder mit einer US-Staatsbürgerschaft muss an die US-Behörden Steuern bezahlen, egal wo er auf der Welt lebt und wo er sein Geld verdient. Eine Verlegung des Wohnsitzes zum Steuern sparen ist also sinnlos. Wer die US-amerikanische Staatsbürgerschaft abgeben will, bezahlt sogar eine hohe Austrittssteuer (Exit-Tax). Das ergibt Sinn, denn eine Staatsbürgerschaft gibt Rechte, z. B. Hilfe durch eine Botschaft im Ausland. Wenn jemand in einem Land die Schule besucht und eine Ausbildung gemacht hat, später aber im Ausland Geld verdient, würde das Heimatland mit dieser Person Geld verlieren. Deshalb ist die Steuerpflichtigkeit bzw. eine Austrittssteuer für Bürger eines Landes gerechtfertigt, egal wo sie leben und arbeiten.
Im Falle der Einkommenssteuer wird Einkommen aus Arbeit stärker besteuert als Einkünfte aus Spekulationen oder Gewinnen usw. Wieso werden nicht alle Einkünfte gleichermaßen mit Sozialabgaben und dem persönlichen Steuersatz belastet? Und wieso können Personen, die in Deutschland Geld verdienen, in einem Steuerparadies steuerpflichtig sein?
Steuerfreibeträge für Kinder nur relevant für Besserverdiener
Für jedes Kind gibt es einen Steuerfreibetrag, d. h. die Einkommenssteuer sinkt mit der Anzahl der Kinder. Aber was ist mit Familien, deren Einkommen so gering ist, dass sie sowieso kaum Steuern zahlen? Die haben dann nicht viel von diesem Steuerfreibetrag.
Wieso gibt es keine Freibeträge für Sozialabgaben? Diese werden ab dem ersten verdienten Cent eines sozialabgabenpflichtigen Einkommens abgezogen. Dass Familien bei den Sozialabgaben entlastet werden, z. B. durch einen Freibetrag für Kinder, wäre nicht nur sozial, sondern auch gerecht, da Kinder die künftigen Beitragszahler sind und deren Erziehung somit auch ein Dienst an der Allgemeinheit ist.
Erbschaftssteuer
Wer reich ist, hat scheinbar viel geleistet – oder hatte einfach Glück. Denn nicht Lotto, sondern Erbschaft macht die meisten Millionäre. Es überrascht nicht, dass zwei Drittel der Millionäre in Deutschland laut einer Umfrage durch Erbschaft bzw. Schenkung zu ihrem Vermögen kamen (Zeit, 2016).
Nehmen wir mal wieder A und B. A kommt aus einer kinderreichen Familie der Mittelschicht. Da die Eltern viel Geld für Miete bezahlen mussten, um Platz für ihre Kinder zu haben, besitzen sie nur wenige Ersparnisse – die nach deren Ableben auch noch durch die Anzahl der Kinder geteilt werden, sodass jedes einzelne Kind kaum etwas erbt.
B kommt aus einer reichen Familie und hat zudem keine Geschwister – sie erbt 200.000 Euro von den Großeltern von Seiten der Mutter, nochmals 200.000 Euro von den Großeltern väterlicherseits und 400.000 Euro von den Eltern. Davor gab es schon im Abstand von 10 Jahren mehrere Schenkungen von je 400.000 Euro von den Eltern und auch einige Schenkungen in Höhe von je 200.000 Euro von den Großeltern. B ist also ohne jegliche Arbeit zu einem Millionenvermögen gekommen, ohne dafür auch nur einen Cent an Steuern oder Sozialabgaben bezahlt zu haben – und das alles ganz legal, denn sowohl die Schenkungen wie auch die Erbschaften blieben immer unter den Freibetragsgrenzen.
Das Beispiel mag sehr theoretisch klingen, aber wenn man sich die Zahlen in der Praxis ansieht, ist so eine Strategie der Vermögensübertragung bei Wohlhabenden durchaus üblich. Denn obwohl im Jahr 2018 rund 31.000.000.000 Euro (31 Milliarden) in Deutschland vererbt wurden, fiel durchschnittlich nur ein Steuersatz von 5 % darauf an. Personen, die mehr als 100.000.000 Euro geerbt hatten, mussten sogar nur einen durchschnittlichen Steuersatz von 0,2 % darauf entrichten (Spiegel.de, 2019).
