Devilish Beauty 1: Das Flüstern der Hölle - Justine Pust - E-Book
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Devilish Beauty 1: Das Flüstern der Hölle E-Book

Justine Pust

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Beschreibung

**Wenn eine Dämonin der Hölle den Kampf ansagt…** Für die Dämonin Mimi gibt es nichts Schlimmeres, als Seelen für die Unterwelt einzutreiben, doch diesem Job zu entkommen, ist so gut wie unmöglich. Ihr Chef ist niemand geringerer als das gefährliche Oberhaupt der Hölle selbst – und genau von ihm kann sie einfach nicht die Finger lassen. Mimis tägliche Probleme treten jedoch in den Hintergrund, als sie sich auf einen Seelenhandel mit einem Dämonenjäger einlässt. Denn durch den Pakt bricht der Waffenstillstand zwischen Gut und Böse und auf einmal ist nicht nur die Hölle, sondern auch der Himmel hinter ihr her…   //Dies ist ein Roman aus dem Carlsen-Imprint Dark Diamonds. Jeder Roman ein Juwel.// //Alle Bände der höllisch-knisternden Reihe: -- Devilish Beauty 1: Das Flüstern der Hölle  -- Devilish Beauty 2: Der Klang der Dunkelheit  -- Devilish Beauty 3: Das Lied der Verdammnis -- Devilish Beauty: Sammelband der höllisch-knisternden Fantasy-Reihe Band 1-3//

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Dark Diamonds

Jeder Roman ein Juwel.

Das digitale Imprint »Dark Diamonds« ist ein E-Book-Label des Carlsen Verlags und publiziert New Adult Fantasy.

Wer nach einer hochwertig geschliffenen Geschichte voller dunkler Romantik sucht, ist bei uns genau richtig. Im Mittelpunkt unserer Romane stehen starke weibliche Heldinnen, die ihre Teenagerjahre bereits hinter sich gelassen haben, aber noch nicht ganz in ihrer Zukunft angekommen sind. Mit viel Gefühl, einer Prise Gefahr und einem Hauch von Sinnlichkeit entführen sie uns in die grenzenlosen Weiten fantastischer Welten – genau dorthin, wo man die Realität vollkommen vergisst und sich selbst wiederfindet.

Das Dark-Diamonds-Programm wurde vom Lektorat des erfolgreichen Carlsen-Labels Impress handverlesen und enthält nur wahre Juwelen der romantischen Fantasyliteratur für junge Erwachsene.

Justine Pust

Devilish Beauty 1: Das Flüstern der Hölle

**Wenn eine Dämonin der Hölle den Kampf ansagt …** Für die Dämonin Mimi gibt es nichts Schlimmeres, als Seelen für die Unterwelt einzutreiben, doch diesem Job zu entkommen, ist so gut wie unmöglich. Ihr Chef ist niemand geringerer als das gefährliche Oberhaupt der Hölle selbst – und genau von ihm kann sie einfach nicht die Finger lassen. Mimis tägliche Probleme treten jedoch in den Hintergrund, als sie sich auf einen Seelenhandel mit einem Dämonenjäger einlässt. Denn durch den Pakt bricht der Waffenstillstand zwischen Gut und Böse und auf einmal ist nicht nur die Hölle, sondern auch der Himmel hinter ihr her …

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Vita

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Danksagung

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© privat

Justine Pust ist ein typisches Küstenmädchen, tanzt am liebsten zu Songs aus den 80ern und verliert sich oft in mitreißenden Geschichten. Das Schreiben hat sie schon früh für sich entdeckt und teilt ihre Lesesucht begeistert auf ihrem Blog. Wenn sich die Autorin nicht gerade in Büchern verliert, arbeitet sie ehrenamtlich in einem sozialen Verein oder führt Hunde aus. Neben den blauen Haaren sind ihre düsteren Liebesgeschichten ihr Markenzeichen.

Dieses Buch ist für dich.

Du machst meinen Traum real.

Vorwort

Ich habe lange überlegt, ob ich ein Vorwort wirklich brauche. Allerdings ist in meinem Kopf ein ziemliches Chaos, denn Religionen sind eine Sache für sich.

Für mich ist der Glaube an ein höheres Wesen faszinierend und beängstigend zugleich. Dazu kommt noch die ewige Frage: Was bedeuten Gut und Böse?

Gibt es überhaupt etwas wirklich Böses auf dieser Welt? Und wenn ja, haben wir die Schuld daran, oder ist es doch nur ein grausamer kosmischer Zufall? Oder steht hinter allem ein großer Plan?

Meine Schwäche für die dunkle Seite der Macht bestand schon immer. Vielleicht ist alles ganz anders, als wir denken. Darum bitte ich dich als Leser: Sei nicht zu hart zu meinen Protagonisten und ihren Entscheidungen. Weder ich noch Mimi wollen mit dieser Geschichte jemanden angreifen, eine Religion über die andere stellen oder dich und deinen Glauben kritisieren.

Es ist eine Geschichte – von der Bibel inspiriert. Nicht mehr und nicht weniger.

Prolog

»Hatten Sie schon einmal einen Job, den Sie gehasst haben?«

Dr. Chestman ließ seinen Kugelschreiber einen Augenblick lang zwischen seinen Fingern kreisen, während er seine neue Patientin genau musterte und über ihre Frage nachdachte.

Ein schwarzer Bob umrahmte das schön geschnittene Gesicht und betonte die funkelnden grünen Augen. Die hohen Wangenknochen verliehen ihr eine gewisse Dominanz, ohne sie maskulin wirken zu lassen. Ihre Stimme jedoch war weich. Fast so, als würde sie versuchen ihn zu betören. Er blickte auf seine Akte und betrachtete das Geburtsdatum seiner Klientin. Sie war gerade sechsundzwanzig geworden. Manchmal fragte er sich, ob ihm in diesem Alter der Besuch bei einem Psychologen geholfen hätte. »Ich denke, jeder muss in seinem Beruf gewisse Kompromisse eingehen«, antwortete er diplomatisch.

Sein Blick fiel auf die zerrissene Jeans, die milchweiße Haut freigab. Die Blässe stand ihr gut, dennoch fragte er sich, wann sie das letzte Mal in der Sonne spazieren gegangen war. Er hatte ein seltsames Bauchgefühl, obwohl objektiv betrachtet eine ganz gewöhnliche junge Frau vor ihm saß. Noch konnte er sie nicht einordnen. Das war in seinem Beruf nichts Ungewöhnliches. Den wenigsten Menschen sah man ihre Probleme an der Nasenspitze an, doch die Dame vor ihm wirkte weder depressiv noch so, als hätte sie etwas in ihrem Leben nicht unter Kontrolle. Obwohl auch das Dinge waren, die einem selten beim ersten Gespräch klar wurden. Viele konnten eine Depression weit besser verbergen, als es ihm als Psychologen lieb war. »Ist das der Grund, warum Sie mich aufgesucht haben? Gibt es Probleme bei ihrer Arbeit?«, fragte er und suchte in seinem Kopf weiterhin nach der passenden Schublade, in die er sie stecken konnte.

Sie seufzte schwer und zuckte mit den schmalen Schultern. »Ich denke, so könnte man es ausdrücken.«

»Nun, wenn Ihr Job Sie nicht erfüllt oder sogar unglücklich macht, sollten Sie sich nach einem anderen umsehen«, sagte er ernst und versuchte aufmunternd zu lächeln. Manchmal kamen ihm die Probleme seiner Patienten lächerlich banal vor. Eine junge schöne Frau suchte wegen Jobproblemen einen Psychologen auf – hatte er dafür wirklich jahrelang studiert? Um seinen Kunden das allzu Offensichtliche zu erzählen? Sein Beruf war weit weniger schillernd, als es Hollywoodfilme versprachen.

»Das ist nicht so einfach«, entgegnete sie und wischte sich den Pony aus der Stirn. »Man könnte sagen, ich stecke in einem Knebelvertrag fest.«

Dr. Chestman rückte auf seinem Stuhl hin und her und beugte sich leicht nach vorn. Mit dem noch immer leichten Lächeln auf den Lippen versuchte er mitfühlend zu wirken. Sein Behandlungsraum verströmte die beruhigend cleane Atmosphäre, die er brauchte, um sich zu konzentrieren. Es gab keine aufwendige Dekoration. Nur zwei weiße Sessel, einen niedrigen, kleinen Tisch dazwischen und seinen großen Schreibtisch, auf dem die Akten fein säuberlich gestapelt lagen. Ordnung musste sein, wenn man sich mit dem verwirrten Geist von Menschen auseinandersetzte. »Ich bin sicher, aus diesem Vertrag können Sie sich befreien. Es gibt immer eine Möglichkeit auszusteigen. Erzählen Sie mir doch bitte, was genau Sie an Ihrem Job hassen, Miss …«

»Ach bitte, nennen Sie mich Mimi«, unterbrach sie ihn und lächelte ihn auf eine Art an, die ihm einen kalten Schauer über den Rücken jagte.

Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte er ein seltsames grünes Leuchten in ihren Augen zu sehen.

