Devilish Beauty 2: Der Klang der Dunkelheit - Justine Pust - E-Book

Devilish Beauty 2: Der Klang der Dunkelheit E-Book

Justine Pust

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Beschreibung

**Wenn ein Engel in die Hölle hinabsteigt…** Eigentlich dachte Mimi, es könnte nicht mehr schlimmer kommen. Doch wie so oft hat das Schicksal eigene Pläne. Während sie mit dem gebrochenen Waffenstillstand zwischen Gut und Böse alle Hände voll zu tun hat, ist auch noch ihr höllisch heißer Chef Baal verschwunden. Einziger Lichtblick in dem Chaos scheint der Engel Darel zu sein, der ihr im Kampf gegen das drohende Ende der Welt beisteht – und ungewohnt himmlische Gefühle in Mimis dämonischem Herzen weckt… //Dies ist ein Roman aus dem Carlsen-Imprint Dark Diamonds. Jeder Roman ein Juwel.// //Alle Bände der höllisch-knisternden Reihe: -- Devilish Beauty 1: Das Flüstern der Hölle -- Devilish Beauty 2: Der Klang der Dunkelheit -- Devilish Beauty 3: Das Lied der Verdammnis -- Devilish Beauty: Sammelband der höllisch-knisternden Fantasy-Reihe Band 1-3//

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Dark Diamonds

Jeder Roman ein Juwel.

Das digitale Imprint »Dark Diamonds« ist ein E-Book-Label des Carlsen Verlags und publiziert New Adult Fantasy.

Wer nach einer hochwertig geschliffenen Geschichte voller dunkler Romantik sucht, ist bei uns genau richtig. Im Mittelpunkt unserer Romane stehen starke weibliche Heldinnen, die ihre Teenagerjahre bereits hinter sich gelassen haben, aber noch nicht ganz in ihrer Zukunft angekommen sind. Mit viel Gefühl, einer Prise Gefahr und einem Hauch von Sinnlichkeit entführen sie uns in die grenzenlosen Weiten fantastischer Welten – genau dorthin, wo man die Realität vollkommen vergisst und sich selbst wiederfindet.

Das Dark-Diamonds-Programm wurde vom Lektorat des erfolgreichen Carlsen-Labels Impress handverlesen und enthält nur wahre Juwelen der romantischen Fantasyliteratur für junge Erwachsene.

Justine Pust

Devilish Beauty 2: Der Klang der Dunkelheit

**Wenn ein Engel in die Hölle hinabsteigt …**Eigentlich dachte Mimi, es könnte nicht mehr schlimmer kommen. Doch wie so oft hat das Schicksal eigene Pläne. Während sie mit dem gebrochenen Waffenstillstand zwischen Gut und Böse alle Hände voll zu tun hat, ist auch noch ihr höllisch heißer Chef Baal verschwunden. Einziger Lichtblick in dem Chaos scheint der Engel Darel zu sein, der ihr im Kampf gegen das drohende Ende der Welt beisteht – und ungewohnt himmlische Gefühle in Mimis dämonischem Herzen weckt …

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Vita

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Danksagung

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© privat

Justine Pust ist ein typisches Küstenmädchen, tanzt am liebsten zu Songs aus den 80ern und verliert sich oft in mitreißenden Geschichten. Das Schreiben hat sie schon früh für sich entdeckt und teilt ihre Lesesucht begeistert auf ihrem Blog. Wenn sich die Autorin nicht gerade in Büchern verliert, arbeitet sie ehrenamtlich in einem sozialen Verein oder führt Hunde aus. Neben den blauen Haaren sind ihre düsteren Liebesgeschichten ihr Markenzeichen.

Dieses Buch ist für dich.

Lass uns zusammen den Weg aus der Hölle finden.

Prolog

Drake

Schmerz ist vielfältig und zerstörerisch. Er kann beißen, stechen, pulsieren, schießen, brennen, drücken oder wie ein alter Freund dumpf im Hintergrund warten, bis er in den unpassendsten Momenten aus seinem Schatten hervortritt. Er ist immer anders, immer neu und doch immer gleich. Jeder Schmerz ist subjektiv. Was der eine kaum ertragen kann, ist für den nächsten nicht mehr als ein leichtes Ziehen.

Drakes Schmerz war unerträglich.

Er schlug die Augen auf und erhob sich stöhnend, als wäre jede Bewegung eine unhaltbare Zerrung seiner Muskeln. Eine Hand fuhr automatisch durch sein strähniges, vom Schweiß verklebtes Haar. Müde leckte er sich über die trockenen Lippen, ehe er versuchte, den schlechten Geschmack mit Rum aus seiner Kehle zu spülen. Obwohl er angewidert das Gesicht verzog, nahm er sofort den nächsten Schluck und wischte sich anschließend mit dem Handrücken über den Mund. Das vertraute Brennen in seiner Kehle holte ihn langsam in die Realität zurück.

Es musste ein Traum gewesen sein. Ein wunderschöner, absurder Traum, der ihm erst Hoffnung geschenkt hatte, nur um sie ihm gleich wieder zu nehmen. Niemand lag neben ihm. Es war nur ein Traum gewesen, die Illusion von Glück.

Der Dachboden lag ruhig vor ihm. Es roch angenehm nach Büchern, Rum und Staub. Doch die gesamte Wohnung schien die Abwesenheit ihrer einstigen Bewohnerin auszuatmen. Im dämmrigen Morgenlicht erkannte er undeutlich die Konturen seiner Flaschensammlung neben dem Bett. Das sachte Pochen seines schlechten Gewissens ließ sich ebenso wenig ignorieren wie der Drang, sich einfach wieder hinzulegen. Oder die Flasche in seiner Hand komplett zu leeren.

Das Holz unter seinen Füßen knarzte, als er sich hochstemmte und mit wackeligen Schritten ins Badezimmer taumelte. In seinen Ohren rauschte es kurz, als wollte sein Kreislauf ihn daran erinnern, dass Alkohol kein Grundnahrungsmittel war.

Langsam stellte er die Flasche wieder ab und drehte den Wasserhahn voll auf. Einige Sekunden betrachtete er wehmütig sein Spiegelbild.

Jede seiner Falten schien in den letzten Wochen tiefer geworden zu sein. Es sah inzwischen aus, als hätte er ein ganzes Spinnennetz um die Augen. Seufzend wusch er sich das Gesicht und versuchte, bei seinem eigenen Anblick kein Mitleid zu empfinden. Sein Herz hämmerte von der Anstrengung des Aufstehens fast so sehr wie nach einem Marathonlauf. Nichts wollte er lieber tun, als sich wieder ins Bett zu legen, Aerosmith laut aufzudrehen und seinen Schmerz mit den letzten Resten des Rums zu betäuben, während er Tessas Geruch inhalierte.

Doch heute durfte er nicht. Heute hatte er etwas Wichtigeres zu tun, als sich in seinem Schmerz zu suhlen wie ein Schwein im Schlamm.

Heute musste er Jesus töten.

1. Kapitel

Mimi

Eine Woche zuvor

Ich weiß, dass ich träume. Aber ich will nicht aufwachen.