Ohne Erbschaft wird es schwierig mit dem Reichtum, denn auch wenn A vom ersten Tag ihres Lebens jeden Tag zehn Euro zurücklegt, um irgendwann auch Millionärin zu sein, müsste sie 274 Jahre alt werden, um das zu schaffen – aber auch nur, wenn die Inflationsrate bei 0 % liegt. Dass Reichtum in der Familie bleibt, zeigt sich am deutlichsten darin, dass Familien, die im Mittelalter vor 600 Jahren zu den Reichsten zählten, heutzutage immer noch zu den reichsten Dynastien gehören (Stocker, 2016).
Ohne Umverteilung durch z. B. eine nennenswerte Erbschafts- und Schenkungssteuer, die nicht einfach umgangen werden kann, wird sich die soziale Ungleichheit mehr und mehr verschärfen. Das ist nicht nur sozial ungerecht, sondern nach jeglicher moralischen Vorstellung ungerecht, denn Personen werden belohnt, die nichts dafür leisten mussten. Darüber hinaus führt es dazu, dass nicht die Leistungsträger, sondern deren Erben ohne jegliche erbrachte Leistung zu den Wohlhabendsten gehören. Wer Geld hat, kann dies auch einsetzen, um Einfluss auszuüben. Jemanden, der seinen Reichtum selbst erwirtschaftet hat, würde ich persönlich eine gewisse Intelligenz unterstellen – dies muss bei deren Nachkommen aber nicht der Fall sein. Also besteht die Gefahr, dass Menschen mit wenig Intelligenz großen politischen Einfluss haben. Einige davon werden sogar zu Präsidenten.
Kosten für Pflegeheime
Die steuerfreie Übertragung von Vermögen führt nicht nur zu Steuerausfällen sondern in vielen Fällen auch zu hohen Kosten für die Steuerzahler:
Die Eltern von A gehen in ein Pflegeheim. Sie zahlen dafür monatlich genau den durchschnittlichen Eigenbeitrag für ein Pflegeheim in Nordrhein-Westfalen von 2.357 Euro – pro Person, und ohne den Anteil, den die Pflegeversicherung übernimmt. Dass die Unterbringung in Pflegeheimen so teuer ist, liegt übrigens nicht nur an den Personalaufwand für die Pflege, denn auch die Heimbetreiber bzw. die Vermieter des Pflegeheimes verdienen kräftig mit. Schließlich sind Investitionen in Immobilien, die als Pflegeheime genutzt werden, lukrativer als Investitionen in Hotels, Büros oder andere Gewerbeobjekte (Schwaldt, 2015).
Monatlich verlieren also beide 4.714 Euro ihrer Ersparnisse. Da sie sich auch mal etwas kaufen oder ausgehen wollen, brauchen sie natürlich noch mehr Geld. Das Vermögen der Eltern von A, inklusive deren Wohnhaus, wird also sukzessive aufgebraucht bis nur noch ein Grundfreibetrag von 5.000 Euro pro Person übrig ist. Wenn schon ihr ganzes Vermögen für das Heim draufgeht – haben die Eltern von A es dann wenigstens gut dort? Ein Viertel bis ein Drittel des Pflegepersonals in NRW gab in einer Studie von 2004 an, dass sie selbst bereits Täter bzw. Zeuge einer Misshandlung von Heimbewohnern durch Pflegekräfte wurden (Garms-Hormolova et al., 2004). Auch ansonsten ist Vernachlässigung in Pflegeheimen alltäglich, wie die zahlreichen Skandale der letzten Jahre zeigen.
Die Eltern von B gehen in das gleiche Pflegeheim und bekommen die gleichen Leistungen. Sie haben ihr Vermögen aber schon frühzeitig an B übertragen. Die Kosten für das Pflegeheim werden komplett vom Staat übernommen. B verdient mit 95.000 Euro Jahreseinkommen zwar sehr gut, aber muss sich trotzdem nicht an den Heimkosten ihrer Eltern beteiligen, weil dies erst ab einem Einkommen von über 100.000 Euro vorgeschrieben ist. Auch wenn die Eltern von B noch weitere Kinder mit ebenso hohen Einkünften hätten, würde trotzdem das Sozialamt die Kosten komplett übernehmen (NDR, 2020).