»Wo soll ich nur anfangen? Da wäre zum einen mein Boss. Ein ziemliches Arschloch, vorsichtig ausgedrückt, und ein wahrer Sexist, wenn Sie mich fragen. Ich fürchte, ich mache es nicht besser, indem ich mit ihm schlafe …«

Der Psychologe blickte überrascht auf. »Sie haben Sex mit Ihrem Chef?«

Mimi nickte, ohne das seltsame Lächeln abzulegen. Dr. Chestman konnte nicht einschätzen, ob sie nun stolz auf diese Tatsache war oder nur versuchte, ihre Unsicherheit dahinter zu verbergen.

»Wie kam es dazu?«

»Eine wirklich ausgezeichnete Frage – ich denke, ich wollte einfach nur, dass er aufhört zu reden.«

Er zog die Augenbrauen zusammen. Diese Sitzung wurde mit jeder Minute seltsamer. »Dann ging das Ganze von Ihnen aus?«

Sie verzog den Mund und wiegte den Kopf hin und her, als würde sie darüber länger nachdenken müssen. »Nein, es ist irgendwie kompliziert.«

»Wurden Sie im Vorfeld von Ihrem Boss sexuell belästigt?«

»So würde ich es nicht ausdrücken. Es ist nicht gerade unüblich in unserer Branche, dass solche … Verbindungen entstehen … Die dämonische Libido ist ziemlich ausgeprägt.«

Sie verschränkte die Hände in ihrem Schoß. Das Thema schien ihr unangenehm zu sein. Ihr gesamter Körper wirkte angespannt.

Dr. Chestman macht sich eine Notiz.

»Trotzdem ist es irgendwie anders. Jedes Mal, wenn wir aufeinandertreffen, gibt es ein mächtiges Boom«, fuhr sie fort und ahmte mit den Händen eine Explosion nach.

»Warum schlafen Sie mit ihm, wenn Sie ihn als Arschloch bezeichnen?«

Mimi lehnte sich zurück. Ihr Blick wurde leicht glasig. »Haben Sie mir nicht zugehört? Ich habe keine Ahnung, es ist eben einfach passiert. Mehrfach und immer wieder.«

»Wirkt sich das auf Ihre Zusammenarbeit aus?«

»Scheiße, leider nicht.«

Dr. Chestman schwieg einen Moment und lauschte dem Ticken der Uhr. Seine Patientin kam ihm seltsam surreal vor. Ihre Stimme war ohne jeden Ausdruck. Einzig ihre angespannte Körperhaltung schien anzuzeigen, dass sie sich unwohl fühlte.

»Nun, also liegt es nicht an der Affäre, dass Sie Ihren Job nicht mögen.«

»Nein, das ist eher ein höllischer Bonus.«

Ein Lächeln huschte über das blasse Gesicht und sie wischte sich eine Strähne hinters Ohr. Eine sachte Röte färbte ihre Wangen, als wäre ihr erst in diesem Moment klar geworden, was sie gesagt hatte.

»Was ist mit Ihren Kollegen, Mimi?«

»Ich gehe davon aus, dass sie diesen Dienst lieber antreten, als in der Hölle festzusitzen.«

Ihr Blick wurde einen Tick herausfordernd. Es sah fast so aus, als würde sie auf etwas warten. Verwirrt zogen sich die Augenbrauen des Arztes zusammen. Eine plötzliche Kälte ließ ihn erzittern. Etwas stimmte nicht. Ganz eindeutig. »Wie lange läuft Ihr Vertrag noch?«

»Für die Ewigkeit, fürchte ich.« Ein Grinsen erschien auf ihrem Gesicht. Ein teuflisches Grinsen.

Dr. Chestman erstarrte und sein Kugelschreiber fiel klappernd zu Boden. Mimi zog die Augenbrauen nach oben.

»Wow, für jemanden mit so vielen Auszeichnungen an der Wand schalten Sie erschreckend langsam. Ich wusste schon nicht mehr, wie oft ich das Wort Hölle noch fallen lassen musste«, bemerkte sie und erhob sich in einer geschmeidigen Bewegung von ihrem Stuhl.

»Wer sind Sie?«, brachte er gepresst hervor.

»Ich denke, das wissen Sie schon, sonst hätten Sie nicht angefangen, derartig zu schwitzen.«

Er schüttelte den Kopf, als würde er versuchen aus einem Albtraum aufzuwachen. Das Zittern seines linken Beines war so stark, dass sein Stuhl sich quietschend verschob.

»Das ist ein Irrtum!«, rief er aus und versuchte, wieder die Kontrolle über seinen Körper zu erhalten. Sie war klein und schmächtig, es sollte kein Problem sein, sie zu überwältigen.

»Ach, Doc, tun Sie uns beiden den Gefallen und ersparen Sie uns das unnötige Blabla«, hauchte Mimi mit einer Spur von Bitterkeit. »Es gibt in der Hölle keine Verwechslungen und auch keine Gnade. Machen wir es kurz und schmerzlos, damit ich endlich Feierabend habe.«

Seine Augen wurden größer und die Mundwinkel verzerrten sich zu einer grotesken Maske. »Nein, bitte …«

Sie stöhnte und warf die Arme in die Luft. »Sehen Sie?«, stieß sie aus. »Genau das ist eines der Dinge, die ich hasse! Jeder von euch kennt seine Frist und jeder von euch tut so, als würde es ihn überraschen!«

»Sie sind der Teufel!«, entfuhr es ihm, als wäre ihm erst jetzt wirklich klar geworden, wer vor ihm stand.

»Nein, nur eine unterbezahlte Angestellte für die Drecksarbeit«, erklärte Mimi und lächelte wieder. Doch dieses Mal wirkte es angestrengt. Wie ein Schauspielerin, die krampfhaft versuchte in ihrer Rolle zu bleiben. »Sie haben jetzt genau drei Optionen, Doktor: Entweder, Sie machen es uns beiden leichter und versuchen nicht abzuhauen oder ich muss noch einen draufsetzen.« Sie machte einen Schritt auf ihn zu. »Okay, vielleicht sind es doch nur zwei Optionen.«

Er hob die Hände, als wäre er in einem schlechten Western und würde erwarten, dass sie auf ihn schoss. »Bitte nicht …«, flehte er.

Hinter den Gläsern seiner Brille konnte sie Tränen sehen. »Wissen Sie, ginge es nach mir, würde ich jede Seele begnadigen – aber so läuft das leider nicht. Sie haben Ihre Seele verkauft und heute ist Zahltag …«

Er sprang von seinem Stuhl auf, als wäre der Fluchtreflex erst jetzt in seinen Beinen angekommen. Mit großen Schritten eilte er zur Ausgang, während er panisch über seine Schulter blickte. Mimi seufzte und verdrehte die Augen, als würde eine nervende Wiederholung im Fernsehen laufen. Wie ein Wahnsinniger rüttelte er am Schloss und fluchte, als ihm klar wurde, dass die Tür nicht nachgeben würde. Seine Hilferufe blieben ihm im Halse stecken.

»Müssen wir jetzt wirklich dieses Spielchen spielen?«, fragte Mimi und klang dabei fast schon mitleidig. »Wir kommen beide aus dieser Nummer nicht raus.«

Nun liefen die Tränen endgültig über den Rand seiner Augen, während Dr. Chestman vor der Tür in sich zusammensackte.

»Warum tun Sie das?«, wimmerte er.

»Weil es mein verdammter Job ist«, murmelte Mimi und ging langsam auf ihn zu. Ihre Haltung war weniger angespannt, ganz so, als wüsste sie, dass sein Widerstand nicht länger anhalten würde. »Wenn ich es nicht tue, lande ich wieder in der Hölle und es kommt ein anderer Seeleneintreiber. Glauben Sie mir, das möchten Sie nicht.«

Sie setzte sich zu ihm und tätschelte unbeholfen seine Schulter. Einen Moment lang schien es, als würde er darüber nachdenken noch einen Fluchtversuch zu wagen, doch dann zerbrach die letzte Hoffnung in ihm und die salzigen Perlen liefen in endlosen Flüssen über die stoppeligen Wangen. »Wird … wird es schlimm?«

Sie wich seinem bedauernden Blick aus. »Es ist die Hölle, was erwartet Sie?«

Das Wimmern wurde lauter und er schüttelte immer wieder den Kopf, als erwarte er sein Schicksal doch noch abwenden zu können. Mimi betrachtete ihn eine Weile.

»Hat es sich gelohnt?«

Er blickte irritiert auf und wischte sich mit dem Ärmel seines Anzugs den Rotz von der Nasenspitze. »Was?«

»Ihre Seele verkauft zu haben, meine ich. Hat es sich gelohnt?«

Ihr ehrliches Interesse brachte ihn aus dem Konzept. Verwirrt schüttelte er den Kopf und versuchte seine Gefühle wieder einzudämmen. Das Letzte, was er wollte, war, wie ein kleiner Junge zu weinen.

»Dachte ich mir …« Sie wandte den Blick noch immer nicht von ihm ab. »Also, wofür haben Sie einen Pakt mit dem Teufel geschlossen?«

Er lachte bitter auf. »Ist das ein Vorspiel, um mich zu quälen?«

»Seien Sie etwas freundlicher, das wird für eine verdammt lange Zeit die letzte nette Unterhaltung sein, die Sie führen«, entgegnete sie ernst und die grünen Augen schienen abermals aufzuleuchten.