Meine Füße hängen im Wasser, während ich die Hände neben meinem Körper abgestützt habe. Das Floß treibt mitten im offenen Meer, die wärmende Sonne scheint mir ins Gesicht. Wüsste ich nicht, wie dieser Traum endet, würde ich mich glücklich schätzen.

»Ich weiß nicht, wie ich das ohne dich schaffen soll«, murmele ich und blicke Baal an. Er sitzt neben mir wie die dämonische Version von Tom Sawyer. Seine gelben Augen funkeln, während die Sonne das Salzwasser auf seiner Haut trocknet und kleine Krusten hinterlässt.

»Du hast keine Wahl«, entgegnet er ruhig, als hätte er meine Gedanken gelesen, und sieht mich an. Ich will nicht, dass das Tau unserer Beziehung beginnt auszufransen. Diese Entfernung umfasst so viel mehr als den unterschiedlichen Aufenthaltsort. Jeder Teil meiner Seele sehnt ihn sich herbei.

»Ich weiß nicht, was ich tun soll.«

»Du sollst die Welt retten.«

»Selbst in meinen Träumen benimmst du dich wie ein Arsch«, murmele ich und betrachte das spiegelglatte Meer. Die Stille ist unnatürlich, und doch kann ich nicht anders, als sie zu genießen. Es ist so friedlich, dass mein Herz blutet.

»Was willst du von mir hören, Mimi?«, fragt er ernst und fährt sich durch die blonden Haare.

Er wirkt so echt. Als wäre er mehr als nur ein Abbild meines schlechten Gewissens und meiner Sehnsucht nach ihm. Seine Augen spiegeln das letzte Licht der Sonne. »Ich bin nicht wirklich hier, eigentlich bin ich dort unten …«

»Und ertrinkst …«, hauche ich erstickt und schlucke die Schuldgefühle hinunter. Ich strecke eine Hand nach ihm aus und streiche ihm über die stoppelige Wange. Seine Haut ist so warm, so vertraut und so voller falscher Versprechen. Ich habe Mühe, mich nicht an ihn zu schmiegen. Diese nächtlichen Momente sind stets zu kurz, um sie durch meine wilden Triebe zu zerstören.

»Mimi …«

Ich schüttle den Kopf und schließe die Augen, um die Stille tief in mich aufzusaugen. Nichts regt sich mehr. Die Ruhe vor dem großen Sturm, den ich selbst ausgelöst habe. Meine Angst ist fast greifbar. Sie macht die Luft stickig, drückend. Mir steigen Tränen in die Augen, doch ich wische sie fort und betrachte den Prinzen der Hölle neben mir wieder. Hätte ich meine Seele noch, würde ich sie sofort für einen realen Moment mit ihm verkaufen.

»Es gibt Schlimmeres, als zu ertrinken«, meint er gewohnt gelassen.

»Sagst du das oder mein Unterbewusstsein?«

»Du bist die Expertin dieser Todesart.«

Ich nicke, offenbar bin ich nicht schlau genug, um mich selbst zu belügen. Baal zu opfern und zuzulassen, dass er sich ins Bermudadreieck stürzt, um seinen Vater aus dem magischen Gefängnis zu befreien, war die schwerste Entscheidung meines Lebens – doch das Schlimmste dabei ist, dass ich es wieder tun würde. Wir hatten keine Wahl. Entweder diese Welt oder wir.

Die Wärme der Sonne wird schwächer. Es geht zu schnell. Ich kann mich nicht von dem Wir lösen, auch wenn ich weiß, dass es unerreichbar ist. Baal greift nach meiner Hand und ich schließe die Augen, als könnte ich das Gefühl so länger festhalten. Es ist so real, so wirklich und so wunderschön, dass mich der bloße Gedanke an das Erwachen in ein tiefes Loch stürzt.

»Ich wünschte, ich müsste nicht wieder aufwachen …«

»Sag das nicht«, wehrt er ab und springt vom Floß. Seine nassen Haare glitzern im Licht der untergehenden Sonne, während er vor mir hertreibt. »Ich bin nur ein Traum.«

»Das ist mir also von dir geblieben? Ein paar Träume?«

»Nicht nur …«

Automatisch greift meine Hand nach der Phiole. Die lange silberne Kette fühlt sich vertraut zwischen meinen Fingern an. Blutrot wölbt sich der Himmel über dem verlassenen, trauernden Ozean. Die untergehende Sonne scheint sich in einem Meer aus Tränen und warmem Blut zu spiegeln und am Horizont, der sich wie eine unnatürlich gerade Trennlinie zwischen Himmel und Erde zieht, türmen sich die schwarzen Wolken. Ich seufze schwer. »Es beginnt wieder …«

»Wie jede Nacht, Mimi …«

Er taucht unter, doch das Glühen seiner Augen schimmert durch die dunkle Oberfläche des Wassers. Mächtig, bedrohlich und unheimlich schön.

Ich bin noch nicht bereit dafür, diesen Traum enden zu lassen. Stattdessen rutsche ich vom Floß. Das Wasser ist eiskalt, während es über mir zusammenschlägt. Das helle Blau verwandelt sich in eine undurchdringbare graue Masse. Das Salz brennt in meinen Augen und vernebelt einen Moment meine Sicht.

Doch dann erkenne ich die gelben Augen, die weiter hinab in die Tiefe gleiten. Baal streckt eine Hand nach mir aus, ganz so, als wollte er, dass ich zu ihm komme. Ich folge der stummen Aufforderung, doch so sehr ich mit den Beinen strample, ich bewege mich kaum vom Fleck.

Bis seine Augen von der Dunkelheit verschluckt werden.

Genau wie ich.

2. Kapitel

Ich erwache mit einem stummen Schrei auf den Lippen. Die Sonne ist noch nicht einmal aufgegangen. Cosmo schnarcht selig neben mir und regt sich nicht, als ich die Beine aus dem Bett schwinge. Mein T-Shirt klebt an meinem schweißnassen Körper und mein Herz hämmert noch immer heftig gegen meinen Brustkorb. Mein Wecker zeigt mir an, dass es gerade mal fünf Uhr morgens ist, doch ich weiß bereits, dass es nichts bringt, sich noch einmal hinzulegen.

Inzwischen habe ich eine gewisse Routine entwickelt. Die Albträume sind jede Nacht da und lassen mich in einer Schwebe aus Hoffnung und Angst zurück, nach der ich unmöglich wieder schlafen kann. Also stehe ich auf, greife nach meinem Morgenmantel und schlurfe mit schweren Schritten ins Wohnzimmer.

Der laufende Fernseher verkündet, dass ich dringend zehn Kilogramm abnehmen muss und das nur mit dieser DVD schaffe.

»Wieder geträumt?«, fragt der König der Hölle, ohne den Blick von dem Fernseher zu lösen.

Ich antworte Luzifer nicht, sondern gehe zum Kühlschrank in meiner offenen Küche und greife nach einem Wasser. Um ehrlich zu sein, bin ich mir nicht mehr sicher, wie genau es passieren konnte. Doch seit seiner Auferstehung hat sich der Big Boss der Hölle auf meinem Sofa eingenistet.

»Du siehst noch schlimmer aus als sonst, mein Kind«, flötet der Teufel fröhlich und blickt mich an.