Niemand weiß, ob oder für wie lange er oder sie in ein Pflegeheim muss. Da wäre es doch angebracht, die staatliche Pflegeversicherung so auszubauen, dass die gesamten Heimkosten übernommen werden können. Angesichts der hohen Profitmargen von Vermietern von Pflegeheimen und zahlreichen Skandalen in privatwirtschaftlichen Pflegeheimen wären staatliche Pflegeeinrichtungen eine günstigere und bessere Alternative.
Mehrwertsteuer
Wer wenig Einkommen hat, verbraucht das meiste davon. Deshalb haben die unteren Einkommensschichten auch prozentual gerechnet eine viel höhere Konsumquote als Menschen mit höheren Einkünften.
Es ist oft schwer verständlich, wieso einige Produkte und Dienstleistungen mit 7 oder 19 % und manche gar nicht besteuert werden. Die meisten Lebensmittel wie Äpfel werden nur mit 7 % besteuert, Apfelsaft aber mit 19 %. Windeln unterliegen dem vollen Mehrwertsteuersatz von 19 %, Schnittblumen dagegen müssen nur mit 7 % besteuert werden (WiWo, n. d.). Dass Familien eher Windeln als Schnittblumen kaufen, scheint die Politik nicht zu interessieren.
Die Mehrwertsteuer bedeutet auch, dass Menschen doppelt besteuert werden – zuerst über die Einkommenssteuer, wenn sie ihr Entgelt erwirtschaften, und danach, wenn sie es ausgeben, über die Konsumsteuern.
Auch beim Thema Wohnen benachteiligt die Mehrwertsteuer Privatleute und bevorzugt Investoren:
A hat sich ein altes Haus gekauft. Dieses muss renoviert werden. Bis das Haus in einen guten Zustand versetzt ist, sind Renovierungsmaßnahmen im Wert von 100.000 Euro nötig. Unternehmer B kauft ein identisches Haus, auch hier sind Renovierungsaufwendungen im Gegenwert von 100.000 Euro notwendig. Nun kommt die steuerliche Ungerechtigkeit ins Spiel, denn Privatperson A zahlt für die Arbeiten im Gegenwert von 100.000 Euro ganze 119.000 Euro – man kann es ahnen, die 19 % Unterschied kommen von der Mehrwertsteuer, die B letztlich nicht zahlen muss, weil er diese im Nachhinein vom Finanzamt zurückerstattet bekommt.
Die Mehrwertsteuer führt auch zur skurrilen Situation, dass es für Unternehmen oft günstiger ist nicht mehr benötigte Ware (wie z. B. Rücksendungen von Kunden, alte Computer) zu entsorgen, anstatt diese zu spenden. Da auch eine Spende als Umsatz gilt, muss der Unternehmer dafür nämlich die Umsatzsteuer von 19 % für den Zeitwert der gespendeten Güter ans Finanzamt abführen. Das Unternehmen muss also dafür bezahlen, wenn es Güter aus dem Betriebsvermögen spendet (Steuerklassen.com, n. d.). Wer bisher an der Richtigkeit des Buchtitels gezweifelt hat, wird spätestens jetzt vom asozialen Charakter der deutschen Politik überzeugt sein.
Bezüglich der Mehrwertsteuer stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, Konsum relativ hoch zu besteuern, da dieser dadurch gemindert wird, was wiederum der Wirtschaft schadet und Privatleute benachteiligt. Eine Abschaffung der Mehrwertsteuer für einige Produkte und Dienstleistungen würde die Kaufkraft gerade der Bürger mit weniger Einkommen erhöhen., Sie wäre zudem förderlich für den Binnenkonsum und damit für die wirtschaftliche Entwicklung.