Dieses Mal konnte der Arzt das dämonische Grün nur allzu deutlich erkennen. Er schluckte schwer, als wäre es ihm peinlich. »Geld.«

»Hm … Ich hatte auf Erfolg getippt. So viele Auszeichnungen und trotzdem sind Sie so schwer von Begriff …«

»Sollten Sie nicht wissen, warum Sie mich holen kommen?«

»Nein, die Hölle ist ziemlich bürokratisch. Ich habe keine Einsicht in die Verträge, die andere Dämonen schließen. Ich führe nur meine Arbeit aus.«

Dr. Chestman beruhigte sich langsam wieder. Er wischte sich über das Gesicht und lehnte den Kopf an die Wand. »Mein ganzes Geld ging verloren«, fuhr er fort. »Jeder einzelne Penny. Es hat mich die letzten Jahre gekostet wieder aus den Schulden herauszukommen, und jetzt …«

»… kommt der Teufel Sie holen.«

»Und dann nicht einmal persönlich.«

Sie blickten einander eine Weile an. Er glaubte etwas in ihren Augen zu erkennen, doch bevor er wusste, was es war, sah sie wieder weg. »Falls Sie es aus irgendeinem Grund aus der Hölle rausschaffen sollten, denken Sie immer daran: Ein Pakt mit dem Teufel endet niemals gut.«

»Ich werde es mir merken«, murmelte er erstickt. »Ist Ihr Boss der …«

»Satan? Sozusagen, ja … Luzifer selbst ist allerdings in Rente gegangen vor vielen Jahrhunderten«, antwortete sie freimütig. »Das hat die ewige Verdammnis aber nicht weniger schrecklich gemacht.«

»Sie haben also eine Affäre mit dem Teufel?«

»Mit einem seiner Söhne«, verbesserte sie ihn und blickte in die Ferne. »Wie ist Ihre psychologische Einschätzung? Ein verankerter Vaterkomplex? Oder nur die gute, alte Lust an der Selbstzerstörung?«

»Um die Wurzeln Ihrer … Fehlentscheidungen zu erkennen, bräuchte man mehr als eine Sitzung«, gab er zurück. »Aber vielleicht sollten Sie sich fragen, ob Sie nicht verliebt in ihn sind.«

»Das bezweifle ich, Dämonen sind zu keiner wirklichen Liebe fähig.«

»Nun, das würde ich nicht zwingend sagen. Allerdings müsste ich mehr darüber wissen, um ein endgültiges Urteil abgeben zu können.«

»Womit wir wieder beim Thema sind.«

»Wenn Sie mir noch etwas Zeit verschaffen, werde ich gern Platz für Sie in meinem Terminkalender machen.«

»Nett von Ihnen, aber leider habe ich es so lange aufgeschoben, wie es ging. Zu schade, ich würde wirklich gern wissen, was mit mir nicht stimmt.«

»Was passiert jetzt?«

»Jetzt dürfen Sie sich aussuchen, wie Sie sterben«, sagte Mimi langsam und schien dabei genauso innerlich zu beben wie er. »Entweder Sie töten sich selbst oder ich muss es tun.«

Der Schock ihrer Worte legte sich langsam und kalt um sein Herz. Schluckend schüttelte er den Kopf. »Ich kann mich nicht umbringen, meine Frau, sie … sie würde daran zerbrechen.« Seine Schultern sackten bei jedem Wort weiter ab, ganz so, als könnte er die Last seiner Taten überdeutlich spüren.

Mimi nickte und stand auf. »Verstehen Sie jetzt, warum ich meinen Job hasse?«

»Wie werden Sie es tun?«, wollte er wissen und zitterte dabei, als stünde er nackt in einem Schneesturm.

»Das kommt darauf an. Ich nehme an, wenn Sie Ihre Frau erwähnen, besitzen Sie eine Lebensversicherung? Dann wäre es einfacher, wenn es nach einem natürlichen Tod aussieht. Und ich denke, auf ein Blutbad haben wir beide keine Lust.«

Er nickte kaum merklich und erhob sich ebenfalls, obwohl seine Knie kaum den Anschein machten, dass sie ihn tragen konnten.

»Dann wären da die Klassiker Herzinfarkt oder Hirnschlag.« Sie hielt ihm ihre schmale Hand entgegen, doch er griff nicht danach, sondern starrte sie an. »Mir ist klar, dass die Auswahl nicht gerade berauschend ist, aber Sie müssen sich entscheiden.«

Er schüttelte wieder den Kopf. »Ich muss mich doch verabschieden …«

»Tut mir leid, das ist gegen die Regeln. Mein Boss mag es diskret.«

»Der Boss, mit dem Sie schlafen?«

Mimi leckte sich über die Lippen. »Die Spitze habe ich verdient, aber das ändert nichts.«

Dr. Chestman nickte langsam. Ihre Hand wirkte zierlich und unscheinbar. Sein Verstand klammerte sich noch immer an die verzweifelte Hoffnung, dass es einen Ausweg geben konnte. Doch in den grünen Augen der Dämonin lag die kalte Gewissheit. »Wird es wehtun?«, hörte er sich selbst fragen.

»Es wäre gelogen, etwas anderes zu behaupten …«

»Was genau muss ich jetzt tun?«

»Es endet, wie es begann: mit einem Handschlag.«

Er atmete tief durch und schloss die Augen, in der Hoffnung, dass Gott oder sonst jemand diese letzten Sekunden nutzte, um seine Seele zu retten. Dann ergriff er ihre Hand und brach augenblicklich zusammen.

Der Jäger stoppte die Bandaufnahme und rieb sich über das stoppelige Kinn. Zu seiner Überraschung hatte weder der Arzt noch der Dämon etwas von der Kamera bemerkt. Dennoch wusste er nicht, was er von dieser Szene halten sollte.

»Verdammte Dämonen«, knurrte er und griff nach seiner Glock, ehe er den Laptop zuklappte und das schäbige Motelzimmer verließ. »Das war die letzte Seele, die du für deinen Sugardaddy sammeln musstest.«

1. Kapitel

Mimi

Stöhnend schiebe ich mich die Treppen des Hochhauses hinauf.

Zwei Aufträge in einer Nacht. Ich bin ein armer kleiner Dämon. Allerdings war ich das nicht immer. Vor vielen Jahrzehnten war ich ein einfacher Mensch, der seine Seele verkauft hatte. Schade, dass ich mich nicht daran erinnern kann, warum ich es getan habe. Doch da ist nichts, nur gähnende Leere. Es ist, als sei meine Vergangenheit in der Hölle verbrannt und hätte nichts übrig gelassen als eine Schicht aus Staub, die mehr Fragen aufwirbelt als beantwortet. Trotzdem hat es keine Bedeutung. Höllenregel Nummer eins: Dämonen leben immer in der Gegenwart.

Und jetzt bin ich ziemlich genervt. Ich blicke zum dritten Mal innerhalb der letzten Minuten auf mein Handy und überprüfe die Adresse, die Baal mir geschickt hat. Das gigantische Hochhaus, natürlich mit defektem Fahrstuhl, gehört eindeutig irgendwelchen Schattenwesen. Mit gerunzelter Stirn mache ich eine Pause und stütze mich auf meinen Oberschenkeln ab. Wenn hier Hexen, Vampire oder Werwölfe hausen – was soll ich dann hier?

Ihre Seelen sind bereits unrein, auch wenn ihre Körper menschlich aussehen. Diese Wesen haben für Dämonen keine Bedeutung, außer vielleicht, um gemeinsam zu sündigen. Aber aus solchen Sachen halte ich mich lieber raus.

Das Knarren einer Tür stört die sonstige Ruhe des Treppenhauses. Ein offenbar ziemlich betrunkener Blutsauger torkelt mir entgegen und grinst, als er mein verschwitztes Gesicht sieht. Zumindest dieses Geheimnis hat sich schnell gelüftet, ich stehe offenbar in einem Vampirnest. Großartig. Ich kann mir an meinem eigentlich freien Tag nichts Schöneres vorstellen.

»Hat der kleine Dämon sich verlaufen?«

Ich schlucke eine bissige Antwort hinunter und setze ein böses Grinsen auf. Manchmal ist es ziemlich lästig, dass alle Wesen des Schattenreiches sich an ihrem Geruch erkennen. Da hilft auch das beste Deo nichts.

»Dieser Dämon kann dir immer noch in den untoten Hintern treten«, sage ich und wische mir über die Stirn. Wahrscheinlich rieche ich für den Vampir wie ein Happy Meal. Mit zusammengekniffenen Augen mustere ich ihn und stelle dabei leider fest, dass er mir rein körperlich wahrscheinlich überlegen wäre. Doch mein inneres Alarmsignal schlägt nicht an.