Er hat meine babyblaue Kuscheldecke um die Hüften geschlungen und hält einen Becher mit Kakao und Marshmallows in den Händen. Beim Anblick seiner gelben Augen spüre ich den vertrauten Stich in meinem Herzen. Baal sieht ihm so ähnlich, dass es fast unheimlich ist. Eigentlich sollte es mich nicht sonderlich überraschen, doch ich hatte mir Luzifer immer mit roter Haut und Hörnern vorgestellt. Er wirkt auf grauenvolle Art normal, obwohl seine langen blonden Haare ihn aussehen lassen wie einen Hippie aus den Siebzigern. Sein unnatürlich schönes Gesicht wird von den großen Augen dominiert, die mich so schmerzlich an Bernstein erinnern … an Baal. In der Bibel heißt es, Luzifer war der schönste Engel von allen. Und leider kann ich dem nur zustimmen.

»Danke, ich wünsche dir auch einen guten Morgen«, entgegne ich und nippe an dem kalten Wasser. Ist es eigentlich verrückt, dass ich durstig werde, wenn ich vom Meer träume?

»Hat der König der Hölle nichts Besseres zu tun, als sich Dauerwerbesendungen anzusehen?«, frage ich und wische mir ein paar Strähnen aus der Stirn. Die Kälte des Winters kriecht langsam unter meinen Morgenmantel und lässt mich frösteln.

»Es ist faszinierend«, meint Luzifer und beugt sich nach vorn, als wollte er in den Fernseher hineinkriechen. »Seit 67 Minuten spricht diese Frau darüber, wie wichtig es ist, diese DVD zu kaufen …«

»Lass mich raten, du hast sie dir bereits bestellt?«

»Im Meer bin ich ein wenig eingerostet. Ich könnte etwas Training vertragen.«

Ich seufze tief und schüttle den Kopf.

»Dir ist schon klar, dass du kein Mensch bist?«

»Dennoch habe ich mich den Menschen schon immer näher gefühlt als den Engeln«, gibt er kryptisch zurück und sieht mich an.

Währenddessen spricht die hyperaktive Barbie im Fernsehen weiter: »Geben Sie sich selbst die Chance, das absolut Beste aus sich herauszuholen, und lassen Sie mich Ihnen dabei helfen …«

»Ich hoffe, dir ist bewusst, dass diese Dame Bulimie hat und ihre Brüste falsch sind«, brumme ich missgelaunt und setze mich zu ihm. Mit schief gelegtem Kopf betrachte ich die Frau mittleren Alters, deren Gesicht sich nicht zu bewegen scheint, obwohl sie so breit grinst, dass jeder Zahnarzt ohne Probleme seine Inspektion machen könnte.

»Dennoch glaubt jeder ihre Lügen«, antwortet Luzifer und grinst schief, was mir augenblicklich eine Gänsehaut über den Körper jagt. Von all meinen bisherigen Mitbewohnern ist der Gründer der Hölle der schlimmste.

Cosmo kommt gähnend angedackelt und stupst mich mit seiner feuchten Nase an.

»Sagte der König der Lügen …«, brumme ich und nehme noch einen großen Schluck von meinem Wasser, ehe ich den Dackel auf meinen Schoß hebe. Er schnarcht nach nicht einmal einer Minute weiter.

»Genau genommen kann ich nicht lügen, ich bin immer noch ein Engel.«

»Aber?«

»Ich bin verdammt gut darin, die Wahrheit nicht zu sagen.«

Es ist schwer, seinem eigentümlichen Charme nicht zu erliegen. Obwohl mir bewusst ist, dass ich es mit einem der mächtigsten Wesen zwischen Himmel und Hölle zu tun habe, bedaure ich ihn fast etwas. Er schläft auf meinem Sofa und verbringt die meiste Zeit damit, sich durch Werbesendungen ein Bild von der Menschheit zu machen. Nicht unbedingt die beste Therapie.

»Überlegst du deinen nächsten Schlag gegen die Menschheit zu unternehmen, indem du einen Fernsehsender übernimmst?«

Über sein schönes Gesicht huscht ein dunkler Schatten. Der Teufel streckt eine Hand nach meinem Höllenhund aus und streichelt ihm über den Kopf. Es ist fast niedlich und auch, wenn mir diese ungewöhnliche WG noch immer nicht gefällt, ist es schön, einen dauerhaften Hundesitter zu haben.

Cosmo drückt sich der Hand entgegen. Er hat sich schneller an Luzifer gewöhnt als ich.

»Die Menschheit braucht niemanden mehr, der sie verdirbt«, haucht der gefallene Engel in Richtung Fernseher, während das Bild wechselt. Er rückt von mir ab und richtet seine Aufmerksamkeit wieder vollständig auf den Bildschirm. Eine neue Dauerwerbesendung beginnt. Dieses Mal scheint ein allmächtiger Staubsauger im Fokus zu stehen.

»Wow, und ich dachte, ich hätte schlechte Laune.«

Er geht nicht weiter darauf ein. Anders bin ich es von ihm auch nicht gewöhnt. Er spricht nur, wenn ihm danach ist. Manchmal mehr mit Cosmo als mit mir.

»Vielleicht solltest du dich langsam aus meiner Wohnung herauswagen – oder zumindest das Sofa verlassen.«

»Willst du dem König der Hölle Vorschriften machen?«

»Wenn er meinen Kühlschrank plündert und meine Kreditkarte für den Erwerb von Schnickschnack aus Dauerwerbesendungen überzieht«, meine ich und deute auf den Stapel ungeöffneter Kartons neben meinem Sofa, »dann ja.«

Er verzieht mürrisch das Gesicht, sagt jedoch nichts, denn der dickliche Mann im Fernsehen ist gerade dabei, den Staubsauger vorzuführen.

»… haben Sie Probleme damit, Ihre Wohnung sauber zu halten? Steht der Besuch Ihrer Schwiegermutter an? Wir haben die Lösung für all Ihre Probleme! Dieses Gerät ist nicht nur ein einfacher Staubsauger, sondern …«

Wie ein kleiner Junge rückt der Teufel näher an den Bildschirm und murmelt dabei immer wieder vor sich hin: »Faszinierend, dieser Selbsthass.«

Ich kann es ihm nicht verdenken. Werbung scheint nur dafür geschaffen worden zu sein, allen Menschen ihre Unzulänglichkeiten auf die Nase zu binden. Zu dick, zu dünnes Haar, zu wenig Zeit für den Haushalt. Und jeder fällt auf das Versprechen herein, ein Stückchen mehr Perfektion zu erhalten – durch einen Staubsauger.

Eine ganze Weile hefte ich meinen Blick an den Werbespot und versuche zu verstehen, was Luzifer darin sieht. Der dickliche Mann mittleren Alters hat seine besten Jahre schon lange hinter sich, das Lächeln wirkt genauso erzwungen wie die auftoupierte Haarpracht, die von den kahlen Stellen am Hinterkopf ablenken soll. Die teigige Haut wirkt im grellen Scheinwerferlicht wie unfertiger Kuchen. Ich habe Mitleid mit dem armen Kerl, der voller Inbrunst versucht mir einen Staubsauger zu verkaufen. Doch etwas an ihm ist noch nicht gebrochen, da ist ein Funkeln in seinen Augen. Nur schwach und kaum der Rede wert – aber es ist da. Hoffentlich schafft er es, sich das Strahlen noch eine Weile zu bewahren.