Ökosteuer / CO2-Abgabe / EEG-Umlage
Der Grundgedanke der Ökosteuer sowie der CO2-Abgabe oder der Erneuerbare-Energien-Gesetz-(EEG)-Umlage ist gut – wer die Umwelt belastet, soll auch dafür zahlen. Aber wie sieht es in der Praxis aus? Die Abgaben erhöhen die Heizkosten. Und wer hat hohe Heizkosten? Familien mit geringem Einkommen, die in einem schlecht isolierten, alten Haus leben und alle Räume beheizen müssen, weil ihre Kinder nicht frieren sollen. Besserverdiener in einem gut gedämmten Neubau, evtl. noch mit Wärmepumpe, Solaranlage, usw. spüren die Mehrkosten beim Heizen durch die Steuern und Abgaben hingegen kaum.
Teurer wird durch die Ökosteuer und andere Abgaben auch Strom – bei diesem machen Steuern und Abgaben über die Hälfte der Kosten aus (Verivox, 2020). Unter anderem deshalb ist der Strompreis für Privathaushalte und Unternehmen, die keine Ermäßigung bekommen, in Deutschland weltweit am teuersten und über dreimal so teuer wie in einigen anderen EU-Ländern (Statista, 2020). Auch hier werden Familien der unteren Einkommensklassen benachteiligt. Wer eine große Familie hat, muss viel kochen, waschen, staubsaugen ... Und wer Pech hat, hat auch noch einen Elektroboiler oder Elektrodurchlauferhitzer zum Duschen und Baden, der rund fünfmal so hohe Kosten für Warmwasser verursacht, wie eine moderne Zentralheizungsanlage für Warmwasser. Wenn der Boiler dazu noch älter und verkalkt ist, können die Kosten nochmal um ein Vielfaches ansteigen. Bei einer Mietwohnung kann sich der Mieter nicht einfach für eine Umrüstung entscheiden, denn dazu ist der Vermieter nicht verpflichtet. Auch können es sich Geringverdiener oft nicht leisten, neue und energiesparende Geräte wie Waschmaschine, Kühlschrank usw. anzuschaffen.
Dass es der Regierung nicht um den Umweltschutz geht, zeigt sich in folgender Perversion: Die EEG-Umlage soll erneuerbare Energien fördern – aber verteuert diese in einigen Fällen sogar. Denn wer auf seinem Haus eine Photovoltaikanlage betreibt, muss unter Umständen für den selbst erzeugten und selbst genutzten Strom auch noch an den Staat bezahlen, nämlich in Form der EEG-Umlage (Wirth, 2021).
Umweltschutz ist gut – aber muss dieser unbedingt von den Schwächsten der Gesellschaft bezahlt werden? Wieso streicht man die Abgaben, Umlagen und Steuern bei den Energiekosten der Privathaushalte nicht einfach und nimmt das Geld stattdessen z. B. über Luxussteuern für die Anschaffung besonders stark motorisierter Autos, privater Swimmingpools oder privater Saunen ein?
Rundfunkbeitrag
Ist es sozial gerecht, wenn jeder den gleichen Betrag bezahlt? Bei der Einkommenssteuer ist der demokratische Konsens, dass starke Schultern eine höhere (Steuer)last tragen sollen. Beim Rundfunkbeitrag scheint dieses Prinzip vergessen worden zu sein. Dieser könnte einfach als Prozentsatz von der Einkommenssteuer erhoben werden. Warum schafft es der Staat einerseits, die Kirchensteuer im Verhältnis zum Einkommen für Religionsgemeinschaften einzuziehen, aber nicht, dies auch mit dem Rundfunkbeitrag zu tun? Wieso sollte die Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien gefährdet sein, wenn die Beiträge progressiv sind und über die Finanzämter kassiert werden? Wurden die Kirchen abhängig vom Staat, nur weil dieser die Kirchensteuer eintreibt?
Steuerungleichheit Großunternehmen vs. Kleinunternehmer
Steuerlich werden kleine und mittelständische Unternehmen benachteiligt, was an einem Beispiel deutlich wird:
A betreibt ein kleines Café. Internationaler Großkonzern B tut das gleiche. Und während Kleinunternehmerin A für ihr Einkommen Steuern zahlen muss, braucht Großkonzern B dies nicht oder kaum zu tun – ganz legal. Die Gewinne, die Konzern B in den einzelnen Filialen erwirtschaftet, werden nämlich in ein Steuerparadies überwiesen. Das geschieht natürlich nicht einfach so. Der Konzern im Steuerparadies verlangt einfach den ganzen erwirtschafteten Gewinn als Lizenzgebühr, damit die Straßencafékette B den Namen B verwenden darf. B ist im Steuerparadies steuerpflichtig, wo es natürlich keine/kaum Steuern gibt. Jeder durchschaut, dass es sich dabei um Steuervermeidung handelt – aber die Politik schaut weg.