»Warum so unfreundlich? Wir könnten eine Menge Spaß miteinander haben …«

»Danke, ich verzichte. Ich stehe nicht sonderlich darauf, andere mit meinem Blut high zu machen«, murre ich und richte mich etwas auf. Der Vampir betrachtet mich eine Weile und verschränkt lässig die Arme vor der Brust. »Was willst du hier überhaupt?«

Ich schnalze mit der Zunge. »Geschäfte machen.«

»Und warum nimmst du die Treppe? Ich dachte, ihr Dämonen seid die High Society der Hölle und könnt euch teleportieren und so ein Zeug …«

Stöhnend, als würde mich dieses Gespräch fast so sehr nerven wie die Tatsache, dass ich es noch in den sechzehnten Stock schaffen muss, schüttle ich den Kopf. »Können sie auch« sage ich. »Aber ich nicht.«

»Und warum nicht?«

»Zur Hölle, musst du nicht jemanden aussaugen?«

Er zuckt mit den Schultern. »Hab schon gegessen.«

»Schön, ich war ein böser Dämon und habe meine Seelenabgabe verpasst. Darum wurden mir einige meiner Kräfte entzogen.«

Das Schattenwesen runzelt die Stirn und schüttelt den Kopf. »Und ich dachte immer, Dämonen wären cool …«, murmelt er und läuft an mir vorbei.

»Das war echt gemein!«, rufe ich hinterher und verziehe das Gesicht. Noch schlechter gelaunt nehme ich den Kampf mit der Treppe wieder auf und versuche dabei nicht auf meine Uhr zu blicken. Ich bin spät dran. Nichts Neues, aber dennoch konnte ich ja nicht ahnen, dass der Fahrstuhl nicht funktioniert.

Vielleicht sollte ich mir das nächste Mal einen Körper suchen, der etwas besser trainiert ist. Leider ist mir auch diese Fähigkeit »abhandengekommen«. Baal hat mich an diese Hülle gebunden, was mich aber nicht wirklich stört. Ich stecke im Körper einer sechsundzwanzigjährigen Literaturstudentin. Sie war bereits hirntot, als ich sie übernahm. Ein Glücksgriff in meinem dämonischen Dasein. Kurz vorher war ich ein adipöser Profigamer. Damit wäre die Ewigkeit vielleicht wirklich etwas lang geworden. Doch dieser Körper passt perfekt zu meiner dämonischen Seele.

Die junge Frau hatte keine Familie, keine Freunde – und wenn ich die Nachrichten auf ihrem Facebook-Account richtig gedeutet habe, war sie nicht gerade beliebt. Also nahezu perfekt für meine Zwecke. Leider sind die meisten Dämonen nicht so rücksichtsvoll, wenn es um die Auswahl ihrer Körper geht. Doch jetzt, wo mir noch immer fünf Stockwerke bevorstehen, frage ich mich, ob ich nicht lieber die Läuferin übernommen hätte, die beinahe an inneren Blutungen verstorben wäre.

In meiner Magengegend zwickt es und ich spüre, wie die Seele von diesem Dr. Chestman sich immer noch wehrt. Ich schlucke schwer und versuche nicht auf das Wimmern zu hören, das in meinem Kopf summt. Am liebsten würde ich seine Seele, so schnell es geht, loswerden, allerdings brauche ich dazu einen Erzdämon. Wie mein Boss zum Beispiel. Baal – der, mit dem ich schlafe.

Großes Kino, Mimi. Du solltest romantische Comedy schreiben. Mit glitzernden Vampiren und sprechenden Katzen, das kommt immer gut an.

Stöhnend nehme ich die letzten Stufen in Angriff. Heute ist einer dieser ganz besonders wehleidigen Tage und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich vom Treppensteigen einen höllischen Muskelkater bekommen werde. Trotzdem zwinge ich mich weiter.

Meine Armbanduhr piept und erinnert mich daran, dass ich nur noch eine halbe Stunde Zeit habe, um meine Frist zu erfüllen. Die aufsteigende Panik unterdrücke ich, während ich mich durch die Notfalltür in den Flur schiebe. Niemand geht gern in die Hölle. Nicht einmal Dämonen.

Erst jetzt höre ich die laute Musik und das betrunkene Geplapper. Großartig. Wie soll ich in Ruhe eine Seele einsammeln, wenn ich mitten in eine Party gerate?

Eine Frau, dem Geruch nach ein normaler Mensch, torkelt an mir vorbei. Ich kann nur hoffen, dass die Vampire nur mit ihren Schatten feiern. Menschen, die sich freiwillig den Vampiren hingaben, sie deckten und ihnen als Blutbeutel dienten. Die romantischen Teeniefilme hatten also doch einen Vorteil. So einfach hatten es Vampire seit Jahrhunderten nicht mehr gehabt geeignete Schatten zu finden. Dennoch muss ich aufpassen. Höllenregel Nummer zwei: Lass niemals deine Tarnung auffliegen.

Menschen sollen nicht davon erfahren, dass es dämonische Kräfte tatsächlich gibt. Obwohl man meinen könnte, dass dieser Zug abgefahren ist, seit TLC Mystery läuft.

Ich gehe weiter und krame nach dem Handy in meiner Hosentasche. Neben vielen anderen Dingen, die ich schlecht kann, habe ich es nicht sonderlich mit Zahlen. Das blinkende Display zeigt mir die 196 an – natürlich das Apartement, in dem die Party steigt.

Seufzend versuche ich, nicht auf dem Absatz kehrtzumachen. Aber wenn ich meinen Job nicht mache, lande ich wieder in der Unterwelt und keiner versorgt meinen Höllenhund, der in meiner Wohnung auf mich wartet.

Der Geruch nach schalem Bier und schlechten Joints schlägt mir durch die Türritze entgegen, während ich missmutig klopfe. Nach dem dritten Anlauf öffnet endlich jemand. Eine schlecht gelaunte Vampirin mit kurzen feuerroten Haaren sieht mich an. »Was willst du?«

»Hey, ich suche …«, mein Blick geht wieder auf das Handy, »einen gewissen Daniel Harborts.«

Die Augen der Rothaarigen verengen sich. »Lass mich raten? Der Vollidiot hat seine Seele verkauft, um ein Vampir zu werden?«

Ich entspanne mich etwas und linse an ihr vorbei. Offenbar muss ich mir keine Gedanken um meine Tarnung machen. Mist, das ist mal wieder typisch für mich, mitten in eine Blutorgie zu stolpern. Wahrscheinlich sind sogar noch mehr Dämonen anwesend. »Dazu kann ich leider keine Auskunft geben, aber ich bin hier, um ihn einzusammeln.«

Die Vampirin grinst auf eine sehr fiese Art, macht die Tür weiter auf und bedeutet mir mit einer Kopfbewegung ihr zu folgen. Sie ist hübsch. Große Augen und ein Schmollmund, der die kleinen spitzen Zähne gut verbergen kann. Trotzdem habe ich das ungute Gefühl, sie könnte mich, wenn sie wollte, mit einer Handbewegung quer durch das Zimmer schleudern. Langsam trotte ich hinter ihr her, während meine Schuhe Mühe haben, sich immer wieder von dem klebrigen Boden zu lösen. Der Krach der Party ist ohrenbetäubend. Ich kann kaum meine eigenen Bedenken hören, während ich versuche, nicht auf willenlose, blutarme Menschen zu treten.

»Mein Name ist Gorgina«, ruft sie über ihre Schulter hinweg. »Das hier ist meine Familie, du musst dir also keine Gedanken darüber machen, dass sie dich aussaugen.«

»Danke, das ist … ähm … beruhigend.«

Sie zwinkert mir zu und ich spüre, wie ich rot werde. Hätte ich gewusst, dass ich mich in ein Vampirnest begeben würde, hätte ich ein anderes Deo verwendet.

Gorgina bleibt stehen und deutet auf eine Tür. »Vor ein paar Minuten ist seine Beute verschwunden, er sollte also satt sein und keine Probleme machen«, meint sie gut gelaunt und verschränkt die Arme vor der Brust. In dem knappen Outfit aus rotem Leder sieht sie aus wie die moderne Version einer Feuertänzerin.

»Danke«, schreie ich gegen die Musik an. »Mir war nicht klar, dass Vampire so nett sein können.«

»Ich werde doch nicht meine Lieblingskellnerin beißen. Niemand macht einen Martini so gut wie du.«

Peinlich berührt blicke ich auf meine ausgelatschten Chucks. Jetzt verstehe ich, woher ich sie kenne – aus dem Fene, der Kneipe, in der ich arbeite. »Trotzdem, danke!«

»Kein Problem, wenn jemand die Hölle verdient hat, dann Leute, die ihr Leben wegwerfen, nur um ein bisschen Vampir zu spielen.«

In ihre Stimme hat sich Bitterkeit gemischt und erst jetzt erkenne ich die große Narbe an ihrem Hals. Vampirismus ist bei Weitem nicht so sexy und glamourös, wie die moderne Welt es gern hätte.

Ich klopfe und schiebe mich in das Zimmer.

Der beißende Geruch von Patchouli und Sex steigt mir in die Nase. Unwillkürlich unterdrücke ich das Ziehen meiner dämonischen Libido. Manchmal ist sie wirklich lästig.