Das plötzliche Klingeln an der Tür lässt mich zusammenzucken. Perplex blicke ich auf die Uhr.

Sieben Uhr morgens?

Wer, zur Hölle, wagt es, um diese Uhrzeit an meiner Tür zu klingeln? Fast erwarte ich einen betrunkenen Drake, oder Luc, der einen Werwolf-Notfall hat. Doch als ich die Tür aufreiße, stehen zwei junge Männer vor mir. Verwirrt wickle ich meinen Morgenmantel enger um meinen Körper, bevor sie noch etwas sehen, das sie verstören könnte. Zum Beispiel eine Frau, die nicht aussieht, als würde sie sich DVDs aus Dauerwerbesendungen kaufen. Einen Moment lang sagt niemand etwas, als müssten wir alle erst einmal abwarten, was diese Situation mit sich bringt. Mit schief gelegtem Kopf betrachte ich sie.

Ihre schlichten dunklen Anzüge sind nicht neu, aber sauber und eindeutig gebügelt. Das Lächeln in ihren Gesichtern ist echt, auch wenn es dafür sorgt, dass ich mich auf der Stelle übergeben will. Kein Schmuck, keine Uhr – dafür den absoluten Weltbestseller in der Hand.

»Guten Morgen, Gottes Gnade führt uns her«, sagt der eine.

»Verdammt, es ist noch nicht mal acht Uhr«, stöhne ich und fasse mir an die Schläfen. In meinen Gehirnwindungen beginnt es zu bollern wie bei einer alten Heizung.

»Gott ist zu jeder Tageszeit bei uns«, meint der andere und reicht mir einen Flyer, den ich aus Reflex ergreife. Die Kinder Gottes suchen offenbar nach neuen Mitgliedern – und das ausgerechnet in meiner höllischen WG. Ich kann nicht anders. Aus meinem Mund kommt ein ungläubiges Lachen. Hinter mir bewegt sich Luzifer, während ich noch dabei bin, mir eine Hand vor dem Mund zu halten, um mein Prusten zu unterdrücken.

Die beiden jungen Männer sehen sich verwirrt an.

»Wir sind hier, um Ihnen auf den rechten Pfad zu helfen. Lassen Sie den Heiligen Geist in Ihre Seele«, setzt der eine wieder an. »Gott vergibt den Sündern, er verhilft ihnen zu einem neuen Leben und …«

»Ach, tut Gott das?«

Luzifer steht neben mir. Er lehnt sich gegen die Tür und kneift die Augen zusammen, während er die beiden Missionare betrachtet. Er ist ein ganzes Stück größer als ich oder die Jungs, seine Haltung gleicht der einer Raubkatze. Auch wenn der Kakao in seiner Hand dieses Bild etwas abmildert.

»In den letzten zwei Jahrtausenden wurde Gott nicht einmal gesehen«, knurrt er finster.

»Gott zeigt sich nur den Auserwählten«, meint der andere deutlich verunsichert und umklammert seine Bibel fester. Ich kann den Angstschweiß riechen, der sich langsam auf seiner Haut bildet.

»Was denn nun? Liebt er all seine Kinder gleich oder macht er Unterschiede? Wer sind die ominösen Auserwählten? Oder spricht der alte Herr noch immer durch flammende Büsche?«, fragt Luzifer grimmig und macht einen Schritt vor.

Die beiden weichen zurück, als könnten sie die uralte Macht vor ihnen spüren. Mein Puls beschleunigt sich, aber ich schaffe es einfach nicht, etwas zu sagen. Der Teufel drückt mir die warme Tasse in die Hand und ich umklammere sie fest, als könnte sie mich davon abhalten, erneut in Gelächter auszubrechen. Diese Situation ist so absurd wie die Tatsache, dass Trump Präsident wurde.

»Gott spricht jeden Tag zu uns«, meint der Größere und hebt das Kinn, als wolle er trotzig wirken. In seinen Augen schimmert eine Hoffnung, die mir unter anderen Umständen imponiert hätte. »Der Heilige Geist ist überall, wir müssen nur zuhören.«

»Habt ihr euch mal zugehört?«

»Gottes Existenz ist …«

»… zur Hölle mit seiner Existenz«, schnaubt Luzifer und die beiden zucken zusammen. »Niemanden interessiert es, ob er real ist oder nicht. Seine Taten sind es, die zählen. Also, wo sind die Taten? Was hat Gott jemals getan, um seine Schöpfung zu erlösen?«

»Er schickte uns seinen Sohn, um uns von den Sünden …«

»Pah, immer lässt er seine Söhne bluten! Jesus lässt er ans Kreuz nageln und mich aus dem Paradies werfen. Schönen Gott habt ihr da.«

Seine Stimme ist immer lauter geworden. Der Kakao in meiner Hand ist plötzlich heißer, als würde er die magische Kraft des Höllenfeuers anziehen. Ich mache einen Schritt nach vorn, doch Luzifer achtet gar nicht auf mich.

»Gottes Wege …«

»… wage es, diesen Satz zu beenden, und ich werfe dich augenblicklich in die Hölle.« Luzifers Augen flammen auf.

Das Höllenfeuer ist kurz davor, die Kontrolle zu übernehmen. Meine Tasse fällt auf den Boden, als ich ihn packe, damit er sich nicht sofort auf die Jungs stürzt. Die beiden Missionare schreien, taumeln zurück und lassen ihre Flyer fallen. Luzifer blinzelt und sieht mich an, ehe er den Kopf schüttelt.

»Sie sprechen von Gott, aber ertragen den Anblick des Teufels nicht …«, knurrt er grimmig.

Wie aufgescheuchte Hühner laufen die zwei Jungs durch die Gänge, während ich mir vor Lachen wieder den Bauch halte.

3. Kapitel

Drake steht vor der Bar. Sanfte Rauchschwaden vermischen sich mit seinem Atem, der sich in der kalten Luft abzeichnet. Obwohl es schneit, scheint er nicht daran zu denken, seine Lederjacke zu schließen. Auf seinem grauen Shirt sind bereits einige der dicken weißen Flocken geschmolzen. Schon von Weitem erkenne ich die feine silberne Narbe um sein Handgelenk. Es tut mir noch immer leid, dass ich ihm aus Versehen die Hand abgeschlagen habe. Zum Glück wächst bei dem Unsterblichen fast jedes Körperteil nach, das meinten zumindest die Hexen.

Meine Gedanken verfinstern sich etwas, denn Tessa spukt in ihnen herum. Wir wissen noch immer nicht, was passiert ist und welcher Feigling ihr von hinten die Kehle aufgeschlitzt hat. Die Wut über den Verlust nagt noch immer an meiner Selbstbeherrschung. Doch trotz dieser Gedanken setze ich ein Lächeln auf.

»Du bist spät«, brummt der Jäger ohne wirkliche Emotion.

Ich habe mich noch nicht entschieden, ob ich den ständig weinenden oder den völlig gefühllosen Drake am gruseligsten finde. Cosmo wirft sich vor ihm in den Schnee und macht eine Rolle, doch auch das entlockt ihm kein Grinsen. Nicht mal als der Dackel plötzlich anschlägt und dann unbeholfen einer hellgrauen Taube hinterherbellt, als habe diese ihn durch ihre bloße Anwesenheit beleidigt.