Solche Mechanismen werden von vielen namhaften Großkonzernen genutzt – fast keines der umsatzstarken Unternehmen zahlt somit eine angemessene Steuer, so wie es kleine und mittelständische Unternehmen tun müssen – und das ist auch noch legal. In der EU entgehen den einzelnen Staaten jedes Jahr dadurch je 50.000.000.000 bis 70.000.000.000 (50 bis 70 Milliarden) Euro an Steuereinnahmen, weil z. B. Großkonzerne wie Apple im Steuerparadies Irland nur 0,005 % Steuern, also 50 Euro Steuern pro 1.000.000 Euro Gewinn, abführen müssen. Allein aus Deutschland fließen pro Jahr rund 55.000.000.000 (55 Milliarden) Euro in Steuerparadiese (Schimmeck, 2018).
Die Kleinunternehmerin zahlt also Steuern, während der Großkonzern dies nicht muss – wie soll die Kleinunternehmerin in so einem Marktumfeld konkurrenzfähige Preise anbieten? Langfristig werden mehr und mehr kleine Unternehmen schließen und Großkonzerne werden sukzessive einen noch größeren Marktanteil bekommen. Die Ungleichheit beim Steuerrecht verschärft somit die soziale Ungleichheit noch weiter. Wieso gibt es Parteien, die den neoliberalen Kapitalismus in höchsten Tönen loben, weil sich durch die Konkurrenzsituation die besten am Markt durchsetzen, aber setzen sich nicht dafür ein, dass es einen fairen Wettbewerb zwischen Konkurrenzunternehmen geben kann?
Wieso gibt es keine Sanktionen gegen Steuerparadiese, die faktisch einen Wirtschaftskrieg gegen die restlichen Staaten der Welt führen? Wieso muss ein Unternehmen seine Gewinne nicht einfach in dem Land versteuern, in dem der Umsatz erwirtschaftet wurde?
Ungleicher Wettbewerb zwischen Großkonzernen und kleinen Unternehmen
Die Ungleichheit zwischen Großkonzernen und kleinen sowie mittelständischen Unternehmen zeigt sich in der Macht den Preis zu diktieren. Es gibt auf der Welt zwar viele Automarken, aber da viele demselben Hersteller angehören und diese auch teilweise untereinander kooperieren, gibt es nur eine Hand voll großer Autoproduzenten. Ein Automobilzulieferer muss seine Produkte, wie z. B. Autositze, aber an die Automobilindustrie verkaufen – und das wissen auch die Autoproduzenten. Was machen diese also? Sie drücken den Preis, denn wenn der Zulieferer keinen Abnehmer bekommt, geht er bankrott, da er die Fixkosten der Produktionsstätte auch tragen muss, wenn nichts produziert wird. Andererseits gibt es viele Produzenten von Autositzen. Es ist also nicht so, dass die Automobilindustrie ein Problem hätte, wenn ein einzelner Zulieferer nicht zum geforderten Preis verkauft. In der Wertschöpfungskette steht der Automobilkonzern also über dem Zulieferer, was zur Folge hat, dass der Automobilkonzern eine höhere Gewinnmarge erreichen kann als sein Zulieferbetrieb. Niedrige Gewinnmarge klingt nicht so negativ – immerhin wird noch Gewinn gemacht – aber auch das ist nicht immer der Fall, denn in vielen Fällen müssen die Automobilzulieferer Aufträge annehmen, obwohl der Ertrag nicht einmal reicht, um die Kosten zu decken (Schwarz-Kocher et al., 2019). Der Automobilsektor ist nur ein Beispiel von vielen. Landwirte z. B. müssen ihre Erzeugnisse häufig unter ihren Produktionskosten verkaufen, weil Groß- und Einzelhandelsketten nur sehr wenig dafür bezahlen und es viele Anbieter am Markt gibt.