Daniel liegt auf einem zerwühlten Bett und sieht mich abschätzig an. »Danke, meine werte Lady«, gurrt er. »Aber ich habe mich bereits genährt.«

»Ich bin nicht hier, um Blut zu spenden«, entgegne ich und lege mein »Hier-steht-ein-böser-Dämon«-Gesicht auf. Offenbar bin ich darin nicht sehr gut, denn er versteht nur Bahnhof.

»Was willst du dann, Weib?«

Jetzt verstehe ich, warum Gorgina mich so bereitwillig in ihr Nest gelassen hat. Der Typ gibt sich die größte Mühe, möglichst alle schlechten Vampirfilme zu kopieren. Das hätte ich auch anhand des Supernatural-Tattoos auf seiner Brust erkennen müssen. Ein Serienjunkie also. Großartig.

»Also, erstens bin ich kein Weib. Diesen Sexismus solltest du dir ganz schnell abgewöhnen, in der Hölle herrscht mehr Gleichberechtigung als hier«, zische ich knapp und verschränke die Arme vor meiner Brust.

Gorgina kichert hinter mir.

Irgendwie beruhigt es mich sie im Rücken zu haben. Obwohl Daniel alles andere als ein gefährliches Exemplar ist, könnte er mich trotzdem verletzen, wenn er es darauf anlegte. Ich bin etwas aus der Übung, wenn es darum geht zu kämpfen.

»Was?«

»Du hast mich schon verstanden«, murmle ich und blicke noch einmal auf meine Armbanduhr. Verdammt, ich habe nur noch zwanzig Minuten Zeit.

Daniel hat inzwischen gerafft, dass er in die Hölle fahren wird. In seinen dunklen Augen spiegelt sich grenzenlose Panik. Er springt vom Bett und gibt damit endgültig den Blick auf seinen nackten Körper frei. Wer auch immer behauptet hat, Vampire wären immer durchtrainierte Raubtiere, hat gelogen. Stattdessen sehe ich hier eine leichte Plauze und dürre Beinchen, von denen so viele Haare abstehen, dass die blasse Haut darunter kaum noch zu erkennen ist.

»Ich gebe meine Seele nicht kampflos auf, Dämon!«, ruft er aus und hebt theatralisch eine Faust in die Luft. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Gorgina ihre Schläfen massiert. Offenbar ist ihr diese Sache noch unangenehmer als mir selbst.

»Du hast sie schon verkauft, möchtest du wirklich den Leuten ans Bein pinkeln, die dich die nächsten Jahrhunderte foltern werden?«, frage ich schlecht gelaunt.

»Ich bin unsterblich!«, zischt Daniel und schüttelt sich das zu lange, fettige Haar aus dem Gesicht. »Ein Vampir!«

»Noch«, kommt es von Gorgina.

»Hör mal«, setze ich an und mache einen Schritt auf ihn zu, doch er weicht erschrocken zurück und stolpert dabei über seine eigene Unterhose. »Ich mache hier auch nur meinen Job und ich kann dir versichern: Ich habe da genauso wenig Lust drauf wie du. Aber du hast deine Seele nun einmal verkauft. Entweder ich nehme sie dir oder mein Boss kommt.«

»Der Teufel?«

»Viel schlimmer. Baal.«

Daniel zuckt zusammen. Gorgina schiebt sich an mir vorbei und marschiert auf den Feigling zu. Sekunden später hängt er in der Luft. Seine nackten Füße strampeln hilflos, während seine Händen versuchen sich aus dem Griff um seine Kehle zu befreien.

»Ich wusste gleich, dass du kein geborener Vampir bist«, zischt der Rotschopf grimmig. »Statt dich in meiner Familie willkommen zu heißen, hätte ich dich zerfleischen sollen. Aber ich war gütig, sogar gnädig. Und was tust du? Du benimmst dich jämmerlich, unwürdig. Ein echter Vampir zahlt immer seine Schulden.«

Damit stellt sie ihn wieder ab. Dass sie gut zwei Köpfe kleiner ist als er, ist völlig egal. Sie strahlt eine animalische Kraft aus, der man sich schlecht entziehen kann. Hilfe suchend blickt Daniel wieder mich an.

»Wir machen es kurz und schmerzlos«, verspreche ich und komme näher. »Es endet, wie es begann: mit einem Handschlag.«

Ich halte ihm meine Hand entgegen, doch er blickt sie nur an, als stimme irgendwas nicht mit ihr.

»Daniel«, zischt Gorgina ungeduldig. »Willst du wirklich, dass ich wütend werde?« Langsam schüttelt er den Kopf und dreht sich zu mir um.

»Ist es sehr schlimm da unten?«

Seine weinerlichen Augen sorgen dafür, dass mein verkümmertes dämonisches Gewissen sich meldet. Ich schlucke den Kloß hinunter, der sich gebildet hat, und versuche zu lächeln.

»Wenn du tust, was sie sagen, machen sie dich vielleicht zu einem Dämon«, sage ich und fühle mich gleich darauf noch schlechter. Es ist zwar keine Lüge, aber im Dienst der Hölle zu sein ist nicht viel besser, als in der Hölle zu schmoren.

Er blickt wieder Gorgina an und eine dicke Träne rollt über seine Wange. »Danke, dass du mich aufgenommen hast«, haucht er erstickt.

Sie winkt ab und weicht seinem Blick aus, sodass er sie kalt erwischt, als er seinen nackten Körper an sie drückt. Verzweifelt sieht die Vampirin mich an, während sie hilflos seiner Umarmung ausgeliefert ist.

»Es hat mir alles bedeutet ein echter Vampir zu sein …«, flennt er und schnieft laut. Überfordert tätschelt sie seine Schulter und schiebt ihn sachte von sich.

»Schon okay, du warst … ähm … nicht der schlechteste unserer Art.«

Es ist fast rührend, wie sie sich bemüht zu lügen.

Daniel strafft sich, wischt sich die Tränen von den Wangen und sieht mich an. »Ich bin bereit, die Hölle muss nicht länger auf mich warten!«

Da ich ihm immer noch meine Hand hinhalte, warte ich ab, bis er sie greift. Die heiße Energie seiner Seele lässt mich taumeln und mit einem Puff löst er sich in Staub auf.

Ich brauche einen Augenblick, um seine Seele in meinem Inneren zu speichern, und stütze mich an der schwarz bemalten Wand ab.

Gorgina niest dreimal und gibt einen gequälten Laut von sich. »Stauballergie«, erklärt sie und niest noch einmal, als ich sie fragend ansehe. »Willst du etwas trinken?«

2. Kapitel

Mit vollgepackten Tüten betrete ich meine Wohnung und schiebe mich mühsam in die Küche. Cosmo bewegt sich kaum in seinem Körbchen, sondern sieht mich nur missmutig an. Eigentlich sind Höllenhunde groß und angsteinflößend – meist Doggen, Rottweiler oder Wolfshunde. Cosmo wurde bestraft, nachdem ich meinen Pflichten wieder einmal nicht nachgekommen war. Nun steckt er im Körper eines Dackels. Und das passt ihm logischerweise gar nicht.

»Ich habe die Seele eingesammelt«, sage ich versöhnlich und räume das Gemüse in den Kühlschrank. »Und ich habe dir die Würstchen mit Käsefüllung mitgebracht, die du so magst …«

Seine braunen Augen verengen sich etwas und er rümpft die Schnauze, als wolle er sagen, dass die Würstchen ihm auch nicht über seine kurzen Beine hinweghelfen können. Dennoch erhebt er sich langsam aus seinem Körbchen und trottet auf mich zu. Ich reiche ihm ein Stück und er sieht mich solange beleidigt an, bis ich ihm noch ein zweites vor die kleinen Pfoten lege. Etwas besser gelaunt verzieht er sich mit seiner Beute unter den Tisch im Wohnzimmer. Immerhin brauche ich jetzt nur noch zwei Würstchen, um ihn etwas zu besänftigen – nicht ein halbes Schwein.

»Ticktack …«

Ich zucke heftig zusammen und fahre herum. »Zur Hölle! Hab ich dir nicht schon das letzte Mal gesagt, du sollst, verdammt noch mal, damit aufhören?«, zische ich Baal an und puste mir den Pony aus dem Gesicht. Darauf war ich nicht vorbereitet. Nun, zumindest nicht sofort. Ich habe Baal noch nicht gerufen, um die Seelen zu übernehmen, und wenn ich ehrlich bin, habe ich mich auf einen freien Abend mit Popcorn und Netflix gefreut.

»Ticktack, Mimi …«, sagt er mit einem ekelhaft süffisanten Grinsen auf den Lippen. »Der Monat ist fast um und ich habe noch immer keinen neuen Vertragsabschluss von dir.«

»Ich arbeite dran. Und immerhin habe ich die zwei fälligen Sünder eingesammelt.«

Cosmo gibt ein grantiges Wuffen von sich und ich versuche es charmant wegzulächeln. Mein Boss verengt die Augen und ich sehe, wie sie wolfsgleich leuchten. Er ist einer dieser wahnsinnig »freundlichen« Erzdämonen, einer der ältesten und mächtigsten – und natürlich auch das größte Arschloch von allen.