»Mein höllischer Mitbewohner hat mich aufgehalten«, erkläre ich und zwinge mich weiterhin zu einem Lächeln, das hoffentlich nicht halb so mitleidig aussieht, wie es sich anfühlt. Die Tränensäcke unter seinen Augen zeigen, wie beschissen es ihm wirklich geht, also lüge ich munter drauflos: »Du siehst besser aus. Konntest du endlich etwas schlafen?«

»Du meinst, ohne die Hilfe von Alkohol und verschreibungspflichtigen Medikamenten?«, schnaubt er bitter und ich blicke betreten zu Boden. Offenbar bin ich eine schreckliche Lügnerin.

»Ich hab ständig das Gefühl, dass sie noch da ist …«, haucht er kaum hörbar. Sein Blick schweift in die Ferne, als würde er zwischen den Schneewehen etwas sehen, das mir verborgen bleibt. »Ich höre, wie sie nachts umherläuft oder wie sie sich darüber aufregt, dass ich den teuren Whiskey genommen habe, ohne sie zu fragen …«

Ich verziehe das Gesicht, als könnte ich seinen Schmerz fühlen. In gewisser Weise kann ich das auch. Unsere Herzen sind gebrochen und doch sollen wir kämpfen. Nicht einmal Shakespeare hätte ein solches Drama schreiben können.

»Es wird besser«, verspreche ich ihm und gleichzeitig mir selbst. »Irgendwann kommt der Tag, an dem du aufwachst und es ist einfacher.«

»Ich dachte, Luzifer hätte dir gezeigt, wie man anständig lügt«, brummt er ohne Humor und ohne mich anzusehen.

»Es hat sich herausgestellt, dass der König der Hölle nicht lügen kann.«

Er zieht eine Augenbraue nach oben. Doch viel mehr Beachtung schenkt er diesem höllischen fun fact nicht.

»Bist du für heute mit deinen Aufmunterungsversuchen am Ende?«, will er wissen und schnipst die Zigarette achtlos in den Schnee.

Cosmo gibt ein Bellen von sich, als wollte er dem Jäger widersprechen. Er setzt sich zu meinen Füßen. Offenbar ist die Taube ihm entkommen.

»Es wird besser«, beharre ich noch einmal und sehe ihm so fest in die Augen, dass er den Blick erwidern muss.

»Zu schade, dass ich meine Seele schon verkauft habe«, knurrt er in sich hinein. »Sonst hätte ich Tessa retten können …«

Ich schlinge die Arme um meinen Körper und schüttle den Kopf, als könnte ihn das umstimmen. »Ist der Rest schon da?«, lenke ich ab und reibe mir nervös über die Arme.

»Die nutzlosen Hexen haben mir meinen Schnaps geklaut und den Bann gegen die Engel erneuert«, antwortet er. »Unsere zwei Wolfsjungen sind auch da.«

Zustimmend nicke ich und lecke mir über die Lippen. Bisher konnte ich mich noch nicht daran gewöhnen, eine Anführerin zu sein. Baal hätte wesentlich besser in diese Rolle gepasst. »Lass uns reingehen. Du holst dir noch den Tod.«

»Schön wär’s …«

»Du weißt, wie ich das meine …«

Sein Widerwillen ist deutlich zu spüren, doch er lässt sich von mir in die Bar schieben. Seit Tessas Tod ist das Fene eine Geisterstadt. Selbst die Spinnen scheinen sich verzogen zu haben. Nur ihre Netze hängen noch voller Staub in den Ecken. Die Schnapsflaschen stehen ordentlich in Reih und Glied – wie beschlagene Glassoldaten in Habachtstellung im Kampf gegen den Verfall.

Kaya sieht mich mit einem matten Lächeln an und verschränkt die Arme vor der Brust. Ich nicke ihr kurz zu. Die Hexe ist nicht unbedingt für ihre Freundlichkeit bekannt, aber ohne sie wüssten wir noch weniger, was wir tun sollten. Bisher hatten die Ermittlungen ihres Ordens nichts gebracht, aber es war nett von ihr, es zumindest zu versuchen. Die Wahrscheinlichkeit, dass einer der Anhänger Jesu meine beste Freundin getötet hatte, wurde immer größer. Doch da ist etwas, das mich tief in meiner Seele kitzelte, als würde eine Ziege an meinen Füßen lecken. Etwas stimmt nicht. Tessa war zu stark gewesen, zu mächtig. Niemand hätte sie einfach so überwältigen können. Das ist es zumindest, was ich glauben will.

Luc ist der Einzige, der sich wirklich zu freuen scheint mich zu sehen. Er umarmt mich herzlich und wischt mir eine Schneeflocke aus dem Gesicht.

»Gut, dass du da bist«, meint er ehrlich.

Herschel steht dicht hinter ihm, begnügt sich aber damit, mir brüderlich die Schulter zu tätscheln. So richtig werde ich aus dem Werwolf noch nicht schlau. Ich habe es bisher auf die Tatsache geschoben, dass Alphatiere ihren Status nicht wahren, indem sie mit Freundlichkeit um sich werfen.

In der Mitte des Raumes haben die Jungs die Tische zusammengeschoben, sodass eine kleine Tafel entstanden ist. Ein schwarzer Kasten, der von fünf Kerzen umringt ist, zieht alle Augen auf sich. Ich schlucke bei dem Gedanken an den Inhalt.

»Wir müssen über deinen Engel reden«, meint die Hexenführerin plötzlich und sieht mich ernst an. Ihre schwarzen Haare umrahmen das perfekte Gesicht. Die milchige Haut sieht aus, als sei sie aus Mondlicht gesponnen. Doch ihre Lippen kräuseln sich, als hätte sie in eine Zitrone gebissen.

»Er ist nicht mein Engel.«

»Mein Zauber hält ihn fern.«

Ich runzle die Stirn. »Und können wir das irgendwie ändern?«, frage ich und lasse den schweren Wintermantel von meinen Schultern rutschen. Der Stoff hat sich inzwischen vollgesaugt. Welcher Idiot hat eigentlich dafür gesorgt, dass Wintermäntel aus Stoff bestehen, der jede Feuchtigkeit aufsaugt wie ein Tampon?

»Könnten wir.«

»Aber?«

Sie spitzt den Mund etwas, als wollte sie ihrem Widerwillen damit noch mehr Ausdruck verleihen. »Aber vielleicht sollten wir es nicht tun.«

Ich bin schlecht darin, meine Überraschung zu überspielen. Zum Glück lenkt mein Höllenhund geschickt von mir ab. Er rutscht auf einer Pfütze aus und knallt unsanft gegen einen Barhocker, der donnernd zu Boden fällt. Alle im Raum müssen kurz grinsen, selbst Drake. Der Jäger ist es auch, der den Dackel hochhebt und ihn mit einem Geschirrtuch trocken rubbelt. Immerhin scheint er innerlich noch nicht völlig tot zu sein. Leider hält diese Ablenkung nicht lange. Kaya sieht mich noch immer fragend an.

»Ich vertraue Darel«, sage ich also.