Die meisten Unternehmen können also kaum hohe Gewinne erwirtschaften, weil sofort ein Konkurrent ihren Preis unterbieten würde, wenn ihre Gewinnmarge zu hoch kalkuliert wäre. Das ist auch der Grund, wieso Arbeitnehmer so hohem Druck ausgesetzt sind, denn wenn ein Unternehmer seinen Arbeitern mehr bezahlt und ihnen weniger Arbeitsdruck macht, wäre das Unternehmen schnell bankrott, weil ein Konkurrent, der seine Arbeiter schlecht bezahlt und hohen Arbeitsdruck aussetzt, günstiger produzieren könnte.
Andere Aspekte des Unternehmertums, wie das Kündigungsschutzgesetz, sorgen ebenso dafür, dass Kleinunternehmen das Nachsehen haben, denn wenn einer von einigen wenigen Mitarbeitern nicht gut arbeitet, kann der Kleinunternehmer schnell insolvent gehen – Großunternehmen haben nicht nur bessere juristische Mittel, sondern können es auch finanziell besser verkraften, wenn ein gewisser Prozentsatz der Mitarbeiter nicht optimal arbeitet und aufgrund des Kündigungsschutzes nicht gleich freigesetzt werden kann. Bei privaten Vermietern ist es ähnlich: Während große Vermietergesellschaften ihre Fachjuristen beschäftigen und den Mietausfall einiger Mieter locker wegstecken, kann es den privaten Immobilienbesitzer schnell finanziell das Genick brechen, wenn ein Mieter nicht zahlt und eine teure Räumungsklage geführt werden muss.
Neben den ungleichen Bedingungen von kleinen und großen Unternehmen gibt es noch die Haie im Meer – Unternehmen, die so groß sind, dass sie sich fast alles herausnehmen können, weil sie etwas anbieten, was Konkurrenten kaum anbieten können – wie Onlineauktionshäuser, soziale Onlinenetzwerke, Internetsuchmaschinen, Ölkonzerne oder Unternehmen aus anderen Bereichen, die eine Marktstellung haben, welche nur schwer von Konkurrenten angefochten werden kann. Das nennt sich in der Volkswirtschaft Monopol bzw. Oligopol. Es ist aber deshalb keineswegs so, dass diese Großunternehmen ihre Mitarbeiter deshalb besser behandeln, wie die vielen Skandale der letzten Jahre, z. B. beim weltgrößten Onlineversandhändler Amazon, zeigen:
Amazon hat in Stellenausschreibungen bereits mehrfach Hassgruppierungen und Terroristen zusammen mit Gewerkschaften und feindseligen politischen Akteuren als Bedrohungen bezeichnet. Nun schickten 37 EU-Abgeordnete dem Amazon-Gründer Jeff Bezos eine Anfrage, ob Amazon beabsichtige, Politiker, Gewerkschafter und Mitarbeiter zu überwachen (Szymanski, 2020).
Dass Amazon nicht viel von fairem Wettbewerb hält, befand auch die EU-Kommission: Diese leutete ein Verfahren gegen Amazon wegen Kartellrechtsverstößen ein. Wieso? Amazon ist nicht nur eine Plattform für Händler, sondern verkauft auch eigene Produkte. Weil Amazon als Plattform die Verkaufszahlen und andere sensible Daten zu den angebotenen Produkten der Händler kennt, wirft die EU-Kommission Amazon vor, diese Daten zu nutzen, um eigene Produktangebote zu optimieren (DLF, 2020).
Auch die Kunden haben nicht gut lachen, denn wer keine oder wenig Konkurrenz hat, braucht keine konkurrenzfähigen Preise anbieten, bzw. muss keine Innovationen auf den Markt bringen, um seine Produkte verkaufen zu können, weshalb z. B. ein Konzept eines wirkungsvolleren Bremssystems für Kraftfahrzeuge seit Jahrzehnten in der Schublade verstaubt.