Obwohl ich nicht gerade klein bin, überragt er mich um mehr als einen Kopf. Er steht kerzengerade da und schiebt die Hände lässig in die Hosentaschen, ohne sich dabei die Mühe zu machen, seine Wut zu verbergen. Die blonden Haare sind an den Seiten kürzer geschoren, doch der Rest liegt in absoluter Perfektion auf seinem Kopf, als würde er Werbung für ein Anti-Schuppen-Shampoo machen. Niemand konnte von Natur aus so gut aussehen wie ein Prinz der Hölle. Ich wünschte nur, er würde mich nicht so anstarren. Das Gelb seiner Augen verrät das Höllenfeuer, in dem er geboren wurde. Die kleinen Falten um seine Augen werden tiefer, je länger er mich ansieht.

»Ich muss dich wohl nicht daran erinnern, was für dich auf dem Spiel steht«, knurrt er.

Ich bemühe mich meine Angst nicht zu zeigen. »Was willst du mir denn noch nehmen? Meine Seele?«

Er lacht. Ein bösartiges Lachen, das dafür sorgt, dass mir augenblicklich so kalt wird, als hätte mich jemand in Eiswasser getaucht.

»Witzig wie immer, die kleine Mimi.«

Langsam kommt er näher, während ich wie paralysiert in seine gelben Augen blicke und die Fledermäuse in meinen Gedärmen ignoriere. Sein Atem streift meine Haut und der metallische Geschmack von Blut steigt mir die Kehle hinauf.

»Du solltest deine Kräfte vielleicht lieber auf deine Aufgaben richten, statt sie für unsere kleinen Zankereien zu vergeuden. Dir ist hoffentlich klar, wie gern ich dich wieder in meinem Verließ hätte. Allein und ausgeliefert …«

»Zu blöd, dass diese Freude nicht auf Gegenseitigkeit beruht.«

Mit einem Ruck drückt er mich gegen den Kühlschrank. Ich wage es nicht ihn anzusehen, denn das Prickeln auf meiner Haut wird mit jeder Sekunde stärker. Keine Ahnung, warum ich so auf ihn reagiere. Ich befürchte, das ist dieser dämonische Trieb, die schlechtest möglichen Entscheidungen zu treffen.

Noch dazu ist dieser Teufel in Menschenkostüm unverschämt gut aussehend, in seinem überteuerten schwarzen Anzug und mit den hellen blonden Haaren. Ich erwische mich dabei, wie ich fast über sein stoppeliges Kinn gestrichen hätte. Mein Körper reagiert ganz unwillkürlich auf seinen, als sei es eine natürliche Reaktion von mir sich möglichst dumm zu verhalten. Sein Mund ist dicht vor meinem, doch er zögert und ich bin nicht sicher, ob das gut oder schlecht ist.

»Wie lauten die Regeln, Mimi?«

»Ich kenne die Regeln«, stoße ich gepresst hervor und habe Mühe, das Zittern in meinen Knien zu unterdrücken.

»Die wichtigste Regel?«

»Halte dich an deinen Vertrag«, hauche ich.

»Ja, Mimi. Halte dich an deinen Vertrag! Eine neue Seele alle sechs Monate. Das sollte selbst für dich zu schaffen sein.«

»Aber ich …«

»Halt die Klappe. Dein loses Mundwerk ist zugegeben einer der Gründe, warum ich nachsichtig mit dir bin. Aber nicht einmal ich kann die Regeln weiter ausreizen …«, knurrt er und packt mein Kinn. Die grobe Berührung macht mich ängstlich und hoffnungsvoll zugleich. Verdammt, wie ich dieses Dämonending hasse.

»Wenn ich schon einmal da bin, kann ich dir auch gleich die gesammelten Seelen abnehmen«, meint er leichthin und augenblicklich spüre ich den kalten Sog. Keuchend warte ich ab. Ich hasse dieses Gefühl. Es ist fast so schlimm wie eine Behandlung beim Zahnarzt.

So plötzlich, wie das kalte Brennen kam, als mir die Seelen herausgezogen wurden, verschwindet es auch wieder. Stöhnend drücke ich mich fester an den Kühlschrank. Die Wärme von Baals Haut auf meinem Gesicht macht mich fast wahnsinnig.

»Du musst wirklich bald einen neuen Vertrag vorlegen«, knurrt er und sieht mir fest in die Augen. »Ich maile dir die Adresse der Sünder, die du noch eintreiben musst. Schaffst du wenigstens das, oder kann ich mich auf ein neues Desaster vorbereiten?«

»Kein Grund zur Sorge«, bringe ich gepresst heraus, während er seine Hüften gegen meine drückt. Die Fledermäuse in meinen Eingeweiden schlagen so heftig mit den Flügeln, dass ich kurz denke, ich werde ohnmächtig. Mein Zittern ringt ihm ein Lächeln ab, doch das macht es für mich nicht einfacher. Seine freie Hand fährt über den Stoff meiner engen Jeans und ich habe Mühe, nicht leise zu wimmern.

Ich hasse mich selbst dafür, dass ich diese Affäre begonnen habe, und noch mehr dafür, dass ich sie nicht beende. Keine Ahnung, ob es Angst ist oder die gute alte Wollust. Baal spürt deutlich, wie ich meinen inneren Widerstand aufgebe, doch dieses Mal nutzt er das nicht zu seinem Vorteil.

Von einer Sekunde auf die andere lässt er von mir ab und macht einen Schritt zurück. In seinen gelben Augen kann ich keine eindeutige Emotion ausmachen. Er scheint heiß und kalt zur selben Zeit zu sein.

Verflixt noch eins! Ich will mir jetzt nicht wünschen, dass er mich über die Schultern wirft und ins Schlafzimmer trägt. Trotzdem bin ich kurz davor mich auf ihn zu stürzen. Mit pochendem Herzen starre ich ihn an und warte darauf, dass er endlich etwas sagt.

Cosmo gibt ein genervtes Schnauben von sich, das der Prinz der Hölle wie üblich ignoriert. Inzwischen haben meine Beine verstanden, dass sie meinem Kopf gehorchen sollen, und ich wage mich einen Schritt vor.

»Ich habe noch niemanden gefunden, der es verdient in der Hölle zu landen«, versuche ich zu erklären, doch er hebt eine Hand, um mich gleich wieder zum Schweigen zu bringen.

»Du bist Verkäufer, nicht Richter. Mach deinen Job, Mimi!«

Die Härte in seinen Augen lässt mich trotziger werden.

»Ja, aber …«

»Halt den Mund!«

Ich beiße mir auf die Zunge und schlucke einen Fluch hinunter. Vielleicht ist es Einbildung, aber ich glaube ein Flackern in den gelben Bernsteinaugen zu erkennen. Wagemutig mache ich noch einen Schritt weiter auf ihn zu. Er zeigt keine Reaktion, aber das kurze Zucken in seinen Fingern ist mir aufgefallen. Er will es genauso sehr wie ich.

»Du würdest mich nicht wieder in die Hölle schicken«, sage ich etwas milder und stehe jetzt so dicht vor ihm, dass ich den schwachen Geruch von Feuerholz wahrnehmen kann. »Dir wäre hier oben doch sicherlich teuflisch langweilig ohne mich …«

Bevor mir klar wird, was ich da eigentlich mache, ziehe ich ihn an seiner Krawatte zu mir. Seine warmen Lippen treffen heftig auf meine und ich drücke mich mit aller Kraft gegen ihn. Die Hitze zwischen uns scheint zu flimmern, doch ehe ich noch einen Schritt weitergehen kann, drückt er mich grob von sich.

»Erledige endlich deinen verdammten Job und bring jemanden dazu seine Seele zu verkaufen. Das kann doch nicht so schwer sein«, knurrt er auf eine Art, die ich schon seit Jahrzehnten nicht mehr gehört habe. Ein heißer Luftwirbel lässt meine Haare fliegen und sorgt dafür, dass die angesammelten Rechnungen von meiner Anrichte durch die Küche treiben.

Baal ist weg.

Ich kann den Angstschweiß auf meiner Haut förmlich riechen und stöhne laut auf.

Ich bin Mimi, ich bin ein Dämon, ein Seeleneintreiber, und ich habe noch sieben Tage Zeit, bis ich vielleicht selbst wieder in der Hölle lande.

3. Kapitel

»Du bist spät dran!«

»Was soll ich sagen? Die U-Bahn ist die Hölle …«

»Da kann dir niemand widersprechen.«

Tessa lächelt mich an und seufzt leise vor sich hin, während sie eine Flasche Bier öffnet und ich meine Sachen unter dem Tresen verstaue. Das Knistern ihres Rockes aus schwarzer Spitze ist ebenso vertraut wie der Geruch von Erde und Papier, der von ihrer dunklen Haut ausgeht. Der silberne Sichelmond um ihren Hals funkelt im schummerigen Licht. Das Fene ist wie immer voll. In jeder größeren Stadt gibt es neutrale Punkte. Schattenwesen neigen dazu, einander das Leben schwerzumachen. Doch im Fene ist jede Form des Blutvergießens verboten. Es ist ein Ort der Zuflucht für alle Wesen und bietet die himmlische Illusion von Frieden. Kein Himmel, keine Hölle, kein Buhlen um Seelen – nur Rauchschwaden und abgestandenes Bier. Mit der antiquierten Einrichtung, den wackligen Stühlen, den kaputten Lampenschirmen und den gut hundert Kerzen hat es etwas Gemütliches – nicht nur für die Spinnen, die sich zwischen den groben Querbalken an der Decke ein kleines Reich gebaut haben. Hier tummeln sich Menschen, Hexen und sämtliche Kinder der Nacht, um das zu tun, was sie verbindet: trinken!