»Auch wenn er uns geholfen hat, dürfen wir nicht vergessen, dass ohne ihn der Waffenstillstand gar nicht gebrochen worden wäre«, gibt sie zu bedenken.

Leider kann ich ihr in diesem Punkt nicht widersprechen.

»Ich denke, das ist uns alles bewusst. Aber ich vertraue ihm dennoch.«

Das scheint der Hexe nicht zu reichen. Hinter ihren Augen beginnt es zu arbeiten. Ich will sie wirklich nicht zur Feindin haben, aber ich werde mich auch nicht ihrem Willen unterwerfen. Selbst wenn ihre Argumente nicht von der Hand zu weisen sind. »Wir müssen zumindest die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass er vielleicht nur zum Schein auf unserer Seite ist«, zischt sie etwas leiser und kommt näher.

Ihr Geruch steckt irgendwo zwischen Lilien und Meeresbrise, wie ein exotischer Raumerfrischer. Irgendwie künstlich und unecht, aber nicht so schlimm, dass man ihn in den Müll werfen muss.

»Wenn dem so wäre, hätte er wohl kaum dich und deine Hexen beschützt«, schnaubt Drake von der Bar aus und sieht mit einem wütenden Blick zu mir. »Mimi hat ihm aufgetragen dich zu beschützen, und das hat er getan, oder nicht?«

Kaya verschränkt abwehrend die Hände. »Ich sage nicht, dass er ein Verräter ist. Aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass er noch immer ein Engel ist. Er kann nicht ohne den Himmel existieren.«

»So wie ich nicht ohne die Hölle existieren kann – und trotzdem stehen wir hier«, gebe ich zurück. »Also sag mir, wie wir ihn von dem Bann ausschließen können.«

Die Hexe scheint nicht sonderlich begeistert über meinen Befehlston zu sein, aber sie zieht ein alt aussehendes Stück Papier aus den Taschen ihrer Kleides. Ich nehme es entgegen und betrachte die Zeichnung. Ein Kreis, um dessen Rand verschiedene Symbole tanzen. Ich erkenne nicht alle davon.

»Was ist das?«

»Das Symbol, mit dem ich den Bannkreis gezogen habe, als Anker habe ich dein Blut verwendet …«

»Ich bin mir nicht sicher, ob mir das gefällt.«

»Du musst es auf seinen Körper ritzen, am besten über dem Herz. Aktiviert wird es mit deinem Blut. Dann kann er genauso kommen und gehen wie wir anderen.«

Ich verkneife mir meine Bedenken und nicke.

»Gut. Ich kümmere mich gleich darum. Wann sind die Jäger hier?«

Drake hat inzwischen seinen Schnaps wiedergefunden und füllt sich ein Glas randvoll. »Müssen in einer Stunde da sein«, gibt er brummend von sich, ohne mich auch nur anzusehen.

Luc und ich tauschen besorgte Blicke, aber keiner von uns wagt es, etwas dagegen zu sagen. Ich kann es Drake nicht verdenken, dass er versucht seinen Schmerz zu ertränken. Wenn ich könnte, würde ich es genauso machen. Der Gedanke, einfach alles zu vergessen, ist verlockend, doch noch mehr will ich alles verstehen. Meine Erinnerungen sind noch immer wie ein tiefer Brunnen, aus dem ich nur mühsam einzelne Eimer an Licht befördern kann. Baal hat sich für diese Welt geopfert, für mich. Ich bin es ihm schuldig, meine Rolle zu spielen, selbst wenn ich daran zerbreche. Es war nie mein Bestreben, eine Anführerin zu sein, doch jetzt gibt es kein Zurück mehr. Mein Blick ist noch immer auf Drake gerichtet, als Luc eine Hand auf meine Schulter legt.

»Immerhin läuft nicht mehr Aerosmith auf Dauerschleife«, murmelt der Werwolf und stellt sich neben mich, während Kaya den nächsten Zauber vorbereitet.

»Ich wünschte, wir könnten etwas für ihn tun.«

»Das können wir. Wir werden Tessa rächen.«

Überrascht sehe ich ihn an. »Ich wusste gar nicht, dass du nach allem, was du erlebt hast, noch immer an die gute alte Rache glaubst.«

Lucs Gesichtszüge verhärten sich. Er hat seine gesamte Familie wegen eines abtrünnigen Rudels verloren. Die Jagd nach Menschen war schon vor Jahrhunderten verboten worden – doch seine Familie war zur falschen Zeit am falschen Ort. Vielleicht war es auch Schicksal. Ich bin nicht sicher, ob ich daran glauben will, dass der Schmerz jedes Einzelnen an ein höheres Ziel geknüpft ist. Doch eines ist sicher: Hätte Luc nicht versucht seine Familie zu rächen, wäre er jetzt kein Werwolf. Und damit auch kein Teil dieser Armee.

Ohne ihn wären wir verloren. Besonders jetzt ohne Tessa –unsere Superhexe.

»Ich bereue nicht, was ich damals getan habe«, erklärt er und sein Blick fliegt hinüber zu dem Alphawolf.

»Weil du dann jetzt nicht hier wärst?«

»Weil ich mich zu Tode gesoffen hätte, wenn ich kein Wolf geworden wäre«, meint er gedankenverloren und ich muss mir ein kleines Grinsen verkneifen. Mit schief gelegtem Kopf blicke ich von einem Werwolf zum anderen und sage: »Herschel ist nett …«

»Er ist ein Alpha«, entgegnet Luc mit einem Hauch von Bitterkeit. Zu gern hätte ich uns einen heißen Tee gekocht und diese Unterhaltung vertieft, aber ich sehe Kayas Zirkelschwestern, die einige Schüsseln mit stinkenden Tinkturen hereinbringen.

»Wir sind bereit«, sagt ein junges Mädchen und macht einen anmutigen Knicks vor ihrer Anführerin.

»Gut«, meint Kaya nickend. »Dann geht. Wir werden eure Kräfte noch brauchen …«

»Aber …«

Die Widerworte werden durch einen eindringlichen Blick gestoppt. Die Zirkelschwestern verschwinden, ohne auch nur ein weiteres Mal zu versuchen, Kaya zu überreden.

Das muss ich mir merken. Dieser Blick scheint wichtig zu sein, wenn man versucht eine Reihe von mächtigen Wesen in den Krieg zu führen.

»Es ist alles vorbereitet«, meint die Hexe und reibt sich die Hände aneinander, als wäre das alles ihr alleiniger Verdienst.

»Dann werde ich mich um unseren geflügelten Freund kümmern, bevor die Jäger kommen …«, murmle ich und schaue Luc an. Dieser reicht mir, ohne mit der Wimper zu zucken, einen kleinen Dolch. Die scharfen Kanten glitzern im Licht.