Auch während der Coronakrise war nicht jeder Unternehmer gleichermaßen betroffen: Das Kurzarbeitergeld bringt Kleinunternehmern ohne Personal nichts. Für einige Unternehmen war es aber ziemlich praktisch. Da es in vielen Branchen mal mehr und mal weniger Aufträge gibt, können Unternehmen ihre Mitarbeiter nicht immer voll auslasten. Das führt dazu, dass Mitarbeiter bezahlt werden müssen, obwohl nicht genug Arbeit für sie vorhanden ist. In der Coronakrise kann das Unternehmen einfach Kurzarbeitergeld beantragen, obwohl ein Teil der Mitarbeiter auch in regulären Zeiten nicht voll ausgelastet gewesen wäre. Dadurch vermindern sich für diese Unternehmen die Mitarbeiterkosten und der Gewinn wächst.
Der Ausweg daraus wäre, wenn die Kartellbehörden ihre Arbeit machen und dafür sorgen würden, dass Unternehmen nicht so groß werden, dass sie eine marktbeherrschende Stellung einnehmen können. Dazu könnten Regeln wie Kündigungsschutz für Arbeitnehmer und Mieter bei großen Arbeitgebern bzw. Großvermietern strikter geregelt werden als bei Kleinunternehmen bzw. Privatvermietern. Außerdem könnte es Subventionen für Unternehmen geben, die sich auf Märkte wagen, in denen ein Großkonzern ein Quasi-Monopol hat. z. B. weiß kaum jemand, dass es nicht nur ein großes Auktionshaus im Internet gibt, sondern auch ein kleineres Konkurrenzunternehmen – aber weil dieses zu unbekannt ist, stellt es keine wirkliche Konkurrenz zum Quasimonopolisten dar. Mit einer Bürgschaft, z. B. der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), könnte dieses Unternehmen in Marketing investieren und im deutschsprachigen Bereich die Stellung des marktbeherrschenden Großkonzerns angreifen. Dass es möglich ist Platzhirschen den Rang streitig zu machen zeigt z. B. die Suchmaschine Yandex, die in Russland populärer ist als die des Weltkonzerns Alphabet (Google).
Hinzukommend müsste der Staat die Arbeits- und Entgeltkonditionen genauer festlegen, wie es in Teilen, z. B. durch den gesetzlichen Mindestlohn, bereits geschehen ist. Da Unternehmen aufgrund des Konkurrenzdruckes gezwungen sind den Arbeitnehmern die maximale Leistung bei minimalem Entgelt abzuverlangen, kann nur eine staatliche Intervention Arbeitnehmer vor schlechten Konditionen schützen. Wer jetzt argumentiert, dass das der Position Deutschlands im internationalen Wettbewerb schadet, sollte sich fragen, ob Globalisierung ein Naturgesetz ist und ob Deutschland nicht einfach Waren und Dienstleistungen aus Ländern mit schlechten Arbeitsumständen (wie Kinderarbeit oder unmenschlichen Arbeitsbedingungen) durch Zölle verteuern könnte.
Weshalb wir früher sterben
Wer nicht zur Oberschicht gehört lebt kürzer – einige der Gründe dafür werden in diesem Kapitel erläutert.
Covid19 trifft vor allem die Mittel- und Unterschicht
Menschen niedrigerer sozialer Klassen erkranken in Deutschland überproportional häufig an Covid19 (Wachtler et al., 2020). Die Autoren der Studie benennen vor allem häufig fehlende Möglichkeiten von zuhause zu arbeiten als Gründe und auch die Art der Arbeit macht es oft unmöglich, Kontakte zu vermeiden. Auch trifft Menschen der niedrigeren sozialen Schichten die Pandemie finanziell viel härter als die Oberschicht, da sie häufiger in Bereichen arbeiten die von Pandemieeindämmungsmaßnahmen (Lockdown) betroffen sind (Schnabel, 2020).
Zweiklassengesundheitssystem
Welche Patientin wird wohl besser behandelt? Patientin A, die gesetzlich versichert ist und an der die Ärztin kaum etwas verdient, oder Patientin B, deren private Krankenversicherung mehr als das Doppelte (genau gesagt das 2,3-fache) für die meisten Handlungen der Ärztin bezahlt? Untersuchungen zeigen, dass Privatpatienten mehr Zeit und Aufmerksamkeit bei einer Behandlung bekommen als gesetzlich Versicherte (NDR, 2017) .