Eine schmuddelige Bar wie jede andere, nur dass sich hier eben auch Dämonen, Vampire und Werwölfe auf ein Feierabendbier treffen. Tessa gehört bereits zur vierten Generation von Hexen, die das Fene führen. Anders als die meisten anderen ihrer Art, denen ich begegnet bin, ziert kein Zirkeltattoo die Haut auf ihrem Handgelenk. Obwohl sie einen guten Kopf kleiner ist als ich, gibt es kaum jemanden, den ich so sehr bewundere und fürchte zugleich. Sie mag unscheinbar aussehen mit ihrer dunklen Haut und den wilden Locken, die sich um ihr Gesicht kringeln, aber sie kann den härtesten Dämon mit einer Handbewegung in die Knie zwingen, wenn er die Regeln verletzt.

Dabei sind die Grenzen ziemlich eindeutig: kein Blut trinken, kein Blut vergießen.

Leider denken einige höllische Wesen, dass diese Gesetze nicht für sie gelten. Tessa wird oft unterschätzt, doch bisher hatte sie kein Problem damit jemanden vor die Tür zu setzen. Einer der vielen Gründe, warum ich sie mag. Kluge, starke Frauen sind auch in feministischen Zeiten noch eine ziemliche Mangelware.

»Lass mich raten, der Prinz der Hölle hat dir mal wieder einen nächtlichen Besuch abgestattet?«

»Sieht man mir meinen Ekel derartig an?«

»Ich würde mir wünschen, dass er mir mal einen Besuch abstattet«, entgegnet Tessa grinsend.

Ich zucke innerlich zusammen. Tatsächlich weiß niemand etwas von meiner unsittlichen Beziehung zu meinem Boss. Dr. Chestman war der Erste, mit dem ich darüber gesprochen habe, und ich bin sicher, dass er nichts mehr ausplaudern kann.

»Allein bei dem Gedanken wird mir schlecht«, sage ich und verziehe das Gesicht. Tessa lacht heiter. Auf eine verdrehte Art und Weise ist sie wohl das, was ich als Freundin bezeichnen würde. Nur bin ich mir durchaus im Klaren darüber, dass sie mich, wenn es sein muss, sofort verraten würde. Wir beide wissen das und deswegen mag ich es, mit ihr zusammenzuarbeiten. Wir sind ehrlich zueinander und geben nicht vor etwas zu sein, das wir nicht sind.

Ich schenke Getränke aus, betrachte die unterschiedlichen Arten der Unterwelt und die nichts ahnenden Menschen dazwischen. Die meisten von ihnen würden wahrscheinlich panisch flüchten, wenn nur die Hälfte der Gäste ihr wahres Gesicht zeigen würde. Ich entdecke Gorgina am Ende des Raumes und winke ihr zu. Sie hebt grinsend die Hand und zwinkert. Fast automatisch greife ich nach dem Martiniglas. Als Seelenfängerin bin ich vielleicht nicht sehr gut, aber als Barkeeperin großartig.

Ein Mann Mitte dreißig setzt sich an den Tresen. Er sieht abgekämpft und traurig aus. Sein hellblaues Hemd ist zerknittert und fleckig, als hätte er es seit Tagen nicht mehr gewechselt. Die unrasierten Wangen bilden einen deutlichen Kontrast zu den manikürten Fingern und der glänzenden Uhr an seinem Handgelenk. Die hellgrauen Augen liegen in dunklen Höhlen und der Geruch von Desinfektionsmittel haftet an ihm wie ein alter Fluch.

Ich bin mir nicht sicher, ob nur der dämonische Teil in mir sofort Alarm schlägt, wenn ein Mensch mit dem Tod in Berührung kommt, oder ob es an meiner Erfahrung als Bardame liegt. Ich greife nach dem guten Whisky und schenke ihm einen Doppelten ein, ohne auf seine Bestellung zu warten. Manche Dinge weiß ich bereits, bevor ich es selbst merke. Als würde die Gewissheit schon immer irgendwo in meinen Unterbewusstsein lauern.

»Woher wussten Sie das?«, fragt er mit belegter Stimme.

»Sie sehen aus, als hätten sie einen schlimmen Tag hinter sich.«

»Nicht einen, nein …«, sagt er und nippt an seinem Glas. »Den schlimmsten Tag meines Lebens.«

Als Bardame ist man oft nichts anderes als eine Psychologin mit unbegrenztem Alkoholvorrat. Vielleicht mag ich diesen Job deshalb so gern. Manchmal fühlt es sich so an, als könnte ich jemandem tatsächlich helfen. Aber ich erlebe auch den Kater am nächsten Morgen nicht.

»Wollen Sie darüber reden?«

»Was sollte das bringen? Solange Sie keine Toten wieder zum Leben erwecken können, ist diese Unterhaltung genauso sinnlos wie schmerzhaft.«

»Ihre Tochter?«

Er sieht mich etwas irritiert an. »Woher wissen Sie das?«

Ich lächle traurig. Wenn ich die Antwort kennen würde, könnte ich sie ihm sagen. Manchmal weiß ich Dinge, noch bevor andere sie greifen können. »Manches sieht man den Menschen einfach an. Es tut mir sehr leid für Sie.«

»Ja«, schnaubt er bitter. »Das tut es jedem …«

Er leert sein Glas und ich fülle nach, bevor ich ihn mit seinen düsteren Gedanken und dem Schmerz allein lasse. Tatsächlich könnte ich seine Tochter wieder ins Leben zurückholen, aber ich bin sicher, dass er den Preis dafür nicht zahlen will und kann. Die meisten Deals entstehen in genau den Momenten, wenn Schmerz und Verzweiflung am größten sind. Dämonen werden von Verzweiflung angezogen wie Ameisen von einer Cola.

Ich kämpfe gegen meinen Instinkt an und wende mich stattdessen Luc zu. Einem meiner Stammgäste. Die dunkelblonden Haare sind ordentlich zu einem Pferdeschwanz gebunden und stehen in einem seltsamen Kontrast zu den immer frisch rasierten Wangen. Er trinkt für gewöhnlich drei Bier, jault einen traurigen Karaoke-Song und verschwindet wieder. Das »jault« ist dabei wörtlich gemeint, denn Luc ist ein Werwolf.

»Eine ruhige Nacht heute«, sagt er und sieht mich mit einem deprimierten Lächeln an. Die braunen Augen spiegeln eine Mischung aus Einsamkeit und Treue, die mir an mein dämonisches Herz geht. Das Guns-N’-Roses-Shirt sitzt einen Tick zu locker, zeigt jedoch seine sehnigen Arme und seine Vorliebe für Rock-Kitsch.

»Kein Mond am Himmel?«

»Nein, nur die Sterne.«

Er grinst etwas breiter, was relativ selten vorkommt. Ich habe keine Ahnung, wie er zu einem Werwolf wurde, doch offenbar hasst er sein Schicksal und damit ist er bei mir goldrichtig. Ich habe ein Faible für Wesen, die ihr Schicksal verachten.

»Ich wünschte, es wäre immer so …«

»Mondlos?«

»Ja.«

»Ich könnte jetzt etwas furchtbar Aufmunterndes sagen. Oder ich erkläre dir, dass wir leider auf den Mond angewiesen sind. Oder ich lasse beides und gebe dir stattdessen noch ein Bier!«

»Nein, schon gut Mimi«, wehrt er ab und legt ein großzügiges Trinkgeld auf den Tresen. »Nicht heute Nacht. Ich will es genießen.«

Ich muss lächeln, während ich ihm beim Gehen zusehe. Es muss schön sein, immerhin eine Nacht des Friedens zu haben. Einmal nicht ständig gegen die inneren Instinkte ankämpfen zu müssen. Fast beneide ich ihn etwas. Doch dann fällt mir wieder ein, wie die Leichenspur aussieht, die ein Werwolf hinterlässt. Es ist gruselig, dass hinter einem so netten Menschen ein Monster aus den alten Märchen lauert, das seine Opfer ausweidet. Noch ein verlorenes Kind, das im Schatten sein Dasein fristet. Die höllische Welt ist nichts für schwache Seelen. Doch ich komme nicht dazu weiter darüber nachzudenken, sondern bringe Gorgina ihren Drink. Die meisten Gäste im Fene kenne ich bereits. Nur die Menschen wechseln immer mal wieder. Lächelnd laufe ich durch die Reihen von Tischen und sammle die leeren Flaschen und Gläser ein, bevor ich wieder hinter der Bar stehe.

Mein menschlicher Gast fordert einen neuen Drink. Ich sehe die Tränen in seinen Augen und stelle mich auf das Schlimmste ein. Es ist noch eine anderer Dämon hier und ich wette, dass er bereits einen Mustervertrag aufgesetzt hat. Ich kann die Absätze klacken hören, während die Höllenbrut mit entschlossenem Gang näher kommt.