»Sei zärtlich zu unserem kleinen Vögelchen …«

4. Kapitel

Ich trete aus der Bar und bereue sofort, dass ich meine Jacke nicht doch wieder angezogen habe. Mit geschlossenen Augen schicke ich ein Stoßgebet zu Darel und hoffe, dass er mich hört. Die kalte Watte fällt noch immer in dicken Flocken vom Himmel. Ich strecke die Hand aus und betrachte, wie sie sofort verschwinden. Aus der Ferne höre ich das Echo eines Weihnachtsliedes und muss mir fast ein Grinsen verkneifen. Wäre die Welt nicht kurz davor unterzugehen, könnte man sich schon fast auf Weihnachten freuen. Die verwaisten Schneemänner an jeder Straßenecke und der Geruch nach Tannen und Lebkuchen haben zumindest einen gewissen Charme, dem ich mich nur schlecht entziehen kann. Ich seufze tief und reibe mir meine frierenden Hände aneinander. Meine Fußspuren im Schnee sind kaum noch zu erkennen. Fröstelnd schlinge ich die Arme um meinen Körper. Die Sonne kommt kaum gegen das dichte Grau des Himmels an.

»Darel, wo bleibst du?«

»Ich bin hier.«

Erschrocken drehe ich mich um und betrachte den Engel. Sein schwarzes Haar ist wie üblich zerzaust und Schneeflocken verfangen sich darin wie in einem Spinnennetz. Seine Krawatte ist unordentlich gebunden, das Hemd zerknittert und der schwarze Trenchcoat wird kaum die Kälte um ihn herum abwehren können.

»Warum hat das so lange gedauert?«, frage ich, um mich selbst daran zu erinnern, nicht zu tief in seine eisblauen Augen zu blicken.

»Michael ist noch immer auf der Suche nach mir.«

»Gut, dann sollten wir uns beeilen.«

Ich mache einen Schritt auf ihn zu und drücke ihm die Zeichnung von Kaya in die Hand.

»Was ist das?«, will er wissen und seine Frage dröhnt in meinem ganzen Körper.

Ich hasse mich selbst dafür, dass jedes seiner Worte in meinem Körper vibriert wie ein Schwarm Insekten. Vielleicht ist das der Preis dafür, dass ich mich ständig mit Wesen umgebe, die mächtiger sind als ich selbst.

»Die Hexen haben den Bannkreis gegen Engel erneuert, ich muss dir das Symbol auf die Brust ritzen …«, erkläre ich. Noch während ich das sage, beginne ich den Knoten seiner Krawatte zu lösen und die ersten Knöpfe seines Hemdes zu öffnen. Das Zittern meines Körpers hat nichts mehr mit der Kälte zu tun. Ich bin mir nicht sicher, welcher Teil von mir sich mehr zu ihm hingezogen fühlt: der Mensch oder der Dämon?

Mein Herz pumpt, als stünde es kurz vor dem Verhungern. Der Engel ist wie immer – ein eisiger Klotz, der mich ansieht. »Die Hexen trauen mir nicht«, schlussfolgert er.

Ich bin bei dem letzten Knopf angekommen und gebe mir Mühe, nicht zu sehr auf das fein definierte V seines Bauches zu achten. Meine dämonische Wollust brodelt zwischen meinen Beinen und vertreibt für einen kurzen Augenblick die Kälte. Es kostet mich meine gesamte Willenskraft nicht mit meinen Fingernägeln über die perfekte Haut zu kratzen.

»Kannst du es ihnen verdenken? Du bist ein Engel …«, antworte ich, ohne ihm in die Augen zu sehen, und betrachte stattdessen noch einmal das Bild. Bei dem bloßen Gedanken daran, die blasse Haut des Engels zu verletzen, beginnen meine Hände zu zittern.

»Ein Engel, der sich auf eure Seite gestellt hat – gegen Himmel und Hölle«, sagt er, als würde das jeden Zweifel einfach zur Seite wischen.

»Ein Engel, der dafür gesorgt hat, dass wir den Waffenstillstand brechen.«

»Ich musste es tun.«

»Warum?«

Er schweigt und seufzt leise.

Ich öffne das Hemd etwas und nehme wahr, wie er die Luft anhält, als meine Finger seine Haut streifen. Schluckend blicke ich ihn an. Unsere Blicke verfangen sich einen Moment und scheinen widerzuhallen, als könnten wir in den Kopf des anderen blicken. Kann es sein, dass er meine Lust spürt? Schlagen seine himmlischen Sensoren an und riechen meine Sündigkeit? Oder verrät mich die Art, wie ich ihn ansehe? Hungrig wie ein Wolf, auf der Suche nach etwas, das die Leere in meiner Brust verschwinden lässt.

»Das wird sicher wehtun, aber du musst stillhalten.«

»Engel fühlen keine … Ah!«

Er zuckt und wäre fast vor mir zurückgeschreckt. Der kleine Schnitt an seiner Brust beginnt sofort zu bluten und der Tropfen läuft wie in Zeitlupe über seine Haut. In dem tiefen Rot scheint sich ein Funken des göttlichen blauen Schimmers zu verstecken. Neugierig trete ich noch näher, bis ich bemerke, wie der Engel scharf die Luft einsaugt.

»Ich versuche zärtlicher zu sein«, verspreche ich mit einem hilflosen Lächeln und ziehe ihn an seinem Hemd wieder dichter zu mir. Der Geruch seiner stoppeligen, leicht nach Aftershave duftenden Wangen steigt mir in die Nase und ich bettle meine Instinkte an nicht darauf anzuspringen. Vorsichtig ritze ich den Kreis auf seine Brust. Er zuckt nicht mehr zusammen, doch ich kann deutlich sehen, wie er die Zähne aufeinanderpresst.

»Die Hexen werden noch sehen, dass sie dir vertrauen können«, sage ich, weil die Stille zwischen uns meine Gedanken zu laut werden lässt. Darel legt den Kopf leicht schief. Meine Kehle ist wie zugeschnürt, während mein Herz verbissen nach einer Leiter sucht, um aus meiner Brust zu entkommen.

»Du vertraust mir doch.«

Ich blicke zu ihm hoch. Seine Stimme fängt mich jedes Mal ein wie ein Netz. Das tiefe Dröhnen donnert durch meinen Körper wie die Kraft des Himmels selbst. Es ist widernatürlich, grotesk und wahrscheinlich mehr als nur im klassischen Sinne falsch, doch ich sage: »Ja, das tue ich.«

»Dann ist es egal, was die Hexen sagen. Wir folgen dir in diese Schlacht«, meint er kryptisch.

Ich lecke mir die Lippen, während ich den Dolch kurz absetze, meine andere Hand jedoch noch immer auf seiner Brust ruht. Die kühle Haut lässt meine Fingerspitzen prickeln.

»Eine Armee ist nur so stark wie ihr Zusammenhalt«, entgegne ich. »Wir müssen alle aufeinander vertrauen können.«

Einen Augenblick lang starren wir uns nur an.

Das Blau seiner Augen scheint über mir zusammenzuschlagen wie der Ozean. Tausende von Erinnerungen fluten meinen Kopf, doch keine davon lässt sich greifen. Es sind nur immer wieder diese Augen.

»Wirst du mir irgendwann erzählen, wie wir uns das erste Mal getroffen haben?«, frage ich und bereue es sofort wieder.

Ein kleiner Schatten des Zweifels scheint seine Gesichtszüge zu verdunkeln. »Wenn die Zeit reif ist, werde ich dir alle Fragen beantworten.«

Blut tropft in den Schnee und saugt sich in sein makelloses weißes Hemd. Ich schlucke schwer, immer noch unfähig meine Hand von seiner Haut zu lösen. Kann nur ich diese Spannung fühlen? Diese verdammte Elektrizität, die sich ungehemmt in meinen Venen ausbreitet?

Seine Gesichtszüge verraten mir nichts. Er sieht aus, als wäre er aus Stein gemacht, wenn nicht die schwarzen Haare im leichten Wind hin und her schwingen würden.

»Bist du fertig?«

Ich zucke zusammen und betrachte mein Werk kurz. Der blutige Kreis sitzt genau auf der Höhe des Herzens. Die magischen Runen sind ebenso angeordnet wie auf der Zeichnung der Hexe. Ich nicke. Niemand hat verlangt, dass es die gleiche präzise Schönheit hat. Immerhin habe ich mit einem Dolch gezeichnet und nicht mit einer Feder.

»Ja, jetzt fehlt nur noch mein Blut …«

Ich setze den Dolch an meiner Handfläche an, doch Darel hält mich davon ab. Er sagt kein Wort, sondern nimmt den Dolch an sich und umfasst meine Hand. Seine Fingerspitzen streifen fast schon zärtlich die Lebenslinie nach. Gespalten. Natürlich. Mehrfach. Genau wie meine Erinnerungen und meine Seele. Nichts in mir ist mehr vollständig und doch bekomme ich das Gefühl, es wieder werden zu können, wenn er nur lange genug meine Hand hält. Ich will gerade nach Luft schnappen, als der scharfe Schmerz mich zum Quieken bringt.

»Scheiße!« Für einen Moment glaube ich zu erkennen, dass der Engel grinst. Ich betrachte den blutigen Schnitt. »Warne mich das nächste Mal vor«, hauche ich mit schmerzverzerrtem Gesicht. Darel antwortet noch immer nicht, sondern zieht mich an sich und drückt meine blutende Hand auf seine Brust.

Augenblicklich wird es heiß. Der Schnee zu unseren Füßen beginnt zu tauen. Die Luft flimmert und lässt meine Haare fliegen. Das Prickeln in meinen Fingerspitzen wird stärker. Ich will mich schon von ihm losreißen, doch er drückt meine Hand weiter auf sein Herz, bis die Hitzewelle plötzlich versackt. Unsere Wunden haben sich geschlossen. Nur die roten Flecken im geschmolzenen Schnee sind Zeugen unseres Tuns.

5. Kapitel

Sobald wir in den Raum kommen, verstummen alle Gespräche. Erwartungsvolle Augenpaare starren mich an. Ich schlucke die Unsicherheit hinunter und hebe das Kinn etwas an. »Also, dann mal los«, sage ich, als wäre es ein Startsignal und ein SWAT-Team würde jeden Moment den Raum stürmen.

Kaya blickt den Engel skeptisch an, entzündet jedoch ohne zu murren alle Kerzen im Raum. Ihre kühle, aber respektvolle Art macht mir Angst. Ich kann deutlich sehen, wie mächtig ihre magische Aura ist. Wahrscheinlich könnte sie mich mit einem Wimpernschlag wieder in die Hölle schicken, wenn sie es wollte. Ich zweifle weder daran, dass sie für unsere Sache ist, noch dass ihre Kraft ausreicht. Aber ihr Misstrauen macht mir dennoch Sorgen.

Luc und Herschel schieben die Stühle von der improvisierten Tafel weg und stellen sich neben mich. Zwischen den beiden Wölfen fühle ich mich seltsam ruhig. Etwas wehmütig frage ich mich, ob ich schon einmal das Glück hatte, in einer großen Familie zu leben. Das Rudelgefüge der Werwölfe ist etwas, um das ich sie sehr beneide. Alle für einen, einer für alle. Solche Verbindungen gibt es unter Dämonen nicht, bei den Hexen ist das Einzige, was zählt, die Macht und diese zu behalten. Auch nicht gerade eine rosige Angelegenheit.

Kaya bezieht ihre Stellung am Tisch und legt eine Hand auf den schwarzen samtigen Stoff, der das große Gefäß verhüllt. Sie wartet auf meinen Befehl.

»Wir sind uns sicher, dass wir das tun sollten?«, fragt Drake, der noch immer Cosmo auf dem Arm hat und in der anderen Hand sein Schnapsglas hält.

»So sicher, wie wir in diesen Zeiten eben sein können«, gebe ich zurück.

Darel hält sich im Hintergrund. Er scheint die Ablehnung der Hexe zu spüren. Doch seine blauen Augen wandern immer wieder zu mir und machen mich nur noch nervöser. Unter seinem Blick beginnen meine Kopfschmerzen wieder stärker zu werden. Ich bin mir nicht sicher, ob er mich so genau beobachtet, um meine Führungsfähigkeiten unter die Lupe zu nehmen oder weil er einen Einblick in meine Gedanken hat. Ich kann noch immer seine kühle Haut unter meinen Fingern spüren.

Ich schlucke und nicke Kaya zu, die den Vorhang lüftet.

Beißender Gestank erfüllt von einer Sekunde auf die andere den Raum. Fäulnis, Moder und der süßliche Geruch des Todes schweben schwer in der Luft. Ich räuspere mich und versuche nicht das Gesicht zu verziehen.

Der erste Reiter der Apokalypse starrt mich an. Sein abgeschlagener Kopf hat eine Pfütze gebildet, die nur durch das Glas, in dem er steckt, davon abgehalten wird, sich in das dunkle Holz zu saugen. Seine eitrigen Beulen scheinen zu pulsieren. Die gelblichen Augen starren wütend und warnend zugleich.

»Ihr Unwürdigen!«

»Ein freundliches Hallo hätte genügt«, gebe ich zurück und verschränke die Arme vor der Brust. Erst jetzt wird mir bewusst, dass die Kälte des Winters auch das Fene erobert hat. »Wir können diese Situation auf zwei Arten klären: Entweder du sagst uns, wie wir dich oder wie wir deinen Boss töten können.«

Cosmo gibt ein bejahendes Bellen und Knurren von sich.

»Gottes Zorn wird euch vernichten«, schnaubt der Kopf der personifizierten Krankheit, wobei das Glas, in dem er steckt, beschlägt. Er spuckt im wahrsten Sinne des Wortes Gift und Galle.

»Wahrscheinlich, aber vorher werden wir noch Jesus ausschalten. Entweder du sagst uns, was wir wissen wollen, oder …«

Ich gebe der Hexe ein Handzeichen, woraufhin sie ihre Hand an das Glas legt. Die andere taucht sie in eine der Schalen auf dem Tisch. Obwohl jeder Muskel ihres Gesichtes den Ekel ausdrückt, den sie fühlt, zieht sie die Hand nicht weg. Das Glas wird heiß, dampft und beginnt sich rötlich zu verfärben.

Der Kopf des Reiters schreit laut auf und Kaya nimmt ihre Hand wieder fort.

»Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen … Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.«

»Danke, ich habe das Buch auch gelesen«, schnaube ich und trete näher an den Kopf heran. »Du kannst dir aussuchen, ob wir dich bis zum Untergang der Welt quälen oder ob du uns sagst, was wir wissen wollen.«

»Ich will euch daran erinnern, dass der Herr das Volk zwar ein für alle Mal aus dem Land gerettet hat, diejenigen aber, die ihm ein zweites Mal keinen Glauben geschenkt haben, der Vernichtung preisgegeben hat.«