»Sie war doch noch so jung«, schluchzt der arme Mann und bricht mir dabei fast mein geliehenes Herz.

»Was ist passiert?«, frage ich und blicke über seine Schulter, um zu erkennen, ob das Raubtier sich schon bereit gemacht macht.

»Ein Auto hat sie erwischt. Sie kam gerade von der Schule und ich musste …«

Seine Stimme versagt, während er sich den Tränen ergibt, und ich tätschle kurz seinen Arm. Ich würde in solchen Momenten gern so etwas sagen wie: Es ist Schicksal oder Vorsehung oder dient irgendeinem höheren Zweck. Doch das wäre alles gelogen. Solche »Schicksale« sind in Wirklichkeit nichts anderes als grausamer Zufall. Das Universum hat keinen Masterplan, es ist einfach nur da.

»Was würden Sie dazu sagen, wenn ich Ihnen Ihre Tochter wiedergeben könnte?«

Wie ein Flaschengeist erscheint Lamia neben dem armen Mann und setzt sich mit der Geschmeidigkeit einer Katze auf einen Barhocker. Ich beiße mir auf die Zunge und widerstehe dem Drang, ihr an die Gurgel zu gehen. Die Hölle hat viele Schrecklichkeiten hervorgebracht, doch dieses Miststück ist die Krönung der dunklen Schöpfung.

»Was reden Sie da?«

»Ich kann Ihnen das geben, was Sie sich am meisten wünschen. Ihre Tochter aus dem Reich der Toten zurückholen«, säuselt Lamia und kringelt ihr blondes Haar zwischen den Fingern, als würde sie einen Werbespot für Parship drehen. Ihre dunklen Augen glühen vor Vorfreude.

»Hören Sie, Lady, das ist wirklich alles andere als witzig …«

»Ich scherze nicht. Ihr Schmerz war greifbar, als Sie durch die Tür kamen«, flötet sie und beugt sich zu dem armen Mann. Ihre sirenenhafte Ausstrahlung wickelt ihn langsam, aber sicher ein. Er ist in das Netz einer Spinne geraten und die klebrigen Fäden werden ihn nicht so einfach wieder loslassen. »Ich kann Ihnen helfen, ich schenke Ihrer Tochter das Leben und …«

»Lamia, noch ein Wort und ich zerre dich an deinen gefärbten blonden Haaren aus dieser Bar!«, platzt es aus mir raus und ich funkle sie wütend an.

Sie wirft ihre Mähne zurück, ohne eine Miene zu verziehen.

»Halt dich aus meinen Angelegenheiten raus, kleine Kellnerin!«, faucht sie. »Wir anderen müssen unseren Job machen.«

Ich ignoriere sie und sehe dem Mann tief in die Augen. »Tun Sie das nicht«, sage ich mit so viel Nachdruck in der Stimme, wie ich kann. »Ihre Seele erscheint Ihnen vielleicht ein kleiner Preis zu sein, aber das ist sie nicht. Ihre Tochter ist tot und das tut mir schrecklich leid, aber bitte beschmutzen Sie ihr Ansehen nicht, indem Sie sich auf einen Deal einlassen.«

Sein Mund steht offen und er sieht mich an, als wäre ich gerade mit Scheren an den Händen aus einer Irrenanstalt gelaufen. Soll mir recht sein. Irritiert blickt er von mir zu der Blondine.

»Mimi, du gehst zu weit«, knurrt Lamia und ich kann ihren Zorn förmlich spüren, als würde sie ihn in Wellen durch die Luft schicken. »Er ist mein Kunde, also halt dich …«

Der Mann steht auf und augenblicklich schnaufe ich aus. Mir ist bis eben gar nicht aufgefallen, dass ich den Atem angehalten habe. Mit einem panischen Blick verlässt er die Bar. Ohne Geld dazulassen. Allerdings ist mir mein Trinkgeld im Moment ziemlich egal. Er hat seine Seele noch.

»Das zahl ich dir heim!« Lamia erhebt sich elegant und glättet das blutrote Kleid. »Ich bin sicher, Baal wird nicht begeistert darüber sein, dass du nicht nur deinen Job nicht erfüllst, sondern auch andere davon abhältst …«

»Bestell ihm einen schönen Gruß von mir«, rufe ich ihr nach. Auch wenn mich der Gedanke an den Erzdämonen in Wahrheit erzittern lässt. Er war schon bei unserer letzten Begegnung alles andere als gut drauf. Ich habe wenig Lust ihn in noch schlechterer Stimmung zu erleben – oder wieder einmal in mein Schlafzimmer zu lassen.

»Du solltest aufhören dich mit deinesgleichen anzulegen«, tadelt Tessa mich mit grimmigem Blick.

Manchmal vergesse ich, dass auch sie auf der dunklen Seite der Macht steht. Sie ist die einzige mir bekannte Hexe, die in keinem Zirkel ist. Ich war schon oft kurz davor sie zu fragen, wie es dazu kam, doch langsam habe ich Angst vor der Antwort.

»Ich … Es war nur …«

»Du bist ein Dämon, Mimi! Stell deinen Moralkodex mal hinten an, sonst zerrt Baal dich wieder zurück in die Hölle und ich muss mir eine neue Bardame suchen.« Sie deutet auf das noch halb volle Glas an der Bar. »Den Drink zahlst du!«

Ihr Blick duldet keinen Widerspruch. Ich schlucke mein Aber hinunter. Sie hat recht. Auch wenn ich es nicht hören will. Ich hätte mir seine Seele schnappen sollen, so, wie es Dämonen eben machen. Stattdessen habe ich mir noch mehr Probleme aufgeladen. Ich befinde mich in einem moralischen Dilemma, das es gar nicht geben dürfte. Ich wünsche mir, ich hätte mit Dr. Chestman darüber gesprochen.

Mich selbst bemitleidend kümmere ich mich um die schmutzigen Gläser. Immerhin bin ich bei dieser Arbeit gut. Das ist schon mal ein Anfang.

Plötzlich stößt Tessa mich an und nickt in Richtung Eingang. Ein Mann betritt die Kneipe und augenblicklich geht ein Raunen durch den Raum. Die Haare in meinem Nacken stellen sich auf und genauso scheint es auch allen anderen Wesen in der Bar zu gehen.

»Wer ist das?«, wispere ich.

Die Hexe bleibt dicht hinter mir und wendet ebenfalls nicht den Blick von dem Fremden ab. Er ist groß, dunkelblond und könnte mal wieder eine Rasur vertragen. Über seinem linken Auge sitzt eine gezackte Narbe, die nicht danach aussieht, als hätte ein Arzt seine Finger im Spiel gehabt. Die gelbliche Verfärbung unter seinem rechten Auge verrät, dass das Veilchen noch nicht ganz verheilt ist.

»Keine Ahnung«, haucht Tessa. »Aber ich vermute, er ist ein Jäger, und das bedeutet in der Regel Ärger …«

Der Fremde sieht sich um, als würde er nach einem bekannten Gesicht Ausschau halten. Einen Augenblick lang erwarte ich fast, dass er seine Jacke aufreißt und eine Weihwasserbombe zündet. Stattdessen kreuzen sich unsere Blicke und er steuert die Bar an. Na super, mein Tag scheint einfach nicht besser zu werden. Seine braunen Augen scheinen durch mich hindurchblicken zu können.

»Was kann ich dir bringen, Fremder?«, frage ich in der Hoffnung, meine leichte Panik verschleiern zu können. Sein Blick ruht auf mir, und etwas blitzt darin auf. Ohne Reue mustert er mich von oben bis unten, als würde er abschätzen, was sich hinter meinem menschlichen Körper verbirgt. Ich kann nicht sagen, woran es liegt, doch irgendwie habe ich ein seltsames Bauchgefühl, während ich in seine Augen blicke. Vielleicht habe ich ihn schon einmal gesehen. Ich hoffe sehr, dass ich noch nie Sex mit ihm hatte. Die dämonische Libido ist manchmal unberechenbar. Gerade wenn man frisch aus der Hölle entlassen wurde. Sein Blick ist jedoch zu aufmerksam, als dass er mich schon einmal nackt gesehen haben könnte. Zumindest nicht in diesem Körper.

Bisher bin ich in meinem recht langen dämonischen Leben erst zweimal einem Jäger begegnet und es hatte nie wirklich gut geendet. Die Hexenjagd von Salem war dagegen das reinste Vergnügen.

»Ein Bier.«

»Oh, der Klassiker.«

Tessa wirft mir einen eindeutigen Seitenblick zu. Sie ist nicht nur beunruhigt, sie muss sich davon abhalten den Jäger aus ihrer Bar zu schleudern. Seine Stimme klingt, als wäre er der Sänger einer drittklassigen Metal-Band. Die anderen Wesen sehen sich verunsichert um, manche verlassen das Fene. Ich kann es ihnen nicht verdenken, ich hätte nicht übel Lust, auch einfach abzuhauen. Allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass er nicht ahnt, dass ich auch ein Dämon bin. Ansonsten hätte er sicher schon seine Bibel gezückt und mich gezwungen Weihwasser zu gurgeln.